Ist Tschaikowsky außer Mode ?

  • Hallo zusammen!


    Ich kann mich Siamak's Ausführungen nur anschliessen, bei der Interpretation von Tschaikowsky's 1. Klavierkonzert gibt es viele Interpreten, die glauben, es reicht, wenn sie das Konzert ins Klavier donnern (Lang Lang ist hier ein abschreckendes Beispiel), bei dieser Interpretation kann man als Anfänger wirklich zur Ansicht kommen, dass dies zweitrangige Musik ist, aber zum Glück gibt es auch viele hervorragende Interpreten (ich habe eine Aufnahme mit Gilels z.B., die mir ausgezeichnet gefällt). Ich liebe dieses Konzert jedenfalls in sehr und halte es für hervorragende Musik.

  • Hallo Seb,


    es ist überhaupt nichts verwerfliches daran,wenn dir ein klassisches Musikstück weniger gefällt als andere.Das geht wohl jedem Klassikfreund so,und das hat mit Alter oder Erfahrung überhaupt nichts zu tun.
    Schön,daß du dich für klassische Musik interessierst.Und wenn Schubert dein Lieblingskomponist ist,hast du einen sehr guten Geschmack.Bei mir steht Schubert auch ziemlich weit oben in der Gunst.Ich wünsch dir noch viel Freude und schöne Entdeckungen musikalischer Art.

    Freundliche Grüße Siegfried

  • Den armen Tschaikowskij haben sie fertig gemacht. Das hätte kein Komponist ausgehalten, was man mit seinen Symphonien und seinem Klavierkonzert angestellt hat.
    Ja, richtig gelesen: SeineM KlavierkonzerT. Hat ja nur eines geschrieben. Und leider nur drei Symphonien. Und ein Violinkonzert. Und natürlich das "Capriccio italien".
    Ich bin ein Verehrer der Komponisten des "Mächtigen Häufleins" und aller, die in weiterer Folge in dieser Tradition stehen, also von Schostakowitsch über Schnittke bis Tischtschenko, Schtschedrin und Artjomov. Aber davon lasse ich mir meinen Tschaikowskij nicht vermiesen!
    Seine Zweite und Dritte Symphonie etwa: Das ist so wunderbar delikat komponiert! Und auch wenn man die totgespielten Symphonien fünf und sechs unter einem Dirigenten wie Swetlanow hört, begreift man plötzlich, wie sehr Mahler diese Musik geliebt haben muss... Oder diese unglaublichen Farben im "Nussknacker" (ja, auch totgespielt, ich weiß)!
    Nicht zu vergessen, dass der "Eugen Onegin" und die"Pique Dame" fabelhafte Opern sind (die Briefszene im "Eugen" stand mit ziemlicher Sicherheit Pate für die Briefszene in Brittens "Turn of the Screw") - aber hört Euch bitte einmal "Tscherewitschki" (auch als "Cherevichki" transkribiert) an; oder diesen fabelhaften "Mazeppa", den ich persönlich über jede Verdi-Oper außer "Otello" und "Falstaff" stelle! Das ist hinreißend komponierte Musik.
    Ach ja, und nicht vergessen, das nächste Mal im Plattenladen nach dem Dritten Klavierkonzert zu fragen, am besten mit Gilels (aber ich fürchte, dass diese Einspielung im Moment nicht zu bekommen ist) - da frage ich mich wirklich, wie man im Zusammenhang mit Tschaikowskij von "altmodisch" oder "süßlich" reden kann. Ein bisserl selbstmitleidig war er halt, aber das soll's bei genialen Komponisten ja des öfteren geben...

    ...

  • Zitat

    Original von Edwin Baumgartner
    Ja, richtig gelesen: SeineM KlavierkonzerT. Hat ja nur eines geschrieben


    Zitat


    Ach ja, und nicht vergessen, das nächste Mal im Plattenladen nach dem Dritten Klavierkonzert zu fragen, am besten mit Gilels (aber ich fürchte, dass diese Einspielung im Moment nicht zu bekommen ist) - da frage ich mich wirklich, wie man im Zusammenhang mit Tschaikowskij von "altmodisch" oder "süßlich" reden kann. Ein bisserl selbstmitleidig war er halt, aber das soll's bei genialen Komponisten ja des öfteren geben...


    Welche Einspielung meinst Du genau von Gilels?


    Etwas widersprüchlich deine Statements!

  • "Sein Klavierkonzert" bezog sich in meiner leider manchmal durchbrechenden Ironie auf das landab landauf endlos heruntergedroschene b-Moll-Konzert op.23.
    Demgegenüber habe ich eine Präferenz für das formal wirklich eigentümliche zweite Konzert (G-Dur, op.44), das im Mittelsatz zum Konzert für Klaviertrio und Orchester erweitert wird.
    Noch höher steht für mich das dritte Konzert (Es-Dur, op.75), das im Grunde ein Fragment ist, nämlich der Kopfsatz eines größer angelegten Konzerts, das seinerseits mit der ebenfalls nicht ausgeführten Siebenten Symphonie verwandt ist. Dieses dritte Konzert klingt wie eine Vorwegnahme von Glière und Rachmaninow. "Live" habe ich das zweite ein einziges Mal gehört, das dritte überhaupt nicht, beim ersten habe ich das Zählen aufgegeben. Es ist sogar so, dass ich manchmal blöde angeschaut werde, wenn ich von Tschaikowskijs zweitem und drittem Klavierkonzert spreche, es gibt wirklich Leute, die durchaus keine Klassik-Neulinge sind und die glauben, er habe nur eines geschrieben, und das steht in b-Moll.

    ...

  • Ich muß auch sagen, dass ich in letzter Zeit wenig Tschaikowsky gehört habe, obwohl er doch einer meiner aller liebsten Komponisten ist.


    Die größten Werke von ihm sind für mich:


    - a-moll Klaviertrio, eines der herrlichsten Kammermusikschöpfungen überhaupt
    - Streichsextett "Souvenier di Florence"
    - Sinfonie Nr 1, langsamer Satz ("Winterträume") - ein Juwel ohnegleichen!!!
    - Sinfonien 4 - 6, Manfred Symphonie
    und die herrliche realisierte Fassung der 7. Sinfonie in Es-Dur (besonders Satz 2 und 4), deren Skizzen dann in das dritte Klavierkonzert aufgegangen sind, aber längst nicht so herrlich wie in der Sinfoniefassung
    - die grossartigen Orchestersuiten 2 und besonders 3
    - verschiedene sinfonische Dichtungen
    - Klavierstück "Dumka"


    u.s.w.



    Gerd

    "When I was deep in poverty, you taught me how to give" Bob Dylan

  • Eigentlich hätte ja ein neuer Thread entstehen sollen. Mit dem griffigen Titel: "Stinkt Tschaikowskys Musik ?" (frei nach Eduard Hanslick) Aber zum einen wissen wir heute, daß sie das nicht tut, zum anderen habe ich diesen Thread hier gefunden, und werde versuchen ihn wiederzubeleben.
    "Ist Tschaikowsky ausser Mode?" - das ist die Frage , die ich hier vor fast sieben Jahren stellte - und die relativ kurzen, wenigen und einsilbigen Antworten , bestätigten eigentlich meine Frage ziemlich klar.
    Das Forum hat nun sein Gesicht verändert, viele Mitglieder gingen, viele kamen neu hinzu.
    Grund genug, um sich die Frage erneut zu stellen. Aber ich habe den dunklen Verdacht, daß ich eigerntlich die Antwort schon im voraus kenne. Daher biete ich als Alternative noch die Frage "WARUM ist Tschaikowsky außer Mode ?" an.
    Einst beinahe so gefragt wie jene von Beethoven, fristen die Sinfonien Tschaikowskys derzeit ein Schattendasein.
    Worin seht ihr dies begründet ?


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Na ja, vielleicht glaubt man, sich suspekt zu machen, wenn man Tschaikowskys letzte drei Sinfonien programmiert. Etwa, dass man den leichten Erfolg beim Publikum sucht. -


    Was ist eigentlich mit Tschaikowskys Streichquartetten und dem Streichsextett "Souvenir de Florence" samt Klaviertrio? Die sind doch auch kaum zu hören.

  • Zitat

    Na ja, vielleicht glaubt man, sich suspekt zu machen, wenn man Tschaikowskys letzte drei Sinfonien programmiert. Etwa, dass man den leichten Erfolg beim Publikum sucht. -


    Das ist eine gute Frage, die Du da aufwirfst .
    Kann man mit den letzten drei Sinfonien heute überhaupt noch beim Publikum punkten ?
    Auch ich kenne das Clichee, daß Tschaikowskys späte Sinfonien "Renner" sind - aber ich glaube nicht, daß
    das heute noch Gültigkeit hat. Entgegen anderen Werken mit ähnlicher Tendenz ist der Rückgang an Beliebtheit sogar an Hand ds CD- Angebots neuerer Einspielungen zu belegen......



    Zitat

    Was ist eigentlich mit Tschaikowskys Streichquartetten und dem Streichsextett "Souvenir de Florence" samt Klaviertrio? Die sind doch auch kaum zu hören.


    Eigentlich ist NICHTS von Tschaikowsky zu hören.....


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Ich habe nicht diesen Eindruck geschwundener Popularität. Die Kammermusik war noch nie besonders populär, am meisten das Trio und Souvenirs de Florence.

    Das b-moll-Klavierkonzert gehört nach wie vor zu den drei beliebtesten und häufigst gespielten Klavierkonzerten (ich würde mich nicht wundern, wenn es das meistaufgenommene und gespielte überhaupt wäre), das Violinkonzert sicher zu den fünf meistgespielten Violinkonzerten und die Schwanensee und Nussknacker sind vermutlich die beiden populärsten Ballette schlechthin.
    Wenn die Sinfonien 4-6 ein wenig seltener gespielt werden als vor 40 Jahren, dann liegt das weniger an schwindender Popularität Tschaikowskys, sondern eher am ungebrochenen Mahler/Bruckner/Schostakowitsch-Boom und vielleicht ein geringfügig gestiegenen "Marktanteilen" des vormals weniger beachteten Sibelius. Diese Musik ist ähnlich effektvoll, inzwischen ebenso beliebt und gilt teils nicht zu unrecht als "tiefer" gegenüber Tschaikowsky.
    Ich glaube aber, dass sie nach wie vor ziemlich häufig gespielt und aufgenommen werden.


    Worauf stützt sich denn der Eindruck schwindender Popularität?

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

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  • Hi


    Ich kann mich nur JR anschließen. Allrdings fehlt mir Dornröschen, das schönste der drei Ballette, das nicht wesentlich seltener aufgeführt werden wird als die etwas populäreren beiden anderen. Ich glaube auch, dass die Kammermusik und die Klaviermusik heute bekannter sind als vor fünfzig Jahren (gab es vor den Michael-Ponti-Einspielungen für Vox überhaupt Klaviermusik auf Platte?). Ähnliches gilt für die Lieder. Aber das wichtigste: der Dramatiker Tschaikowsky ist heute (zumindest im "Westen") deutlich präsenter als in früheren Zeiten. Nicht nur die Hauptwerke Eugen Onegin und Pique Dame werden gerne gespielt, man wagt sich auch an unbekanntere Werke wie Mazeppa und Jolanthe. Letzgenannte waren noch vor wenigen Jahrzehnten praktisch nicht existent.


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Als ich vorhin diese "Thread-Wiederbelebung" entdeckte, griff ich mir die hier herum liegenden Frankfurter Jahreskonzertprogramme (diese und letzte Saison) und blätterte diese durch auf der Suche nach Tschaikowsky-Werken. Im November dirigiert Gergiev Tschaikowskys 5. Symphonie. Erst letztes Wochenende spielte das Frankfurter "Museums-Orchester" (es handelt sich um das Orchester der Frankfurter Oper, das, wenn es als Sinfonieorchester in Erscheinung tritt, diesen etwas betulich klingenden, aber umso traditionsreicheren Namen trägt) die 4. Symphonie. Es gab die "Rokoko-Variationen" (Antonio Meneses), die "Winterträume"-Symphonie (ebenfalls Gergiev), Auszüge aus "Eugen Onegin" mit Bolschoi-Kräften, mit Paavo Järvi die 5., die "Dornröschen-Suite" im Neujahrskonzert des hr-Sinfonieorchesters in Wiesbaden, in einem anderen Konzert des hr gab es die 4. Symphonie. Für kommenden Februar sehe ich eine konzertante Aufführung von "Pique Dame" mit dem sich auf Tournee befindenden Mariinsky-Theater, je einen kompletten "Schwanensee" und "Dornröschen"-Abend, kommenden Sonntag spielen das Chamber Orchestra of Europe und Gautier Capucon (Cello) das "Adagio Cantabile für Cello und Streicher op. posth.", die Kremerata Baltica hat im November die Streicherserenade op. 48 im Programm.


    Soweit ein kurzer (und unvollständiger) Überblick über die Frankfurter Konzertlandschaft der letzten und dieser Saison. Natürlich handelt es sich fast ausnahmslos um die "Reißer und Knaller" - aber ist das bei Mozart, Beethoven, Brahms (von dem ich mindestens vier Mal die 4. Symphonie entdeckte) oder Sibelius anders?


    Ich glaube angesichts dieser (natürlich nicht repräsentativen) Fülle nicht, dass Tschaikowsky "out" ist. Richtig ist sicher das Argument, dass er sich die Aufmerksamkeit des Publikums heute mit Komponisten teilen muss, die noch in den 60er und 70er Jahren hierzulande aus unterschiedlichsten Gründen kaum gespielt wurden. Wenn, dann sorgt dies für einen gewissen "Verdrängungseffekt". Aber "out" in dem Sinne, dass es an seiner Musik als solcher läge, glaube ich nicht.


    Dennoch interessant ist der Gedanke, nach dem Tschaikowsky als nicht intellektuell genug gilt und deswegen nicht mehr so häufig "programmiert" würde. Ich habe dazu noch nie etwas gehört oder gelesen. Vielleicht hört man dazu noch etwas. Aus meiner eigenen musikalischen Erfahrung kann ich nur sagen, dass mich Tschaikowskys Musik bereits im Teenager-Alter ansprach, während ich für Schostakowitsch (um ihn wirklich mit Gewinn zu hören) die zwanzig schon deutlich hinter mir lassen musste (Spätentwickler halt :D ).


    Grüße,


    Garaguly

  • Die Ansicht, Tschaikowskys Musik, oder jedenfalls einiges davon, sei reißerisch und nicht so intellektuell oder "tief" wie andere Musik (etwa Brahms, Bruckner usw.) dürfte seit Ende des 19. Jhds. nicht selten vertreten worden sein (ungeachtet prominenter Fürsprecher wie Mahler oder Stravinsky). Das ist alles andere als neu und hat die Popularität kaum oder gar nicht geschmälert.
    Und es ist auch kaum von der Hand zu weisen, dass Brahms' Violinkonzert oder eine Sinfonie von Bruckner weniger schmissig, dabei musikalisch oft sehr dicht daherkommen. Besonders bei Balletten scheint es aber völlig verfehlt, solche "deutsche Tiefe" überhaupt zu verlangen (Kann sich jemand ein Ballett von Brahms oder Bruckner vorstellen... ;)).


    Ich habe keine Zeit und Lust, das zu überprüfen, aber mir scheinen die beiden berühmtesten Tschaikowsky-Konzerte noch immer recht populär als Debut-Alben (oder jedenfalls als eine der ersten Aufnahmen) bei jungen Künstlern zu sein. (Bei Pianisten Chopins fast noch mehr, allein wegen des Wettbewerbs.)


    Und wie schon angedeutet: vor 40 Jahren galten zB die beiden Schostakowitsch- und Prokofieff-Violinkonzerte noch als relativ exotisch, während sie heute zum Standard gehören, so dass außer Mendelssohn, Bruch, Sibelius, Tschaikowsky sich auch diese auf dem Programm der Nachwuchsgeiger befinden (für Brahms, Beethoven, Mozart ist man bekanntlich mit 20 noch nicht reif genug...). Und natürlich gibt es auch noch die Option, sich als "intellektuell" abzusetzen und mit Bach zu starten wie Fray, Stadtfeld, Hilary Hahn u.a.


    Die Sinfonien werden vielleicht nicht mehr ganz so häufig aufgenommem. Aber das ist angesichts eines übersättigten Katalogs und der massiv gestiegenen Popularität von besonders Bruckner, Mahler, Schostakowitsch nicht so verwunderlich. Dazu kommt, dass einige der berühmteren der etablierten jüngeren Dirigenten wie Rattle oder Thielemann andere Schwerpunkte haben. Einen Nussknacker gibt es sogar von Rattle und jemand wie Gergiev hat dieses Repertoire natürlich rauf und runter dirigiert.

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  • Meine Liebe zu Tschaikowskij ist seit Jahrzehnten ungebrochen. Ich finde seine Musik nicht "zu westlich", sondern russisch-romantisch. Dass er eigene Wege gegangen ist, darf man ihm nicht zum Vorwurf machen - im Gegenteil!


    Meine persönlichen Lieblingswerken sind neben den Opern vor allem die "Pathétique", da gibt es eine beeindruckende Interpretation von Celibidache! Seine drei Streichquartette sind melodieselig und bunt in ihrer Farbigkeit. Desgleichen sein Klaviertrio (auf einer anderen Ebene) und sein Streichsextett.


    Seine "Rokoko-Variationen" sind eine besonders originelle Komposition mit einem grossartigen Stimmensatz für das Solo-Cello.


    Nicht vergessen darf man seine wunderbaren, ausdrucksstarken Lieder und auch seine aparten, oft sehr innigen Piècen für Violine oder Cello und Klavier!

    Arrestati, sei bello! - (Verweile, Augenblick, du bist so schön!)

  • In den letzten Tagen höre ich wieder häufig Tschaikowsky:
    Die Sinfonischen Dichtungen mit Swetlanow (Melodiya/Eurodisc)...
    Francesca da Rimini mit Swetlanow und Bernstein - da :thumbsup: "gibt man den Löffel ab", das ist der Wahnsinn ...


    :thumbup: Jetzt bin ich richtig "heiss" geworden auf Swetlanows späte Tschaikowsky-Sinfonien-GA (Warner, Live aus Tokyo 1990, DDD).
    Seine frühe GA aus den 60er-Jahren habe ich noch auf LP (Eurodisc/Melodiya); höre diese aber wegen eingeschränkter Klangqualität nicht so häufig. Es sind aber mitunter eine der fastzinierendsten Interpretationen ... doch der Klang läßt mich eher zu Solti, Karajan, Bernstein und alles was Mrawinsky klanglich brauchbar hinterlassen hat, tendieren.


    Nach der Manfred-Sinfonie mit Swetlanow (Warner, 1990 Live aus Tokyo) --- es gibt nichts umwerfenderes - bin ich nun gespannt auf die restlichen Sinfonien Nr.1-6. Meine Bestellung läuft bereits:


    41tjvFg-YSL.jpg


    Warner, Live 1990, DDD


    Alle 7 (..8) Sinfonien (mit der rekonstruierten Nr.7), die 3 KK, das VC und alle Sinf.Dichtungen, sowie die 3Ballette (am liebsten in großen Suiten (selbstzusammengestellt)) - das sind die Werke die mich begeistern können und immer wieder gerne gehört werden - bei mir total und in regelmäßigen Abständen "in Mode". :D


    -----------------------------


    Zitat

    Zitat von Milletre:
    Seine "Rokoko-Variationen" sind eine besonders originelle Komposition mit einem grossartigen Stimmensatz für das Solo-Cello.


    Deine Vorliebe , lieber Milletre sei Dir unbenommen, aber das ist genau das Werk, das ich von Tschaikowsky am wenigsten schätze. :evil: Diesen Edelkitsch kann ich einfach nicht hören. Da bekomme ich vor lauter Romatikgedudel Zahnschmerzen :stumm:

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Diesen Edelkitsch kann ich einfach nicht hören. Da bekomme ich vor lauter Romatikgedudel Zahnschmerzen :stumm:


    Ja, lieber teleton, das trifft es auch meiner Meinung nach sehr genau. Und Tschaikowsky war und ist doch auch nicht berühmt für seine Rokoko-Variationen (und die ähnlich honigsüße "Mozartiana"-Suite), sondern für die von Dir schon genannten großen Werke.


    Grüße,


    Garaguly

  • Mozartiana finde ich allerdings, obwohl unbestritten kitschig, sogar ganz interessant (was nicht heißt, dass ich sie regelmäßig höre).
    Die Rokoko-Variationen werden sich die Cellisten nicht vermiesen lassen, dazu sind sie einfach zu effektvoll; ich finde sie furchtbar, aber ich mag das Violinkonzert auch nicht und die Sinfonien kann ich weitgehend nur noch in homöopathischen Dosen ertragen. Um meine persönlichen Vorlieben geht es aber auch nicht, sondern um die allgemeine Beliebtheit. Und die ist m.E. nach wie vor kaum zu bestreiten.


    Kennt sich eigentlich jemand ein wenig mit der Soloklaviermusik aus? Es gibt eine Handvoll Aufnahmen mit Pletnev, um die ich seit einiger Zeit rumschleiche. Allerdings ist dieser Teil des Oeuvres nicht allzu bekannt...

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    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)


  • Nach wie vor sehr preisgünstig erhältlich ist diese Gesamtaufnahme bei VOX / MEMBRAN auf fünf CDs. Michael Ponti dürfte sicher der richtige Interpret für Tschaikowskys Musik sein, da er zupackt, aber auch Sentiment nicht meidet. Ein Großteil des Oeuvres stellt weniger bedeutende Salonmusik dar. Die Klaviersonate wird man nicht dazu zählen, Zyklen wie "Die Jahreszeiten" empfinde ich als durchaus charmant und klaviertechnisch originell.


    Mittlerweile habe ich die CDs komplett durchgehört, unter Verwendung gemeinfreien Notenmaterials im Netz. Auch dies hat mich bezüglich der Interpretation Pontis überzeugt - die Aufnahmedaten werden als "unbekannt" deklariert. Die Klangqualität ist ordentlich, das Booklet korrekt, sympathisch, da dezent bebildert und angemessen informativ.


    Ich könnte mir vorstellen, dass Pletnew ebenso (oder noch mehr) überzeugen kann, aber man wird verstehen, dass ich keine Parallel-Aufnahmen benötige.


    Selber besitze ich ein paar kleine Stücke in Anthologien, bequem spielbare Miniaturen - was man von etlichen der Kompostitionen sicher nicht behaupten kann.


    :hello: Wolfgang


    PS: MEMBRAN gewinnt für mich generell an Reiz, spottbillig, aber keineswegs minderwertig oder (immer, manchmal leider schon) informationsfrei, was neuere Zehnerboxen anbelangt.

    Lieber Fahrrad verpfänden denn als Landrat enden!

  • ... - die Aufnahmedaten werden als "unbekannt" deklariert.


    Auch meine LP-Kassetten schweigen sich über Aufnahme- und Veröffentlichungsdaten aus (eine Vox-Marotte). Ich kann nur sagen, dass die Boxen ca. 1970 oder etwas später auf den Markt kamen.


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


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  • Deine Vorliebe , lieber Milletre sei Dir unbenommen, aber das ist genau das Werk, das ich von Tschaikowsky am wenigsten schätze. :evil: Diesen Edelkitsch kann ich einfach nicht hören. Da bekomme ich vor lauter Romatikgedudel Zahnschmerzen :stumm:


    Dieses großartige Werk als "Edelkitsch" und "Romantikgedudel" zu bezeichnen, ist mehr als ungehörig!
    Sollte dein bürgerlicher Name Hanslick sein, wäre mir alles klar.


    petemonova schrieb im Sol Gabetta-Thread: Die Rokoko-Variationen ... (habe ich) mit dieser Aufnahme kennengelernt. Aber was für ein schönes Werk ... Tschaikowskij hatte recht, wenn er auf die unbeachteten Rokoko-Variationen hinwies, nachdem man ein Cellokonzert von ihm haben wollte.


    Also ein bißchen mehr Respekt vor solch einer herrlichen Komposition wäre schon angebracht - ganz zu schweigen davon, dass diese unglaublichen Invektiven ein fatales Bild auf den Schreiber werfen!

    Arrestati, sei bello! - (Verweile, Augenblick, du bist so schön!)

  • Dieses großartige Werk als "Edelkitsch" und "Romantikgedudel" zu bezeichnen, ist mehr als ungehörig!
    Sollte dein bürgerlicher Name Hanslick sein, wäre mir alles klar.


    Ich bin nicht sicher, was mir lieber wäre - ein pseudoliberaler Konsens darüber, dass alles und jedes unsere Wertschätzung verdient und darum kein Werk und keine Interpretation negativ beurteilt werden darf, oder ein echter Frontenkrieg wie zu Hanslicks Zeiten.


    Das Erstere wäre zwar politisch superkorrekt, denn man tritt niemandem auf die Füße und verhält sich in jeder Beziehung konstruktiv und wertschätzend. Der Nachteil ist, dass weniger Gelungenes oder Tendenziöses nicht mehr als solches bezeichnet werden dürfte.


    Das Letztere bietet die Gefahr, dass Gutes und Wichtiges unter dem Deckmäntelchen irgendwelcher Etiketten und Brandmarkungen keine Chance erhielte. Dafür zwingt es zur Auseinandersetzung: Welche Seite hat recht?


    Selbständige Künstler haben oft Ansichten geäußert, die quer zur Meinung der Masse standen. Glenn Gould nannte die "Appassinonata" Beethovens schlechteste Klaviersonate. Allerdings hat er sie so gespielt, dass man ihm beinahe glauben könnte. Andreas Staier sagte mal, Beethovens Klaviersonate B-Dur op. 22 sei ein eher mittelmäßiges Werk, zu dem es viel bessere Gegenstücke bei weniger bekannten Komponisten gäbe. Schnabel hat sich für Schuberts Klaviersonaten stark gemacht, als diese noch als minderwertig galten. Gidon Kremer hat viel zur Rettung von Schumanns Violinkonzert getan.


    Schuberts Klaviersonaten haben sicher noch einiges an Wiedergutmachung nötig, vielleicht abgesehen von der letzten. Mendelssohns Sinfonien, insbes. Nr. 2, hatten es auch lange schwer. Dito Schumanns Violinkonzert. Dafür scheint einiges von Liszt (Tondichtungen) und Strauss (z. B. Sinfonia domestica) heute im Ansehen eher gesunken zu sein.


    Was wäre besser - "alles ist gut" oder ein Frontenkrieg?

  • Dieses großartige Werk als "Edelkitsch" und "Romantikgedudel" zu bezeichnen, ist mehr als ungehörig!
    Sollte dein bürgerlicher Name Hanslick sein, wäre mir alles klar.


    Es mag ja sein, lieber Milletre, dass Dir die "Rokoko-Variationen" sehr gefallen. Das will Dir auch niemand nehmen. Mit welchem Recht könnte man Dir Deine persönliche Vorliebe absprechen? Doch das ist eben der Bereich des subjektiven Geschmacks. Objektiv muss man wohl einfach anerkennen, dass Tschaikowsky, hätte er zum Beispiel die letzten drei Sinfonien nicht komponiert, heute weit weniger musikgeschichtliche Relevanz besäße. Da mögen die "Rokoko-Variationen" ein in sich noch so gut gemachtes Stück Musik sein - es fehlt ihnen im Vergleich zu anderen Werken des verehrten Meisters dann doch die nötige Substanz. Als Komponist von Instrumentalmusik bewies man kompositorische Reife und Tiefe durch Kompositionen in den Zentralgattungen wie Sinfonie, Sonate, Streichquartett oder Konzert. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Tschaikowsky im Moment der Komposition der "Rokoko-Variationen" von solch inspiratorischer Wucht gepackt war, wie sie ihn wahrscheinlich bei der Komposition der 6. Symphonie erfasst hatte.


    Grüße,


    Garaguly

  • Natürlich ist es jedermann unbenommen, eine Komposition mehr oder weniger zu mögen. Nur stört mich der Ton der Ablehnung, der die Musik macht. Diese Invektiven müssen doch nicht sein!


    Warum, lieber Wolfram, gleich einen "Frontenkrieg" ins Spiel zu bringen, wenn es doch lediglich um Geschmacksnuancen geht?


    Mir leuchtet nicht ein, lieber Garaguly, welchen Sinn es machen sollte, die "Rokoko-Variationen" von Tschaikowskij gegen seine großartige "Pathétique" auszuspielen. Das sind doch zwei grundverschiedene Kompositionen, wobei ersteres ein im Sinne des Rokoko nachempfundenes Variationenwerk ist. Kein ernsthafter Musikliebhaber käme z.B. auf die Idee, Beethovens "Ruinen von Athen" etwa gegen seine letzten Symphonien auszuspielen.

    Arrestati, sei bello! - (Verweile, Augenblick, du bist so schön!)

  • Warum, lieber Wolfram, gleich einen "Frontenkrieg" ins Spiel zu bringen, wenn es doch lediglich um Geschmacksnuancen geht?


    Lieber Milletre,


    ja, das Wort ist sicher zu stark gewählt. - Dennoch: Wenn jemand sagt, er würde ein Werk ablehnen, dann gibt es immerhin eine Position, die man diskutieren kann.

  • Mir leuchtet nicht ein, lieber Garaguly, welchen Sinn es machen sollte, die "Rokoko-Variationen" von Tschaikowskij gegen seine großartige "Pathétique" auszuspielen. Das sind doch zwei grundverschiedene Kompositionen, wobei ersteres ein im Sinne des Rokoko nachempfundenes Variationenwerk ist. Kein ernsthafter Musikliebhaber käme z.B. auf die Idee, Beethovens "Ruinen von Athen" etwa gegen seine letzten Symphonien auszuspielen.


    Nein, eigentlich will ich nichts gegeneinander ausspielen. Das ist gar nicht meine Art. Es ging lediglich um einen wirklich nur sachlich gemeinten Hinweis darauf, dass der kompositorisch-musikgeschichtliche "Wert" (an sich eigentlich schon eine schrecklich-nüchterne Formulierung) Tschaikowskys sich über andere Werke definieren muss als über die "Rokoko-Variationen". Wobei natürlich klar sein muss, welches Ziel Tschaikowsky bei der Komposition dieses Werkes hatte. Im Rahmen dessen, was er hier schaffen wollte, hat er sicherlich meisterhaftes hinbekommen. Nur - und hier kommt mein persönlicher Geschmack ins Spiel: Mir gibt dieses Werk persönlich zu wenig.


    Aber ausspielen - nein, das ist mir zu negativ gedacht.


    Viele Grüße,


    Garaguly

  • Tschaikowsky ist ein Meister der Instrumentation, was in den "Variationen über ein Rokkoko-Thema A-Dur, op. 33", hörbar ist. Er hatte das Werk 1876 für den Cellisten Karl F. Fitzenhagen komponiert, dem es gewidmet ist und der es auch uraufführte.
    Der Hornruf, der in der Einleitung eine Zäsur setzt, bevor das Cello das Thema vorstellt, überrascht. Zuvor haben die Streicher erst gestrichen, dann mit Pizzicato Klängen zusammen mit Flöte und Klarinette den Hörer eingestimmt. Nie wird der Klang des Cellos in der Folge durch das Orchester überdeckt, die Querflöten haben einen wichtigen Part, wenn sie im Duo oder als Solo, die Cellolinie umspielen, das Pizzicato der Streicher wird geschickt verwendet. (Tschaikowsky arbeitete im Jahr 1876 an seiner Vierten Sinfonie, wo er während eines Satzes Pizzicato als besondere Klangfarbe einsetzt.) In den Cello-Variationen zeigt sich Tschaikowsky als "Magier des Timings und Kontrastes" ""Während Gefühle wie Angst, Bedauern, Protest und ungestilltes Verlangen latent eine Rolle spielen, bleibt letztlich das Gleichgewicht zwischen Rausch und Disziplin erhalten. Ein schönes Beispiel geben uns die ersten acht Takte des famosen Themas von Tschaikowskys Rokkoko-Variationen. Passagen von formaler Ordnung wechseln sich im Rhythmus von zwei Takten ab mit emotionalen Gefühlsregungen, dem anderen Pfeiler des Stückes - eine Symbiose auf kleinstem Raum." (Zitate aus dem Booklet der Wispelwey-Aufahme aus dem Jahr 2000).
    Wie Tschaikowsky das macht, lässt mich staunen.


    .

    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928




  • Danke, lieber moderato, dass du auch mit Unterstützung dieses faszinierenden Cellisten die Dinge ins rechte Lot gerückt hast.

    Arrestati, sei bello! - (Verweile, Augenblick, du bist so schön!)

  • Mir leuchtet nicht ein, lieber Garaguly, welchen Sinn es machen sollte, die "Rokoko-Variationen" von Tschaikowskij gegen seine großartige "Pathétique" auszuspielen.


    Die "Pathétique" gegen die "Rokoko-Variationen" auszuspielen geht gar nicht, bzw. wäre völlig sinnlos.


    Auf die Gefahr hin, mir einen Vorwurf wegen Apodiktik gefallen lassen zu müssen: Das wäre so ähnlich, als ob man einen Château Pétrus oder einen Le Pin gegen einen raffiniert gemixten Milchshake ausspielen wollte. :hello:

  • Ich denke, dass Alfred's Thread-Titel rein provokativ vergeben wurde, denn Tschaikowsky wird doch immer wieder gespielt.


    Seine Symphonien kann man jedenfalls immer wieder live hören, aber auch andere Ochesterwerke werden immer wieder aufgeführt.
    Im Opernbereich gehören Pique Dame und ganz besonders Eugen Onegin ja schon zum Standard-Repertoire.


    Jedenfalls ist es eine Mär, dass Tschaikowsky zum Beispiel weniger aufgeführt oder gehört wird als zum Beispiel Bruckner. Das Gegenteil scheint der Fall zu sein.
    Wenn man sich den Spielplan des Wiener Konzerthauses für die aktuelle Saison ansieht, findet man 18 Veranstaltungen die Werke von Tschaikowsky im Programm haben, während es bei Bruckner nur fünf sind. Auch im Wiener Musikverein gibt es mehr Tschaikowsky als Bruckner.


    Um auf Tschaikowsky zurückzukommen, werden im Konzerthaus neben den Symphonien 4, 5 und 6 unter anderem auch die Meditation D-Dur, die Serenade C-Dur op. 48 oder die Fantasie-Ouvertüre Romeo & Julia aufgeführt.
    Auch im Musikverein wird bekanntes und weniger oft gespieltes Tschaikowsky-Repertoire geboten.


    Gregor

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