Ludwig van Beethoven: Sinfonie Nr 5 op 67 "Schicksalssinfonie"

  • Zitat

    , sondern dass allgemein bei der "Schicksalssinfonie" (ich hasse diese Namensgebung) die Gefahr besteht.


    Hallo timmiju,


    absolut korrekt.


    das man viele Stimmen nicht heraushört liegt in den Natur der Sache. Dieser riesen Raum, die Notwendigkeit, diesen mit Klangvolumen zu füllen, ist ein natürlicher Feind einer detailierten Ausarbeitung.


    Das Dudamel auf zu vielen Hochzeiten tanzt ist wohl ein Phänomen unserer Zeit, alles mitnehmen was geht.


    Das die Ausarbeitung der Werke, und hier fordert besonders Beethoven, auf der Hatz liegen bleibt, ist eine Folge davon und das die Dirigenten sich auf ein so gutes und routiniertes Orchester verlassen müssen eher traurig.


    Dudamel kommt mir erst in die Sammlung wenn er zur Ruhe kommt. Falls das überhaupt passiert.


    Viele Grüße Thomas


  • 1. Satz: Allegro con brio (8:12):


    Leinsdorf beginnt mit einem etwas getragenen Tempo, entwickelt eine große Klangkuppel mit starken Pauken, die aber noch in diese Klangkuppel integriert sind. Auch die Streicher zeigen sich von Anfang an von ihrer besten Seite, und das ganze Orchester entwickelt einen kontinuierlich vorwärts gehenden Rhythmus, wenn auch das Geschehen nicht rast, aber auf den Punkt gebracht ist. Das ist kraftvoll in Würde sozusagen.
    Da ist keine Unrast. Auch die Blechbläser agieren souverän. , mit so viel Aggressivität wie jeweils nötig, in den Steigerungen halt mehr. Im ersten Kulminationspunkt ist das schon heftig, der Staffelstab geht dann unvermittelt an die wunderbare Oboe weiter. Im Fagott wechselt es dann ganz entspannt zu Dur, um auf den zweiten Kulminationspunkt zu steuern. Das ist wirklich gut, kein rasender Beethoven, aber, auch in der Coda, ein sehr kraftvoller.


    2. Satz: Andante con moto (9:56):


    Das Andante beginnt mit sehr direktem Celloton, wunderbar sanft von den Kontrabässen begleitet, normales Andante halt. Dann folgt die erste Steigerung in festlichem C-dur mit starken Pauken und Trompeten. Dies stammt nicht von einem Dirigenten, der zu seinem Tun überredet werden muss.
    Das ist sehr direkt, sehr transparent, trotzdem großsymphonisch, und vor allem in der Blechbläsersteigerung, sehr kraftvoll und feierlich, nicht mit "romantisch" zu verwechseln- nein, dies ist ein klassischer Hymnus, der in den ruhigen Passagen wieder von den herrlichen Holzbläsern übernommen wird, bevor die nächste Steigerung mit den machtvollen Pauken und strahlenden Trompeten kommt. Das spielt immer am Limit, akustisch wie ausdrucksmäßig, und mündet in die herrlich wiegende Coda, die mit der langsamen Streicher/Holzbläser-Sequenz endet, am Schluss noch einmal Tutti und Pauken.


    3. Satz: Allegro (5:06):


    Auch im Scherzo bleibt Leinsdorf seinem Tempo treu, die Blechbläser und Streicher fließen in ruhigem Tempo dahin. Wie gesagt, hier klopft das Schicksal an die Pforten, nicht der Eilbriefträger. In der tiefen Streichersequenz zeigen sich die Bostoner wieder von ihrer besten Seite, auch in der Pizzicato-Passage, die zum Attaca-Finale führt:


    4. Satz: Allegro - Prresto (8:22):


    Und wieder geht es weiter mit dem einmal gewählten Tempo-Konzept, und das bedeutet eben für das Finale ein leichte Tempo-Steigerung. Interpretatorisch ist sowieso das Finale der Glanzpunkt der Fünften. Übrigens wiederholt Leinsdorf hier nicht bei 1:55 das Hauptthema vor der Durchführung, sondern bewegt sich direkt auf diese zu. Wenn wir hier des öfteren von Wiederholungen reden, organischer klingt das hier m.E. ohne Wiederholung.
    Bei 4:00 kommt dann die Reprise, wieder diese durch und durch festliche, rauschende, euphorische Musik, meisterhaft gespielt.
    Bei allem Respekt (lieber Liebestraum), hier kann ich wirklich keinerlei Belanglosigkeit erkennen. Aber vielleicht bin ich ja auch taub (dann geht's mir wie Beethoven, ich höre die Musik nur in meinem Kopf); aber wie kann ich dann die Instrumente der Boston Symphony so gut unterscheiden?
    Die Coda lässt Leinsdorf dann mit ordentlichem Acelerando spielen, es bleibt bei einem kontrollierten Presto-Rausch, der Taktstock fliegt sozusagen nicht durch die Gegend.


    Eine außergewöhnliche Fünfte auf gewohnt hohem Leinsdorfschen Niveau!


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • bitte nicht......


    ich will nicht noch eine GA kaufen müssen - aber wie du das beschreibst - das macht schon appetit !


    danke für deine rezensionen !


    kalli

  • Lieber Willi,


    mir kommt es ehrlich gesagt auf den Gesamteindruck einer Interpretation an, weniger ob ich hier oder dort einige Instrumente besser unterscheiden kann.


    Wenn man nur Reiners 5. mit dem CSO zum Vergleich heranzieht, dann hat diese Aufnahme eine ganz andere Spannung. Schon in den ersten Takten des Kopfsatzes wird das sofort offenbar. Dieses ta ta ta da... klingt bei Leinsdorf so bemüht und langweilig, dass ich schon gar nicht mehr weiter hören mag. Ganz zu schweigen vom Beginn des 4. Satzes:



    Selbst Szells Aufnahme (etwa im gleichen Zeitraum entstanden) hat wesentlich mehr Drive (von der vorzüglichen Klangqualität mal ganz abgesehen...):




    Kann es sein, dass du den Überblick über die vorhandenen Aufnahmen verloren hast, wenn du die Leinsdorf-Einspielung so hoch einstufst?



    :hello: LT

  • Zitat

    Liebestraum: Kann es sein, dass du den Überblick über die vorhandenen Aufnahmen verloren hast, wenn du die Leinsdorf-Einspielung so hoch einstufst?

    Natürlich kann man nicht alle Eindrücke , die man im Laufe der Jahrzehnte gewonnen hat, so abspeichern, dass man sie zum Vergleich abrufen kann. Es ist immer der unmittelbare Eindruck, den ich beim Hören habe und zu Papier bringe, der mich zu dem Ergebnis kommen lässt, auch hier bei Leinsdorf. Das kann heute Abend schon wieder anders sein, wenn ich Leibowitz höre. Und bei dieser Fünften habe ich noch ein Übriges getan: ich habe schon gestern Abend die Fünfte von Karajan 1962 bereitgelegt, die ja in der gleichen Zeit entstanden ist und mich damals schwer beeindruckt hat, wie alle Aufnahmen dieser ersten GA mit den Berliner Philharmonikern.
    Und in den nächsten Tagen werde ich dann zur Eroica kommen. Mal schau'n!


    Im übrigen freut es mich, wenn wir hier ganz unaufgeregt und tolerant über dieses spannende Thema diskutieren.


    Liebe Grüße


    Willi ^^

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  • A1qDUngOWkL._SL300_.jpg


    1. Satz: Allegro con brio (6:50):


    Leibowitz präsentiert auch hier in der Aufnahme von 1961 sein gewohnt helles, geschärftes Klangbild mit von Anfang an hohem Tempo, wodurch diese Symphonie einen ungeheuren Drive entwickelt, wobei von Anfang an die fabelhaften Hörner und Trompeten beeindrucken, was m.E. unbedingt zum ausgezeichneten Gesamteindruck hinzugehört. Ich kann nicht immer nur den Gesamtklang im Ohr haben, ich muss auch die einzelnen Komponenten hören, die dazu beitragen.
    Dieser Auftakt bläst fast alles weg, ganz das Gegenteil zu Leinsdorf. Hier ist alles unaufhaltsam, auch die lyrischen Atempausen sind fast hastig, flüchtig. Dass folgende ff-Brio ist überwältigend, nach dem Kulminationspunkt auf der Hälfte kommt die klagende Oboe wie aus dem Nichts.
    Auf dem zweiten Kulminationspunkt gibt es kein Halten mehr. Oh- by the way- die Pauken sind unwiderstehlich. Herausragend sind in diesem ersten Satz die beinahe brüsken, rigoros vorwärts drängenden Streicher, die fast brutal agierenden Blechbläser und die Pauken, also eigentlich das ganze Orchester. Ähnliches, wie ich schon in der Besprechung von Leibowitz' Siebter gesagt habe, gilt hier, (fast) noch gesteigert: nachdem er nach der an sich schon atemberaubenden Siebten in der Interpretation der Sechsten gewissermaßen Atem geschöpft hat, erhöht er hier im Kopfsatz der Fünften noch die Intensität: Hier klopft das Schicksal fast schon mit der Gewalt eines Tornados an die Pforten.


    2. Satz: Andante con moto (8:52):


    Leibowitz kann auch "lyrisch", wie er hier zu Beginn des "langsamen" Satzes unter Beweis stellt. Die 51-jährige Aufnahme klingt kristallklar. Der erste Höhepunkt kommt mit prächtigen Trompeten und kräftigen Pauken daher, die dann schön zu den butterweichen Streichern und den seligen Holzbläsern wechseln und uns zum zweiten Bläserhöhepunkt führen (s.o.). Das ist wirklich hohe Interpretationskunst- Royal Philharmonic at it's best!
    Und- dieses Andante ist wirklich con "molto" moto, aber das muss in diesem Tempokonzept an der oberen Kante auch so sein. Der dritte Höhepunkt mit dem o.a. Tandem ist abermals überwältigend, im anschließenden Piano fließen die Geigen und Bratschen souverän dahin. Rasant gestaltet sich dann auch das rallandoartige Furioso der zupfenden Streicher kurz vor Schluss mit den überzeugenden Tuttischlägen.


    3. Satz: Allegro (4:37)


    Nach der p-Einleitung der tiefen Streicher geht es mit den sonoren Hörnern und im Haptthema in den nach wie vor unerbittlich vorwärts drängenden Rhythmus weiter. Dann taucht das zweite Thema aus den tiefen Streichern auf und wird von den Blechbläsern und Pauken erwidert- hinreißend- hier drängt schon jetzt alles zum erlösenden Finale, da muss nicht (unbedingt) wiederholt werden, auch hier setzen sich die Pizzicato-Streicher im Verein mit dem Fagott kurz vor demr Attacca-Übergang zum Finale ganz groß in Szene.


    4. Satz: Allegro (8:13):


    Da er immer schon am Limit musizierte, ist dies hier keine Leistungsexplosion eines Dirigenten, der sich drei Sätze lang zurückgehalten hat, sondern eine kontinuierliche Fortsetzung dieser mitreißenden Lesart: auch hier wird die Wiederholung der Themeneröffnung weggelassen, herrlich bis hierhin die Hörner, Posaunen und Trompeten, dann fügt sich organisch die Wiederholung des Scherzothemas ein, wie Beethoven es ja auch im Finale der Neunten mit allen Hauptthemen der vorangegangenen drei Sätze gemacht hat.
    Ebenfalls bei 4:00 (wie Leinsdorf) erklingt auch hier die Reprise, gegenüber Leinsdorfs ausgezeichnetem Finale kann man hier nochmals eine Steigerung feststellen, und zwar auch und vor allem durch die beinahe himmlisch apokalyptischen Blechbläser, vor allem die Trompeten. Aber auch die Holzbläser sind nicht von schlechten Eltern.
    Dann das Schlusspresto- gegenüber Leinsdorf ist das noch einmal eine gewaltige Steigerung, da fliegen die Zügel (und der Taktstock) bei dieser beinahe nicht mehr kontrollierbaren) Extase doch durch die Gegend.


    Diese Fünfte lässt mich total begeistert und atemlos zurück.


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Lieber Willi,


    an deinen begeisternden Worten gibt es nichts hinzuzufügen. das ist wiedder Klasse geschrieben; mit der morgentlichen Lesefreude für den Leser, wie es Wolfram im Beethoven7-Thread beschreibt. Klasse !
    Das klingt so, dass man direkt Kauflust verspürt, wenn man die Leibowitz-Aufnahme noch nicht hat.


    Ich hatte im Thread Beethoven-Sinfonien - - Rene Leibowitz 1961 - Wirklich eine Revolution ? vom Dezember 2009 einen ganz anderen Ersteindruck.
    :thumbup: Dieser hat sich bis heute auch relativiert und ich schätze die Leibowitz 5 weit höher als zuerst. Mir gefällt die Leibowitz-Aufnahme heute auch sehr gut (nach mehrmaligem Hören hat man sich auch an das wahnwitzige Tempo im ersten Satz, bei dem viele Feinheiten und Details verloren gehen, gewöhnt). Man kennt ja genug andere Aufnahmen und hört diese Einzelheiten von daher trotzdem im Untergrund mit.


    :!: Interessant wie unterschiedlich die Wahrnehmungen sein können.
    Im Dezember 2009 schrieb ich diese Worte als Ersteindruck:

    Zitat

    Bei der Sinfonien Nr.5 hatte ich nun eine Revolution erwartet, die im ersten Satz ausblieb. Sauber gespielt in schnellen 6:50, aber ohne die wirkliche Dramatik auszustrahlen. Aber die paar Sekunden mehr, die Karajan mit 7:14 mehr braucht, reichen aus um dem Orchester die nötige Freiheit zu lassen sich nicht zu verhaspeln. Mir fehlt das Monumentale und das dunkle Timbre, das die Karajan-Aufnahmen der Fünften so umwerfend unübertreffbar machen. Auch Bernstein (SONY), der mit 8:35 nun wirklich einer der ungewöhnlich Langsamsten ist, überzeugt voll. Karajan bleibt hier nach wie vor meine Referenz !
    Die weiteren Sätze mit Leibowitz sind ganz augezeichnet interpretiert, wenn der fabelhafte Übergang zum 4.Satz auch nicht das große karajansche Format hat.


    In den folgenden Jahren nach diesem Leibowitz-Ersteindruck ist bei mir noch mein späterer Favorit für die Fünfte dazugekommen:
    Bernstein / Bayerisches RSO München (DG, 1976 LIVE, ADD)


    Ich hoffe Du kommst irgendwann mal dazu diese vergeichend zu hören und dann zu sehen wo hochdramatisch "die Lucy abgeht". Mir liegt das Tempo und sein Zeitgefühl, das Bernstein hier im ersten Satz wählt einfach näher. :angel: Die ungeheuere Emotion die er verspüren lässt ist für mich der Gipfel.
    In dieser Box enthalten - aber der wichtigste Inhalt ist nicht einmal auf dem Cover angegeben:



    DG, 1976 - 1990, ADD/DDD


    In der Box findet sich auch die Sinfonie Nr.7 = bernsteins letzte Aufnahme seines Lebens; mit dem Boston SO LIVE aus Tanglewood am 19.Aug 1990. Diese gefällt Josef aussergewöhnlich gut. Ich erkenne die Umstände auch voll an, mit dem Wissen, dass danach nichts mehr kommt, aber ich finde diese Interpretation viel zu langsam ...
    Die Neunte in der berühmten deutschen Wiedervereinigungsaufnahme vom 25.Dez 1989 mit (O Freunde...) geht dann auch nicht so 100% an mich - aber ein tolles Zeitdokument ist es auf jeden Fall.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang


  • 1. Satz: Allegro con brio (7:10):
    Karajan beginnt mit einem zügigen Anfangstempo und entwickelt von Anfang an einen großsinfonischen Klang, wie ich überhaupt der Meinung bin, dass diese Symphonie keine ist für ein Kammerorchester, trotz positiver Beispiele (z.B. Järvi). Er zieht am Ende der Wiederholung des Schicksalsmotivs eine sehr lange, intensive Streicherkante. Schon zu Beginn entfaltet sich im Tutti ein infernalisches Pauken-(Trommel-)feuer. Schon vor 50 Jahren waren die Pauken bei entsprechender hier vorliegender guter Aufnahmequalität offenbar sehr gut zu hören.
    Hier stürmt das musikalische Geschehen pausenlos vorwärts mit teilweise exzessiven ff-Steigerungen, auch die großen Kulminationspunkte mit den heftigen Paukenwirblen sind (beinahe), jedenfalls in meiner Erinnerung, beispiellos, ebenso wie die große Tuttisteigerung im letzten Viertel des Satzes. Dieser Satz widerspricht sehr stark den häufig (zu Unrecht) gemachten Vorwürfen, Karajan sei vor allem ein Schönklangfetischist gewesen. Diese Musik ist teilweise ruppig, fast brachial. Auffällig sind dann natürlich im Gegensatz dazu die lyrischen Holzbläserpassagen, insbesondere der Oboe, in ihrer ganzen Schönheit.
    Dieser Satz ist auch etwas für unsere Paukenfreunde Accuphan und Teleton, aber sie werden die Aufnahme ohnehin in ihrer Sammlung haben.


    2. Satz: Andante con moto (9:57):


    In diesem sehr lyrischen Beginn legt Karajan einen ganz ruhigen tiefen Streicherteppich, alles sehr auf den Punkt gespielt und durch die Melodik von ausgesuchter Schönheit, wie uns Beethoven überhaupt ebenso wie Mozart und Schubert eine große Fülle von schönen Melodien geschenkt hat. Die erste Bläserstelle ist sehr feierlich und majestätisch gespielt und kontrastiert mit dem großen Dynamikgegensatz mit den sich anschließenden pp-Streichern, jedenfalls hier bei Karajan. Alles ist darüber hinaus sehr spannungsvoll gespielt. Die zweite Bläserstelle schließt sich in gleicher Qualität an, wobei die Pauken immer noch deutlich vernehmbar sind, aber in diese starke Blechbläserfront etwas stärker integriert sind. Das Tempo ist für mein Empfinden ein echtes Andante, aber auch con moto mit wiederum lang ausgehaltenen Streicherkanten, die wieder zu den exzellenten Holzbläsersequenzen führen. In der 3. Bläserstelle treten die Pauken wieder stärker hervor. Dieser Höhepunkt wird wieder eindrucksvoll abgelöst von den Holzbläsern, die das Hauptthema in moll abwandeln.
    Es fällt immer wieder auf, dass Karajan die Streicher stark herausstellt. Gegen Ende gestaltet Karajan auch die rallandoartige Stelle sehr schön, gleichwohl nicht ganz so furios wie Leibowitz- dann schließen die majestätischen Tutti den Satz würdig ab.


    3. Satz: Allegro (4:55):


    Wieder ist das Tempo zu Beginn ruhig, und das Thema wird von den Hörnern sehr fundiert vorgetragen, wozu auch die Streicher schön harmonieren. Die pochenden Schicksalsschläge sind sehr eindrucksvoll gestaltet, auch die sich anschließenden fantastischen Cello/Kontrabssläufe, die jeweils im schönen Tutti münden, sowie die immer sehr schöne Fagottstelle kurz vor dem attacca- Übergang zum Finale, den Karajan in sehr großer dynamischerr Spannweite aus pp vorbereitet,


    4. Satz: Allegro (8:51):


    wobei die ersten Takte quasi wie eine Eruption wirken, nicht zu schnell, aber heftig mit wiederum exzellenten Hörnern: Schönklang da, wo er hingehört. Ansonsten strotzt auch dieser Satz von Dramatik und Kraft pur, da sind schon die Pauken für.
    Auch Karajan wiederholt hier die Exposition nicht, ebenso wie Leibowitz und Leinsdorf, wie er sowieso kein unbedingter Freund der Wiederholungen war, wohl aber der Trompeten, wie man in dieser Symphonie wieder schön hören kann. Zwischen 4:00 und 4:15 setzt dann die Reprise ein, wieder mit einem herrlichen Paukenwirbel. Dieser Satz ist, wie ich auch schon in anderen Besprechungen sagte, auch hier ein triumphaler und würdiger Höhepunkt der Symphonie. Hier macht sich (positiv) bemerkbar, dass Karajan ein Freund großer Besetzungen war. Er hätte die Fünfte nie mit einem Kammerorchester gespielt. In der Coda führt er das Orchester dann im Tempo und Ausrduk zu einem rasanten Furioso.
    Ich denke, dass die Idee, durch einen Einwurf von Liebestraum geboren, die mir schon vor fünfzig Jahren zugekommene Karajan-Aufnahme mit denen von Leibowitz und Leinsdorf zu vergleichen, doch nicht so schlecht war, wobei auffällig wurde, dass Karajan und Leibowitz hier mehr zu Unrast und Tempo neigen als Leinsdorf, was m. E. letzten Endes doch als kleines Positivum für Leibowitz und Karajan gegenüber Leinsdorf anzusehen ist. .


    Zusammenfassend kann man sagen, dass in den 60er-Jahren eine Reihe von ausgezeichneten, auch heute noch konkurrenzfähigen GA's der Beethoven-Symphonien entstanden sind, denn kurz vor der Karajan-Aufnahme waren die Berliner ja schon mit Cluytens am Start, kurz nach Karajan Bernstein mit seinen New Yorkern und in den Endfünzigern ja schon Klemperer mit dem Philharmonia Orchestra und Walter mit dem Columbia Symphony Orchestra.
    Eine fruchtbare Zeit damals!


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup:

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    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Hallo,


    Frage an die absoluten Experten:
    Ich habe mir gerade die CD aus der Eloquenz-Reihe mit der 5. und 6. Sinfonie gekauft - Karajan mit den Berlinern.
    Jetzt stelle ich fest, dass die 5. aus 1967 stammt und nicht, wie ich annahm, von Anfang der 60er. Handelt es sich da jetzt um eine andere Aufnahme als aus der legendären und hier vielbesprochenen 60er-GA? Und ggf. wer kennt sie und kann sie im Vergleich zu der aus besagtem Zyklus bewerten?

    Herzliche Grüße
    Uranus

  • Hallo,


    Frage an die absoluten Experten:
    Ich habe mir gerade die CD aus der Eloquenz-Reihe mit der 5. und 6. Sinfonie gekauft - Karajan mit den Berlinern.
    Jetzt stelle ich fest, dass die 5. aus 1967 stammt und nicht, wie ich annahm, von Anfang der 60er. Handelt es sich da jetzt um eine andere Aufnahme als aus der legendären und hier vielbesprochenen 60er-GA? Und ggf. wer kennt sie und kann sie im Vergleich zu der aus besagtem Zyklus bewerten?


    Ich vermute stark, dass es sich um einen Druckfehler handelt. Es wird sich mit hoher Wahrscheinlichkeit entweder die 1962 oder die 1977er Aufnahme handeln.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Tamino Beethoven_Moedling Banner
  • Die 5. nahm Karajan m. W. u. a. 1962 (DG), 1966 (S/W-Video), 1972 (Farbvideo), 1977 (DG) und 1982 (DG digital) auf. Das müsste demnach ja am ehesten die Tonspur des S/W-Films sein. Allerdings dürfte die Eloquence-Reihe doch viel wahrscheinlicher die weltberühmten Aufnahmen von 1961/62 beinhalten.


    :hello:

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Hallo,


    das Cover einzustellen würde nicht viel bringen - es ist wie immer bei der Eloquenz-Reihe nicht sehr auskunftfreudig, es steht nur: 1967 Polydor International GmbH Hamburg (bei der 6. steht entsprechend: 1963...)


    ... aber die Spielzeiten der 5. habe ich natürlich:


    I: 7:15
    II: 10:01
    III: 4:53
    IV: 8:55


    Danke für Eure Hilfe!


    Ergänzung: Habe gerade nochmal gestöbert: Lt. den in Beitrag 152 genannten Spielzeiten dürfte es eindeutig die 1962er Aufnahme sein - Gott sei Dank, denn die wollte ich ja!

    Herzliche Grüße
    Uranus

  • Hallo Uranus,


    lies doch vielleicht zur Orientierung noch mal meinen Beitrag Nr. 308, dabei handelt es sich um die gleiche Aufnahme. Die geringfügig differierenden Aufnahmezeiten rühren daher, dass ich die Spielzeiten von der Playeruhr abgelesen habe, also der Satz zu Ende war, als die Musik zu Ende war.


    Liebe Grüße


    Willi :)

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  • Heute Abend habe ich die Fünfte aus dieser Box (AD der Fünften 11/1982) gehört.


    1. Satz: Allegro con brio: (7:22):


    Auch zu Beginn der Schicksalssinfonie dokumentiert Karajan hier, dass er keineswegs nur mit dem Prädikat des Schönklangs zu versehen ist, denn hier sind zu Beginn durchaus rauhe Striche zu vernehmen, wird sofort ein großer Klang aufgebaut, erklingen stahlhart geschärfte Blechbläser. Ganz organisch vollzieht sich dann der Übergang zur Wiederholung des Themas in Dur. Das Tempo ist schnell , und das Geschehen drängt vorwärts. Die Wiederholung der Exposition entfällt wiederum, das sieht man schon von vornherein an der Spielzeit (siehe unten). Es erfolgt hier stattdessen schon die Modifizierung des Themas, von den Blechbläsern ausgehend.
    Die Blechbläsersteigerung zu Beginn der Durchführung ist hammerhart. Bei einigen kleiner besetzten (HIP-)Ensembles klingt das dagegen sehr schwachbrüstig. Diese gewaltige Klangwucht in dieser Tonart hat mich bei Karajan schon immer faszinert, gegen Ende dieser Sequenz wird das noch einmal besonders deutlich. Da scheinen der "Schicksals"-Wucht keine Grenzen gesetzt- und Werner Thärichen kann wieder nach Herzenslust auf die Pauken hauen.


    2. Satz: Andante con moto: (9:21):


    Das Andante beginnt sehr warm im Ton und eher normal im Tempo. Doch gleich gibt es den ersten Höhepunkt mit der herrlichen Trompetenstelle und dem eindrucksvoll begleitenden Paukenwirbel. Ansonsten fließen die Bratschen, Celli und Klarinetten, dann die Flöten dahin bis zur nächsten Steigerung (s.o.), die dann in pp-Streicherabgründe übergehen. Das Hauptthema wird anschließend in den Celli mit den kontrastierenden Holzbläsern wiederholt. Schon naht der nächste Höhepunkt mit Bläsern und tiefen Streichern, dann eine schöne Holzbläserstafette, , die zum nächsten Höhepunkt mit dem Hauptthema in den Trompeten führt, wiederum mit eindrucksvollen Pauken. Wieder lässt Karajan das Holzbläserzwischenspiel schön dahinperlen bis zur nächsten f-Hauptthemenstelle. Sehr schöne "Flötentöne" folgen, bis die Fagottstelle im tänzelnden Rhythmus kommt und der, wenn man so sagen darf, codaähnlichen Schlusssequenz.


    3. Satz: Allegro: (4:49):


    Das Scherzo beginnt aus wunderbarem pp-Grund, um dann das Hauptthema in den Hörnern um so mehr zu betonen. Auch dieses "schicksalhafte Schreiten ist mitreißend gelungen. Wunderbar das in den KOntrabässen und Celli beginnende und von den Blechbläsern fortgesetzte Trio, wiederum mit sehr extrovertierten Pauken. Dann steigt das Thema mit den Holzbläsern tief ins p herab, begleitet von den zupfenden Streichern, das nun hinführt zu der attacca-Stelle schlechthin. Eine mitreißendere kenne ich nicht. Hier bereiten die Pauken im pp grandios vor. Karajan war eben auch ein Meister des pp:


    4. Satz: Allegro: (8:44):


    dann der großartige Finalauftakt: Thärichen setzt sich selbst gegen dieses Getöse durch. Es gibt schwerlich etwas Schöneres, als sich das Finale der Fünften unter Karajan anzuhören, gleich in welcher Fassung, die Berliner sind einfach meisterlich mit einem meisterlichen Paukisten- dann folgt die Reminiszenz an das Thema des Scherzos: die Neunte lässt grüßen, in der Beethoven dann im Finale gleich aller vorauf gegangenen Sätze wiederholt hat, aber wem erzähle ich das?
    Dann die Reprise- dieses herrliche C-dur, die Siegestonart; kaum in einer Symphonie sind die Gegensätze so ausgelotet worden wie hier von Beethoven in seiner Fünften, und Karajan treibt es hier zum wiederholten Male auf die Spitze. Da ist kein Bremsen, da geht es immer wieter zum Gipfel und dann der mehrmailge Anlauf auf die Coda- ja diese Coda, die Karajan auch ohne Accelerando zu einem Erlebnis macht.


    Hier die Speilzeiten:


    Karajan 1963: 7:19-10:05-4:55-8:57,
    Karajan 1977: 7:08-9:28-4:37-8:39,
    Karajan 1982: 7:22-9:21-4:49-8:44;


    Auch hier sind die Ähnlichkeiten wieder verblüffend.


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Auch hier sind die Ähnlichkeiten wieder verblüffend.


    Lieber Willi,


    wundert mich nicht - Ich schätze auch alle :thumbsup: drei Karajan-Aufnahmen der Sinfonie Nr.5 riesig.
    Die von 1963 und 1977 sind ja schon so ausgefeilt, dass dann von der Interpretation im Jahre 1982 gar keine Verbesserung mehr möglich war/eine Wiederholung - ja.


    Wir wissen ja wie das bei Tamino mit den Eindrücken so läuft; und da werde ich warscheinlich einige Widersprüche von den Üblichen erhalten ... :P
    8-) Aber ich sehe das so:
    :!: Die Beethoven-Karajan-5ten sind die Referenzen an denen sich alle Anderen erst einmal messen müssen !

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Lieber Wolfgang,


    da kann man eigentlich nichts gegen sagen, das ist so.


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Von mir alles andere als eine Analyse verschiedener Interpretationen.


    Von 1986 bis 1989 arbeitete ich auf einer Riesenbaustelle im Ural als Chef von Minol, wir waren insgesamt 13 000 Mann auf über 10 verschiedenen Standorten im Oblast Perm. Alles harte Männer und wenige Frauen. Freizeitbeschäftigung - Trinken, Kassetten hören (sonst gab es nichts, außer daß einige, darunter auch ich ca. 3-4 x im Jahr das herrliche Opernhaus in Perm besuchten). Und da gab es Renner, nämlich Country-Musik (country road konnte jeder singen - oder the power of love von Jennifer Rush).


    Eines abends kam aus dem Nachbarzimmer (sehr dünne Wände in den Baracken) klassische Musik. Ein junges Mädchen, etwa 20 Jahre aus Leipzig hatte eine Kassette mitgebracht mit der 5. von Beethoven. Wir (meine Frau war auch mit) sind gleich rüber und haben 4000 km weg von zu Hause das Gewandhausorchester gehört, und das haben wir öfter gemacht, bei Wein, Schnaps und Bier auch noch andere interessierte Zuhörer eingeladen. Immer wieder die 5., was anderes hatten wir nicht. Das bei Temperaturen bis -50 Grad, das bleibt unvergeßlich und erklärt meine Liebe zu dieser Sinfonie.


    La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.


  • Toller Beitrag, das gefällt mir! :angel: :angel: :angel: :angel:


    Herzliche Grüße Thomas

  • Ich kann den Herren Willi und Teleton hinsichtlich Karajans Interpretation der 5. aus vollem Herzen zustimmen. Für mich ist das einfach unerreicht, und wenn ich Zeit hätte, könnte ich es auch genau begründen. So weit ich weiss schrieb ich in den vergangenen Jahren in den entsprechenden Threads auch Einiges darüber...


    Ein wichtiger Punkt von vielen ist hierbei ist für mich Karajans Fähigkeit, den grossen dramatischen Bogen vom ersten bis zum letzten Ton zu ziehen. Wie stark das wirkt, kann man wohl nur wirklich verstehen, wenn man sich seine Aufnahme(n) vom ersten bis zum letzten Satz in einem Stück anhört. Man ist von dieser Wirkung am Ende dann nahezu erschlagen.


    "Aufgewachsen" bin ich mit der Einspielung aus den 70er-Jahren, gehört habe ich aber auch schon die früheren Versionen, sowohl auf DVD als auch auf CD. Man kann eigentlich sagen, dass das Konzept dieser Karajan-Interpretation der 5 schon in relativ frühen Jahren ziemlich deutlich ausgeprägt war.


    Mir gefällt die letzte Aufnahme wohl hiervon am besten, weil ich da einige Details noch etwas deutlicher herausgearbeitet höre, es etwas "liviger" und weniger studio-glattpoliert klingt (obwohl es ja auch keine Live-Aufnahme war) und mir die technische Klangqualität dieser Einspielung am besten gefällt. Der C-Dur-Triumpf im letzten Satz klingt da mit diesen Blechbläsern einfach gewaltig und geht sehr unter die Haut.


    Gruss
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Tamino Beethoven_Moedling Banner

  • Eine der besten Aufnahmen der 5. Symphonie von Beethoven, die ich je gehört habe, ist von George Szell, und zwar vom 24. August 1969 aus Salzburg, nicht einmal ein Jahr vor seinem Tod. Es spielten die Wiener Philharmoniker. Aufgenommen in gerade für die Zeit sehr gutem Stereo. Als "Bonus" sind noch die Egmont-Ouvertüre und das 3. Klavierkonzert mit Emil Gilels dabei. Da es hier aber um op. 67 gehen soll, werde ich mich nur diesem widmen.


    Die Spielzeiten sind flott, aber brechen keine Geschwindigkeitsrekorde:


    I. 7:45
    II. 10:13
    III. 5:35
    IV. 8:35


    Sehr vorwärtsdrängend und energisch legt Szell los. Mächtig und bedrohlich die Pauken, die in diesem Mitschnitt ausgezeichnet eingefangen wurden. Überhaupt ist das Spiel der Wiener Philharmoniker extrem beseelt. Szell muss ein wahnsinnig guter Live-Dirigent gewesen sein, was man in etlichen Videos auch sehen kann. Er schaffte es, sogar einem Weltklasse-Orchester wie den Wiener Philharmonikern das Letzte abzuverlangen. Sie spielen merklich selbst an ihren Grenzen. Keine Spur von langweiliger 08/15-Wiedergabe. Was für ein Unterschied zu den neuesten Beethoven-Interpretationen dieses Orchesters! Das Andante ist der Ruhepol der Symphonie, was besonders hier deutlich wird. Nach dem vorbreschendem Kopfsatz ein Moment des Innehaltens. Die 10 Minuten vergehen wie im Fluge. Im Scherzo arbeitet Szell dann meisterlich die Vorbereitung auf das große Finale heraus. Der ganze Satz ist eine einzige Steigerung, durchaus mysteriös. Sehr schön betont die Blechbläser, die richtig hervorstechen dürfen. Das Trio sprüht vor Esprit. Gerade für eine doch ziemlich flotte Aufnahme ist die Überleitung zum Finalsatz sehr lange und geheimnisvoll geraten: 45 Sekunden lässt sich Szell Zeit, übertroffen nur von Furtwängler, Knappertsbusch und Klemperer, die aber auch insgesamt viel langsamer waren. Das sorgt für Gänsehaut, und im letzten Satz geht es spannungsgeladen weiter. Das ist nicht nur der Höhepunkt des Werkes, sondern zweifellos auch der Aufnahme. Das Feuerwerk, dass Szell hier abliefert, verdient das Prädikat "unglaublich", gleichsam gelingt hier per aspera ad astra das Greifen nach den Sternen. Da sage noch einer, nur Furtwängler wäre ein Meister der Tempowechsel gewesen: In der Exposition zieht er zunächst das Tempo an, um zuletzt abzubremsen — mit sagenhafter Wirkung, der man sich nicht entziehen kann. In dieser Manier geht es weiter, wobei das sehr exponierte Blech wiederum auffällt (besonders herrlich bei etwa 6:10). Solche Freiheiten dürften Originalklang-Fanatikern wohl ein Dorn im Auge sein, aber die Wirkung spricht für sich. Zuletzt mündet die Symphonie in die triumphale Coda, die hier voll ausgekostet wird. Zurecht Bravo-Rufe am Ende (nach dem letzten Takt)!

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Leider kann ich mich nicht an Sinn und Wirkung der Satzlängen beteiligen. Ich habe nur 1x die Fünfte, mit dem Tonhalle-Orchester Zürich unter David Zinman. Er hat folgende Satzlängen:


    1. 6:49 2. 8:45 3. 7:19 4. 10:25 Gesamtlänge 33:18


    Ist das nun eine gute, eine Schlechte oder eine normale Aufnahme? Ich hatte nicht den Eindruck, daß mir etwas mißfällt, kann mich aber an Live-Aufführungen erinnern, die schneller waren, besonders im letzten Satz.


    La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Lieber La Roche,


    soweit ich das beurteilen kann, ist das eine gute Aufnahme, jedenfalls hat mir die Gesamtaufnahme bei ihrem Erscheinen, als ich sie successive erwarb, sehr gut gefallen. Vor allem war es interessant, diese neue Bärenreiterausgabe von Jonathan del Mar mit anderen zu vergleichen, um Stellen zu entdecken, die man so noch nicht gehört hatte. Vielleicht kommst du ja noch mal in die Gelegenheit, eine weitere GA zu erwerben und dann zu vergleichen. Ich kann dir versprechen, es macht Spaß.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Wo ich mir das Video gerade zum gefühlt 1000. Mal ansehe: hatte ich Euch eigentlich schon die folgende Live-Aufnahme der 5. der Wiener Philharmoniker unter Karl Böhm (NHK Hall, Tokio, 1977) kredenzt?



    Was der alte, biedere Herr Böhm und sein angestaubter Männer-Musikverein (den Zwinker-Smilie denke man sich bitte dazu) hier abliefern, halte ich für nichts weniger als sensationell - und das Publikum schien es offenbar ähnlich zu sehen. Im Laufe der Zeit habe ich nun schon so einige Finales der 5. gehört - aber viele bessere waren noch nicht dabei. Falls überhaupt eines.


    Viel Spaß! :)

  • Tolle Aufnahme, ja. Die müsste es in Japan auch offiziell auf DVD, vielleicht sogar CD geben. Es gibt daneben noch eine ganz späte Aufnahme der Siebten von 1980.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Ich verführe mich wohl grad selbst, denn ein Blick auf eine japanische Seite offenbarte dies:



    Beethovens 5. und 6. sowie Leonore III, live 1977


    Ferner:



    Beethovens 7., Brahms 1. und Schuberts Unvollendete etc., live 1975



    Beethovens 2. und 7., live 1980 (Böhms letztes Konzert in Japan)


    Ein kurzer Ausschnitt mit einem unglaublichen Begeisterungssturm am Ende ist bei YouTube.


    LG
    Joseph
    :hello:

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Hui, das sind aber gesalzene Preise! Und da ich auch gar nicht so der große Anhänger des Musik-Sehens bin, werde ich mich da wohl noch ein wenig in Geduld üben. Vielleicht gibt's ja wirklich irgendwann mal eine CD...


    Vielen Dank aber für's recherchieren! :)

  • Ich habe gerade dieses gewaltige Finale zweimal hintereinander gehört. Da hört der Rückenschauer ja gar nicht mehr auf. Ja, "die alten Herren" aus Wien. Da merkt man doch, was in ihnen steckt, wenn ein noch älterer Herr so richtig Beine macht. Da hast du völlig Recht, lieber Tobias, das ist wirklich sensationell, zeigt es doch, was alles mit Beethovens Musik möglich ist, wenn es so spitzenmäßig dargeboten ist. Da sind die untersschiedlichsten Tempi möglich, wie hier das etwas gemäßigtere Böhms. Ich warte immer noch sehnsüchtig darauf, dass die Wiener GA mit Karl Böhm wieder aufgelegt wird.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Falls das irgendeiner von einer Klassik-Tonträgerfirma mitliest: Die o.g. Böhm-Aufnahmen bitte sehr bald in Deutschland zu einem vernünftigen Preis herausbringen. Es werden sich Käufer finden, und ich werde dazugehören! Die will ich haben.


    Lieber Willi,


    ich frage mich manchmal, wie Du es schaffst, so viele unterschiedliche Ansätze gleichzeitig gut zu finden. ^^ Bei mir geht das manchmal, aber nicht immer.
    Wie Böhm oder Karajan z.B. den Järvi finden würden, kann ich mir schon vorstellen, aber ein Musiker muss ja auch an die Richtigkeit seiner eigenen Auffassung glauben.
    Bei Chaillys Beethoven aber helfen für mich alle anderen durchaus brillianten und gut gemachten Aspekte überhaupt nicht, wenn man schon bald das gnadenlose Tick-Tack des Metronoms mithört. selbst wenn akustisch nicht hörbar ist. Wie soll denn die Musik so atmen, frage ich mich?


    Thielemann steht da in einer ganz anderen Tradition, Harnoncourt, den ich als eigentlich herrlich subjektiven Romantiker aus furtwänglerschem Geiste mit eingefleischter historischer Aufführungspraxis und Klangrede sehe, scheint von einem ganz anderen Ansatz her zu kommen, geht aber im Ergebnis in Sachen Tempo oft auch in die flexible Richtung. Für mich ist es so, dass ich die Ansätze dieser Herren sehr schätze und deshalb das neue, streng metronomische Beethovenbild Chaillys mir zu sehr nach eingeschnürtem Korset klingt, meistens auch zu schnell (siehe Kopftempo vs. Aufführungstempo)
    Wenn ich Klassik in meinen Sequenzer (Cubase) einspiele und für den Notenausdruck quantisiere, dann gibt es da diese eine Gemeinsamkeit...
    Auch wenn man zum Metronom übt, was sehr gesund ist, dann klingt es so ähnlich. Da man aber diese Musik m.E. aus der Gestik der Figuren verstehen muss, und diese atmen sollen, finde ich, dass da in Grenzen eine gewisse Flexibilität vom metronomischen Grundpuls nötig ist.
    Merkwürdig, dass mich bei Böhm, Karajan oder Wand deren gutes und festes Timing nicht so stört, dass es mir da nicht so nach Maschinenwelt klingt.


    Nicht falsch verstehen: Ich schätze sehr, dass Du hier nicht unqualifiziert irgendwelche Leute herunterschreibst (oder anhand zweifelhafter Kriterien
    :thumbup: heraufjubelst). Überhaupt lese ich Deine Beiträge gerne, z.B. auch sehr interessant die Brahms-Symphonien mit Böhm.
    Ich will nicht sagen, dass ich mir jetzt einen Verriss von Dir wünsche, sondern frage mich nur, ob man, wenn man sehr für eine Sicht ist, nicht auch in gewissen Fällen gegen eine andere Sicht sein müsste....eigentlich?
    Nur für diesen einen Fall wünschte ich mir die PN, um zu erfahren, welche Beethoven-Dirigate Du unerträglich findest.... ;)


    LG
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

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