Konzertbesuche und Bewertung

  • Am Samstagabend konnte ich einem sehr schönen Konzert in der Essener Philharmonie beiwohnen. Es gastierten das hr-Sinfonieorchseter und sein Chefdirigent Paavo Järvi. Als Solist war Jörg Widmann vorgesehen, der jedoch kurzfristig krankheitsbedingt absagen musste. Für ihn sprang dankenswerterweise Sharon Kam ein, die aber wahrhaftig mehr als Ersatz war. Widmann hatte ich schon mal mit dem Mozart-Konzert erlebt, Sharon Kam dagegen nicht, obwohl ich das Konzert von ihr auf CD habe. Aber live war sie einfach eine Wucht. Das gleiche muss man aber von Orchester und Dirigent sagen. Ich habe das Klarinettenkonzert schon einige Male im Konzert erlebt, aber es ist mir nicht erinnerlich, dass die ersten und zweiten Violinen im jeweils begleitenden Orchester im Adagio ein derart berückendes piano pianissimo gespielt hätten. Überhaupt ist dem Frankfurter Orchester eine fabelhafte Pianokultur zu attestieren. Das war wieder Gänsehaut pur.
    Nach der Pause kam nun der große Gegensatz: Arnold Schönberg: Pelleas und Melisande. Schon in der Einführung erfuhr man Einiges über das Stück, obwohl sich Järvi nur auf Englisch äußern konnte, aber auf diese Weise war das für mich völlig neue Stück leichter greifbar und hat mich nachhaltig beeindruckt. Wie sagte der moderiende Geiger des Frankfurter Orchesters so schön: "Wenn ein Stück so traurig beginnt, dann kann es ja nicht gut enden ".
    Ich werde es mir kaufen.
    Wieder war das Podium sehr voll, und Järvi kitzelte aus seinem Orchester noch mehr Dynamik als Maazel zwei Wochen vorher aus seinem Münchener Orchester (Also sprach Zarathustra). Das Orchester gehört (sicherlich nicht erst seit Järvi) zu den ersten Adressen der umfangreichen deutschen Rundfunkorchesterlandschaft, und es hat sicherlich unter ihm mindestens sein Niveau gehalten.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Lieber Willi,


    eine grandiose Piano- und Pianissimo-Kultur, da gebe ich Dir Recht. Aber gerade den langsamen Satz des Klarinettenkonzerts habe ich so schamlos romantisierend lange nicht mehr gehört. Selbstverständlich bot das den geeigneten Untergrund für Sharon Kams recht gefühlsbetonten Ansatz. Ihre Legatokultur unterscheidet ihren Mozartansatz tatsächlich von anderen, sie neigt für mein Ohr dazu, luftschlangenartig die melodischen Girlanden aneinander zu binden, dass es eine Freude ist. Das erzeugt streckenweise eine ganz eigene schwebende Atmosphäre. Dass sie das Mozartkonzert auch technisch in jeder Hinsicht bewältigt, hat Sharon Kam auf ihren beiden Aufnahmen unter Beweis gestellt - am Samstag waren mir dann doch zu viele Schleifer und (teil-)verschluckte oder verkürzte Einzelnoten dabei. Aber unterm Strich: Ich habs genossen, Sharon Kam nach so langer Zeit mal wieder im Konzert zu hören, das war mir eine echte Freude. Verfolgt hatte ich ihren Weg kontinuierlich, seit sie nach dem ARD-Musikwettbewerb groß rauskam. Schön fand ich auch, dass sie auf der Bassettklarinette spielte - allerdings ein moderner Bau.


    Ich bin schon Schönberg-Fan, so ab dem zweiten Streichquartett etwa, aber diese ollen frühen Schinken, an denen habe ich schon immer schwer zu würgen. Eine Woche früher hatten wir hier in Bonn die Gurre-Lieder, das war vielleicht noch schwerer verdaulich, klanglich und lautstärkemäßig auf die massiven Heerscharen bei Pelleas und Melisande noch einiges draufgesattelt. Goutieren kann ich das nicht, ich nehms dann eben aus historischem Interesse - irgendwie muss man das kennen, um zu verstehen, dass die tolle Musik, die Schönberg danach schrieb, quasi als unausbleibliche Reaktion auf diese Höchstspätromantik sein musste.


    Jeden Respekt vor der Leistung der Hessen, grandios dieses Orchester.


    Paavo Järvi ist für mich ein Phänomen jedes Mal, wenn ich ihn sehe - wie kann ein Dirigent mit dem Charisma einer holzgeschitzten Marionette es auf die Vielzahl der Posten schaffen, die er so beackert? Sein Dirigierstil - also nur bewegungsmäßig - erinnert ja in vielen einstudierten Schlenkern an Furtwängler, vielleicht liegts daran?


    Pelleas und Melisande habe ich in der Aufnahme unter Sinopoli - das gibt nicht annähernd etwas von dem Eindruck wieder, den Järvi am Samstag von dem Stück ausgebreitet hat.

  • Hallo, lieber Ulrich,


    war das jetzt im Sinne Järvis positiv gemeint, was du über deine Aufnahme von Sinopoli im Vergleich zu Järvi gesagt hast? Übrigens ist das für mich, der so fest in der Klassik und Romantik verwurzelt ist, schon ein großer Fortschritt, wenn mich ein Stück Schönbergs so interessiert.
    In welcher Reihe hast du eigentlich gesessen?


    Liebe Grüße


    Willi ^^

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Lieber Willi,


    das war absolut positiv zugunsten von Järvi gemeint. Im Vergleich zu dem "Hexenkessel", den Järvi da mit seinen Frankfurtern stellenweise entfesselt hat, hörte sich Sinopoli mit seinem Philharmonia O. fast blass an. Allerdings muss man einfach in Rechnung stellen, dass es da schlichte Begrenzungen aus der Aufnahmetechnik heraus gibt ... Sehr bewundert habe ich die Fähigkeit Järvis, diese elende Partitur durchhörbar zu machen - naja, sagen wir mal, hörbar zu machen, was diese Partitur hörbar zu machen eben zulässt.


    Ich finde es super, dass Du Dich für dieses Stück interessierst, lieber Willi, ganz sicher. Da wird das, was wir als Romantik kennen, bis ins Unerträgliche hinein auf die Spitze getrieben, und es auf sich zu nehmen, sich diesem Moloch auszusetzen, ist aller Ehren wert. Irgendwann gehst Du vielleicht den nächsten Schritt und interessierst Dich für "den Schönberg", der nach dieser frühen Phase kommt - vielleicht wirst Du dann feststellen, wieviel zugänglicher und bekömmlicher Schönberg dann schrieb ...


    Gesessen haben wir in Reihe 18 irgendwo im rechten Bereich. In diesem wunderbaren Saal hat es wirklich eine ausgesprochen schön durchgezeichnete Akkustik.

  • Diesmal muß ich mit einer Frage kommen. Am 17.10. gehe ich wegen des b-moll Klavierkonzertes in ein Konzert in Gera. Man bringt auch von Josef Suk die Asrael-Sinfonie opus 27. In meinen Konzertführern finde ich nichts dazu. Wer kann mir eine Einführung geben?


    La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Diesmal muß ich mit einer Frage kommen. Am 17.10. gehe ich wegen des b-moll Klavierkonzertes in ein Konzert in Gera. Man bringt auch von Josef Suk die Asrael-Sinfonie opus 27. In meinen Konzertführern finde ich nichts dazu. Wer kann mir eine Einführung geben?


    Es gibt eine knappe Beschreibung in der englischsprachigen wikipedia; ich kenne das Stück bislang nur flüchtig. Es ist eine knapp einstündige "Trauersinfonie". Suk schrieb sie 1904 zunächst in memoriam für seinen Schwiegervater Dvorak, dann starb zu allem Unglück während der Komposition seine Frau (Dvoraks Tochter) auch noch. Es ist ein durchaus beeindruckendes Stück, gilt als eines der besten dieses Komponisten. Sollte für einen Richard-Strauss-Hörer eigentlich nicht zu modern klingen, auch wenn es meiner Erinnerung nach düsterer und herber ist als zB Tod und Verklärung.
    Ich versuche das Werk demnächst nochmal anzuhören, dann vielleicht etwas mehr dazu, solange kannst Du Dir schonmal den thread durchlesen.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Danke, Johannes,


    habe den Thread studiert und kann mich wenigstens darauf einstellen, keine Jubelmusik zu hören. Darüber hinaus werde ich die Konzerteinführung besuchen und mir davon ein höheres Verständnis der Musik erhoffen.


    La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Zunächst möchte ich voranstellen, daß unser GMD bis Spielzeitende 2011 der Engländer Howard Arman war (immerhin 2-facher Echo-Klassik-Gewinner). Nach seinem Weggang haben in der vergangenen Spielzeit 6 verschiedene Dirigenten (aus über 90 Bewerbern) vergeblich versucht, zu überzeugen. Darunter waren auch namhafte Dirigenten! Also auch diese Spielzeit ohne GMD. Als kommissarischer GMD fungiert Jens Tröster, der bisher vorwiegend im Opernbereich und in div. Konzerten dirigiert hat, aber bisher niemals ein Philharmonisches Konzert leiten durfte. Gestern war sein erstes großes Konzert - und das mit einem nicht einfachen Programm.


    1. Ouvertüre zu Ruslan und Ludmila. Dazu gibt es nicht viel zu sagen. Ein Selbstläufer, schwungvoll, schmissig.


    2. Tschikowski b-Moll Klavierkonzert, Solist Bernd Glemser. Glemser hat in den 80-er Jahren 17 Klavierwettbewerbe hintereinander, also in Folge gewonnen. 1996 war er der erste Künstler aus dem "Westen", der in China live im Fernsehen spielte, natürlich das b-Moll KOnzert. 1989 war er der jüngste Professoer Deutschlands an einer Musikhochschule. Über 30 CD`s hat er zu verzeichnen, 2003 erhielt er das Bundesverdienstkreuz. In Gera hatte er bisher alle Rachmaninow-Klavierkonzerte gebracht. Sein Auftritt gestern entsprach den Erwartungen. Die Kadenzen brachte er virtuos, wie man das sich vorgestellt hatte. Aber auch das Orchester hielt voll dagegen, es wurde ein wunderbares Erlebnis mit rasendem Schlußapplaus und natürlich Zugaben.


    3. Nach der Pause von Josef Suk (Schwiegersohn von Antonin Dvorak und Opa des gleichnamigen Geigers) die Asrael-Sinfonie. 70 min Dauer, geprägt von durchgehender Trauermusik. Kurz nach Beginn der Arbeit an der Sinfonie starb sein Schwiegervater, und kurz darauf seine Frau mit erst 27 Jahren. Da kann natürlich keine frohe Musik entsehen. Lediglich zu Beginn des vierten Satzes - da beschreibt Suk seine Frau in lieblichen Tönen, mit einer wundervollen Solovioline ergänzt. Er überschreibt diesen Satz mit "An Otylka", dem Kosenamen seiner Frau (erinnert in der inneren Zerissenheit an Almschie zur 8. von Mahler). Die Musik ist durchaus melodiös, keinesfalls atonal, aber eben durchweg in Moll. Sehr entfernt war manchmal ein Anklang an Mahler zu hören, an keiner Stelle konnte ich an Dvorak erinnert werden. Das 79 Mann starke Geraer Orchester hatte wenig Gelegenheit, sein virtoses Können unter Beweis zu stellen, übertraf sich aber selbst in den zarten Passagen. Man muß ja auch davon ausgehen, daß keiner der Musiker und auch nicht der Dirigent das Werk vorher jemals gespielt haben, die meisten auch nicht einmal gehört. Der 5. und letzte Satz bäumte sich noch einmal auf, und er verklang in zarter, versöhnlicher C-Dur. Es gab reichlich Beifall, der Dirigent Jens Tröster wurde immerhin 5x auf das Podium gerufen. Er hat seine Sache gut gemacht. Ich bin gespannt, wer die nächsten Konzerte leitet, denn das steht noch nicht fest (außer dem 4. Konzert am 13./14.2.2013, da dirigiert der Frauenkirchenkantor Matthias Grünert mit dem Chor der Frauenkirche und und unserem Orchester mit namhaften Solisten wie Ute Selbig und Eric Stoklossa die große C-Moll-Messe von Mozart), daraus soll nun endlich der neue GMD gefunden werden. Tröster hat jedenfalls seine Chance genutzt.


    Mir persönlich hat die Suk-Musik nicht zugesagt, obwohl immer harmonische Musik zu hören war, aber es waren 70 traurige Minuten. Und die klingen bei Suk eben anders als 70 traurige Minuten bei Mahler. Ist aber Geschmackssache. Mir bleibt eine gute Erinnerung an einen grandiosen ersten Teil des Konzerts und die Genugtuung, etwas völlig Neues gehört zu haben. Eine CD davon würde ich mir allerdings nicht kaufen.


    La Roche

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  • La Roche könnte höchtens an die Sechste Mahler gedacht haben und damit gesagt haben wollen, dass das bei Mahler beileibe nicht so traurig klänge. Allerdings dauert die Sechste länger als 70 Minuten, und es geht da auch schon mal ganz schön zur Sache. Auch sind immer wieder wunderschöne melodiöse langsame Sätze zu vernehmen, die ein beglückendes oder zumindest tröstendes Gefühl in mir hervorrufen. 70 traurige Minuten am Stück findet man sicher nicht.


    Vioele Grüße


    Willi :)

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  • Der scheidende GMD Jac van Steen hat gestern Bruckners 8. Sinfonie mit den Dortmunder Philharmonikern im Dortmunder Konzerthaus gespielt. Und zwar die Originalfassung von 1887. Im Konzertsaal hört man diese Fassung eher selten, Anlass dafür, diese Fassung zu nehmen war der Umstand, dass ihre Uraufführung ins Gründungsjahr der Dortmunder Philharmoniker fällt. Um es kurz zu machen: die Aufführung war ebenso sensationell wie beim Hören ungewohnt. Gerade diese Urfassung führt vor Ohren, wie progressiv die Muski Bruckners war. Viele Durchführungen, die in der bekannten Mischfassung geglättet sind weisen deutlich ins 20. Jahrhundert, es gibt Verschiebungen in den Klanggewichten des Orchesters, die Coda von Satz 1 und Satz 4 klingen in der Urfassung anders.


    Jac van Steen dirigiert das SWerk ausgesprochen ruhig, das Orchester spielt sauber und durchhörbar, nahezu notorische Patzer bei den Bläsern bleiben aus. Alles in allem eine Sternstunde der Bruckneraufführung, von der ich hoffe, dass sie heute wiederholt wird. Da bin ich nämlich wieder im Konzerthaus. Für Interessierte: es gibt noch Karten. Ansonsten: der WDR 3 überträgt heute live ab 20:00 Uhr.


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Das Streichquartettkonzert begann heute um 18:00 Uhr. Ich fuhr wegen des für mich wunderbaren Programms von Wuppertal etwas mehr als eine Stunde dorthin; wegen der Verkehrssituation kam ich leider erst um exakt 18:10 Uhr an den Eingang. Eine Karte konnte ich nicht mehr erhalten, da das Konzert bereits begonnen hat und insbesonders weil die Kasse nicht mehr besetzt war (wohin mit dem Geld?). Also durfte ich auch nicht, was mein Vorschlag war, in einer Pause zwischen den Stücken herein, wie ich es von anderen Konzerthäusern kenne. Das hätte sich m.E. angeboten, da ich auf den Webern und den Schubertsatz am Anfang problemlos verzichtet hätte, und die dauerten noch ein paar Minuten. Mir ging es hauptsächlich um Bergs noch nicht begonnene "Lyrische Suite" und das zweite Schönbergquartett nach der Pause; hätte mich auch gerne irgendwo hinten in eine Ecke gesetzt.


    Jetzt bin ich wieder zu Hause und schmolle, wohl wissend, dass in Dortmund noch so viele Plätze frei sind. Auch eine Art von "Kultur".


    Meine Konzertbewertung: :thumbdown:


    Uwe

    Ich bin ein Konservativer, ich erhalte den Fortschritt. (Arnold Schönberg)


  • Joseph Haydn: Symphonie Nr. 85 B-Dur Hob. I:85 "La Reine" (1785)
    Samuel Barber: Symphonie Nr. 1 op. 89 (1936)
    Pjotr Iljitsch Tschaikowskij: Symphonie Nr. 4 f-Moll op. 36 (1877)


    Tschechische Philharmonie (Česká filharmonie)
    Leonard Slatkin


    Das Rudolfinum, zwischen 1876 und 1884 von Josef Zítek und Josef Schulz im Neorenaissance-Stil errichtet, beherbergt einen der beiden großen Konzertsäle von Prag, den Dvořák-Saal (der andere ist der Smetana-Saal im Gemeindehaus/Obecncí dům). Letzte Woche war der US-amerikanische Dirigent Leonard Slatkin zu Gast mit einem recht ausgefallenen Konzertprogramm (es wurde bereits an den beiden Vortagen gegeben). Es spielte die Tschechische Philharmonie, das Paradeorchester des Landes, von dessen Qualität noch die Rede sein wird. Das Gebäude ist ein echter Blickfang, die Akustik ist atemberaubend gut.


    Programmpunkt Nr. 1 war ein Klassiker, Haydn, und zwar die 85. Symphonie, also eine der bekannteren der sog. "Pariser Symphonien". Ich habe das Werk natürlich schon vorher gekannt, hatte es aber nicht mehr direkt im Ohr (nach meiner Erinnerung überzeugte mich ihre Schwester, die 86., damals mehr). Mit stark verkleinerter Besetzung wurde dieses vielleicht 20-minütige Werk gegeben, und es war bereits ein überaus gelungener Auftakt. Sehr beschwingt nahm Slatkin das Ganze, von Langeweile keine Spur. Dass diese Haydn-Symphonien gerne als Einleitung gewählt werden, bedeutet mitnichten, dass sie es nicht wer wären, auch im Hauptprogramm zu stehen. Jedenfalls hörte ich mit der 85. in kurzer Folge schon wieder eine Symphonie von Haydn, so dass er fraglos mein 2012 am meisten live erlebter Komponist war (das hätte ich bei Jahresbeginn kaum gedacht). Starker Beifall am Ende.


    Es folgte ohne Pause, nun in deutlich stärkerer Besetzung, die Symphonie Nr. 1 (in einem Satz) von Barber, von der ich vorher noch nie etwas gehört hatte. Selbst der Name Barber war mir nur ein Begriff, mit dem ich nichts verband. Ein Versäumnis, wie sich schnell erweisen sollte. Atemberaubend ging es schon los. Der Paukist und die Blechbläser gingen regelrecht an ihre Grenzen, das muss man erlebt haben. Man bekam stellenweise Gänsehaut und konnte nicht anders als gebannt sein. Furchteinflößend und sehr düster ist diese Komposition insgesamt, nie atonal. Die Perfektion, mit der die Tschechische Philharmonie spielte, war spektakulär und stellte meine Live-Erlebnisse mit der Staatskapelle Dresden und den Wiener Philharmonikern in den Schatten. Absolute Präzision und Perfektion. Und was für ein "Drive"! Slatkin, immerhin schon 68, ist in den Staaten ein Star, hier eher nicht so bekannt, obwohl seit Jahrzehnten eine echte Größe. Und er hat Barber wirklich drauf, nahm das Werk auch schon vor zwanzig Jahren im Studio auf. Überhaupt scheint er sich sehr für Barber einzusetzen. Mit wahrer Spielfreude und immenser Teilnahme dirigierte er dieses leider allzu unbekannte Meisterwerk. Ich versuchte später, eine Aufnahme der 1. von Barber zu finden, aber keine, nicht einmal Slatkins eigene aus dem Studio, konnte mit dem Live-Eindrücken mithalten. Das war vielleicht ein unwiederbringliches Erlebnis, und insofern fast schon der Höhepunkt des Konzerts, denn besser konnte es gar nicht mehr werden. Der Applaus war grenzenlos.


    Nach der Pause dann also das eigentliche Highlight des Abends: Tschaikowskijs 4. Symphonie. Von den drei "großen" Symphonien des Russen (was ich eh hinterfragen würde) war mir die 4. immer die am wenigsten liebe. Die Vorbehalte wurden an diesem Abend zwar nicht aus der Welt geschafft, aber zumindest relativiert. Der gewaltige Kopfsatz ist vielleicht insgesamt sogar der beste. Das Orchester bewies auch hier wieder seine Stärke, die offensichtlich in der Spätromantik liegt. Der 2. Satz hat ein sehr "romantisches" Motiv, das natürlich zu gefallen wusste. Der 3. Satz ist in seiner Witzigkeit und Leichtigkeit ein starker Kontrast zum sehr pompösen Finalsatz, der alle Klischees über diesen Komponisten zu bestätigen scheint. Selbst mir, der ich ein Fan des Blechs bin, finde ihn oft zu martialisch, aber die Vollendung, mit der die Tschechen ihn zu Gehör brachten, hat dieses Manko zumindest an diesem Abend marginalisiert. Fulminant steigerte sich das Finale bis zum unerbitterlichen Ende. Wer im Scherzo einzunicken drohte, wurde unsanft aus dem Schlafzustand gerissen, und in der Coda wurde es so laut, dass man regelrecht erstarrte. Ja, ein genialer Effekt, und ein weiterer Beweis, wie gut dieses Weltklasse-Orchester doch ist (es kam in die TOP 20 der weltbesten vor einigen Jahren). Das Publikum drehte fast durch (was in Konzerten ja seltener ist als in der Oper), es gab Standing Ovations und Bravo-Rufe, besonders für den Dirigenten. Leonard Slatkin steht jedenfalls seit letzter Woche auf meiner Liste der liebsten lebenden Dirigenten.


    Insgesamt ein sehr, sehr gutes Konzert, das beste des Jahres 2012 für mich. Bei einem Preis von 400 Tschechischen Kronen (knapp 16 EUR) für einen Spitzenplatz kann man zudem alles andere als lästern. Eine ganz herzliche Empfehlung an alle Mitglieder, den Tschechischen Philharmonikern einmal einen Besuch abzustatten.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Zum Jahresende ist es, z.B. in Berlin oder Leipzig, eine (gute) Tradition, das Jahr mit Beethovens Meisterwerk, der 9. Sinfonie ausklingen zu lassen.
    In Berlin gab es am Silvestertag das Werk mit dem Rundfunk-Sinfonie-Orchester unter Marek Janowski und der Staatskapelle Berlin unter Daniel Barenboim.


    Ich entschied mich gemeinsam wie die Bundeskanzlerin Frau Merkel, die in meiner Nähe saß, für das Rundfunk-Sinfonie-Orchester, das im Konzerthaus Berlin gastierte. Und wurde nicht enttäuscht.


    Schon der Beginn gefiel mir, als die manchmal kaum hörbaren und verschwommenen Quinten schön akzentuiert das Werk eröffneten. Auch das Scherzo war sehr lebendig und endlich mal waren die Posaunen, die in meinen Aufzeichnungen immer untergehen, deutlich zu vernehmen. Und die bekannte Paukenstelle, die meist völlig überraschend auftaucht, ergab sich ganz logisch und selbstverständlich. Weiter ging es im wunderschönen langsamen Satz, wo Janowski die beiden Themen schön heraushob, ohne zu verschleppen. Und dann das Finale, wo die tiefen Streicher sich auszeichnen konnten und auch der gute Rundfunkchor Berlin wieder in Hochform war. Ricarda Merbeth ist mir aus der DOB gut bekannt, sie überzeugt mit einem guten Koloratursopran, wobei in der Höhe die Worte zu Lauten wurden, was aber nicht ungewöhnlich ist. Die Altistin Anke Vondung machte ihre Sache als Einspringerin sehr ordentlich, Michael König war als Tenor sehr deutlich, hatte mir aber einen etwas kommandoartigen Tonfall, während Johan Reuter sein Anfangssolo stimmgewaltig absolvierte (leider mir sprachlich auffiel, als er immer sang, "deine Zauber binden wieda"), später im Quartett aber etwas unterging.


    Janowski nahm alles recht zügig, so dass der Spannungsbogen nie abriss. Nach 68 Minuten war es vorbei und zu Recht gab es großen Beifall mit Bravos.


    Mit besten Grüßen


    :hello:


    Manfred

    Wenn schon nicht HIP, dann wenigstens TOP

  • 'Gestern' kommt zwar nicht mehr wirklich hin, aber ich trotzdem ein paar Worte zu meinem letzten Konzertbesuch in der heimischen Wuppertaler Stadthalle verlieren. Das Programm (5. Sinfoniekonzert der Saison) sah wie folgt aus:


    Yulianna Avdeeva - Klavier
    Julia Jones - Leitung
    Sinfonieorchester Wuppertal


    Michail Glinka - Ouvertüre zur Oper "Ruslan und Ludmilla"
    Frédéric Chopin - Klavierkonzert Nr. 1 e-moll, op. 11
    Witold Lutosławski - Konzert für Orchester


    Ehrlich gesagt bin ich schon mit einem etwas unguten Gefühl im Magen zum Konzert erschienen, war mir Frau Jones doch bei meiner bisher einzigen Begegnung mit ihr mit einer geradezu atemberaubend geist- und substanzlosen Interpretation von Beethovens 8. Sinfonie letztes Jahr in Freiburg in Erinnerung geblieben. Und, soviel sei vorweggenommen, leider konnte sie diesen Eindruck auch diesmal nicht vollständig widerlegen.


    Die Glinka'sche Opernouvertüre wurde noch schön gespielt und taugte, mit Verve dargeboten, gut als Einstieg in den Konzertabend. Mit Chopins Klavierkonzert wurde zumindest mein Vergnügen allerdings wieder merkbar getrübt. Das eigentlich ungemein hochklassige Wuppertaler Sinfonieorchester fiel an diesem Abend leider durch einigen Mangel an Abstimmung vor allem im Tempo auf, und wo der hauseigene Maestro Toshiyuki Kamioka regelmäßig einen edlen und gediegenen Klangteppich zaubert, da meinte ich am Montag desöfteren ein seltsam diffuses Wabern auszumachen. Leider wusste auch Frau Avdeeva mich nicht wirklich zu überzeugen: technisch ist sie sicherlich ungemein beschlagen, aber die Tiefe und Emotion scheinen ihr vollkommen abzugehen. Ihren Anschlag fand ich völlig gleichförmig - immer höchst brilliant, aber bedauerlicherweise oftmals reichlich ausdrucksarm. Leicht hatte sie es allerdings auch nicht - auch die Abstimmung zwischen ihr und Julia Jones schien mir sehr suboptimal zu sein, ja stellenweise wollte sich fast der Eindruck einstellen, es hätte gar keine Probe vor dem Konzert stattgefunden.


    Wie ich allerdings schnell feststellen musste, stand ich mit meiner Meinung mal wieder ziemlich allein da. Nicht nur das Publikum schien ganz hingerissen (ob es wohl am attraktiven Klaviermädchen lag? :P), auch die Weltpresse zeigte sich anschließend begeistert: Rezension in der WAZ.


    Den für mich interessantesten Teil des Konzerts, Lutosławskis Konzert für Orchester, musste ich aufgrund anderer spätabendlicher Verpflichtungen bedauerlicherweise nach nur wenigen Takten wieder aufgeben. Der Beginn klang allerdings sowohl vom musikalischen Material als auch von der Interpretation her interessant genug, um mir vorzunehmen, diesen Komponisten in Zukunft im Augenwinkel zu behalten.

  • Schon der Beginn gefiel mir, als die manchmal kaum hörbaren und verschwommenen Quinten schön akzentuiert das Werk eröffneten.

    War es nicht Furtwängler, der gerade diese Deutlichkeit bei Toscanini kritisierte?

  • Zitat

    musikwanderer: Aus Anlass des 200. Todestages Haydns dirigierte Bruno Weil in der Philharmonie Essen DIE JAHRESZEITEN. Mit Sybilla Rubens, Jan Kobow und Hanno Müller-Brachmann, dem Tölzer Knabenchor und der Capella Coloniensis


    Ich hatte damals das Glück, in diesem Konzert zu sitzen. Am besten gefiel mir neben dem Dirigat Bruno Weils die Leistung Hanno Müller-Brachmanns, der schon mit seiner mit großer Freude vorgetragenen Arie „Schon eilet froh der Ackersmann zur Arbeit auf das Feld“ das Publikum für sich einnahm.
    Aber auch der Tölzer Knabenchor , der ja hauptsächlich nur auf Knabenstimmen und junge Männer zurückgreifen kann, überzeugte durch klare Diktion und Einsatz bei den großen Chorsätzen.
    Auch die übrigen Solisten und die Capella machten ihre Sache durchaus gut, wenn ich mich auch mit der Stimme Jan Kobows nicht so anfreunden konnte.
    Ich denke immer gerne an das Konzert zurück.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    Aus dem Oratorienführer hierher verschoben (erster Gedanke).

    Theo

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Hier möchte ich noch einen kurzen Bericht zum letzten Sinfoniekonzert unseres heimischen Wuppertaler Sinfonieorchesters nachliefern - wobei die Bewertung diesmal sicherlich ein wenig zwiegespalten zwischen Programm und Darbietung ausfällt. Auf dem Programm stand ein Überraschungs-Wunschkonzert anläßlich des 150. Jubliäums des Orchesters, für das die Abonnenten wählen konnten, welche Stücke sie gern hören wollten und dessen Programm bis zur Aufführung geheimgehalten wurde. Wie genau das allerdings ablief, vermag ich nicht zu sagen - mich hat jedenfalls niemand gefragt. Ich kann auch kaum verhehlen, daß ich nach dem ersten Blick ins Programmheft schon leicht erschüttert war. Gegeben wurde, in einem Wort, das ausgelutschteste vom ausgelutschtesten:



    Toshiyuki Kamioka
    Sinfonieorchester Wuppertal


    Bedřich Smetana - Die Moldau (aus Má Vlast)
    Edvard Grieg - Peer Gynt-Suiten Nr. 1 & 2
    Antonín Dvořák - Sinfonie Nr. 9 e-moll, op. 95 "Aus der Neuen Welt"



    Da hat das Publikum einmal die Chance, sich all die Sachen zu wünschen, die es schon immer mal hören wollte, und das kommt dabei herum!? Nicht einmal Mozart oder Beethoven haben es ins Programm geschafft, sondern ausschließlich Stücke, die sicher jeder der Anwesenden schon 1000x gehört hat, im Schlaf mitpfeifen könnte und die - ohne ihren künstlerischen Wert in Frage stellen zu wollen - auf keinem 'Klassik zum Kochen'-Sampler der Welt fehlen dürfen. :whistling:



    Aber sei's drum - zur Aufführung. Und die war ohne Zweifel einmal mehr herausragend! Gleich mit der eröffnenden Moldau wurde unmittelbar klar, welche Bedeutung Chefdirigent Toshiyuki Kamioka für das Wuppertaler Orchester zukommt. Die seltsamen Unklarheiten in Klang und Zusammenspiel des letzten Konzerts mit Julia Jones waren vergessen. Alles wirkte aus einem Guß, ungeheuer nuancenreich dargeboten, und die Instrumentengruppen waren wunderbar ausbalanciert. Insbesondere fiel mir der ungemein volle, kultivierte, weich-samtene aber nie klebrige Streicherklang auf - vom allerschönsten, ohne auch nur einen Hauch von Kitsch.


    Hier möchte ich mal eine Frage an das versammelte Fachpublikum einwerfen: kann es sein, daß in der Smetanas Moldau an zwei Stellen Anklänge an die Rheingold-Ouvertüre von Richard Wagner zu hören sind (u. a. direkt vor Schluß)!? Vor dem Hintergrund der verbindenden Fluß-Thematik erschien mir das sogar möglich. Oder ist es nur Zufall bzw. meine Einbildung? Aufgefallen war es mir zuvor jedenfalls niemals.


    Weiter im Programm ging es mit den Peer Gynt-Suiten von Grieg, und auch die wurden äußerst eindrucksvoll, ihrem jeweiligen Charakter angemessen dargeboten - noch bis ins ppp von höchstem Ausdruck und auch einmal hohl und klagend, wo nötig (Åses Tod, Solveigs Lied). Einer der Höhepunkte war dabei der Gassenhauer In der Halle des Bergkönigs, bei dem die schier ungeheure Präzision des Vortrags trotz des reichlich sportlichen Tempos den Eindruck aufsteigenden Wahnsinns nachdrücklich unterstrich.


    Die Krönung des Abends sollte nach der Pause aber noch folgen: Dvořáks Sinfonie 'Aus der Neuen Welt'. Neben den wiederum wunderbar ausgestalteten Stimmungen machten insbesondere die expressiven Tempowahlen das altbekannte Werk streckenweise zu einer wirklich interessanten neuen Erfahrung. So wurde schon der erste Satz mit reichlich, eigentlich erst für Finale vorgeschriebenem, fuoco vorgetragen, und das Largo war oft im adagio unterwegs. Und auch auf die Gefahr hin, mich hier zu wiederholen: wiederum stellten sich Kamioka und das Wuppertaler Sinfonieorchester als absolutes Spitzenensemble dar. Geradezu beängstigend gut eingespielt machten die Musiker den Eindruck, ihrem Maestro förmlich von der sprichwörtlichen Stuhlkante aus der Hand zu fressen.



    Ich hoffe jedenfalls, daß nicht nur das Klassikschlager-Programm sondern auch die Leistung der Vortragenden ihren Anteil daran hatten, daß das Publikum zum Schluß förmlich auf den Stühlen stand und Orchester wie Dirigent mit dem wohlverdienten langanhaltenden und lautstarken Applaus bedachten.

  • Hier möchte ich mal eine Frage an das versammelte Fachpublikum einwerfen: kann es sein, daß in der Smetanas Moldau an zwei Stellen Anklänge an die Rheingold-Ouvertüre von Richard Wagner zu hören sind (u. a. direkt vor Schluß)!? Vor dem Hintergrund der verbindenden Fluß-Thematik erschien mir das sogar möglich. Oder ist es nur Zufall bzw. meine Einbildung? Aufgefallen war es mir zuvor jedenfalls niemals.


    Dazu müsste man klären, ob es zur Zeit der Entstehung der Moldau überhaupt schon eine veröffentlichte Partitur des Rheingolds gab, gehört konnte es Smetana ja nicht haben...

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Rein aus dem Gedächtnis ist mir das bisher nicht aufgefallen. Aber wenn es gesagt wird und man das musikalische Gedächtnis abruft, dann kann man etwas bemerken:


    der Rheingold-Anfang mit den aufsteigenden (im Gedächtnis 5 Sekundenschritte, dann eine Quarte und zuletzt eine große Terz) Hörnern und auch Siegfrieds Rheinfahrt in der Götterdämmerung haben doch einige ähnlich klingende Gemeinsamkeiten mit einigen Passagen der Moldau. Zur genauen Plagiatskontrolle müte man die Noten vorliegen haben oder sich der Mühe unterziehen, Gehörproben zu nehmen. Da kann schon ähnlich klingendes herauskommen!


    Gut, daß weder Wagner noch Smetana Minister sind, sonst würden jetzt die berufsmäßigen Plagiatsjäger zur Kasse bitten.


    Aber selbst wenn es ähnlich klingende Stellen gibt (von denen es in der Musik sicher Dutzende gibt - vielleicht ist das sogar ein neuer Thread??), ändert sich nichts daran, daß mir Wagner und auch die Moldau gefallen.


    La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

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  • Dazu müsste man klären, ob es zur Zeit der Entstehung der Moldau überhaupt schon eine veröffentlichte Partitur des Rheingolds gab, gehört konnte es Smetana ja nicht haben...


    Mal ganz doof gefragt: warum nicht? :) Einer kurzen Recherche nach lagen zwischen der Uraufführung des Rheingolds (1869) und Smetanas Ertaubung und der anschließenden Komposition seines Vaterlandes (1874) immerhin fünf Jahre. Hätte er da nicht irgendwo eine Aufführung sehen können...?




    Aber selbst wenn es ähnlich klingende Stellen gibt (von denen es in der Musik sicher Dutzende gibt - vielleicht ist das sogar ein neuer Thread??), ändert sich nichts daran, daß mir Wagner und auch die Moldau gefallen.


    Mir auch, das sei an dieser Stelle mal bemerkt! :) Und die Thread-Idee ist tatsächlich eine, die mir schon länger im Kopf rumspukte, aber wieder aus dem Bewusstsein entschwunden war... Ich danke also herzlich für die Erinnerung! :) Und eh es wieder verlorengeht, habe ich eben einen Thread dazu aufgemacht.

  • Einer kurzen Recherche nach lagen zwischen der Uraufführung des Rheingolds (1869) und Smetanas Ertaubung und der anschließenden Komposition seines Vaterlandes (1874) immerhin fünf Jahre. Hätte er da nicht irgendwo eine Aufführung sehen können...?


    Nein. 1869 gab es auf Drängen Ludwigs gegen Wagners Willen eine inoffizielle Premiere (aber Wagner konnte sich nicht gut dem Wunsch seines Finanziers entgegenstellen). Die offizielle Premiere erfolgte dann 1876 in Bayreuth bei der ersten Aufführung des gesamten Rings.

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Bedřich Smetana - Die Moldau (aus Má Vlast)
    Edvard Grieg - Peer Gynt-Suiten Nr. 1 & 2
    Antonín Dvořák - Sinfonie Nr. 9 e-moll, op. 95 "Aus der Neuen Welt"


    Da hat das Publikum einmal die Chance, sich all die Sachen zu wünschen, die es schon immer mal hören wollte, und das kommt dabei herum!?

    Wundert Dich das wirklich? Mich nicht. Das ist doch genau das, was die Leute hören wollen. Du schriebst oben so schön, dass die Leute einmal die Chance gehabt haben, sich das zu wünschen, was sie schon immer hören wollten ... nun, ich denke, das haben sie getan. Auf den Lutoslawski, den Du vom letzten Konzert her erwähntest, haben die doch alle keinen Bock. Und auf vieles andere auch nicht wirklich. Die von Dir genannten Stücke von Smetana, Grieg und Dvorak stellen so eine Art Essenz des "Best of Classic"-Denkens dar. Lässt man die Masse entscheiden, dann bekommt man eben auch Massenware. Wobei ich nichts gegen die genannten Werke als solche sagen will - sie sind, jedes für sich, sehr schön und werden auch von mir immer wieder gerne gehört. Doch ein Konzert in dieser Programmierung bereitet mir irgendwie ein schales Gefühl.


    Aber das Genannte bietet alles, was die Leute toll finden: Hohen Wiedererkennungswert, Schunkel-Stimmung, Gehirn ausschalten ... nur eben ein paar Niveaustufen über dem Musikantenstadl. Aber das Prinzip ist das gleiche.


    Grüße,
    Garaguly

  • Hier möchte ich mal eine Frage an das versammelte Fachpublikum einwerfen: kann es sein, daß in der Smetanas Moldau an zwei Stellen Anklänge an die Rheingold-Ouvertüre von Richard Wagner zu hören sind (u. a. direkt vor Schluß)!? Vor dem Hintergrund der verbindenden Fluß-Thematik erschien mir das sogar möglich. Oder ist es nur Zufall bzw. meine Einbildung? Aufgefallen war es mir zuvor jedenfalls niemals.

    Im Nachtstück der Moldau meinst Du wahrscheinlich, dieses nette Klarinetten- und Flöten-Motiv. Da frage ich mich natürlich, von wo das stammt. Der Wagner meinte zwar, das Eingangsmotiv des "Rheingold" wäre ihm in einer "somnambule Stunde" eingegeben worden, aber vielleicht hat er da auch an Mendelssohn's Ouvertüre "Die schöne Melusine" gedacht. Deren Anfang klingt nämlich nicht unähnlich. Manche Themen scheinen wohl in der Luft zu liegen ;)


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.


  • Nein. 1869 gab es auf Drängen Ludwigs gegen Wagners Willen eine inoffizielle Premiere (aber Wagner konnte sich nicht gut dem Wunsch seines Finanziers entgegenstellen). Die offizielle Premiere erfolgte dann 1876 in Bayreuth bei der ersten Aufführung des gesamten Rings.


    Ich danke, Theophilus - wieder was gelernt! :)



    Im Nachtstück der Moldau meinst Du wahrscheinlich, dieses nette Klarinetten- und Flöten-Motiv. Da frage ich mich natürlich, von wo das stammt. Der Wagner meinte zwar, das Eingangsmotiv des "Rheingold" wäre ihm in einer "somnambule Stunde" eingegeben worden, aber vielleicht hat er da auch an Mendelssohn's Ouvertüre "Die schöne Melusine" gedacht. Deren Anfang klingt nämlich nicht unähnlich. Manche Themen scheinen wohl in der Luft zu liegen ;)


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:


    Du meinst das einleitende Motiv direkt am Anfang der Moldau, oder? :) Und Du hast natürlich ganz recht, daß in allen drei Werken (also auch bei Mendelssohn) eine ganze Menge 'fließt'. Ans Rheingold erinnert hat mich allerdings etwas anderes, namentlich eine gleichsam kreisende (strudelnde?) Streicherfigur, im folgenden Video erstmals zu hören bei ca. Minute 4:30 und dann noch einmal etwas ausgeprägter ab ca. 13:30:


  • Wundert Dich das wirklich? Mich nicht. Das ist doch genau das, was die Leute hören wollen. Du schriebst oben so schön, dass die Leute einmal die Chance gehabt haben, sich das zu wünschen, was sie schon immer hören wollten ... nun, ich denke, das haben sie getan. Auf den Lutoslawski, den Du vom letzten Konzert her erwähntest, haben die doch alle keinen Bock. Und auf vieles andere auch nicht wirklich. Die von Dir genannten Stücke von Smetana, Grieg und Dvorak stellen so eine Art Essenz des "Best of Classic"-Denkens dar. Lässt man die Masse entscheiden, dann bekommt man eben auch Massenware. Wobei ich nichts gegen die genannten Werke als solche sagen will - sie sind, jedes für sich, sehr schön und werden auch von mir immer wieder gerne gehört. Doch ein Konzert in dieser Programmierung bereitet mir irgendwie ein schales Gefühl.


    Aber das Genannte bietet alles, was die Leute toll finden: Hohen Wiedererkennungswert, Schunkel-Stimmung, Gehirn ausschalten ... nur eben ein paar Niveaustufen über dem Musikantenstadl. Aber das Prinzip ist das gleiche.


    Grüße,
    Garaguly


    Ja, wundert mich das? Sagen wir mal, ich hätte es so nicht unbedingt erwartet - von gewünscht einmal ganz zu schweigen. Gewünscht hätte ich mir tatsächlich eher, daß das Publikum die Chance ergreift und versucht, einmal Stücke ins Programm zu wählen, die nicht sowieso an allen Ecken und Enden aufgeführt und gespielt werden. Und das erst recht vor dem Hintergrund, daß Smetanas Vaterland vor kurzem erst in seiner Gänze bei uns gegeben wurde.


    Ich hatte es zunächst vermieden, den Gedanken auszuformulieren, aber im Grunde wirst Du wohl recht haben: viele Hörer auch klassischer Musik unterscheidet wahrscheinlich traurigerweise recht wenig vom durchschnittlichen Zuhörer von meinetwegen Antenne Hitradio WRXLF, der sich bevorzugt von irgendwelchem möglichst harmlosem eingängigem Gedudel einschläfern lässt. Eigentlich traurig...

  • Du meinst das einleitende Motiv direkt am Anfang der Moldau, oder? :)

    Ähh, nicht ganz, lieber Tobias, mit Nachstück meine ich jenen Teil ab etwa min. 6.30 in dem Film. Auf die Einleitung der "Moldau" bin ich noch gar nicht gekommen, aber da hast Du recht, auch da lassen sich Ähnlichkeiten heraushören. Wahrscheinlich wird jetzt noch ein Musikwissenschaftler kommen und uns erklären - was ich wirklich spannend fände - dass die von uns gemeinten Stellen aus der böhmischen Volksmusik stammen. Schadet aber auch nix, die "Moldau" ist ein herrliches Stück, von Lausi Harnoncourt hier aber arg bis übertrieben langsam gespielt; Jesses, ist der Celibidache in den gefahren????


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Ähh, nicht ganz, lieber Tobias, mit Nachstück meine ich jenen Teil ab etwa min. 6.30 in dem Film. Auf die Einleitung der "Moldau" bin ich noch gar nicht gekommen, aber da hast Du recht, auch da lassen sich Ähnlichkeiten heraushören. Wahrscheinlich wird jetzt noch ein Musikwissenschaftler kommen und uns erklären - was ich wirklich spannend fände - dass die von uns gemeinten Stellen aus der böhmischen Volksmusik stammen.


    In der Tat! Insbesondere, daß der Wagner'sche Rhein irgendwo in der Böhmischen Walachei entspringt, wäre sicher ein amüsantes Detail... :D


    Aber wahrscheinlich hast Du recht: das beschriebene Wasser könnte schon mit sich bringen, daß sich die musikalischen Umsetzungen zumindest zu einem gewissen Grade gleichen.

  • Ja, wundert mich das? Sagen wir mal, ich hätte es so nicht unbedingt erwartet - von gewünscht einmal ganz zu schweigen. Gewünscht hätte ich mir tatsächlich eher, daß das Publikum die Chance ergreift und versucht, einmal Stücke ins Programm zu wählen, die nicht sowieso an allen Ecken und Enden aufgeführt und gespielt werden. Und das erst recht vor dem Hintergrund, daß Smetanas Vaterland vor kurzem erst in seiner Gänze bei uns gegeben wurde.


    Ich hatte es zunächst vermieden, den Gedanken auszuformulieren, aber im Grunde wirst Du wohl recht haben: viele Hörer auch klassischer Musik unterscheidet wahrscheinlich traurigerweise recht wenig vom durchschnittlichen Zuhörer von meinetwegen Antenne Hitradio WRXLF, der sich bevorzugt von irgendwelchem möglichst harmlosem eingängigem Gedudel einschläfern lässt. Eigentlich traurig...


    Um Dich vielleicht doch noch auch ein wenig zu bestätigen: das 'Frankfurter Museumsorchester' (es handelt sich um das Orchester der Frankfurter Oper) gibt etwa einmal monatlich ein Orchesterkonzert im Großen Saal der 'Alten Oper'. Ich erinnere mich, dass dieses Orchester etwa um 2001 herum auch einmal eine Konzertprogrammierung dem Publikum überlassen hatte. Damals sollten aber komplette Programmvorschläge eingeschickt werden und das Orchester (oder der Dirigent?) wählten dann den interessantesten Vorschlag zur Aufführung aus.


    Ich müsste jetzt das Programmheft von damals heraussuchen (ist mir aber zu umständlich jetzt). So müssen Erinnerungsfetzen genügen: Es standen wohl Werke von Franz Schreker und Alexander Zemlinsky auf dem Programm. Genau weiß ich es nicht mehr. Aber dieses Programm, das aus den Reihen Publikums kam, war ausschließlich mit Repertoire-Raritäten bestückt, was ja nun Deinen (und natürlich auch meinen) Hoffungen an ein solches Unterfangen entspricht.
    Will sagen: es geht auch anders, als es Dein Wuppertaler Beispiel zeigt, glaube aber trotzdem, dass 'Wuppertal' weiter verbreitet ist.


    Grüße,
    Garaguly


  • Um Dich vielleicht doch noch auch ein wenig zu bestätigen: das 'Frankfurter Museumsorchester' (es handelt sich um das Orchester der Frankfurter Oper) gibt etwa einmal monatlich ein Orchesterkonzert im Großen Saal der 'Alten Oper'. Ich erinnere mich, dass dieses Orchester etwa um 2001 herum auch einmal eine Konzertprogrammierung dem Publikum überlassen hatte. Damals sollten aber komplette Programmvorschläge eingeschickt werden und das Orchester (oder der Dirigent?) wählten dann den interessantesten Vorschlag zur Aufführung aus.


    Ich müsste jetzt das Programmheft von damals heraussuchen (ist mir aber zu umständlich jetzt). So müssen Erinnerungsfetzen genügen: Es standen wohl Werke von Franz Schreker und Alexander Zemlinsky auf dem Programm. Genau weiß ich es nicht mehr. Aber dieses Programm, das aus den Reihen Publikums kam, war ausschließlich mit Repertoire-Raritäten bestückt, was ja nun Deinen (und natürlich auch meinen) Hoffungen an ein solches Unterfangen entspricht.
    Will sagen: es geht auch anders, als es Dein Wuppertaler Beispiel zeigt, glaube aber trotzdem, dass 'Wuppertal' weiter verbreitet ist.


    Grüße,
    Garaguly


    Das ist in der Tat tröstlich zu lesen! :) Dennoch muß ich wohl mit Deiner Einschätzung konform gehen, daß Wuppertal überall ist. Die Veröffentlichungspolitik der Plattenlabels, Konzertprogramme mit bestenfalls versteckt vorkommenden Außergewöhnlichkeiten, Klassikcharts etc. pp. sprechen da eigentlich eine deutliche Sprache.


    Sollte hier nochmal solch ein Wunschkonzert angeboten werden, werde ich mir wohl ein paar hundert Teilnahmekarten ergaunern müssen... :pfeif:;)

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