Meine liebste Beethoven-Klaviersonate

  • Von den einen belächelt - von den anderen wegen ihres Unterhaltiungswertes (und nicht nur deswegen !!) geschätzt: Das sind unsere Ranking - und Votingsthreads. Leider scheinen hier die Ressourcen weitgehend ausgeschöpft -


    Aber nein - es gibt immer wieder was "Neues" - und oft ist die Idee zu einem Thread durch eigenartige "Erlebnisse" begründet.
    Heute im Laufe des Tages habe ich wieder mal eine (welche ist noch geheim) Beethoven-Sonate gehört, und zwar in einer Interpretation eines meiner Lieblingspianisten - Danach bin ich aufgesprungen und hab mir gedacht:" Die X-Sonate von Beethoven ist ja doch meine allerliebste !!"


    Und so entstand dieser Threadstart. Jeder Mitspieler soll uns seine liebste Beethoven Klaviersonate nennen, und vielleicht auch noch warum. Es mag viele Gründe geben, warum man ein Werk besonders liebt. Oft sind es Emotionen, die beim Hören ausgelöst werden - ein gewisses Kribbeln im Bauch - eine Gänsehaut - ein Gefühl der Freude, des Triumphes oder der Erhabenheit. Oder aber man verbindet - aus welchen Gründen immer - das Musikstück mit irgendeinem Ereignis.


    Man darf - so das wichtig ist - auch den Pianisten nennen, dessen Interpretation man stets im Ohr hat.


    Wers gar nicht aushält, der darf noch eine zweite Sonate nominieren - aber bitte in einem getrennten Beitrag


    Mein Statement dazu folgt wie immer - später..


    mit freundlichen Grüßen aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Mondschein - Claudio Arrau


    Es gibt auch einige andere Sonaten, die nicht so sprunghaft willkürlich zerfetzt auftreten wie z.B. das Hammerklavier, aber von all denen empfinde ich die Mondscheinsonate als die musikalischste, und zwar in allen drei Sätzen (wobei der mittlere ja wohl häufig als Blume dargestellt wird, die sich auf einem Bergrücken zwischen zwei tiefen Abgründen im Wind wiegt...)


    Die Interpretation von Claudio Arrau habe ich schon als Jugendlicher gehört (habe sie auch nur auf Schallplatte), und bisher ist mir noch keine bessere zu Ohren gekommen.

  • Meine liebste Sonate ist die Nr. 32 c-moll op. 111, und zwar wegen der unnachahmlichen Arietta, des, wie ich finde großartigen Variationensatzes, unnachahmlich gespielt von Swjatoslaw Richter, wobei ich bei einer Variation, der von mir so genannten "Boogie-Woogie"-Variation, immer die Interpretation von Alfredo Perl im Ohr habe, der diese Variation mitreißend gespielt hat.


    Liebe Grüße


    Willi :rolleyes:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Werte Leser,


    obwohl ich jetzt seit zwei Jahren intensiv die Sonaten höre, kann ich leinen Liebling nennen. Ich sehe alle Sonaten einfach zu sehr als Gesamtkunstwerk. Vielleicht hängt es ja auch zu sehr mit dem Interpreten und der persönlichen Sichtweise auf die Sonate zusammen. Es kristallisiert sich dann beim Hören eine Übereinstimmung zwischen dem Gehörten und der Vorstellung des Hörers heraus.


    Viele Grüße Thomas


    p.s. ich hoffe, das war nicht zu sehr vom Thema abweichend!

  • Es gibt hier schon einen alten Rankingthread (in dem immerhin 5 Favoriten erlaubt waren...)


    Die großartigste Klaviersonate (Punkt, nicht nur von Beethoven) ist unbestritten Nr. 29 B-Dur op.106.
    Aber meine liebste Beethovensonate ist, wenn ich spontan nur einen Favoriten nennen sollte, Nr. 30 E-Dur op.109. Ein ganz einzigartiger "quasi fantasia"-Satz zum Beginn, ein dichtes, mitreißendes Prestissimo, das eigentlich zu ernst und düster für ein Scherzo ist und der für mich schönste langsame Klaviervariationensatz als Abschluss. Er mag aufgrund seiner Buntheit nicht so eine tour de force sein wie die Arietta mit ihrer konsequenten Verkleinerung,. Rhythmus- und Registerexploration, aber schon das Thema finde ich viel schöner und mir gefällt auch die Unterschiedlichkeit der einzelnen Variationen.
    Das ganze Stück ist für mich ein schlagendes Beispiel gegen die angebliche Sperrigkeit des späten Beethoven.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

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  • Hallo Johannes,


    meine Güte, das gibt es doch nicht, als ich den Thread von Alfred las, kam mir auch als erstes Op.109 in den Sinn. Trotzdem habe ich ich mich für den Beitrag oben entschieden, weil das dort geschriebene mehr stimmt.


    Viele Grüße Thomas

  • Meine liebste Klaviersonate ist zweifellos die "Waldstein" Sonate. Schon der Beginn verursacht mir (im positiven Sinn) eine Gänsehaut. Der Wechsel von Cantabilität, Spritzigkeit und beharrlichem Rhythmus übt auf mich eine unerklärliche Faszinantion aus. Die perlenden Läufe und quasi darunter der grollende Baß - zum Vergehen.....
    Idealerweise bringt der Pianist auch noch das Instrument zum "Singen" - wie beispielsweise Paul Badura Skoda (auf Bösendorfer)
    Dann der zögerlich einsetzende zweite Satz - sehr zurückhaltend, stockend, leise, fast zum Erliegen kommend - wie die Ruhe vor dem Sturm.
    Betörend der Übergang zum dritten Satz, wo sich wie aus dem Nichts eines der (für mich) schönsten Themen Beethovens entwickelt, zuerst leise, dann anschwellend, dann an Tempo und Durchschlagskraft zulegend.
    ..und wieder beinahe versinkend, wobei das Thema sich stets wiederholt , aber immer wieder zurückgedrängt wird, bis es -zuerst ruhig, dann immer drängender und lauter die Oberhand gewinnt. Kraftvoll und Strahlend endet die Sonate...



    Die Beschreibung ist natürlich sehr subjektiv - zudem stark vereinfacht


    mit freundlichen Grüßen aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Die Waldstein-Sonate, lieber Alfred, war auch mal meine Lieblingssonate, vor allem, als ich sie durch Emil Gilels und Friedrich Gulda kennenglernt hatte, aber da ich von Gulda bereist Ende der 60er jahre eine Gesamtaufnahme erwarb, lernte ich auch die anderen Sonaten kennen (ich muss dazu sagen, dass ich mich zuerst auf die Waldsteinsonate stürzte, weil ich durch eine vorher gelesene Beethoven-Biografie (von Stephan Ley) von der Bedeutung Waldsteins für Beethoven erfahren hatte.
    Aber als ich dann Gilels Hammerklaviersonate hörte und später Guldas Interpretation der Nr. 32 und desgleichen von Wilhelm Kempff, verschoben sich die Vorlieben doch etwas. Auch die atemberaubende Gesamtleistung Alfred Brendels rückte das op. 110 und das op. 90 mehr in meinen Blickpunkt.
    Arrau und Richter brachten mir das op. 10 Nr. 3 näher und und.
    Aber op. 111 bleibt wohl übrig.


    Liebe Grüße


    Willi :rolleyes:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
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  • Eigentlich habe ich keine Lieblingssonate - ich tue mir generell schwer mit Lieblings-Irgendetwas - und gerade der Kosmos der Beethoven-Sonaten ist so weit gespannt, dass man eigentlich an jeder etwas Besonderes finden kann, das einen für sie einnimmt. Es gibt jedoch in diesem Fall eine Ausnahme, und die heißt Sonate Nr. 18, op.31/3 in der Interpretation von Friedrich Gulda (im Juli 1967 für Amadeo aufgenommen, jetzt eloquence). Der Grund ist der, dass dies für mich aus irgendeinem Grund eine ideale, eine vollkommene Aufnahme eines Werks darstellt, und davon gibt es insgesamt für mich nur ganz wenige. Wenn ich an Beethovens Klaviersonaten denke, fällt mir als erstes immer Guldas Opus 31/3 ein, sie ist die prima inter pares...


    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Die "Waldstein" ist interessanterweise ein Werk, das mich beim Kennenlernen erst einmal enttäuscht hat und eher ratlos zurückließ. Ich hatte zuallererst Pathetique/Mondschein/Appassionata kennengelernt. Ich weiß nicht mehr genau, ob ich schon CDs (da waren meine ersten "Sturm"/"Hammerklavier" und op.111) besaß, als ich als Teenager op.53 aus dem Radio mitgeschnitten habe. Jedenfalls haben mich op.106 und 111 spontan beeindruckt, auch wenn ich sicher nicht die Geduld aufbrachte, die langsamen Sätze (oder die Schlussfuge) halbwegs angemessen zu erfassen. Waldstein dagegen: trockenes Gehämmere, zuerst gar keine Melodie, dann bloß ziemlich banale. Wenig von der Dramatik der Pathetique oder Appassionata. Mit der Einleitung/langsamer Satz konnte ich zunächst auch nichts anfangen, im Finale gefiel mir das Thema, aber einige der Zwischenspiele haben mich auch stark verwirrt.


    Das hat einiges an Geduld und Hörerfahrung gebraucht und zu meinen Lieblingen gehört sie noch immer nicht wirklich. (Meine Favoriten unter den "mittleren" sind "Sturm" und "Les Adieux", sowie, wenn man sie schon in diese Phase zählt, die "Pastorale") Sie ist allerdings stetig in der Gunst gestiegen, während Pathetique und Appassionata ein wenig unter dem "Überhört"-Malus leiden dürften. Mit op.111 müsste ich mich vielleicht mal wieder ernsthafter befassen; die ist ebenfalls "gesunken" und ich ziehe inzwischen die andern "späten" vor.

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  • Daß das Adjektiv "liebste" so einige Probleme in sich birgt, wurde im vorliegenden Thread ja schon hinreichend thematisiert. Wir alle verändern und entwicklen uns über die Zeit (hoffentlich :pfeif: ) und verändern und entwicklen sich auch unsere Vorlieben. Was gestern noch das "liebste" gewesen ist, kann heute zwar noch geschätzt, aber vielleicht auch schon etwas relativiert gesehen werden ... Trotzdem schätze auch ich die "Waldstein"-Sonate sehr; und dies aus einem ganz bestimmten Grund:


    Sie kommt mir im ersten Satz immer vor, wie der erwachsen gewordene Bruder der Schubertschen "Wanderer"-Phantasie D760. Was dort noch ungestüm ausschreitend daherkommt, hat bei Beethoven nach dem ebenfalls rastlos pochenden Eingangsmotiv eine reifere Form erreicht.


    Leider verstehe ich zuwenig von Musiktheorie, um dies vielleicht besser begründen zu können, weshalb hier das rein gefühlte genügen muss :angel:

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Trotzdem schätze auch ich die "Waldstein"-Sonate sehr; und dies aus einem ganz bestimmten Grund:


    Sie kommt mir im ersten Satz immer vor, wie der erwachsen gewordene Bruder der Schubertschen "Wanderer"-Phantasie D760. Was dort noch ungestüm ausschreitend daherkommt, hat bei Beethoven nach dem ebenfalls rastlos pochenden Eingangsmotiv eine reifere Form erreicht.


    Waldsteinsonate: 1804
    Wandererfantasie: 1822


    Dennoch eine interessante Beobachtung. Für mich waren die Stücke allerdings immer sehr unterschiedlich (die sehr äußerliche Gemeinsamkeit ist, dass ich sie vermutlich beide etwas weniger mag als viele andere, nach ihrer außerordentlichen Beliebtheit zu urteilen... d.h. die Waldstein ist wohl nicht unter meinen 10 liebsten Beethovensonaten, die Wandererfantasie sicher nicht unter meinen Top 5 Schubertklavierwerken).
    Schwestern (oder Tante und Nichte) könnten dagegen Beethovens op.10,3 und Schuberts D 850 (beide D-Dur), jedenfalls in den Kopfsätzen sein.

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  • Eine Lieblings-Beethovensonate küren? Welch ungemein undankbare Aufgabe! Wahrscheinlich gäbe es weniger Sonaten, die dieses Etiketts meinem Geschmack nach unverdächtig wären als umgekehrt...


    Nichtsdestotrotz möchte ich hierunter

    Die großartigste Klaviersonate (Punkt, nicht nur von Beethoven) ist unbestritten Nr. 29 B-Dur op.106.

    ausdrücklich noch einen Punkt setzen!


    Müsste ich aber tatsächlich eine einzige Sonate zu meinem Liebling ernennen, so wäre es wahrscheinlich die Sturmsonate Nr. 17, op. 31/2. Das liegt zum einen daran, daß an ihr das erste Mal meine Liebe zu den Beethoven'schen Klaviersonaten entflammt ist, zum anderen an ihrem faszinierenden letzten Satz, der bei aller Schönheit - wenn 'richtig' interpretiert - ein im wahrsten Sinne des Wortes ungeheures Gefühl aufwühlender Unruhe vermittelt.

  • Bei mir ist es op. 106: Der Schwung des Kopfsatzes, die tiefe, verinnerlichte Trauer des Adagios und die Wucht der Fuge suchen ihresgleichen.
    Generell liegen mir die späten Sonaten weit mehr als die mittleren und frühen, weil sie überraschend und wild sind, andererseits aber dann auch wieder überaus poetisch, gütig und mild; in einem Moment unglaublich kompakt, teils lakonisch, im anderen dann wieder weitläufig und jeden schönen Moment bis zur Neige auskostend.


    Die einzigen früheren Sonaten, die ich nahezu ebenso schätze wie op. 101 und die Folgenden, sind "Sturm" und "Waldstein", und bei den ganz frühen habe ich immer den Eindruck, dass Haydn in seinen beiden großen, späten Sonaten das doch schon besser konnte.

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  • Generell liegen mir die späten Sonaten weit mehr als die mittleren und frühen, weil sie überraschend und wild sind, andererseits aber dann auch wieder überaus poetisch, gütig und mild; in einem Moment unglaublich kompakt, teils lakonisch, im anderen dann wieder weitläufig und jeden schönen Moment bis zur Neige auskostend.


    Gegen die späten Klaviersonaten ist beileibe nichts einzuwenden! Fast so gerne wie die Pastorale habe ich Op. 101, 109 und 110. Aber das "Poetische, Gute und Milde" finde ich eben in der Pastorale auf unübertroffene Weise verwirklicht. Allerdings habe ich bereits bei den frühen Sonaten den Eindruck, dass Beethoven einen ganz anderen Weg als Haydn einschlägt, z.B. in der Pathetique aber auch in Op. 10/3. Zu meinen absoluten Lieblingen gehört auch die Mondscheinsonate, allen Unkenrufen zum Trotz. Wie Beethoven es schafft, einen so berührenden, atmosphärischen Einleitungssatz zu komponieren, den selbst Leute spielen können, die nie Klavierunterricht hatten (so leicht ist der!!), grenzt an ein Wunder.

  • Gegen die späten Klaviersonaten ist beileibe nichts einzuwenden! Fast so gerne wie die Pastorale habe ich Op. 101, 109 und 110. Aber das "Poetische, Gute und Milde" finde ich eben in der Pastorale auf unübertroffene Weise verwirklicht. Allerdings habe ich bereits bei den frühen Sonaten den Eindruck, dass Beethoven einen ganz anderen Weg als Haydn einschlägt, z.B. in der Pathetique aber auch in Op. 10/3. Zu meinen absoluten Lieblingen gehört auch die Mondscheinsonate, allen Unkenrufen zum Trotz. Wie Beethoven es schafft, einen so berührenden, atmosphärischen Einleitungssatz zu komponieren, den selbst Leute spielen können, die nie Klavierunterricht hatten (so leicht ist der!!), grenzt an ein Wunder.


    Ja, auf jeden Fall ist zu der Zeit schon eine Menge von dem da, was die späten Sonaten so großartig macht! (Die Mondscheinsonate und Pathetique mag ich auch ganz gerne, die Pastorale gehört zu meinen Favoriten vonr op. 33.)


    Die Gegensätze allerdings in diesem Kontrast innerhalb eines einzelnen Werks, eines einzelnen Satzes aufeinander prallen zu lassen -- und das, ohne dass jemals der Eindruck entstehen würde, das Werk falle auseinander --, das ist neu in den Spätwerken; nicht nur in den Klaviersonaten, sondern auch im f-moll-Quartett und den beiden späten Cellosonaten, alles Werke, die ich ungemein mag.


    Mit den ganz frühen Sonaten meine ich die vor der Pathetique. Da sind auf jeden Fall auch sehr, sehr hörenswerte Werke dabei, aber ich finde, dass da Haydns C-Dur-Sonate nie in Bezug auf ihren Witz und ihre Energie und die Es-Dur-Sonate nie in Bezug auf ihre lyrische Weitläufigkeit erreicht wird, was zwei Eigenschaften sind, nach denen Beethoven in diesen Sonaten offensichtlich häufig strebt (auch Mozarts großartige F-Dur-Sonate KV 533 erreicht er m.E. noch nicht).

  • Vom Format und Ausdrucksspektrum halte ich einige der "großen" frühen Sonaten für weit beeindruckender als späten Haydn oder gar Mozart. Wo gäbe es dort ein solch brillant-konzertantes Stück wie op.2/3 oder langsame Sätze wie in op.7 oder op.10/3. Auch kleinere Werke finde ich eher origineller und eigenständiger als andere frühe Werke. Sie sind vielleicht nicht so balanciert und ausgefeilt wie Haydn und Mozart, manchmal sehr breitflächig, aber doch sehr schwungvoll und ausdrucksstark.

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  • Ich tendiere hier sehr stark zu Johannes' Auffassung. Prinzipiell geht Beethoven an seine frühen Klaviersonaten mit einer ganz anderen Absicht heran als Haydn und Mozart in deren Klavierwerken. Analog zu seinen Klaviertrios Op.1 scheint er das Genre der Klaviersonate stark aufwerten zu wollen. Haydn und Mozart schrieben ihre Sonaten und Trios anlassbezogen und nicht systematisch. Das tat Haydn nur bei den Streichquartetten und den Symphonien, und Mozart überhaupt nur ganz selten, wie in seinen "Haydn"-Quartetten. Die gesteigerte Bedeutung der frühen Klaviersonaten Beethovens ist schon durch die Wahl der Viersätzigkeit und der Herausgabe dieser ersten drei Sonaten als ein Sammelopus erkennbar - Beethoven will hier offenbar neuen Grund erschließen. Bereits bei Beethovens frühen Klaviersonaten fällt auf, dass er systematisch und exemplarisch vorgeht (Sammelopus!), was sich, wie Joahnnes richtig bemerkt, auch in der Vielgestaltigkeit der Mittel, die Beethoven anwendet, bemerkbar macht. Ich liebe Haydns späte (und auch frühere) Klaviersonaten innigst, aber was Beethoven in seinen frühen Werken an Ökonomie und Knappheit fehlt, macht er durch Vielgestaltigkeit der Mittel und Ausdruckstiefe wieder wett. Ich bin ein Riesenfan des frühen Beethovens!

  • Eine Lieblings-Beethovensonate küren? Welch ungemein undankbare Aufgabe!
    Müsste ich aber tatsächlich eine einzige Sonate zu meinem Liebling ernennen, so wäre es ...

    ... die Sonate Nr.2, op.27, cis- Moll "Sonata quasi una Fantasia", die sogenannte "Mondscheinsonate" und davon vor allem der 1. Satz.
    Es gibt kompositorisch garantiert größere und anspruchsvollere. Aber darum geht es hier ja nicht, es geht um die persönliche Lieblingssonate.


    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...

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  • Sagitt meint:


    obwohl gar kein Freund von rankings, eine ( die Qual der Auswahl) zu nominieren ( es wäre einfacher, ein paar auszusondern wie op 14 oder 22). Also eine: op 57


    und gleich drei Interpretationen:


    Richter 1953 in Moskau, live, wild, ein paar Patzer, aber hinreissend
    Say ebenso wild, keine Patzer, ganz schön rauh
    Gould, total verrückt, aber sicher paradox, er will Beethoven mit seiner Interpretation denunzieren, verwirklicht aber zugleich Erkenntnisse, die man ohne diese Interpretation nicht haben kann. In seiner Langsamkeit, 15 min. statt sonst 9 bis 10, werden Strukturen der Sonate offengelegt, die grosse Parallele zur Fünften, die sonst im virtuosen Rausch untergehen.

  • Vom Format und Ausdrucksspektrum halte ich einige der "großen" frühen Sonaten für weit beeindruckender als späten Haydn oder gar Mozart. Wo gäbe es dort ein solch brillant-konzertantes Stück wie op.2/3 oder langsame Sätze wie in op.7 oder op.10/3. Auch kleinere Werke finde ich eher origineller und eigenständiger als andere frühe Werke. Sie sind vielleicht nicht so balanciert und ausgefeilt wie Haydn und Mozart, manchmal sehr breitflächig, aber doch sehr schwungvoll und ausdrucksstark.


    Wo gibt es bei Beethovens frühen Sonaten einen so geistreich-witzigen Satz wie den ersten von Haydns C-Dur-Sonate (trotz so manchen Satzes, der das versucht), wo bekommt Beethoven einen Kontrapunkt hin wie im Kopfsatz von Mozarts F-Dur? ;) Ich denke, das ist alles eine Frage der Präferenz, und ich verstehe Felix und Dich auf jeden Fall, wenn Ihr Beethovens frühe Sonaten sehr hoch schätzt! Ich werde sie mir demnächst mal wieder aufmerksam anhören, gut möglich, dass ich sie unterschätze.


    Die langsamen Sätze von op. 2,2 und die von Dir genannten aus op. 7 und 10,3 finde ich am "beethovenschsten" ;) in diesen Werken, m.E. sind das die Sätze, die am deutlichsten auf Beethovens mittlere Werke vorausweisen, während er m.E. den Stil seiner lyrischen mittleren Werke (F-Dur-Quartett, Pastorale, Violinkonzert...) insbesondere in den Kopfsätzen noch nicht entwickelt hat.

  • Viel eher als Haydn und Mozart war wohl Clementi das Vorbild für Beethovens Klaviersonaten - auch nach Beethovens eigenen Aussagen. Ich denke daher nicht, dass er Mozarts oder gar Haydns Stil kopieren wollte. Clementi bewegt sich zwischen Haydn und Mozart: eindeutig pianistischer und virtuoser als Haydn aber sehr erpicht auf stringente thematische Arbeit. Falls du diese Werke noch nicht kennst, kann ich sie Dir wärmstens empfehlen (man darf sich natürlich nicht erwarten, dass Clementis Sonaten so toll sind wie beethovens, aber sehr gut sind viele von ihnen auf jeden Fall). Beethoven ging es in all seinen Frühwerken zunächst um Expansion der Form, nicht? Ich vermute daher, dass es Beethoven zunächst um eine Vertiefung des Ausdrucks denn um ein Wetteifern mit Mozart in Sachen Kontrapunktik ging. Außerdem wollte er die Klaviersonate und das Klaviertrio parallel zur Symphonie und dem Streichquartett als Experimentierfeld etablieren. Dass sich Beethoven weniger von seinen Frühwerken distanzierte als allgemeinhin angenommen zeigt schon, dass er sie in späteren Jahren für andere Instrumente setzte (z.B. das Klaviertrio Op1/3 für Streichquintett in 1816 oder so).

  • Dass Beethoven 1798 nicht genauso komponiert wie 1808 finde ich nun nicht so verwunderlich. ;)
    Es geht m.E. weniger um das Vergleichen einzelner Parameter, sondern um das Gewicht und den Gestus der Werke insgesamt. Sie sind unverkennbar Beethovensch und übertreffen, sei es auch nur "äußerlich", die Mozartschen und Haydnschen erheblich. Und natürlich spielt der junge Beethoven seine persönlichen Trümpfe aus, um sich von den Vorgängern abzuheben: Virtuose Brillanz, dramatische Emphase und romantische Tiefe in einigen langsamen Sätzen. Das ist m.E. auf keinem Gebiet so deutlich wie bei den Klaviersonaten (und den Klaviertrios op.1). Die erste Sinfonie und fast alles in op.18 ist demgegenüber "konservativ" und beinahe vorsichtig.
    Einige humorige Stücke wie die Ecksätze von op.10/2 mögen verglichen mit Haydn etwas plump wirken, aber dadurch wirken sie eigenständig und der Mittelsatz dieser Sonate klingt eher wie Brahms!
    Und einzelne Stücke sind was Ökonomie und motivische Geschlossenheit betrifft, auch nicht zu verachten, am berühmtesten natürlich der Kopfsatz der 1. Sonate. Ein Stück wie op.10/3 mit seinen motivischen Beziehungen zwischen den Ecksätzen und einer übergreifenden "Dramaturgie" (irgendwo las ich mal, dass mit dem 3. Satz nach dem düsteren largo sozusagen "die Sonne aufgeht") ist völlig zu Recht ähnlich berühmt wie die mittleren und späten Sonaten.

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  • Mit Beethovens Klaviersonaten bin ich so vertraut und schätze sie in ihrer unerschöpflichen Vielgestaltigkeit, weswegen es mir eigentlich schwer fällt, da irgendeine auszuzeichnen. Aber man hat seine Vorlieben - die sind natürlich auch biographisch bedingt. Die zentrale Bedeutung von op. 111 und der - weniger bekannten - Sonate Nr. 4 op. 7 geht bei mir sicher auf das Konto von Benedetti Michelangeli, durch den ich diese Sonaten besonders lieben gelernt habe. Besonders mag ich auch die Waldstein-Sonate op. 53 - das immer schon seit meiner Jugend. Auch die Sonate op. 2 Nr. 3 gehört bei mir ganz nach oben, was die Beliebtheit angeht. :hello:


    Schöne Grüße
    Holger

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  • Auch mir fällt es schwer, eine Lieblingssonate zu benennen.


    Viel zu gerne wandere ich in den Sonaten hin und her, genieße die Vielfalt der Musik. Erst letztens habe ich mich vom gesamten Op.31 hinreißen lassen, einfach in die Musik absinken, abschalten, wegdriften, genießen.


    Op. 106 ist sicher einer meiner Favoriten, gleich mit Op.111.


    Man kann für solche Musik nur auf die Knie fallen und danken...

  • Eine Lieblingssonate zu nennen, bereitet mir einige Probleme. Ich wage es dennoch und nenne die Waldsteinsonate. Dabei kann ich nicht verschweigen, dass mich die ganz anders gearteten Sonaten Pathétique und Appassionata ähnlich stark ansprechen.



    LG,
    Portator

  • Einige humorige Stücke wie die Ecksätze von op.10/2 mögen verglichen mit Haydn etwas plump wirken, aber dadurch wirken sie eigenständig und der Mittelsatz dieser Sonate klingt eher wie Brahms!


    Ich habe mir diese Sonate heute Morgen wieder einmal angehört (ich liebe sie schon lange) und war wieder ganz begeistert. Der frühe Beethoven ist noch nicht so vergeistigt wie Haydn oder der späte Beethoven, aber von beeindruckender Vitalität. Für mich jedenfalls ist die F-Dur Sonate aus Op.10 ein Meisterwerk der Vitalität. Auf derselben CD (Buchbinder) ist die vierte Sonate, welche keineswegs auf Haydn zurück- sondern weit in die Zukunft vorverweist. Der Kopfsatz hat für mich etwas vom Idiom der Hammerklaviersonate. Ein kurioses Meisterwerk, das in der allgemeinen Wahrnehmung weit unter seinem Werk geschlagen wird.

  • Ich würde mich hier ohne Zögern für die Hammerklaviersonate entscheiden. Dabei bedeutet Lieblingssonate nicht, daß man sie lieber hört als andere, es bedeutet eher, daß man auf sie nicht verzichten kann und lieber auf alle anderen zusammen verzichten würde, wenn das nicht anders ginge. Meine Lieblingsaufnahme ist eine Live-Aufnahme von Tatjana Nikolajewa, die nicht ganz einfach im Handel zu finden ist, ich kenne keine andere Aufnahme, die das Adagio so zwingend aufrichtig erleben lässt - während ich bei anderen Interpreten (z.B. Schiff oder Gulda) im Kopfsatz und auch in der Fuge neue und interessante Spielarten finden kann, ist mir das Adagio - leider - bei allen anderen Interpreten irgendwie nicht ohne Bedauern zu hören. Auf eine einzelne Aufnahme fixiert zu sein, wird nicht der Vielschichtigkeit und Breite eines Werkes gerecht. Manchmal wird man eben durch eine Hörgewohnheit so konditioniert, dass man sogar das Hineinhusten an einer bestimmten Stelle in einer anderen Aufnahme vermisst. Bei der Liveaufnahme der Beethovensonate sind solche Hintergrundgeräusche wahrnehmbar, vielleicht würde das für manchen störend sein.

    Ich bin ein Konservativer, ich erhalte den Fortschritt.


    Arnold Schönberg