Heinrich Schütz: Musikalische Exequien

  • Die Musikalischen Exequien gehören zu den mir liebsten Stücken der Musikgeschichte überhaupt. Ich kenne sie in- und auswendig, im Wald singe ich schon mal eine Bassarie vor mich hin. Ich habe sie oft gesungen, sowohl im ersten wie im zweiten Tenor und mit meinen Kollegen sogar die Solostücke. Einige Bemerkungen: ...

    Das geht mir genauso! Wenn ich mit meinen Schäferhunden im Wald wandere, singe ich (natürlich völlig unbegabt, sonst nur im Chor der Schlachtenbummler beim FC Carl Zeiss Jena) den ganzen ersten Teil vor mich hin und da staunen eventuelle Spaziergänger nicht schlecht! :) In meinem derzeitigen Ranking rangieren die Exequien nur knapp hinter den Goldbergvariationen (Bach-Gould, 81er Aufnahme) und noch vor Bruckners Neunter und dem Parsifal-Vorspiel!



    Zitat

    Wir haben die Exequien immer ohne fremde Solisten gesungen, nur mit eigenen Kräften. Das gibt dem Werk die Geschlossenheit, die es braucht.

    Diese Erfahrung fehlt mir natürlich!



    Zitat

    Ich kenne nicht alle Aufnahmen, die hier vorgestellt werden, finde aber, dass die alte Ehmann - Aufnahme zu schlecht wegkommt. Sie ist überholt, aber sie hat etwas, was der Aufnahme der Weserrenaissance völlig abgeht: venezianische Pracht, die vor allem im 2. Teil, dem Doppelchor, unbedingt nötig ist. Schütz war Monteverdi - Schüler, das muss man hören!

    Ich halte Ehmann nicht für schlecht, aber ich weiß nicht, ob die erwähnte Pracht, ob opernhaftes oder einfach nur weltliches Gehabe zur Musik passen? Monteverdischüler hin oder her - woher Schütz ausbildungsmäßig kommt, hört man doch überdeutlich in den Madrigalen und überhaupt den frühen Werken; aber er hat sich weiterentwickelt, sonst wäre er nicht der Schütz, den wir kennen und lieben: wortfixiert, die Musik als Dienerin, streng und einfach, ernst und fromm, wahrhaft glaubend und tröstend, fern von Pomp und frei von Welt. Es ist im Gegenteil das Fehlen venezianischer Pracht, was mich anzieht! Wenn ich die will, höre ich Gabrieli, den ich sehr mag und von dem ich viel besitze. Aber möglicherweise täusche ich mich auch und sitze einer reinen Projektion auf?!



    Zitat

    Ich kenne die Mauersberger - Aufnahme nicht, aber die Stimmen von Schreier und Polster, von denen ich mir Schütz - Gesang nicht gut vorstellen kann. Meinem Ideal kommen Herreweghe und Howard Arman am
    nächsten.

    Ich will jetzt nicht beckmessern, aber wenn man nur drei Aufnahmen der Exequien besäße, sollte die von Mauersberger unbedingt dabeisein und das nicht nur wegen des mitteldeutschen Kontextes! Schreier wirkt bei Bach, warum sollte er nicht bei Schütz wirken? Oder lehnst du ihn als Evangelisten auch ab?

  • wie schon oben geschrieben teile ich Yoricks Präferenz für die Mauersberger- Aufnahme. Ich habe insgesamt 6 einspielungen des Werkes. Die anderen 5 gefallen mir, deshalb habe ich sie ja gekauft ;)

    Ups, das hatte ich ganz überlesen! Sei mir gegrüßt, Bruder im Geiste! :)



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    Aber Mauersbergers Aufnahme hat für mich eine Bedeutung, die weit über das Ästhetische hinausgeht, die eine individuelle Kraft aus Spiritualität und Transzendenz hat. ( siehe meine alten Beiträge oben)

    Kann ich nur unterschreiben und ich besitze alle oben aufgeführte Aufnahmen!



    Zitat

    Und eine Reihe von Belegstellen, die Yorick anführt, sind auch für mich Schlüsselstellen, die Mauersberger einzigartig machen, z.B. das" Nackend..." zu Beginn oder" ...aber sie sind in Frieden"!

    Da wäre es eben interessant zu sehen und zu hören, was die Apologeten anderer Aufnahmen als Belegstellen anführen könnten, wo sie eine gelungenere Interpretation sähen.

  • Ehrlich gesagt, habe ich bei Herreweghe ... das Gefühl der "Schaumgebremstheit" und fehlenden Emotion.

    Sehr schön formuliert, ich denke, das trifft es und dieses Gefühl stellt sich bei Mauersberger ganz sicher nicht ein!

  • Ich möchte diese nebenstehende Aufnahme empfehlen. Sie kommt meinen Vorstellungen einer Schütz-Aufführung sehr nahe. Die alten Mauersberger- und Ehmann-Einspielungen, die ich heute nicht mehr habe, früher in LP-Zeiten aber wohl, die mir auch immer noch im Gedächtnis verhaftet sind, enstprechen heute nicht mehr den (meinen!) Hörgewohnheiten.


    Hier wird klar und textverständlich gesungen - eine Aufnahme mit Referenzcharakter.


    :hello:

    .


    MUSIKWANDERER

  • Ich möchte diese nebenstehende Aufnahme empfehlen. Sie kommt meinen Vorstellungen einer Schütz-Aufführung sehr nahe. Die alten Mauersberger- und Ehmann-Einspielungen, die ich heute nicht mehr habe, früher in LP-Zeiten aber wohl, die mir auch immer noch im Gedächtnis verhaftet sind, enstprechen heute nicht mehr den (meinen!) Hörgewohnheiten.


    Hier wird klar und textverständlich gesungen - eine Aufnahme mit Referenzcharakter.


    Diese Aufnahme wurde zu Beginn des Threads schon empfohlen und nicht verworfen! :)

  • Lieber Yorick!


    Einverstanden, die Mauersberger - Aufnahme werde ich mir zulegen!
    Mit venezianischer Pracht meine ich nicht Pomp. In unserem nächsten Konzert am 8.12. im Xantener Dom werden wir ein Stück aus der Marienvesper von Monteverdi singen (Ave maris stella) und die Motette "Tröstet, tröstet mein Volk" von Schütz. Beide Werke sind in Teilen durchaus prachtvoll, aber doch textbezogen, intensiv und fromm. Venezianische Pracht heißt bei mir also nicht leerer Pomp (Beispiele verkneife ich mir jetzt, sonst kriege ich wieder Haue von den Freunden der italienischen Oper). Andere Beispiele dieser Pracht findet sich bei Schütz zuhauf in der Geistlichen Chormusik, oft sind es die Schlüsse. Es ist bezeichnend, dass auch die Aufnahme der Geistlichen Chormusik der Weserrenaissance zu dürftig und blutarm ist!

    Schönheit lässt sich gerne lieben...

    (Andreas Hammerschmidt,1611-1675)

  • In unserem nächsten Konzert am 8.12. im Xantener Dom werden wir ein Stück aus der Marienvesper von Monteverdi singen (Ave maris stella) und die Motette "Tröstet, tröstet mein Volk" von Schütz. Beide Werke sind in Teilen durchaus prachtvoll, aber doch textbezogen, intensiv und fromm.

    Monteverdi und Palestrina sind in meinem persönlichen Ranking die ersten nichtdeutschen Komponisten, denen meine uneingeschränkte Liebe gilt; wahrscheinlich wegen der von dir genannten Attribute, die man auch bei Schütz findet!



    Zitat

    Venezianische Pracht heißt bei mir also nicht leerer Pomp (Beispiele verkneife ich mir jetzt, sonst kriege ich wieder Haue von den Freunden der italienischen Oper).

    So meinte ich das auch nicht: Du unterscheidest sehr richtig zwischen Pomp und Pracht; ich denke jedoch, dass der späte Schütz beides ablehnte, aber vielleicht liege ich da auch falsch und definiere Pracht nicht zeitgenössisch korrekt! Und die Beispiele würde ich trotzdem gerne hören! :)

  • Ich glaube, dass Schütz immer beides konnte: Subtilität und Pracht. Wie subtil, wie innig, wie tief sind seine "Kleinen geistlichen Konzerte", von denen ich auch einige gesungen habe. Aus der äußeren Not heraus geboren (der 30jährige Krieg), erfüllen sie den Grundsatz, dass weniger oft mehr ist. Das ist ja das Schöne an kleinen Kammerchören, dass man die Subtilität der Komposition auch dann erfasst, wenn man - wie ich - in der Musiktheorie keine Leuchte ist. Eine ähnliche Subtilität findet sich auch bei Johann Hermann Schein und bei Leonard Lechner, dessen Johannespassion und die "Deutschen Sprüche von Leben und Tod" viel zu selten aufgeführt werden. Aber die Pracht beherrschte Schütz bis an sein Lebensende. Man höre nur sein "opus ultimum" (der 119. Psalm) in der Herreweghe - Aufnahme. Parallel dazu kenne ich nur - die Marienvesper von Monteverdi.

    Schönheit lässt sich gerne lieben...

    (Andreas Hammerschmidt,1611-1675)

  • Sagitt meint: Bei Schütz sollte man immer die Psalmen 1619 und die sinfoniae sacrae, 1650, miterwähnen. Leider hat Gardiner sehr weng Schütz eingespielt, u.a. die Exequien. Die Stücke, die auf der CD mit drauf sind, wie etwa Saul, Saul, was verfolgst du mich, sind technisch perfekt ausgeführt und ich finde diesen virtuosen Zugang auch gut anhörbar, allerdings fehlt ihm die Emotionalität eines Hallers und seines Ensembles.


    Vom Schwanengesang habe seit 1985 alle Aufnahme und finde dessen erste immer noch gut anhörbar. Haller hat diesen Zykls leider noch nicht gemacht. Die Idealaufnahme fehlt mir. Ich habe selbst an der Bremer Erstaufführung mitgewirkt. Für Laien schon eine erhebliche Konzentrationsleistung( die uns nur begrenzt gelang).


    Zu den Exequien möchte ich noch auf die Aufnahme von the sixteen hinweisen. Immer eine Freude, englische Profis zu hören.

  • Ich überlege derzeit, ob man die Gelegenheit nutzt und eine Art synoptische Übersicht der wichtigsten Aufnahmen (etwa ein Dutzend, würde ich sagen, ich selbst habe 15, kenne aber 17) erstellt, in welcher Textabschnitt für Textabschnitt die textliche und sängerische Gestaltung einschließlich "instrumentaler" Umsetzung erfasst und charakterisiert wird, um vielleicht zu einem annähernd zufriedenstellenden Ergebnis hinsichtlich der Qualität der einzelnen Aufnahmen zu gelangen. Da es von dem Werk eine überschaubare Anzahl an Aufnahmen gibt und sich die Solisten in Grenzen halten, wäre eine solche Synopse sicher machbar und äußerst hilf- wie lehrreich! Allerdings keine Aufgabe für einen allein!

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  • Da ich zur Zeit viel Bach und Händel unter Karl Richter höre, fiel mir zufällig auch diese CD mal wieder in die Hand und ich muss sagen, dass von meinen inzwischen siebzehn Aufnahmen diese wohl mit die schlechteste ist! Das klingt alles so dumpf und als ob ein riesiger Chor mit angezogener Handbremse sänge und alles daran setzte, die entscheidenden Stellen zu versauen.