Welche Arie von welchem Tenor?

  • Hast du schon einmal Hans Hopf gehört?


    Ha, nicht nur gehört, gesehen auch. Als Kaiser und da übertrifft ihn keiner. Natürlich musste er auch ein großartiger Kalaf sein. Wird mein nächster Lauschangriff.


    Viele Grüße

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  • Mein lieber hami1799!


    Da wäre noch ERNST KOZUB. Bei der Arie "Nessun dorma" fliegt dir der Hut vom Kopf! Aber mal Ernst beiseite. Ernst Kozub war ein hervorragender Puccini-Sänger!

    W.S.

  • Lieber Chrissy,


    den Pavarotti-Film kenne ich nicht, aber von Pavarotti habe ich schon gehört. Wenn Du mir mit dem kommst, bleibe ich stumm.


    Mit der Häusslichen Interpretation bin ich selbst auch nicht zufrieden, aber wer sagt, dass nicht der Dirigent etwas müde war? Das soll vorkommen.
    Sogar den Südländer Ricardo Muti habe ich schon beim Einschlafen ertappt, und das ausgerechnet beim Trubadur.


    Ich wage mich jetzt weit aus dem Fenster, denn ich behaupte, dass es zur Zeit keinen deutschen Tenor gibt, der einen strahlenderen Kalaf singt.
    Hoiffentlich steht die Feuerwehr mit dem Sprungtuch bereit.


    Herzliche Grüße
    hami1799

  • Lieber Wolfgang,


    wenn du glaubst, dass ich glaube, Turandot sei von Schubert, dann glaubst Du nicht, was ich glaube.


    Dass der allseitige Kozub den Kalaf singen konnte, glaube ich jedoch gerne, aber allgemein als Puccini-Sänger wäre er mir etwas zu steif, oder eher zu hart. Nun kann ich über seinen Rodolfo nichts sagen,
    weil ich ihn nicht kenne - wenn er ihn überhaupt je gesungen hat - aber ich kann mir nicht vorstellen, dass er gut zu dieser Rolle passt.


    Oder? ?(


    Viele Grüße
    hami1799

  • Also einmal muß ich mir meine Verwunderung über den hier grassierenden Kozub-Hype von der Seele schreiben. Ich habe diese Person einige Male an der Staatsoper gehört, habe seinen unsäglichen Max auf DVD und verstehe nicht, wie man einen derart ausdruckslosen, uninteressanten Sänger so in den Himmel heben kann.


    Da gibt es wahrlich wesentlich bessere Interpreten!

    Arrestati, sei bello! - (Verweile, Augenblick, du bist so schön!)

  • Da wäre noch ERNST KOZUB. Bei der Arie "Nessun dorma" fliegt dir der Hut vom Kopf!


    Mein lieber Wolfgang
    Was sagst Du denn da erst zu "Nessun dorma" mit Pavarotti?!?! Du hast doch die DVD. Nach der Freni/Bonisolli "Traviata" kommen doch die Ausschnitte aus der Turandot. Er singt die Arie zweimal hintereinander. Das zweite mal in der Wiederholung als da Capo. Bei seinem unglaublich langen Schlußton "Vinceeeeeeroooooooooo"... da muß doch in der Zeit unsereiner dreimal Luft holen. Da fliegt einem nicht nur der Hut vom Kopf... Da ist man doch eigentlich sprachlos vor ungläubigem Staunen (!!!) und könnte nur noch ergriffen und ehrfürchtig niederknien. So mitreißend gesungen, da schläft bestimmt keiner und solch ein Wohlklang der Stimme, wie für ihn gemacht. Das macht ihm keiner nach...
    Hör`es Dir bei Gelegenheit nochmal an und laß`mich Deine Meinung wissen.
    Herzliche Grüße und einen guten Start in die neue Woche
    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...

  • Also einmal muß ich mir meine Verwunderung über den hier grassierenden Kozub-Hype von der Seele schreiben. Ich habe diese Person einige Male an der Staatsoper gehört, habe seinen unsäglichen Max auf DVD und verstehe nicht, wie man einen derart ausdruckslosen, uninteressanten Sänger so in den Himmel heben kann.


    Da gibt es wahrlich wesentlich bessere Interpreten!


    Lieber Fritz!
    Wenn jetzt alle Kozub-Fans so über Dich herfallen würden, wie Du jeden fertigmachst und beschimpfst, der Karajan nicht für den lieben Gott hält....

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)


  • Lieber Fritz!


    Deine Meinung sei dir unbenommen. Jeder kann sich irren. Das sehe ich völlig anders! Für mich war Ernst Kozub einer der besten deutschen Tenöre.



    Trotzdem liebe Grüße nach Wien


    Wolfgang

    W.S.

  • Also einmal muß ich mir meine Verwunderung über den hier grassierenden Kozub-Hype von der Seele schreiben. Ich habe diese Person einige Male an der Staatsoper gehört, habe seinen unsäglichen Max auf DVD und verstehe nicht, wie man einen derart ausdruckslosen, uninteressanten Sänger so in den Himmel heben kann.


    Da gibt es wahrlich wesentlich bessere Interpreten!


    Liebe Milletre,


    für dieses offene Wort bin ich Dir ausgesprochen dankbar!
    Ich habe Konzub einig Male live hören können und zwar in sehr unterschiedlichen Partien - vom Tamino über den Duca bis zum Erik!


    Er hatte eine urgesunde und durchaus klangvolle Stimme.
    Imponierend war ohne Zweifel seine Fähigkeit, mächtige und glanzvolle Spitzentöne herauszuhauen. Ein Tenor, der blank ziehen konnte und damit Effekt machte.


    Aber das war's denn eigentlich auch.
    Natürlich möchte ich niemanden diskriminieren, der der Wirkung des Materials erlegen ist (und der sich daran freut, wenn ihm beim "Nessun dorma" der Hut vom Kopf fliegt)!
    Warum soll nicht für den einen oder anderen Hörer der seismische Schock eines Spitzentones schon höchste Wonne sein?
    Aber es muss ja wohl erlaubt sein, darauf hinzuweisen, dass die gesanglichen Gestaltungsmöglichkeiten von Kozub eher bescheiden waren.
    Musikalische Phrasierungen und Modellierung oder Kolorierungen von Melodiebögen waren wahrlich nicht seine Sache.
    Im Grunde war er ein Sänger ohne musikalische Phantasie und ohne Gestaltungsfähigkeit - ja ich glaube sogar, dass er gar kein Gestaltungsinteresse hatte.
    Insofern stimme ich Dir ganz und gar zu, wenn Du ihn als ausdruckslos und uninteressant bezeichnest.
    Wer das "Nessun dorma" so unsensibel für den dramaturgischen Sinn der Arie, ihre melodische und harmonische Faktur und ihren poetischen Sinn singt, wie Ernst Kozub, hat eigentlich gar nichts begriffen - und er hat offenbar auch gar nichts zu bieten!


    Nur eben Stimme! Ein Jammer!


    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!


  • Ich habe ja nichts dagegen, wenn dem einen oder anderen dieser Sänger gefällt. Aber ihn in die höchsten Sphären der Tenor-Phalanx zu heben, empfinde ich als unangemessen. Das muß man wohl noch sagen dürfen, besonders da ich die längste Zeit dessen Favorisierung schweigend hingenommen habe. Aber irgendwann geht einem doch der Deckel über. Es muß doch wohl erlaubt sein, von einem Sänger eine Farbigkeit bzw. einen interpretatorischen Ausdruck verlangen zu dürfen, wenn man ihn zu den Spitzensängern gesellt.


    Warum dann auf meine diversen Beiträge derart unverständliche Beißreflexe auftreten, kann ich mir nicht erklären, zumal ich nirgends persönliche Hiebe an Andersdenkende austeilte, schon gar nicht solche, wie sie mir zuteil wurden. Aber solche mir unverständlichen Reaktionen beleben wenigstens die Diskussion.


    Und was Karajan betrifft, habe ich ihn nie als "Gott" bezeichnet oder auch nur gesehen. Das kam von jemand anderem. Ich bin es eher gewohnt, dass er hier in Bausch und Bogen heruntergemacht wird, ohne dass man seine großartigen Leistungen dementsprechend anerkennt (Ausnahmen bestätigen nur die Regel). Weiters möchte ich an dieser Stelle festhalten, dass ich sehr wohl in diesem Forum (kann man nachlesen!) auch scharfe Kritik an mehreren seiner unverständlichen Fehlleistungen geübt habe.

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  • Er hatte eine urgesunde und durchaus klangvolle Stimme.
    Imponierend war ohne Zweifel seine Fähigkeit, mächtige und glanzvolle Spitzentöne herauszuhauen. Ein Tenor, der blank ziehen konnte und damit Effekt machte.


    Aber das war's denn eigentlich auch.

    Auf einer Philips-Vinyl LP singt er Opernarien, u.a. Beethoven, Wagner, Weber usw. Einen Rigoletto-Querschnitt von der DG mit Kozub und FiDi in dts. habe ich auch. Beim Hamburger Archiv für Gesangskunst gibt es über 30 CD, wo Kozub mitwirkt, allein 9 EinzelCD als Recital. Ich habe keine davon aber 11 CD, wo er mitwirkt, u.a. Fidelio, Zauberflöte, Regina, Fl. Holländer, Rigoletto, Opernarien und Operetten. Bei den Operettenliedern fällt mir allerdings auch auf, dass ihm eine gewisse Leichtigkeit fehlt, ähnlich wie einige Operettenlieder, die ich mit King und Hering habe. Die Spitzentöne werden mit viel Kraft gebildet. In einer Rezension über die LP mit Opernarien stand seinerzeit in fonoforum, dass er über pfundweise Spitzentöne verfüge, aber die Gestaltung insgesamt verbesserungsfähig wäre. Bei Puccini scheiden sich die Geister. Das für uns gewohnte mezza voce eines Gedda, Bergonzi oder di Stefano hatte er nicht drauf, aber das konnten und können Seiffert und Kaufmann auch nicht.


    LG, Bernward


    "Nicht weinen, dass es vorüber ist
    sondern lächeln, dass es gewesen ist"


    Waldemar Kmentt (1929-2015)


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  • Zitat

    Natürlich möchte ich niemanden diskriminieren, der der Wirkung des Materials erlegen ist (und der sich daran freut, wenn ihm beim "Nessun dorma" der Hut vom Kopf fliegt)!

    Hier scheint jemand nicht in der Lage zu sein, zwischen den Zeilen zu lesen! Es war etwas humorvoll ausgedrückt! Es geht mir auch garnicht um die Spitzentöne, sondern um die schöne, saubere Naturstimme. Er gefällt mir als "Cavaradossi" in TOSCA, "Don José" in CARMEN, als "Alfred" in LA TRAVIATA und wer ihn im Duett mit Melitta Muszely in OTHELLO und WALKÜRE hört weiß, daß er auch andere anspruchsvolle Partien singen und nicht nur Spitzentöne produzieren konnte.

    W.S.

  • Lieber Bernward,
    wieso hat Kaufmann kein mezza voce?
    alle Fachleute, aber ich auch finden, daß er ein ganz hervorragendes piano, mezza voce und messa di voce hat.
    wie man ja auf jeder Aufnahme von ihm, ob Live oder Studio deutlich hören kann.


    :hello: Herbert

    Tutto nel mondo è burla.

  • Ich hatte ja hier gerügt, dass es keine Arien aus alten und modernen Opern gibt und bin dafür getadelt worden. Zu Recht von Mme Cortese, die anführte, dass es die klassische Arie ja in diesen Opern kaum gibt, und auch mit dem Ziel, dass ich selber was schreiben soll. Also habe ich mir die große Arie des Orfeo aus dem 3. Akt von Monteverdis Oper vorgenommen.
    Das Dilemma ist vor allem dies: mindestens die Hälfte der Aufnahmen besetzt den Orfeo mit einem Bariton. Aber ich habe den Text hier angekündigt, also kommt er hier hin.
    Das zweite Dilemma: man darf tatsächlich in der alten Oper die Arien nicht isolieren, also habe ich die ganze erste Szene des dritten Aktes genommen, also mit Speranza und Caronte.
    Der Ablauf: Sinfonia - Orfeo - Speranza ("lasciate ogni speranze voi chi entrate" - Caronte (mit dem Regal als Instrument) - die große Klagearie des Orfeo ("Possente spirto") mit dem Ritornell; Instrumente dazu: Violinen - Zink (oder Trompete) - Harfe (die Orfeos Cetra darstellt).


    1. Düsseldorf 1968, 1973, 1974, 1979. Diese legendäre Aufführung war ein Ballett (Choreographie Erich Walter, Bühne Heinrich Wendel), der erste Teil aus dem ersten legendären Düsseldorfer Monteverdi - Zyklus. Hier sangen die Sänger die Partien an der Rampe.Peter-Christoph Runge mit seiner biegsamen, flexiblen weichen Baritonstimme war ein eindrucksvoller Orfeo. Dokumente gibt es außer den Programmheften aber nicht.


    2. Zürich, Harnoncourt
    Eine ungeheuer eindrucksvolle Inszenierung von Ponnelle, die den "schweren" Mythos wirklich als große Oper inszeniert, manchmal aber übertreibt. Diese DVD hat musikalisch einige Schwächen. Das betrifft vor allem den Orfeo Philippe Huttenlochers, der zwar wie ein germanischer Recke à la Siegfried aussieht, aber der Arie hier viel an Geschmeidigkeit schuldig bleibt. Auch er ein Bariton. Großartig aber in dieser Szene das Orchester (obwohl man vor allem den Zinken manche Probleme anmerkt; die alte Musik war zu der Zeit noch reichlich neu). Unglaublich präsent und intensiv die leider so früh gestorbene Trudeliese Schmidt als Speranza. Eine ungeheure Geschmacklosigkeit haben die Verantwortlichen dieser Produktion aber begangen: die Euridike wird von Dietlinde Turban ( die Frau von Lorin Maazel) gespielt, eine blonde Barbiepuppe mit von Belladonna geweiteten blauen Kulleraugen, die Playback singt. Die richtige Sängerin ist Rachel Yakar, die ich in der Rolle in Düsseldorf gesehen habe und die zu der Zeit eine der besten europäischen Sopranistinnen war. Und jetzt kommt es: sie wird im Booklet nicht einmal erwähnt! (Wer das nicht glaubt, es steht bei Wikipedia unter "Dietlinde Turban").


    3. Staatsoper Unter den Linden, René Jacobs, Liveaufzeichnung "arte"
    Eine Inszenierung von Barrie Koskie, so halbmodern, Orfeo in Hosenträgern, ohne Cetra, also nichts Halbes und nichts Ganzes. Leider gilt das auch für die Musik unter René Jacobs. Das Orchester ist dünn und schlecht zu hören, die Sänger, um die es hier geht, genügen nicht den geringsten Ansprüchen, daher nenne ich sie hier gar nicht. Das Problem gibt es bei Jacobs schon mal, dass er neben tollen Sängern in tollen Produktionen (Figaro, La Calisto) auch unzureichende hat (Don Giovanni). Diese Produktion ist das Schlechteste, was ich von René Jacobs je gesehen und gehört habe. Diese DVD ist daher schon in der gelben Tonne gelandet.


    4. Düsseldorf 2001/2004
    Es handelt sich um eine Aufzeichnung der sensationellen Orfeo-Inszenierung, die Christoph Spering und Christoph Loy als Auftakt der Düsseldorfer Monteverdi-Reihe produziert haben. Eine Aufführung ohne Schwächen - ausgerechnet mit einer Ausnahme: der Bariton Ludwig Grabmeier als Orfeo, der auch der hier verhandelten Arie nicht gerecht wurde. Zu rauh, unflexibel seine Stimme, zu "gehobelt" die Koloraturen. Überhaupt ist die ganze DVD nur ein Erinnerungsstück für Leute, die die Oper live gesehen haben. Einen eigenen Wert hat sie nicht.


    5. Jordi Savall, Barcelona
    Diese Aufnahme ist ganz zu hören und zu sehen bei YouTube. Die Lautsprecher in meinem Computer ist ausgesprochen dürftig, und trotzdem hat mich diese Aufnahme so fasziniert, dass ich sie sofort bestellt habe. Eine traditionelle, aber fantasievolle Inszenierung, nicht so überladen wie bei Ponnelle und nicht so karg wie der Rest. Ein Forianer im Orfeo-thread krisitiert den Orfeo, Furio Zanasi, aber ich finde, dass er seine Sache gut macht. Alle anderen Sänger sind über jeden Zweifel erhaben, das Orchester sowieso. Sehr stilvoll, dass auch Orchestermusiker und Jordi Savall in Kostümen auftreten. Ein Forianer schrieb treffend: "Man meint nicht Savall zu sehen, sondern Monteverdi selbst!"


    Fazit: die Arie wie die ganze Oper werden am besten von Savall dargeboten (und das bei nur YouTube-Qualität).


    Teil 2 bespricht die CDs.

    Aller Anfang ist schwer - außer beim Steinesammeln (Volksmund)

  • Zwei Nachbemerkungen:
    1. Mme. Cortese hat ja im thread "Ordnung ins Chaos" den Vorschlag gemacht, nur ganze Partien zu verwenden. Diesem Vorschlag bin ich hier ja gefolgt. Dass der Artikel ein wenig lang geworden ist, bitte ich zu entschuldigen, aber er bietet ja doch auch zusätzlich eine Übersicht über die gängigen Aufnahmen des ganzen Orfeo. Ich bitte auch zu entschuldigen, dass jetzt noch mal ein längerer Artikel über die Orfeo-CDs folgt; ich kann einfach in der Mitte nicht gut aufhören.


    2. Die besprochenen DVDs haben mir auch wieder Einsichten über das Regisseurstheater verschafft. Die Produktionen von Harnoncourt und Savall sind ja eher traditionell, was meiner Meinung nach dem Stoff, einem "schweren Mythos" von Leben und Tod, am besten entspricht. Ponnelle bei Harnoncourt übertreibt manchmal, und von der Darstellung her sind Orfeo als germanischer, schöner blonder Recke und Eurydike als Barbie-Blondchen (die dazu noch stimmlich gedoubelt werden muss) doch eher Fehlgriffe. Savall - Deflo bieten hier die beste Lösung.
    Koskie (Jacobs) banalisiert die ganze Geschichte; Orfeo mit Hosenträgern ist ja nicht gerade ein Erkennisgewinn. Am Schluss tritt sogar Apollo auf als nacktes Riesenbaby mit Windel, so etwas Peinliches habe ich lange nicht gesehen (von der sängerischen Leistung dieses Darstellers muss man auch nichts berichten).
    Auch Chrstoph Loy, der mit den lustigen Landszenen gut umgeht, bleibt der Unterwelt die düstere Bedrohung schuldig.
    Immer wieder wird von Freunden des Regietheaters gesagt, dass man in der Opernregie dringend das Gehirn einschalten muss und daher neue Ansätze braucht. Hier im Orfeo ist das Gegenteil der Fall. Orfeo ist ein SÄNGER, darüber haben sich weder Koskie noch Loy überhaupt Gedanken gemacht; bei Deflo und Ponnelle haben sie wenigstens eine Cetra in der Hand (eine bessere Lösung weiß ich auch nicht).


    Meine Beiträge hier gehören eigentlich in einen "Orfeo" - thread, der Anlass lag aber hier, daher wollte ich jetzt nicht wechseln.

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  • 1. Die im Orfeo - thread gut besprochene Box (Naxos) aus Bologna unter Sergio Vartolo kenne ich nicht


    2. Die Haim - Box mit Ian Bostridge gibt es in Auszügen bei YouTube; dort singt Bostridge aber nicht unsere Arie, sondern eine andere. Unser Tamino-Kritiker mochte diese Aufnahme nicht, vor allem auch wegen Bostridge. Ich stimme da zu, vor allem, weil Bostridge forciert und zuviel interpretiert. Außerdem ist sein Vibrato für eine Renaissance - Oper viel zu stark.


    3. René Jacobs 1995
    Dies ist insgesamt eine sehr gute Aufnahme, mit einem reichen Orchester. In unserer Szene singt Andreas Scholl die "Esperanza", meiner Meinung nach die beste Esperanza von allen. Caronte von Paul Gérimon ist gut, der Schwachpunkt ist hier mal wieder Orfeo selbst. L. Dale hat eine sehr dunkel timbrierte Stimme, nicht sehr strahlend; er kommt auch mit den Koloraturen nicht gut zurecht.


    4. Gardiner 1987
    War nach der Meinung vieler bisher die Referenzaufnahme, was vor allem am Orfeo A. Rolfe-Johnsons liegt, der der Rolle nichts schuldig bleibt. John Tomlinson als Caronte dagegen ist viel zu vordergründig opernhaft (beinahe hätte ich gesagt "wie immer").


    5. Pickett 1991
    Insgesamt eine gute Aufnahme mit einem reichen Instrumentarium. Auch hier ist der Orfeo mit John Mark Ainsley gut besetzt, der eine klare Stimme hat und die Koloraturen ohne Anstrengungen meistert.


    6. Garrido
    Auf diese Aufnahme bin ich durch unseren verehrten Salisburgensis gestoßen. Ich hab mir die Box mit den drei Opern bestellt und dann die hier zu besprechende Szene als erste angehört. Ich war so elektrisiert wie bei Savall oben unter den DVDs. Ich kenne den Orfeo gut, aber so hatte ich ihn noch nie gehört. Und jetzt mache ich es mir einfach: ich zitiere einfach, was Salisburgensis geschrieben hat, denn er hat es sehr treffend ausgedrückt und ich stimme ihm völlig zu.
    Zitat: "Um wievieles besser ist da die Aufnahme mit Garrido. Dafür lass ich sogar Gardiner und Harnoncourt im Regal stehen. Den Orfeo singt hier der in Buenos Aires geborene Victor Torres... Er ist der beste und überzeugendste Orfeo, den man sich vorstellen kann. Das Baritonale passt zu dieser Rolle wie angegossen. Man will´s nie wieder anders hören. Torres´Verzierungen sind atemberaubend virtuos, die Klage über den Verlust seiner Euridice herzzerreißend, zum Mitheulen schön....Die Szene, in der Orfeo den Caronte besänftigt, ist so stimmungsvoll wie in keiner andere Aufnahme, woran die Instrumentalisten ihren großen Anteil haben...Fazit: bei dieser Aufnahme passt alles perfekt zusammen. Für mich ist sie die unumstrittene Referenz."


    Gesamtfazit: was hier bei mir als Provokation begann (warum kommen im Tenorthread keine alten Opern vor?), hat geendet mit völlig neuen Erkenntnissen für mich über eine Oper, die ich gut zu kennen glaubte. Und meine Meinung ist hier, wie so oft bei anderen Aufnahmen (Beispiel: "Osud" und "Broucek" von Janacek):
    Man braucht nur zwei! Savall als DVD und Garrido als CD!

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  • Besten Dank, lieber Dr. Pingel, für die Mühe, die Du Dir mit Deinem Beitrag gemacht hast.


    Ich habe ihn mir mit großem Interesse gelesen und werde ihn noch mal hörend nachvollziehen.
    Bisher kenne ich mich in dem Feld gar nicht gut aus. Ich höre gerne Monteverdi-Opern auf der Bühne, aber eigentlich nie zu Hause.
    Als zwanghafter Sammler aber konnte ich offensichtlich doch der Versuchung nicht widerstehen, die eine oder andere Aufnahme zu kaufen und ins Regal zu stellen.
    Jetzt werde ich sie mir mal anhören!


    Einen schönen Tag noch


    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


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  • Also einmal muß ich mir meine Verwunderung über den hier grassierenden Kozub-Hype von der Seele schreiben. Ich habe diese Person einige Male an der Staatsoper gehört, habe seinen unsäglichen Max auf DVD und verstehe nicht, wie man einen derart ausdruckslosen, uninteressanten Sänger so in den Himmel heben kann.


    Da gibt es wahrlich wesentlich bessere Interpreten!


    Lieber Milletre, aus eigener Erfahrung weiß ich nur zu gut, dass man Dir gegenüber sehr zurückhaltend und sehr vorsichtig sein muss bei der Bewertung von bestimmten Künstlern. Das akzeptiere ich. Jeder hat seinen kleinen Altar, auf dem die Hausgötter stehen.


    Kozub ist nicht "diese Person". Warum wertest Du ihn verbal so ab? Er ist ein Sänger und ein Mensch. Er ist auch nicht unsäglich, ausdruckslos und uninteressant. Du hast ihn nur so erlebt und ziehst sehr allgemeine Schlüsse daraus. Gewiss, Kozub ist ein Sonderfall unter den deutschen Tenören. Vielleicht sogar ein tragischer Sonderfall. Er war aus meiner Sicht immer mehr Talent denn Vollendung. Sein stimmliches Material ist ganz außerordentlich in seiner metallischen Dichte, in seiner Strahlkraft, in seiner Unverwechselbarkeit. Er kann sogar draufgängerisch sein, weil er unbekümmert ist am Anfang seiner Laufbahn. Er hat sehr viele Aufnahmen hinterlassen, darunter auch ganz sonderbare Sammlungen wie Altheildelberger Lieder, Rheinlieder und Heidelieder. Sie offenbaren sein Können übrigens teilweise mehr als die Opernarien. Sie verbreitet entgegen der üblichen Erwartungen gar keine gute Laune. Sie sind schwermütig, depressiv. Das macht ihre Einzigartigkeit aus im Vergleich mit anderen Interpreten. Wunderbar gelungen ist die Gesamtaufnahme von Lortzings "Regina". Alle Sammleranstrengungen wert ist eine LP der Deutschen Grammophon mit Jüdischen Gesängen, die in Paris entstanden ist und es aus unbegreiflichen Gründen bisher nicht auf CD geschafft hat. Kozub hatte auch einen feinen Sinn für die Operette. Im laufe der Jahre habe auch ich, unterstützt von sehr großzügigen Freunden (wenigstens einer ist auch hier im Forum seit Jahren sehr aktiv), alle nachweisbaren Aufnahmen zusammengetragen. Die sind in ihrer Summe - ich übertreibe nicht - wie ein kleiner Kosmos und für mich allemal spannender als manches andere. Kozub verlangt eine sehr differenzierte Betrachtung, will man ihm gerecht werden.


    Tragisch ist Kozubs Karriere umweht, weil sich viele große Pläne nicht erfüllten. Er war bekanntlich Soltis Wunschkandidat als Siegfried in der Wiener Ring-Produktion der Decca. Kozub scheiterte, Windgassen sprang mehr oder weniger ein. Die Welt ist so um den womöglich besten Siegfried gekommen, der sich in seiner Zeit denken lässt.


    Also, geschätzter Milletre, geh noch mal in Dich. Vielleicht kommen ja aus Deinen persönlichen Erinnerungen, um die ich Dich grundsätzlich beneide, noch andere Eindrücke hervor als dieser herbe Verriss.


    Mit Grüßen und Empfehlungen Rheingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • [quote='Caruso41','index.php?page=Thread&postID=421241#post421241']Besten Dank, lieber Dr. Pingel, für die Mühe, die Du Dir mit Deinem Beitrag gemacht hast.


    Ich habe ihn mir mit großem Interesse gelesen und werde ihn noch mal hörend nachvollziehen.



    Du siehst, lieber Caruso, was du mit deiner wohlwollenden aufbauenden Kritik bewirkt hat. Danke dafür dir nochmal und Mme Cortese!

    Aller Anfang ist schwer - außer beim Steinesammeln (Volksmund)

  • ... Die Welt ist so um den womöglich besten Siegfried gekommen, der sich in seiner Zeit denken lässt.


    Wie kommst du zu so einer Einschätzung? Schließlich hat er Probeaufnahmen bei der Decca gemacht und nicht einmal mit der Partitur in der Hand ausreichend richtig gesungen, dass er für Culshaw und Solti für eine Plattenaufnahme tragbar erschien.

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Hallo Theophilus!


    In einem Satz meines Beitrages habe ich zweimal von einer Möglichkeit gesprochen. Reicht das denn nicht als vorsichtige Relativierung? Und ich wiederhole mich: Das stimmliche Material von Kozub gibt einen Siegfried her. Davon bin ich überzeugt. Nicht umsonst habe ich auf die Gesamtheit seiner akustischen Hinterlassenschaft verwiesen, die mich in meiner Auffassung bestärkt.


    Dass er an der Aufgabe selbst scheiterte, hatte ich in meinem Beitrag doch auch selbst festgestellt. Du hast zusätzlich noch Calshaw ins Spiel gebracht. Wir waren bei den Probeaufnahmen nicht dabei, sind auf Berichte angewiesen.


    Ich bleibe dabei, dass die Welt um den womöglich besten Siegfried gekommen ist.


    Es grüßt Rheingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

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