Die solistische Besetzung ist wohl für eine spezielle Aufführung des 4.? Konzerts historisch nachweisbar, aber sie war weder der Normalfall noch spricht etwas dafür, dass sie als ideal gesehen wurde.
Klavierkonzerte sind ein spezielles Feld.
Aber bei Sinfonien war die Besetzungsstärke meinem Eindruck nach hauptsächlich eine Geld- und Organisationsfrage. Wenn genügend Mittel vorhanden waren, wurden die Orchester groß besetzt, allerdings mit (für die Tutti) verdoppelten oder gar verdreifachten Holzbläsern. So etwa das Pariser Orchester, für das Haydns gleichnamige Sinfonien gedacht waren. Wenn wenig Geld oder im Falle der halbprivaten Eroica-Aufführung mit nur knapp 30 Musikern, gab es eben kleinere Orchester.
Meines Wissens hat Hogwood in seinen Sinfonienaufnahmen versucht, die Uraufführungsbesetzungsstärke herzustellen, jedenfalls wird diese erheblich variiert, mit einem sehr großen Orchester bei der 9.
Die Frage, wie es nun damals eigentlich wirklich klang, ist trotz aller Informationen zur Aufführungspraxis nicht zweifelsfrei zu klären; weil eben auch damals die Zusammensetzung je nach Lage der Verhältnisse rochierte. Selbst wenn wir zehn Tonaufnahmen von um 1800 hätten, bin ich sicher, jede klänge anders.
Was die Frage der "Sentimentalität" betrifft: Ich glaube, dass es hier eine Tendenz gibt, das Kinde mit dem Bade auszuschütten und in teils berechtigter Opposition zu bestimmten Interpretationshaltungen stattdessen in minimalistische Besetzung und möglichst nüchternen Interpretationen eine Art "Neoklassizismus" zu praktizieren. Ohne Frage galt Beethoven in seiner Zeit als tief rührende emotionale Musik und ein Stück wie der Mittelsatz des C-Dur-Konzerts ist ohne Zweifel ein ziemlich "romantisches" Stück für 1798.
Das ist der Punkt und daher halte ich die hier in Rede stehende Aufnahme für genauso übetrieben in ihrem Minimalismus, wie man früher das Klavierkonzert extrovertiert zu einem monumentalen Orchesterstück mit monolithischem Klavier gemacht hat. Die Wahrheit liegt wie immer in der Mitte und ich denke, hier im Thread hat man mittlerweile ein halbes Dutzend Aufnahmen genannt, mit denen man sehr gut leben kann: Gould, Gilels, Vogt, Brendel; dazu "Geheimtipps" wie Wührer oder Backhaus; dann natürlich die HIPen Sachen. Schon erstaunlich, wie man sich an einem im Grunde gar nicht mal so berühmten Konzert abarbeiten kann - aber mir persönlich gefällt es schon immer besser als 3-5 ...