Hallo zusammen,
ich habe nun nun meine beiden Santini-Aufnahmen des Don Carlo durchgehört, beide Male mit Boris Christoff in der Titelrolle. Die eine Aufnahme ist von 1954 mit Chor und Orchester der Oper von Rom, gibt eine vieraktige Fassung des Werkes wieder und wurde von EMI veröffentlicht. Die andere ist von 1961 mit Chor und Orchester der Mailänder Scala, präsentiert eine fünfaktige Fassung und ist von DG. Vorweg: Eine der Aufnahmen ist gut, die andere sehr gut. Santini leitet beide Aufnahmen unauffällig und gut, es fehlt m. E. vor allem in der jüngeren Aufnahme manchmal an mitreißendem Schwung in den großen Chorszenen.
Zunächst zur jüngeren Aufnahme. Sie scheint vergriffen zu sein. Im ebenfalls vergriffenen "Hermes Handlexikon: Opern auf Schallplatten" wird sie als "vorzügliche Plattenproduktion" bezeichnet, mit einer "ergreifenden Rollengestaltung" von Boris Christoff und der Aussage "Auch alle übrigen Rollen sind optimal besetzt". - Dem kann ich mich nicht anschließen. Dazu muss ich nicht erst die Solti-Aufnahme heranziehen.
Das Orchester der Scala reicht in dieser Aufnahme nicht an das Orchester von Covent Garden (Solti-Aufnahme) heran. Es gibt immer wieder Inhomogenitäten in allen Gruppen und insbesondere im schweren Blech auch Intonationstrübungen. - Vokal am besten ist das königliche Paar: Boris Christoff beherrscht vokal die Szenen, an denen er beteiligt ist mit seinem gewaltigen Organ. Antonietta Stella bleibt weder denen dramatischen noch den lyrischen Abschnitten etwas schuldig. Insgesamt bieten die beiden eine gültige Alternative zu Ghiaurov/Tebaldi.
Ettore Bastianini, der Posa der Aufnahme, ist den meisten wohl als Vater Germont des Live-Mitschnittes der Traviata mit Giulini und Callas bekannt. Bastianini hat als Bass debütiert, bevor er einige Jahre später den Wechsel zum Bariton vollzog. Man hört seine Herkunft allenthalben am dunklen Timbre. Der Gegensatz zu Christoff ist m. E. nicht groß genug, worunter die entsprechenden Duette und insbesondere auch das Quartett im vorletzten Akt leiden. Die Farbe seiner Stimme hat einen durchaus sinnlichen Reiz, der bei weitem nicht nur durch das ungewohnt dunkle Timbre begründet ist. Dennoch ziehe ich hier sowohl Fischer-Dieskau als auch Milnes und Cappucilli (in den Einspielungen mit Solti, Giulini und Karajan) vor.
Fiorenza Cossotto singt als Eboli das berühmte "O don fatale" großartig. Aber ihre Leistung ist im Lied vom Schleier leider nicht ganz so gut, es fehlt ihr an der Leichtigkeit dafür.
Der deutliche Schwachpunkt im Ensemble ist für mich Flavio Labò in der Titelpartie. Seine vergleichsweise schwere Stimme stellt er zu oft kraftmeierisch in den Raum. Er findet nicht mal im letzten Akt im Duett im Elisabetta die angemessenen Zwischentöne und Schattierungen. Zu eindimensional ist seine Gestaltung der lyrischen Passagen, da muss man nicht erst mit Bergonzi vergleichen.
Wegen der Schwächen im Orchester, in der Titelpartie, in Teilen der Eboli und des nicht überzeugenden Timbre von Bastianini bleibt es nur eine gute Aufnahme. Aber das ist ja auch schon etwas, und wir alle wären froh, wenn wir Stimmen wie Christoff, Bastianini und Cossotto heute hätten.