Freude schöner Götterfunken - Ludwig van Beethoven: Sinfonie Nr 9 in d-moll op 125

  • Die Klangschnipsel sind leider nur sehr kurz, anhand derer ist erstmal gar kein Unterschied zu üblichen Fassungen festzustellen. Eher fallen die sehr zügigen Tempi im ersten und dritten Satz auf. Gibt das Booklet etwas dazu her? (Spätromantisch aufgebrezelte Instrumentation, aber HIP-Tempi? ;)
    Die Instrumentationseingriffe sind jedenfalls sehr wahrscheinlich kaum mit dem zu vergleichen, was noch weit ins 20. Jhd. mit Bach und Händel angestellt wurde... Mir Größenwahn (den man Mahler ja gerne aufgrund seiner eigenen Werke unterstellen mag) hat das jedenfalls gewiss nichts zu tun, sondern mit einer weitgehend üblichen Praxis, die aufgrund größerer Säle und Orchester durchaus nachvollziehbar scheint.


    Man sollte auch nicht vergessen, dass vermutlich bis heute viele (allerdings meist sehr dezente) Instrumentationsretuschen selbstverständlich gespielt werden (außer bei den HIPisten), bis in die 1970er waren viele der Weingartnerschen Eingriffe jedenfalls absoluter Standard. Keine der vier oder fünf Aufnahmen von Beethovens 5. unter Karajan lässt das 2. Thema in der Reprise des Kopfsatzes von Fagotten spielen, immer schmettern es die Hörner. Und das ist keine Besonderheit Karajans, sondern die Regel.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Auf Wikipedia nachsehen - dann wird man schlau - es ist nicht vergleichbar!


    Viele Grüße
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Hallo Johannes Roehl, hallo zweiterbass,


    das Booklet sagt leider nichts über die Tempi aus, sondern erklärt nur, warum Mahler die Orchestrierung verändert hat (Gleichgewicht Streicher - Bläser, wobei für mich eine Reduktion der Streicher naheliegender gewesen wäre!), wobei seine Veränderungen schon deutlich mehr sind, als eine bloße Vergrößerung des Bläserapparats.
    "Mahlersche Larmoyanz" merkt man dieser Aufnahme jedenfalls nicht an, dafür ist sie eindeutig zu schnell und zu knackig. Und genau diesbezüglich stellt sich für mich die nächste Frage, nämlich ob diese Tempi von Mahler oder von Herrn Järvi herkommen. Zu Klärung dieser Frage werd ich mir wohl noch eine andere Einspielung dieser Fassung besorgen, soweit ich gesehen habe eine etwas ältere.
    Ansonsten möchte ich diese Fassung schon auf die gleiche Stufe stellen wie das Messias-Arrangement von Mozart oder Mendelssohns Arrangement der Matthäus-Passion.


    Und lieber zweiterbass, deine Argumentation gegen Mahler kann ich durchaus nachvollziehen, bloß ist davon in dieser Aufnahme nichts drin, Beethoven überwiegt alles, auch wenn er in dieser Fassung gleichsam steroid-, amphetamin- und testosteronschwanger daherkommt. Es ist schon Beethoven, wenn auch ein extrem "bodygebuildeter".
    Und bezüglich deines "Mahler-Problems", welches ähnlich dem meinen ist: probier´s mal mit Boulez! ;) .


    Viele Grüße
    John Doe
    :hello:

  • Mein Beitrag Nr. 332 galt als Antwort auf den Beitrag Nr. 330 von William B.A. - nicht auf Johannes Roehl - wahrscheinlich habe ich bei meiner Schnellanwort übersehen, dass bereits Seite 12 aktiv war.


    Lieber John Doe: Ich merke es mir vor - bin allerdings in (viel) lesender Vorbereitung auf den Thread "Französische Orgelmusik" - also danach.


    Viele Grüße
    zweiterbass

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  • Zitat

    zweiterbass: Auf Wikipedia nachsehen - dann wird man schlau - es ist nicht vergleichbar.

    Lieber zweiterbass,


    das war irnonisch gemeint.


    Liebe Grüße


    Willi ;)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

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  • Ich musste ganz schön lange suchen, bis ich diesen Thread wieder fand (nein, das lag nicht am Wein). Nun ist also auch dieser Zyklus durchgehört. Und wenn es nach Accuphan ginge, dann wäre diese Neunte der absolute Höhepunkt dieser Gesamtaufnahme, weil die Pauken geradezu in einen Rausch geraten und der geneigte Hörer gleich mit. Nein wirklich, so beherrschend, von der Paukenstelle aller Paukenstellen, dem über 30 Takte währenden Paukenwirbel im Kopfsatz bis zum Finale, waren die Pauken allgegenwärtig, aber im besten Sinne großsymphonisch, nicht wie in einer kleinen Besetzung beherrschend, fast erdrückend, sondern gleichgewichwichtig, strukturierend, mitreißend.
    Und von wegen "die Neunte fällt immer ab": hier nicht, auch und vor allem nicht "wegen Schwächen im Chorfinale". Da war nichts dran auszusetzen. Die Chöre waren eine Klasse für sich und die, zugegebenermaßen etwas im Vorteil befindlichen männlichen Solisten, Robert Dean Smith, Tenor, und der hier schon einmal gescholtene Hanno Müller-Brachmann, Bass-Bariton, konnten voll überzeugen. Hier war die heikle alla marcia-Stelle von Chailly sehr zügig aufgefasst, was mir aber allemal lieber ist als der "Trauermarsch" in der Hogwood-Aufnahme (sorry, aber glaubt ihr denn, dass ein Dirigent, der nach eigener Aussage diesen ganzen Zyklus nach Beethovens Original-Metronom-Angaben dirigiert, ausgerechnet an dieser Stelle "blind" ist?).
    Das Tüpfelchen auf dem "i" dieses würdigen Abschlusses des vorliegenden Zyklus wäre es noch gewesen, wenn Chailly am Schluss der Coda noch so acceleriert hätte wie weiland Wilhelm Furtwängler. Hat er aber nicht, macht aber nichts. Auch so war es eine rassige Neunte.


    Als nächsten Zyklus werde ich nun den eines Vorgängers Chaillys im Amt des Gewandhauskapellmeisters, Franz Konwitschny durchhören und an dieser Stelle besprechen.


    Liebe Grüße


    Willi :)

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  • Lieber Willi
    Du hast eine sehr gute ausführliche und nachvollziehbare, detaillgenaue Schilderung gegeben. Sehr interessant und dafür herzlichen Dank.

    Als nächsten Zyklus werde ich nun den eines Vorgängers Chaillys im Amt des Gewandhauskapellmeisters, Franz Konwitschny durchhören und an dieser Stelle besrpechen.


    Darauf bin ich jetzt schon sehr gespannt. Diese GA begleitete mich seit meiner Jugendzeit, na ja, und ein paar Jährchen ist das nun auch schon her. Außerdem war diese GA in der Besprechung und Bewertung unserer Beethoven- Experten bis jetzt etwas unterrepräsentiert. Die Einspielungen sind ja ca. 50 Jahre alt und die tontechnischen Aufnahmemöglichkeiten waren natürlich damals noch nicht so gut wie heute, trotzdem wünsche ich Dir jetzt schon ein freudiges, genußvolles Hören.
    Herzliche Grüße
    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...

  • So, lieber chrissy, heute war es soweit, die Neunte von Konwitrschny war an der Reihe. In den letzten Hörsitzungen habe ich ja mitgeschrieben, so auch heute:


    1. Satz: Allegro ma non troppo, un poco majestoso


    Ein sehr majestätischer, getragener Beginn mit hervortretenden Pauken. Die Geigen und Bratschen sind sehr klar zu hören, die Bläser sind machtvoll- ein sehr traditioneller Beginn, wobei das nicht abwertend gemeint ist. Durch das etwas langsamere Tempo gegenüber vielen neueren Aufnahmen treten natürlich die Strukturen deutlicher hervor als bei einem Dirigenten, der in dreizehn Minuten mit dem Kopfsatz fertig ist. Vor allem ist bei eienr so traditionellen Iinterpretation wie der Konwitschnys der Kopfsatz deutlich langsamer als das nachfolgende Scherzo, hier 5:34 Minuten. Bei vielen der neueren (HIP-)aufnahmen ist das Scherzo länger als das Adagio und manchmal sogar länger als der Kopfsatz.
    Die über dreißig Takte währende Paukenpassage in der Durchführung ist auch hier sehr machtvoll trotz wiederum etwas zurückhaltender Pauken.
    Klanglich ist auch an dieser Aufnahme kaum etwas auszusetzen. Der Satz endet in einer machtvoll crescendierenden Coda.


    2. Satz: Molto vivace


    Hier fällt sofort der Tempounterschied zum Kopfsatz auf, der in manchen modernen HIP-Aufnahmen nicht so groß ist,. Die Pauken sind prägnanter, die Expostion wird wiederholt, was z.B. bei Karajan nicht immer der Fall war: die "4+1"-Paukenstellen werden maßvoll gestaltet, es wird nicht versucht, das Publikum mit Taubheit zu schlagen.
    Das Trio sit äußerst reizvoll mit einem hervorragenden Fagott und einem schönen Horn sowie einer herrlich singenden Oboe. Die Steicher bilden eine durchgehend wohllautende Grundlage, dann wieder die zauberhafte Oboe. Die Reprise kommt mit starkem Blech und schwebendem Fagott daher, die Kontrabässe liefern ein schönes Pizzikato ab, und Konwitschny überrascht mit manchem Ritartando auf den letzten beiden Tönen einer Sequenz in den Holzbläsern oder Blechbläsern. Am Schluss wird das Hauptthema im Tutti-Fortissimo naehzu in einem Rausch wiederholt.


    3. Satz. Adagio molto e cantabile


    Auch das Adagio beginnt gegenüber dem Kopfsatz recht zügig, aber mit ungeheuer expressivem Streichersatz im p-mp, alles klingt sehr transparent:
    man versteht. warum dies eines der drei schösnten Sinfonieadagios überhaupt ist und warum sie allesamt in "neunten" Sinfonien zu finden sind (Beethoven, Bruckner, Mahler). Nun könnte man noch einwenden, Bruckner 7+8 und Mahler 3 gehörten auch dazu, und ich hätte nichts dagegen.
    Der Mittelteil des Adagios vor den beiden großen Bläsersteigerungen ist einfach nur schön. Am Ende der ersten Steigerung vernimmt man in den tiefen Streichern eine herrliche Pizzicatostelle. In der zweiten Steigerung klingt es alles noch geheimnisvoller als in der ersten. Das gelingt Konwitschny überragend, das habe ich selten so gehört, das ist in den sogenannten "Hochtempo-Adagios" so überhaupt nicht so zu empfinden.


    Dieses Adagio ist großartig!


    4. Presto, Choralfinale:


    Das Fianle beginnt mit einem durchaus normalen Tempo (wie immer man das verstehen mag), mit schönen Trommelwirbeln und herrlichen Celli und Kontrabässen. Dann wird das Freudenthema vorgestellt, auch in ordentlichem Tempo, das alternierende Musizieren von Cell und Fagott und im Anschluss die Geigen: das alte Lied und doch immer wieder neu, hier bei Konwitschny durch überraschende Ritartandi und Crescendi, prachtvoll und durchaus schnell schließt sich das Orchestertutti an, es spielt sich langsam in einen Rausch. Dann der junge Theo Adam: "O Freunde, nicht diese Töne"- überragend. Diese Partie setzt ihm keine Grenzen. Intersssant auch die Besetzung des Chortenors mit Hans-Joachim Rostsch, dem späteren Thomas-Kantor, der hier eine veritable Leistung abliefert-
    Aber ach: was hat sich denn Franz Konwitschny bei alla marcia gedacht? Auch bei ihm ist mir das ist mir zu langsam. Das kann ich nicht leiden- derZweite nach Hogwood, aber lange nicht so schlimm: wenn es überhaupt eine schwächere Stelle in dieser GA gibt, dann diese. Entschuldigung, Herr Konwitschny. Aber das haben andere besser gemacht, eigentlich die meisten (Sorry, Joseph II).
    Im direkt darauf folgenden "Fruede schöner Götterfunken" zieht Konwitschny das Tempo wieder an.
    Ein weiteres Postitivum ist m.E. der Einsatz im "Seid umschlungen Millionen" mit Posaunen statt mit Kontrabässen. Das traute sich Karajan nicht. Der Doppelchor: "Seid umschlungen Millionen- Freude schöneer Götterfunken", sicherlich eine der schwierigsten Stellen im ganzen Finale, ist hier hervorragend gelungen.
    Auch in dieser Aufnahme ist zu vernehmen, dass der Chor im weiteren Verlauf singt: "Freude, Tochter aus Elysium, Freude, Tochter aus Elysium" und in vielen neueren Aufnahmen stattdessen : "Freude, Tochter aus Elysium, Tochter, Tochter aus Elysium". Warum das so ist, hat sich mir noch nicht erschlossen, aber seis drum.
    Der Leipziger Rundfunkchor stellt in dieser Aufnahme einmal mehr unter Beweis, dass er einer der besten Chöre Europas ist.


    Liebe Grüße


    Willi :rolleyes:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Nun also Celis Lesart: Ich wusste von vornherein: 77 Minuten: 17:32-12:31-18:01-7:31-21:25, es wird spannend. Ich war tempomäßig bei der 10 Jahre eher entstandenen Aufnahme der Neunten von Karl Böhm. Soviel aber vorab: Celis Neunte klingt genauso spannend wie die Böhmsche.
    Und- eine Bemerkung an die Freunde der Pauke, Wolfgang (teleton) und Accuphan: die Pauken rücken diesmal so in den Vordergrund, stärker, als sie bei der Sechsten in den Hintergrund gerückt waren. Das war ja für dich, lieber Wolfgang, ein Grund gewesen, die Finger davon zu lassen. Dann dürfte man ja hoffen, dass du dich für Celis Neunte erwärmen könntest. Es gibt noch mehr Gründe dafür als nur die Pauken: als da wären z.B. die wiederum gnadenlos guten Münchner Philharmoniker und das überragende Sängerquartett sowie der ausgezeichnete "Philharmonische Chor München", der 1895 von Franz Kaim, dem Gründer der Münchner Philahrmoniker, ins Leben gerufen wurde. Doch von den letzteren beiden wird noch die Rede sein.
    Schon der Kopfsatz zeigte, dass die Neunte eben mehr ist als nur eine klassische Symphonie. In Celibidaches Interpretation weist sie m.E. direkt voraus auf Bruckners Neunte, die wiederum in die Moderne vorausweist. Schon in diesem Satz tritt die Pauke stark hervor, nicht nur als Begleitinstrument, sondern als stark strukturierendes Soloinstrument, und vor allem ist sie viel großrahmiger im Klang, ja geradezu gewaltiger als die Pauken, die man in gegenwärtiger HIP-Ensembles hört. Die treten ja nur so stark hervor, weil von den übrigen Instrumenten nicht so viele vorhanden sind.


    (Ich will das mal halberlei OT mit einer Bemerkung vergleichen, die meine Ehefrau mal tat, als sie noch regelmäßig die Auftritte unseres Kirchenchores verfolgen konnte: "Man hat Euch (uns Tenöre) ja überhaupt nicht gehört". Da hatten vor uns 10 Tenören mal wieder 25 Soprane gestanden- klare Sache.)
    Im Scherzo, das zwar molto vivace ist, aber nicht presto, scheinen die Pauken schon das Jüngste Gericht anzukündigen. Es geht einem durch und durch. Dann, o Wunder, das Trio. Plötzlich zieht Celibidache das Tempo unglaublich an. So habe ich das noch nie gehört, so ein relativ langsames Scherzo mit einem so schnellen Trio. Celi weiß doch immer wieder zu überraschen.
    Das Adagio molto e cantabile ist dann, wie ein im richtigen Tempo gespieltes Adagio eben ist: überragend- jetzt nicht unbedingt im Kontext dieser Aufnahme, sondern im Vergleich zu anderen "Adagios" aus anderen Neunten.


    Wie so oft bei Klasse-Orchestern (von wegen Provinzorchester), hervorragenden Chören und Super-Solisten (Helen Donath, Sopran, Doris Soffel, Alt, Siegfried Jerusalem, Tenor und Peter Lika, Bass), ist das Chor-Finale ein würdiger Abschluss der Neunten und kein Schwachpunkt. Die erste und größte Überraschung ist Peter Lika (ehemaliger Regensburger Domspatz), der mit profundem, beweglichen und legatofähigem Bass seine Partie ganz überlegen gestaltet und Heerscharen von anderen Baritonen/Bässen in dieser Partie locker an die Wand singt. Auch Siegfried Jerusalem, zum Zeitpunkt der Aufnahme mit 49 Jahren noch im besten Sängeralter, strotz in der alla marcia nur so vor Kraft und offenbart nur eine Schwachstelle im zweitletzten Ton dieses Solos, den er etwas stemmt. Auch Helen Donath und Doris Soffel machen ihre Sache ausgezeichnet. Der Chor sorgt für ein weiteres Highlight: fast mein ganzes Leben lang bin ich nach einem zweiten Chor auf der Suche gewesen, der die Wiederholungsstelle "übern Sternen muss er wohnen" so traumhaft pianissimo singt wie weiland 1962 der Musikvereinschor aus Wien in Karajans erstem Stereo-Zyklus. Nun habe ich ihn gefunden. Traumhaft- Gänsehaut pur.
    Und Celi wäre nicht Celi- wenn er nicht der Versuchung widerstehen würde, wie dies Furtwängler 1954 in Bayreuth getan hat, nämlich in der Coda zu accelerieren. Er bringt die Sinfonie in un verändertem Tempo in der Coda zu Ende.
    Wer Böhms Neunte mag, muss diese auch mögen.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Lieber Willi,


    ganz herzlichen Dank für Deine fundierten Berichte zu den Beethoven-Sinfonien unter Celi!


    Ich habe diese Aufnahmen lange nicht mehr gehört. Nach Sibelius 4. will ich mich der 6. Sinfonie Beethovens widmen - es gibt keine Aufnahme, auf die ich mich dabei so sehr freue wie diejenige Celis! Bin so gespannt ....

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  • Die Sinfonie Nr.9 mit Solti hatte ich eigendlich für viele Jahre wenig beachtet, ja mehr links liegen gelassen. Grund waren die langen Spielzeiten, die mir eigendlich nicht so liegen.
    In meiner Favoritenliste stehen die Aufnahmen mit leibowitz (Chesky) und Mackerras (EMI) die sich um 61Minuten bewegen ...
    Wegen der Beschäftigung und den ausführlichen Rezensionen von Willi der "Solti-Sinfonien" habe ich mich mit größter Freude aber auch wieder die beiden Solti-Aufnahmen (Decca, 1972-74 (in der GA nicht genau angegeben) und Decca, Okt 1986, DDD) intensiv auseinandergesetzt und bin dabei zu ganz neuen Erkenntnissen gelangt.



    Lieber Willi,


    ich habe mich beim Hören der ADD-Aufnahme auch gewundert, wo die 2Minuten längerer Spielzeitunterschied im 2.Satz her kommen ? Denn Solti ist dort keineswegs langsamer sondern bewegt sich ohnehin bei der Neunten im gleichen Zeitrahmen wie 12 Jahre später. Dann ist ja bekannt, das Solti bei den Beethoven-Sinfoneien alle Wdh-Zeichen beachtet !
    Ich habe es herausgefunden: Solti wiederholt vor dem Mittelteil (der Satz ist ja nicht als Trio bezeichnet), die herrliche Passage mit den geilen Paukendoppelschlägen. Ich kenen keine Aufnahme in der das gemacht wird - aber ich finde das Klasse ! Von daher die 2Minuten längere Spielzeit bei ADD im 2.Satz !


    Die Digitalaufnahme von 1986 ist eine Demonstration an ausgefeilter und detailgetreuer Klangtechnik, wie ich diese bei der Neunten in keiner meiner zahlreichen Aufnahmen vorfinde.
    Das tolle - die Analogaufnahme steht diesem perfekten Eindruck kaum nach, wirkt nur etwas dunkler gefärbt. Die Pauken in der Neunten sind die absolute Wucht. Es geht in der Digitalaufnahme kein Paukenschlag verloren oder verschwimmt im Orchesterklang. Die dramatische Passage 1.Satz Reprise mit Paukenwirbel über 38Takte ist kein Paukenschlag unhörbar. In der Analosaufnahme werden dagegen einige Höhepunkte etwas anders akzentuiert - aber beides megaklasse. Das rhythmische vorwärstreibende Element auch hier in der Neunten - Super.
    Der 2.Satz, ohnehin für Paukenliebhaber ein Demonstrationsobjekt, ist bei Solti derart klar und prägnant, dass man die Doppelschläge megasauber, mit schmackes und hörbar klingenden Fellen wahrnimmt. Noch nie so explosiv gehört wie hier !
    Der 3.Satz bei Solti mit größtem Einfühlungsvermögen hat mich in langsamen Aufnahmen noch nie so bewegt wie hier. Hat Solti mich für langsame Interpretationen hier bekehrt ? - JA !
    Die Sänger im 4.Satz liefern äußerste Klarheit und Textverständlichkeit, wie nie zuvor so gehört. Nur bei der ADD-Aufnahme ist der dramatische Anfang des 4.satzes noch etwas ungestümer; ansonsten liegen beide Aufnahmen auch hier auf höchstem Niveau.
    ;) Die Beurteilung der Sänger überlasse ich Willi ! Das ist mir bekanntlich nicht so wichtig, wie der Rest.


    8) Obwohl ich geschmacklich den schnelleren Aufnahmen eher zugetan bin, stieg meine Begeisterung für Solti und seinen weit langsameren Tempi in allen Sätzen von Hördurchang zu Hördurchgang höher.
    :!: Das sind Interpretationen auf allerhöchstem Niveau ! Ich gebe diesesmal keiner den Vorzug, weil Beide in gleichem Maße umwerfend sind.


    :thumbsup:8o Ich bin selber überrascht, aber ich muss aus heutiger Sicht sagen, dass Solti (Decca ADD und DDD) qualitativ weit über den Aufnahmen von Mackerras (EMI) und Leibowitz (Chesky) liegt, die beide in meiner aktuellen Favoritenliste stehen ...



    Decca, 1986, DDD



    :hello: Ich bin nun gespannt auf deine Höreindrücke, lieber Willi, die wir sicher in den Folgebeiträgen lesen werden.
    Ich bin mir sicher, dass das eine der besten Neuten für Dich sein werden, die Du jemals genossen hast - wenn nicht die Beste ...


    Ich habe in den letzten Tagen mehrere Aufnahmen der Neuten in Passagen verglichen (und bin noch dabei) - aber den Klangmulm anderer Aufnahmen kann ich nach diesem Solti-Traumklang kaum noch hören ....

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Nun bin ich mit dieser Box auch am Ende angelangt, lieber Wolfgang, besser gesagt, ich habe den Gipfel erreicht, den Beethoven hingestellt und Sir Georg erklommen hat.


    1. Satz: Allegro, ma non troppo, un poco maestoso


    Gemessen beginnt Sir Georg, maestoso halt, mit scharf konturierten Geigen und einem fantastischen Paukeneinstand, und wie schon in den Sinfonien zuvor entwickeln sich die ruhigen, tiefen Streicherfiguren. Fast apokalyptisch erklingen die Posauneneinwürfe, dazwischen wird das Geschehen von den Geigen und Holzbläsern fast elysisch weitergesponnen, dann wieder die unerbittlichen Paukenschläge, nun die Wiederholung der Exposition: man spürt: hier ist ein Sinfoniker auf seinem Gipfel angekommen - und ein Dirigent auch.
    Nun folgt die unerbittliche Durchführung, in die auch lyrische Abschnitte eingebettet sind, die dann von dem Höhepunkt, dem 38-taktigen Paukeninferno abgelöst werden- gigantisch (nicht nur laut), und es löst sich ganz von selbst zu dem unendlich schönen Seitenthema, das aber auch nicht lange währt. Fort geht das dramatische Getümmel im unvermindert mächtigen Rhythmus der Pauken. Ich freue mich jetzt schon auf das Scherzo. Weiter geht es, das Satzende rückt langsam näher, aber bei allem Tumult sind die tiefen Streicher, die den scharfen Rhythmus etwas dämpfen, immer klar vernehmbar- sagenhafte Decca-Technik.
    Dann, aus dem Urnebel - die Coda - das lässt Bruckner mehr als ahnen - entfesselt - nochmals: diese Pauken!


    2. Satz: Molto vivace


    Hier liegt ein durchaus zügiges Tempo vor, messerscharfe Konturen, dann dieser sagenhafte, galoppartige Rhythmus, Wiederholung der Exposition, das passt alles so wunderbar ineinander, dann der erste vier (fünf) fache Paukendreier, das messerscharfe Geschehen dazwischen- man wartet schon auf die zweite Paukenstelle, doch die machen auch zwischendurch ordentlich Betireb- herrlich auch das Fagott, das die zweite Puakenstelle einleitet: übrigens ist mir aufgefallen, dass beide Male der erste Paukendreierschlag etwas lauter war als die folgenden drei, und der fünfte, der Echoschlag lauter als bei allen anderen Neunten. Habe ich schon jemals in einer Neunten solche apokalyptischen Pauken gehört?
    Das Trio ist auch vom Feinsten, erst die Holzbläser, dann die Streicher, dann die Hörner, dann wieder die Oboen, dann wieder die Streicher- man hört gebannt zu, auch als die Hörner wieder das Kommando übernehmen. Die Reprise rauscht wieder über mich hinweg: das ist richtig schnell- aber vergessen wir nicht, auch die HIP'ler spielen 14-Minuten-Scherzos (z. B. Norrington 14:17, Goodman sogar 15:21, Krivine und Hogwood zwischen 13:30 und 14 Minuten, und sogar der nach eigenen Worten dem Beethovenschen Metronom verpflichtete Non-HIP'ler Chailly gebraucht 14:16). Sie alle spielen ein schnelles Scherzo, aber mit allen Wiederholungen. Karajan und Böhm z.B. spielen die Wiederholungen nicht).
    So kommen wir zum dritten Mal in den Genuss der Paukenstelle- überhaupt der Paukist ist im Rausch- ähnlich wie Madame Potin-Girao bei Krivine; ein weiteres Detail: während die ersten vier Pauken-Dreier, vom Hörer aus gesehen, von rechts kommen, kommt der Echoschlag mehr von links: zwei Paukisten?


    3. Satz: Adagio molto e cantabile


    Ist so was denn nicht schön, wenn sich das schönste aller Adagios im entspannten, verhaltenen Tempo, fast wie ein Sonnenaufgang, in alle Richtungen ausbreiten kann? Und nicht: "Lasst uns schnell machen, bevor wir merken, wie schön dieses Stück ist, wenn man es langsamer spielt". Solti denkt Gott sei Dank nicht so, sondern gibt dem Stück den ihm zustehenden zeitlichen Raum. Das Stück verlangt danach. Hier wäre man wirklich versucht, mit Günter Wand auszurufen: " So - und nicht anders". (Bei Norrington: 11:08 min. zu Solti 19:47 min.) ist das nicht möglich).
    Wer bis jetzt nicht gemerkt hat, wie exzellent die Chikagoer Streicher sind, hier kann man es besonders gut merken, aber auch Hornist und Klarinettist und Flötist spielen sich in Richtung Himmel, und nochmals: Zeit wird erst dann bedeutungslos, wenn man sich genug davon nimmt, wenn über das ganze Panorama verteilt, sich die Pizzicati (mit ihrem singulären Crescendo) der Streicher tropfenartig verteilen und "langsam" die beiden Blechbläserhöhepunkte vorbereiten, auf die man schon wartet wie auf einen Startschuss - herrlich dieser elysische Vorbereitungsgesang: dann die erste gewaltige Stelle, dazwischen wieder das überirdische Lied der Geigen, das hymnisch gesteigert wird bis zur zweiten gewaltigen noch geweiteten Bläserspitze, von der es dann, wie von einer hohen Bergspitze, langsam bergab geht, der Weg gesäumt von den Pizzicati der tiefen Streicher bis hin zum friedlichen Schluss. Diesen überragenden Eindruck, dieses eindringliche, teilweise fast jenseitige Musizieren kann man doch nicht in 10:43 min. (Hogwood), 11:08 min. (Norrington) oder 12:15 min. (Goodman) machen, oder? (die drei Letzteren haben die Neun Symphonien übrigens in den 80er Jahren naehzu zeitgleich in London eingespielt. Zufall?
    Bis jetzt war diese Interpretation vom Allegro ma non troppo an eine stetige Steigerung. Was mag im Finale kommen? Ich habe einen Moment auf die Pausentaste gedrückt, um meine Gedanken niederschreiben zu können.


    4. Satz: Presto- Allegro assai- Andante maestoso- Allegro energico, sempre ben marcato


    Souverän geht das apokalyptische Geschehen weiter und flugs wird der Bogen zu den ersten drei Sätzen gespannt, wie die ersten drei Sätze auch, auf höchstem Spannungslevel, dann das Freudenthema, zuerst in den Celli und Kontrabässen, dann in den Bratschen (mit den Fagotti), schließlich in den Geigen, immer im Hintergrund die Kontrabässe, schließlich das grandiose, allbekannte Tutti, dieser Triumphmarsch natürlich wieder herrlich strukturiert von den Pauken:
    schließlich der zweite Schauer nach dem Tutti durch einen der größten Bassisten des 20. Jahrhunderts, Martti Talvela, den ich in seiner Ehrfurcht gebietenden Gestalt vor ca. 45 Jahren kennengelernt habe in einer Maßstäbe setzenden Aufnahme im Fernsehen, damals noch in schwarzweiß, als Großinquisitor im Don Carlo, mit Carlo Bergonzi in der Titelrolle, Renata Tebaldi als Elisabeth, dem ebenfalls großartigen Bass Nicolai Ghiaurov als Philipp II., FiDi als Marquis Posa und Grace Bumbry als Eboli. Am Pult in Covent Garden: Sir Georg (natürlich).
    So einen souveränen Bass in der Neunten mit einer so sicheren Höhe erlebt man selten, gar manches Mal ist der Bass der Schwachpunkt. Hier: keine Schwachpunkte, fabelhafter Chor, Pilar Lorengar, Sopran, Yvonne Minton, Alt, Stuart Burrows, Tenor und s.o.
    Alla marcia erklingt im normalen Tempo, kein Geschwindmarsch, aber auch kein Trauermarsch und ein veritabler Tenor mit durchaus "heldischer" Stimme, Stuart Burrows, der sich mühelos gegen den Chor durchsetzen kann. So liebe ich es. Zügig geht es in der Durchführung weiter: Hogwood, hör' hin!
    Wunderschön wieder Chor mit dem Freudenthema: der Sopran singt, er schreit nicht- Und dann: Seid umschlungen, Millionen - schön! "Ihr stürzt nieder" wird ungewöhnlich eindrucksvoll crescendiert: schön auch das pp bei "über'n Sternen muss er wohnen" - Beim anschließenden Doppelchor übertreiben sie es allerdings fast ein bisschen- die Extase ist nicht mehr weit. Aber sie kommen wieder runter. Sei's ihnen verziehen. "Alle Menschen werden Brüder" ist wieder grandios. Dieser Chikago Symphony Chorus hat es wirklich in sich, ebenso wie sich das mit den gleichen Worten anschließende Solistenquartett: sagenhaft, wie Martti Talvela aus dem Nichts mit seiner ultimativen Stimme mit den Worten: ...dein sanfter Flügel weilt" auftaucht- dann das Coda-presto des Chores, dann das rasende Schlussaccelerando von Sir Georg: atemberaubend: besser hat es Wilhelm Furtwängler auch nicht gemacht.
    In der Tat ist diese Neunte das Glanzstück der ganzen Box, und Sir Georg spannt auch einen famosen Tempobogen von den ersten gemessenen Tönen des Kopfsatzes zu den letzten rasenden Tönen des Finales. Chapeau!!


    Liebe Grüße


    Willi :rolleyes:


    P.S. Ich sehe gerade die Nummer meines Postings. Das ist ja wohl hoffentlich kein schlechtes Zeichen? ?(

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).



  • Diese CD habe ich inzwischen erstanden. Ich bin auf der Suche nach einer sehr guten historisch informierten Aufführung der Neunten. Bisher habe ich noch keine wirklich überzeugende Aufnahme gefunden. Meine Lieblingsaufnahme dieser Sinfonie ist bisher die konventionelle Interpretation von Karl Böhm mit den Wiener Philharmonikern, auch andere sehr gute konventionelle Einspielungen kenne ich, z.B. Klemperer, Munch. Ich habe mitunter den Eindruck, dass die Feststellung, es gäbe keine wirklich überzeugende und sehr gute Einspielung der neunten Sinfonie mit einem historisch informierten Orchester fast einen dogmatischen Charakter bekommt, genährt und bestätigt aus vielen Einzelerfahrungen, z.B. auch Norrington I (das ist für mich der Absturz dieser sonst unglaublich faszinierenden Gesamteinspielung) oder Immerseel.


    Gespannt war ich auf Sperings Einspielung. Hier noch die Hintergrundinformation zu dieser Aufnahme:


    Zitat

    Christoph Sperings Idee, dieses Werk in dem Rahmen aufzuführen, in dem es ursprünglich dem Publikum präsentiert wurde, ist in diesem Fall besonders angebracht. Durch die Rekonstruktion des vollständigen Konzertprogramms, in dem am 7. Mai 1824 im Wiener Hoftheater Beethovens neunte Sinfonie uraufgeführt wurde, ist für den heutigen Hörer eine Voraussetzung geschaffen, dieses Werk im geistigen und ästhetischen Kontext seiner Entstehung zu verstehen. Und das heißt, es als Zeugnis einer „Kunstreligion“ zu begreifen, die im nachrevolutionären, säkularisierten Europa den Anspruch auf die Nachfolge der christlichen Religion anmeldet. Der erste Teil des Konzerts enthält Beethovens Ouvertüre „Die Weihe des Hauses“ und Kyrie, Credo und Agnus Dei aus der Missa solemnis. Die Grenze zwischen geistlicher und vokal besetzter sinfonischer Musik ist hier bereits überschritten: Auf Drängen der Zensurbehörde, die die Aufführung von liturgischer Musik im Theater nicht zulassen wollte, hat man die drei Sätze – immerhin Teile der römischen Messliturgie und damit nicht der weltlichen Sphäre zugehörig – im Konzertprogramm als „Hymnen“ angekündigt.



    Meinen subjektiven Ersteindruck kann ich nur holzschnitartig wiedergeben: Ein bomastischer erster Satz, Streicher, Trompeten und eine schlagfertige Pauke domieren. Ein enormes Volumen bringt das Orchester mit, aber auch viele Feinheiten werden hörbar, allerdings dominiert das starke Auftreten von Streichern, Blechbläsern und Pauke so sehr, dass die Holzbläser etwas ins Hintertreffen geraten. Das wird besonders deutlich bei der beigegebenen Ouvertüre "Zur Weihe des Hauses", wo die außerordentlich präsente Trompete das nicht minder virtuos spielende Fagott doch sehr in den Hintergrund drängt - anders als z.B. in der mustergrültigen Einspielung mit der Hanover Band. Der zweite Satz ist sehr kraftvoll musiziert, der dritte Satz baut mir nicht genug Atmosphäre auf, der vierte Satz gefällt mir leider nicht besonders. Ich verstehe das einfach nicht. Es gibt doch so viele hervorragende Solisten, die mit historischen Orchestern fabelhafte Opern und Oratorien einspielen. Warum funktioniert das bei der Neunten nicht? "O Freunde" finde ich etwas knödelig , und der Chor geht nachher in den Wogen von Streichern und Blechbläsern unter oder singt angestrengt dagegen an.


    Dies ist mein erster, nicht sonderlich reflektierter Eindruck. Vielleicht können andere Taminos und Paminas auf das hinweisen, was ich überhöre. Vielleicht bewerte ich nach mehrmaligem Hören die Aufnahme anders. Es tut mir auf jeden Fall nicht Leid, dass ich Ullis Empfehlung gefolgt bin. Es handelt sich IMO um eine gute, aber leider um keine sehr gute Einspielung der Neunten.


    Irgendwann wird mir Hogwoods neunte Beethoven in die Hände fallen (1 - 8) habe ich in Einzel-CDs. Bestimmt werde ich dann d i e neunte aller neunten in historisch informierter Auffährung in Händen und Ohren haben. bestimmt. ganz bestimmt. :yes:?(:yes:


    Mit zuversichtlichen Grüßen von der Nordseeküste, Andrew

    „Nichts auf Erden ist kräftiger, die Traurigen fröhlich, die Ausgelassenen nachdenklich, die Verzagten herzhaft, die Verwegenen bedachtsam zu machen, die Hochmütigen zur Demut zu reizen, und Neid und Hass zu mindern, als die Musik.“

  • Ich weiß nicht, lieber Andrew, ob diese Aufnahme das Live-Konzert in Essen wiedergibt. Ich habe dieses Konzert vor einigen Jahren live erlebt und muss sagen, dass die Instrumentengruppen, seien es Holzbläser, Blechbläser oder Streicher, gut zu vernehmen waren und der Chor sich mühelos durchsetzen konnte. Nun hatte ich allerdings von meinem Platz Reihe 10 Mitte aus eine ausgezeichnete Hörposition. Auch mit den Solisten war ich damals zufrieden. Dies alles gilt auch für die drei Sätze aus der Missa Solemnis, das Kyrie, das Credo und das Agnus Dei. Es war live klanglich und interpretatorisch eine wirklich runde Sache damals.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • [Meinen subjektiven Ersteindruck kann ich nur holzschnitartig wiedergeben: Ein bomastischer erster Satz, Streicher, Trompeten und eine schlagfertige Pauke domieren. Ein enormes Volumen bringt das Orchester mit, aber auch viele Feinheiten werden hörbar, allerdings dominiert das starke Auftreten von Streichern, Blechbläsern und Pauke so sehr, dass die Holzbläser etwas ins Hintertreffen geraten. Das wird besonders deutlich bei der beigegebenen Ouvertüre "Zur Weihe des Hauses", wo die außerordentlich präsente Trompete das nicht minder virtuos spielende Fagott doch sehr in den Hintergrund drängt - anders als z.B. in der mustergrültigen Einspielung mit der Hanover Band. Der zweite Satz ist sehr kraftvoll musiziert, der dritte Satz baut mir nicht genug Atmosphäre auf, der vierte Satz gefällt mir leider nicht besonders. Ich verstehe das einfach nicht. Es gibt doch so viele hervorragende Solisten, die mit historischen Orchestern fabelhafte Opern und Oratorien einspielen. Warum funktioniert das bei der Neunten nicht? "O Freunde" finde ich etwas knödelig , und der Chor geht nachher in den Wogen von Streichern und Blechbläsern unter oder singt angestrengt dagegen an.


    Lieber Andrew,


    ich finde Deine Höreindrücke recht interessant, denn sie decken sich stellenweise überhaupt nicht mit meinen (wobei meine deswegen nicht "richtiger" sein müssen).
    Ich empfinde, im Gegenteil zu Dir, durchaus, daß bei Spering die Holzbläser einen (Klang-)Raum einnehmen, den ihn sonst kaum ein anderer Dirigent gönnt.
    Ich hatte meine Höreindrücke hier in diesem Thread bereits ausführlicher geschildert.


    Deinen Eindruck zum Bass im vierten Satz teile ich und frage mich ebenfalls, warum bei meinen 30-40 (mag gerade nicht nachzählen) Aufnahmen keine einzige dabei ist, bei der ich sagen kann "da stimmt alles", also stimmige Interpretation der drei Instrumentalsätze, spannende Introduktion im Finale, klasse Solisten, guter, nicht zu vulominös auftrumpfender Chor und eine stimmige Balance aller Gruppen.


    Auch meine letzte Erwerbung der 9., die ansonsten hervorragende Aufnahme mit Kent Nagano, ist nur so lange hervorragend, bis sich der Bass Mikhail Petrenko das erste Mal meldet... ;( .


    Zitat

    Dies ist mein erster, nicht sonderlich reflektierter Eindruck. Vielleicht können andere Taminos und Paminas auf das hinweisen, was ich überhöre. Vielleicht bewerte ich nach mehrmaligem Hören die Aufnahme anders. Es tut mir auf jeden Fall nicht Leid, dass ich Ullis Empfehlung gefolgt bin. Es handelt sich IMO um eine gute, aber leider um keine sehr gute Einspielung der Neunten.


    Was Du "überhörst", weiß ich nicht, vielleicht überhörst Du ja gar nichts, sondern bewertest Klangeindrücke anders als ich.
    Ich persönlich mußte ich mich Sperings Interpretation erst einmal "reinhören" denn die Schönheiten des "Adagio molto e cantabile" z.B. haben sich mir nicht sofort erschlossen. Erst als ich mir den Interpretationsansatz mehr vergegenwärtigt, ihn mehr verinnerlicht hatte, entdeckte ich die Einzigartigkeit des Satzes.
    Vielleicht geht's Dir ja ähnlich...

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Tamino XBeethoven_Moedling Banner
  • Lieber Willi, lieber Norbert,
    vielen Dank für Eure lesenswerten Antworten auf meinen etwas ungeschützten Beitrag.


    Ich denke , dass es sich auf jeden Fall lohnt, sich intensiver mit dieser Aufnahme zu beschäftigen, habe die CD darum jetzt dort platziert, wo immer ein paar CDs zum immer-wieder-hören liegen.
    Ich habe die CD bisher zweimal gehört, jedoch noch nicht auf meiner Anlage mit den noch recht neuen Nubert-Lautsprechern. Vielleicht eröffnen sich da ja noch ganz andere Klangwelten.


    Zitat

    Ich persönlich mußte ich mich Sperings Interpretation erst einmal "reinhören" denn die Schönheiten des "Adagio molto e cantabile" z.B. haben sich mir nicht sofort erschlossen. Erst als ich mir den Interpretationsansatz mehr vergegenwärtigt, ihn mehr verinnerlicht hatte, entdeckte ich die Einzigartigkeit des Satzes.
    Vielleicht geht's Dir ja ähnlich...


    Meine Erfahrung ist, dass ich mit manchen Ansätzen etwas Zeit brauche. Mit Büchern geht mir das mitunter ähnlich.


    Freundliche Grüße von der Nordseeküste sendet Andrew

    „Nichts auf Erden ist kräftiger, die Traurigen fröhlich, die Ausgelassenen nachdenklich, die Verzagten herzhaft, die Verwegenen bedachtsam zu machen, die Hochmütigen zur Demut zu reizen, und Neid und Hass zu mindern, als die Musik.“

  • L. v. Beethoven: Sinfonie Nr. 9 d-moll op. 125


    Annette Dasch, Sopran - Mihoko Fujimura, Alt
    Piotr Beczala, Tenor - Georg Zeppenfeld, Bass
    Wiener Singverein
    Wiener Phlharmoniker
    Christian Thielemann


    Der Kopfsatz kommt in langsamem Tempo daher. Das hat nichts mit der Qualität der Interpretation zu tun - man denke an Klemperer. Aber aus der Ruhe wird keine Kraft, aus der Breite keine Tiefe, aus der gewonnenen Zeit keine Spannung. Ich fühlte mich an einen früheren Kraftsportler erinnert, meinetwegen an einen Gewichtheber, der nun altersbedingt im Rollstuhl daherfährt und bei dem man nur schemenhaft ahnen kann, welche Kraft er mal hatte.


    Auch das Scherzo hinterlässt keinen bleibenden Eindruck. Das Kopfmotiv hat keine Prägnanz, die Pianissimostellen haben kein Geheimnis.


    Der langsame Satz zieht vorüber, als sei er eine Serenade von Michael Haydn.


    Nicht mal die Schreckensfanfare vermag den geneigten Hörer zu wecken. - Gut gelungen ist die Phrasierung des Freudenthemas durch den Chor bei dessen erstem Einsatz. Sehr gut fand ich die Vokalsolisten.


    In manchem Beethoven-Zyklus ist die Neunte der Schwachpunkt. Aber in welchem so eklatant?


    :hello:


  • Stark!!


    1. Satz: Allegro ma non troppo, un poco maestoso:


    Das Orchester setzt sanft schwebend ein, die herrliche Oboe kommt aus dem Nichts, der majestätische Bläserchor und die starken , aber nicht vordringlichen Pauken stimmen ein- das klingt ganz anders als bei Krivine und Järvi. Schön klingen auch die Posaunen im Hintergrund, ein veritables tiefes Streicherpiano ist zu vernehmen, auch die Flöte ist berückend, das Tempo ist "richtig" (Furtwängler: Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige, s.u.). Immer wieder treten die Celli und die Kontrabässe klar hervor, was auch für die Strukturen in den mittleren Lagen (Bratschen) gilt.
    Die Steigerungen sind mächtig, aber nicht unkontrolliert, da wird man noch andere Stellen abwarten müssen, z. B. die Durchführung, die letztlich zum großen Pauken "solo" führt - diese Aufnahme ist bis jetzt eine im besten Sinne klassische Interpretation- auch die Paukenwirbel sind machtvoll vorwärtsdrängend, aber nicht zügellos, so sind auch die Streicherfiguren klar erkennbar, dann mündet das Geschehen in die herrliche leise Bläsersequenz- wirklich bemerkenswert musiziert - und so klar, so kristallin!
    Schön hüpfen die gezupften Bässe sforzato im Hintergrund- klar vernehmlich- auch die Hörner verdienen lobend erwähnt zu werden. Die Coda beginnt sehr getragen, geht dann in ein stetiges maßvolles Accelerando über mit mächtigen Bässen.
    (AD: 15:05)


    2. Satz: Molto vivace - Presto:


    Dohnany wählt hier eine normales, nicht zu schnelles Tempo- die Pauken sind nun natürlich klarer, aber immer noch nicht "allein auf der Fläche"- alles ist sehr ausgewogen. Das Hauptthema wird nicht wiederholt, die Paukenstellen kommen sehr kontrolliert, das habe ich schon viel heftiger gehört, hier sind sie noch weitgehend in den großen Orchesterapparat integriert. Aber so ist der Satz auch transparent,: vor dem Bläsertrio wird das Tempo merklich angezogen und dann von den alternierenden Blech- und Holzbläsern sowie den Streichern übernommen. Der Satz sit in einem vorbildlichen Fluss.
    Dann die Reprise- der Duktus bleibt unveränderlich- Presto ist das allerdings nicht- muss auch nicht. Auch in der Wiederholung der Paukenstelle bleibt alles entspannt. Auch in dem hier vorliegenden Gebrauch der Pauken bleiben sie ein Strukturfaktor. Die zweite Wiederholgun des Trios entfällt- daher auch die kurze Spieldauer (AD: 11:27)


    3. Satz: Adagio molto e cantabile:


    Das Adagio beginnt berückend- als wenn Dohnany sagen wollte: jetzt will ich auch mal ins Schwärmen kommen. Auch hier bleibt der musikalische Fluss wunderbar erhalten- das ist regelrecht ergreifend - Gänsehaut- herrliche Klarinette! Dieses Adagio ist schönster Gesang. Beethoven war nicht nur der größte Rhythmiker, sondern sicherlich auch einer der größten Melodiker (wie alle großen Melodiker, z.B. Schubert, hat er ja auch sehr viele Lieder komponiert. Was müssen z.B. Hornisten und Klarinettisten diesen Satz doch lieben, besonders die vom Cleveland Orchestra.
    Noch mal zurück zur temporalen Gestaltung: hier bleibt die Zeit nicht stehen, hier geht sie immer weiter.
    Der erste Bläserhöhepunkt, wie schon vorher etliche Stellen, ist markant, aber nicht überbetont- auch im zweiten wird auf dem Höhepunkt die Dynamik zurückgenommen- im Ganzen eine sehr edle Interpretation des Adagios. (AD: 14:57)


    4. Satz: Presto:


    Auch hier liegt der Beginn dynamisch im besten Sinne in der Mitte: hier fliegt man nicht vom Hocker, sondern bleibt gespannt auf ihm sitzen und lauscht z.B. den herrlichen Celli. Dann erblüht das Freudenthema in den Kontrabässen ganz unaufgeregt daherfließend: Freude- keine Extase- das gefällt mir sehr gut. Als das Freudenthema dann im Tutti kommt, beweist Dohnany, dass man das auch mit knapp 100 Musikern "singen" kann.
    -"O Freude"- von Robert Lloyd vorbildlich gesungen- natürlich merkt man, dass er kein Deutscher ist- was solls? Überhaupt: singende Solisten und ein singender Chor. Das Gegenteil wird ja oft den Sängern im Choralfinale vorgeworfen- aber: wo Fortissimo draufsteht, muss auch Solches drin sein.
    Alla Marcia: die Nagelprobe: Vorbildliches Tempo und ein großartiger Tenor: Siegfried Jerusalem! Auch die orchestrale Durchführung greift das unveränderte Tempo auf- genau richtig! Dann erfolgt die großartige und sehr textverständliche Wiederholung des Freudenchores- und anschließen wählt auch Dohnany beim "Seid umschlungen" den riskanten Weg und lässt mit den Posauen einsetzen. In einer weiteren Schlüsselstelle, dem "..über'n Sternen muss er wohnen" erklingt in der Wiederholung im Sopran und in den Männerstimmen herrlichstes "pp" wie weiland bei Karajan. Dann legt der Chor im "doppio coro" (mit den zwei zeitgleich gesungenen verschiedenen Texten) einen Zahn zu- auch im ff ertönen glockenreine Soprane- diesess Choralfinale ist ganz gewiss kein Schwachpunkt dieser Aufnahme, es sind überhaupt keine Schwachpunkte vorhanden. Im "Freude, Tochter aus Elysium", zieht Dohnany das Tempo merklich an. Jetzt kommt doch Extase auf. Dies ist dann auch die richtige Stelle- und "alle Menschen werden Brüder"- ein fast überirdisches Solistenquartett.
    Die Coda wird mit dem Chor ": Seid umschlungen.." extatisch eröffnet, aber die sängerische Linie wird nie verlassen- ein ganz starker Chor. Der Satz wird mit einer begeisternden, leicht accelerierten Orchstercoda beschlossen (AD: 24:32).


    Abschließend kann man sagen, dass diese Gesamtaufnahme zu den ganz, ganz, starken zu rechnen ist.


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).


  • Noch stärker!


    1. Satz: Allegro man non troppo, un poco maestoso (14:52):


    Fulminanter Beginn: die großartige Boston-Symphony ist vom ersten Ton an mitten in einer kernigen Aufführung. Es erhebt sich eine ganz große Klangkuppel- der Ton ist hell geschärft, erinnert mich stark an Solti/CSO, der das jedoch etliche Jahre später eingespielt hat. Hier will uns jemand von Anfang an vermitteln, dass Beethovens Neunte ultimativ ist. Das darf man nicht beiläufig spielen. Auch die lyrischen Passagen sind traumhaft. Der Klang der 43-jährigen Aufnahme , das sei noch mal gesagt, ist herausragend, auch die Pauken sind von Anfang an (dezent) präsent, das Blech ist "overwhelming". Ich höre eine Hornpassage, die ich noch nie gehört habe: dann folgt die hier wirklich apokalyptische Paukenpassage (33 Takte), mein Gott, welche Power.
    Das Schöne am Kopfsatz der Neunten ist ja, dass sich Drama und Lyrik ständig abwechseln. Dies ist auf eine andere Art als Schuberts B-dur-Sonate oder die "Arietta" in Beethovens c-moll-Sonate op. 111 ebenfalls Endzeitmusik, die Gottseidank nicht am Ende der Zeit komponiert wurde, sonst hätten wir sie niemals hören können. Während ich dieses schreibe (in meiner Vorschrift), hebt die mächtige Coda an, es reißt mich hin und her.


    2. Molto Vivace (13:08):


    Auch hier stürmt es von Anfang an vorwärts mit weiterhin sehr prägnanten Trompeten. Leinsdorf wiederholt die Exposition, im Gegensatz etwa zu Zeitgenossen wie Böhm oder Karajan, deswegen wird dieses Scherzo trotz seines mitreißenden Tempos über 13 Minuten dauern. Zu den Pauken-Dreiern könnte man auch sagen: So klopft das Schicksal wirklich an die Pforten".
    Wahrscheinlich wird man nie mehr feststellen können, wer dieser geniale Paukist und dieser geniale erste Trompeter waren. So entfesselt habe ich die Pauken in einem großen Orchester im Scherzo noch nie gehört: Sakradi!! Und immer die Trompete von Jericho! Dann das ganz entspannte, herrlich fließende Trio, dazwischen Aufschwung- wieder Trio- und alles so kristallklar- welch eine fantastische Aufnahme!
    Reprise: Molto vivace (e con brio) reinsten Wassers - zum dritten Mal die Paukenstelle, zum dritten Mal die darauf folgende infernalische Paukenhatz: das fegt einen fast vom Hocker. Schade, dass man diese (hier nun wirklich einmalige) Wiederholung nicht in allen Aufnahmen hört.
    Zur Ehrenrettung etlicher HIP-ler muss man ja sagen, dass sie sie bringen. Dadurch wird das Scherzo bei einigen HIP-lern zum zweitlängsten Satz in der Neunten, weil sie den Kopfsatz und das Adagio so verdammt schnell spielen.


    3. Satz: Adagio molto e cantabile (14:05):


    Leinsdorf ist beileibe nicht so langsam wie FU und Solti, aber doch ruhig und getragen und schön zum Niederknien. Nach dieser Hatz im Scherzo das große Durchatmen. Die Pauken sind genauso klar wie vorher, aber piano. Alles entwickelt sich, eines aus dem anderen, im überirdischen Streicherteil ist das Tempo leicht gesteigert, langsam die erste große Bläsersteigerung vorausahnend, hier treten auch die großartigen Holzbläser hervor, zuerst die Klarinette, dann die Oboe und die Querflöte, immer wieder die Violinen dazwischen und die tiefen Streicherzupfer darunter, bei der dann folgenden Bläserepisode zupfen auch die Geigen dazu- noch einmal das Horn, die Geigen, und man merkt schon, es drängt, es will sich gleich Bahn brechen im ersten großen Kulminationspunkt: es flaut in den Hörnern ab, dann treten die Trompten auf den Plan, die Pauken dazu, herrlich, dann eine kurze Zwischenepisode, dann der 2. Höhepunkt, noch etwas breiter, wieder geheimnisvoll hinter dem Streicher/Holzbläserschleier verschwindend. Immer noch diese Klangtransparenz! Der Satz endet!!!


    4. Finale: Presto-Allegro assai-Recitativo: "O Freunde, nicht diese Töne"-
    Allegro assai- Allegro assai vivace-. Alla marcia- Andante maestoso- Allegro energico- sempre ben marcato (23:34)


    Auch hier hebt der Satz groß an durch herrlich strukturierende Trompeten, die man sonst nie so klar hört; und die tiefen Streicher- die sind morgen noch gut. Sie führen das Geschehen auch zwischen den Einschüben aus den ersten drei Sätzen weiter:
    Freudenthema: das können sie alle in den Kontrabässen, die hier auch! Das Fagott umspielt souverän die Bratschen in ihrem Part- dann die Violinen und dann Tutti: wieder die "Mords"-Trompeten: das Beste, was ich je gehört habe: glaube ich jedenfalls!
    Dann Sherill Milnes: ein tiefer, prägnanter Bariton, natürlich nicht perfekt in der deutschen Sprache, aber was solls: diese Musik ist ja nicht nur für die Deutschen gemacht. Der Chor ist gut, gewaltig gut!
    Nun Alla marcia! Etwas langsamer als gewöhnlich, aber nicht so, dass ich nervös würde. Placido Domingo singt mit seinen damals 28 Jahren strahlend hell und bietet dem gewaltigen Männerchor mühelos Paroli.
    In der Durchführung zieht Leinsdorf das Tempo wieder etwas an. Es gibt keinen Stillstand. Der Chor setzt wieder machtvoll ein mit dem Freudenthema und führt dann zum zweiten Chorthema hin:
    Seid umschlungen Millionen: Auch Leinsdorf lässt Gottseidank die hier sehr mächtigen und souveränen Pauken ein. Er kanns. Das Orchester und der Chor auch. -Welcher Chor?? - Der New England Conservatory Chorus. Schon mal gehört? Die wachsen in merry new America anscheinend auf den Bäumen.
    Auch das "Übern Sternen muss er wohnen" im Pianissimo gelingt glänzend. Der "Doppio Coro" mit beiden gegeneinander/miteindander gesungenen Chören ist ungeheuer schwungvoll. Auch in diesem Gewusel hört man noch die erste Trompete wunderbar heraus.
    Auch dieses Solistenquartett singt die alte Textfassung: Zweimal "Freude, Tochter aus Elysium", nicht das unerklärliche "Tochter, Tochter aus Elysium". Dann steigert sich das Solsitenquartett noch im elysichen "Alle Menschen werden Brüder".
    Schließlich bricht eine entfesselte Coda aus: das musste ja, in dieser Einspielung, so kommen- rasant ohne ende: Da fliegt wirklich der Hut weg! FU: da hast du wirklich einen ebenbürtigen Kollegen gefunden!!


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup:

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    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Habe ich schon jemals in einer Neunten solche apokalyptischen Pauken gehört?


    Lieber Willi,


    ich zitiere Dich aus deinem Beitrag zu Solti´s Neunter (Decca). Auch hier bei Leinsdorf (RCA) scheint das wieder allererste Sahne zu sein.
    :!: Dein Beitrag zeigt mir wie sehr Beethoven begeistert und wie schwer es die zahlreichen jüngsten GA haben mit diesem Qualitätsstandard "alter Schule" überhaupt mithalten zu können.


    Dazu zitiere ich Wolfram zu Tielemann´s neuer Aufnahme der Neunten (zum Scherzo):

    Zitat

    Auch das Scherzo hinterlässt keinen bleibenden Eindruck. Das Kopfmotiv hat keine Prägnanz, die Pianissimostellen haben kein Geheimnis.



    :?: Ich frage mich nach deinem Leinsdorf-Beitrag erneut, wie viele Beethoven - GA ich noch benötige ? :D ?
    Diese GA kostet jedenfalls weniger als manche Einzel-CD !


    Und jetzt lese ich an anderer Stelle positives über die High Wolff-GA. ;) Die werde ich mir aber ersparen, da es hier wieder um "Experimentalbesetzungen- und Instrumentationen" geht.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

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  • Lieber Wolfgang,


    nein, Wolff "experimentiert" nicht. Als Paukenfreund wirst Du Deine Freude haben am prägnanten Spiel der kleinen Pauke (ibs. im von mir explizit herausgehobenen Übergang zwischen Scherzo und Finale der 5. Sinfonie), und die Naturhörner und -trompeten bringen einfach "mehr Farbe ins Spiel".


    Lieber Willi,


    Leinsdorf steht bei mir schon seit längerem auf der Wunschliste. Gut möglich, daß er nach Deiner ausführlichen Beschreibung etwas schneller als gedacht dort kaufbedingt wieder runter kommt... ;)

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Ich habe heute die Leibowitz-GA erhalten und mich entschlossen, mein Vorgehen mal zu variieren. Da ich letzte Nacht die Neunte aus der Leinsdorf-GA gehört und besprochen habe,werde ich heute mal die Neunte aus der Leibowitz-Box auflegen.Vielleicht fällt mir ja etwas Lohneswertes auf, dass man vergleichen kann.


    Liebe Grüße


    Willi :)

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  • Gerade zu Ende gehört habe ich die Neunte aus der heute erhaltenen Leibowitz-Box.


    1. Satz: Allegro ma non troppo, un poco maestoso (14:30):


    Leibowitz legt sofort mit flottem Tempo los und sein Royal Philharmonic Orchestra legt einen hellen, geschärften Klang an den Tag. Die Pauken sind sofort präsent, wenn auch nicht so wie bei Leinsdorf, die Streicher erscheinen sehr transparent, vor allem in den tieferen Lagen. Leibowitz erzeugt, von einem berückenden Pianissimo ausgehend, eine große dynamische Spannnweite, mit viel Drive geht es immer vorwärts. Auch die Trompeten sind gut vernehmbar, aber nicht so kernig wie bei Leinsdorfs Bostonern- in den Piani vernehmen wir auch berückende Holzbläser, z. B. das Fagott- es geht nun langsam auf die erste Paukenstelle zu, aber vorher entspinnt sich noch der herrliche Dialog zwischen Streichern und Holzbläsern, die tiefen Streicher des RPhO sind auch extraordinär- die Paukenstelle ist super, auch, was die tiefen Streicher betrifft; die 51-jährige Aufnahme ist für ihr Alter klanglich exzellent, die zupfenden Bässe sind immer gut hörbar. Die Trompeten sind nach wie vor gut strukturierend. Die Coda ist sehr gut.


    2. Satz: Molto vivace( 12:24):


    Leibowitz behält die Tempostruktur bei, das heißt, auch hier geht es flott voran, die Streicher sind exzellent, die Pauken kommen immer mehr durch, die Hörner sind ganz überragend- ich bin gespannt auf die Paukendreier. Das Orchester hat keinerlei Problem mit dem zügigen Tempo.
    Die erste Paukenstelle ist gut, aber nicht umwerfend. An dieser Stelle werden die Trompeten noch stärker. Die Pauken sind super für eine "normale" Neunte, stehen aber gegenüber Leinsdorf zurück, auch in der zweiten Paukenstelle: was in der weiteren Zusammenfassung bei Leinsdorf paukenseitig hemmungslos war, ist hier- gut; dafür trumpfen sie vor dem "rasenden" Trio noch einmal mächtig auf. Nur, damit wir uns nicht falsch verstehen, bei den HIP-Orchestern Krivines und Järvis spielen "kleine" Pauken, hier spielen "große". Großes Orchester, große Pauken, so einfach ist das, und so toll klingt das. Im weiteren Verlauf gibt es auch hier bei Leibowitz neue Töne zu hören- prima! Das ist ja das Schöne bei guten Aufnahmen: sie bieten einem immer neue Aspekte und lassen etwas hören, was man "so" noch nicht gehört hat.


    3. Satz: Adagio molto e cantabile-Andante moderato (12:28):


    Das Adagio beginnt mit einigen schnellen Takten, fällt aber dann in etwas ruhigeres Tempo zurück; eine großartige Streicherdemonstration, die von den Hörenern prächtig unterstützt wird. Im Andante moderato zieht das Tempo merklich an. Von allen 50/60er-Jahre-GA's, die ich habe, ist diese Neunte sicherlich die Schnellste, und das in allen Sätzen.
    Aber immer ist das souverän gespielt. Die Steller Hörner/Holzbläser/zupfende Streicher ist traumhaft, kurz vor dem erneuten Geigen-Dreiertakt, der von den tiefen Streicherpizzikati so schön begleitet wird.
    Die erste Bläsersteigerung ist relativ unaufgeregt, dynamisch nicht ausgereizt, auch die zweite. Im Ganzen fehlt etwas die apokalyptische Wucht der Leinsdorf-Aufnahme. Es ist fast perfekt- wenn es nicht ein bisschen zu schnell wäre.


    4. Satz: Finale: Presto, Allegro ma non troppo usw. (22:16)


    Die Trompeten steigern sich nochmals, die tiefen Streicher sind sehr rhythmisch, das Tempo ist hoch, die Wiederholung des Adagio-Themas ist sehr schön in die tiefen Streicher eingebettet. Das Freudenthema kann, wie hier, ruhig etwas schneller angegangen werden, verliert aber etwas von seiner Ruhe und Majestät, jedenfalls an dieser Stelle: wie ist die Tuttistelle? Prima, tolle Trompeten! Sie nähern sich den Leinsdorf-Trompeten.
    " O Freunde", ein veritabler Bass (Ludwig Weber), aber etwas changierend: ein Bass alter Schule- der Chor, die Beecham Choral Society, hat die Sache im Griff: sehr schwung- und freudvoll: an der Stelle "und der Cherub steht vor Gott" singt er ein sehr schönes Ritartando.
    Die "Alla marcia" ist nicht zu schnell, nicht zu langsam: Richard Lewis singt sehr ausdrucksvoll, er brüllt nicht, er kommt aber sehr gut durch!
    In der Orchester-Durchführung zieht Leibowitz wieder an, wobei das Fagott jedioch sehr souverän strukturiert. Der dann einsetzende Chorsatz "Freude schöner Götterfunken" klingt prächtig, auch die Trompeten. Auch Leibowitz scheut im "Seid umschlungen" nicht vor dem Einsatz der Posaunen. Die Einzelstimmen des Chores sind sehr gut durchzuhören. Der Chor wird vom hier zurückhaltenden Orchester sehr gut herausgestellt. Nun folgt die berühmte Chorstell: "Über'n Sternen muss er wohnen" in der Pianissimo-Wiederholung. Dies gelingt sher gut, nicht ganz in der Liga Karajan, Solti, Leinsdorf, aber wirklich gut.
    Der "Doppio Coro" ist auch sehr transparent vorgetragen. Bis hierhin kann ich auch in diesem Falle nicht sagen, dass die Neunte (in dieser Gesamtaufnahme) ein Schwachpunkt wäre: kein Wunder, ich habe ja noch keine andere gehört, aber ich kann es mir nicht vorstellen.
    Bei der Textverteilung des Solistenquartetts "Freude, tochter aus Elysium" siehe Aussagen zu der Leinsdorf-Aufnahme. Bei "Alle Menschen werden Brüder" gefällt mir aus dem Solisten-Quartett isnbesondere Inge Borkh sehr gut.
    Die Coda ist, wie so oft, berauschend, auch die Blechbläser und der Chor, dann fällt in der abschließenden Orchestercoda auf, dass Leibpwitz ohne Accelerando dirigiert, er das klngt auch sehr gut.


    Eine sehr gute, vielleicht etwas (zu) schnelle Neunte, die leider das Pech hat, dass ich sie nach der Leinsdorf-Neunten gehört habe.


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Endlich habe ich noch einmal Zeit genug, die 9. in Ruhe zu hören. MIt den Berliner Philharmonikern , Herbert von, Livemitschnitt15.10.1963. "Die Welt" Edition. (mit einem sehr schönen Begleitbüchlein).
    Eine sehr schöne Aufnahme, es gefällt mir ausgesprochen gut (bis auf das Gehuste). Aber dann kommt "Freunde, nicht diese Töne..." und der Wiener knödelt ein bisschen. Schon ist der Zauber ein wenig verflogen. Ich muss immer wieder feststellen, wie wichtig die Sänger bei diesem Stück sind. Es gibt so viel, was mich an ihnen stören kann! Schon der kleinste ausländische Akzent wirft mich aus der Konzentration. Das ist für mcih wichtiger als fast alles andere bei diesen Aufführungen. Was ich erwarte ist, dass ich den Sänger, die Sängerinnen, den Chor gar nicht als konkrete Menschen wahrnehme, sondern so wie die Instrumente. Dafür müssen sie M.E. eine gewisse Glätte mitbringen. Tatsächlich besitze ich wohl keine Aufnahme, wo mir das wirklich gelungen scheint. Es sind sehr wohl auch große Namen dabei, aber wie gesagt, das scheint mir eher noch gefährlich zu sein.
    Sieht das jemand ähnlich? Bzw. konnte ich mich überhaupt verständlich machen?


    Tschö
    Klaus

    ich weiß, dass ich nichts weiß. Aber ganz sicher bin ich mir da nicht.

  • 4. Satz: Presto:[/b]


    wählt auch Dohnany beim "Seid umschlungen" den riskanten Weg und lässt mit den Posauen einsetzen.




    Lieber William, sei mir nicht böse, wenn ich hier etwas unernst reagiere, aber über die Posauen habe ich sehr gelacht. Das mindert ja nicht im geringsten deine tollen Analysen der 9. Ich bin ja ein Verächter des vierten Satzes, und wenn man die Beiträge hier so liest, ist das ja in der Regel auch die Crux der meisten Einspielungen.

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  • Lieber dr. pingel,


    ich habe vor einigen Jahrzehnten mal eine vergleichende Besprechung der Neunten in der Interpretation Furtwänglers (Bayreuth 1951) und der Interpretation Karajans (1962) gelesen. ich meine ses wäre Joseph Müller-Blattau gewesen, der damals nach Erscheinen der Karajan-Interpretation bemängelt hatte, dass dieser nicht dne riskanteren Weg beschritten hätte, an dieser Stelle die Posaunen spielen zu lassen, sondern den sichereren, die Kontrabässe zu nehmen. Ich habe seitdem diese Stelle immer wieder bei den verschiedenen Dirigenten verglichen. In der Tat ist die Stelle wesentlich fesselnder, wenn sie mit den Posaunen gespielt wird. Ansonsten ist natürlich die Karajan-Interpretation (neben der Furtwänglerschen) in der gesamten Diskographie eine der besten überhaupt.
    Ich sehe das mit dem Choralfinale ganz anders, lieber dr. pingel. Ich halte es für einen würdigen Abschluss der Neunten, für einen der besten Finalsätze überhaupt, wie die Finalsätze vieler Neunten (Schubert, Bruckner, Mahler, Dvorak). Und das kommt auch in den meisten Einspielungen zum Ausdruck.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Ich muss immer wieder feststellen, wie wichtig die Sänger bei diesem Stück sind. Es gibt so viel, was mich an ihnen stören kann!
    Sieht das jemand ähnlich? ... konnte ich mich überhaupt verständlich machen?

    Hallo, lieber Klaus


    Ich meine schon, Dich verstanden zu haben und möchte Dir aus meiner Erfahrung einen Tip geben. Ich habe seit meiner Jugend u. a. alle Sinfonien in der GA mit dem Gewandhausorchester Leipzig unter Franz Konwitschny und bin damit sehr zufrieden. Auch mit der IX. und den Solisten.
    Die Gesangssolisten sind "Ingeborg Wenglor, Ursula Zollenkopf, Hans-Joachim Rotzsch und Theo Adam".
    Es ist eine Aufnahme von 1961. Und laß´Dich mal nicht abschrecken, daß es von der ehemaligen DDR war. Auch hier verstand man durchaus Kunst zu machen und es gibt in unserem Forum einige Mitglieder, die diese Aufnahme ebenfalls positiv bewertet haben.
    Ich habe mal für Dich bei unserem Werbepartner recherchiert. Du erhältst die IX. als CD für 4,99 € und alle Sinfonien zusammen in der CD- Box für 14,97 €. Und für diesen Preis kann man bestimmt nichts falsch machen.
    In diesem Zusammenhang noch ein Tip, nämlich die "Chorfantasie". Ebenfalls mit dem Gewandhausorchester und als Pianist Prof. Günther Kootz. Solltest Du eines Tages meiner Empfehlung folgen, laß´mich Deine Meinung wissen.


    Herzliche Grüße
    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...

  • Lieber William, die Karajan- Aufnahme habe ich auch. Im Finale singen die Solisten sehr gut, besonders Gundula Janowitz ist unerreicht. Warum ich den 4. Satz nicht mag, ist leicht erklärt. Es ist der Chorsatz. Als Chorsänger kenne ich durch das Singen sehr viel Chorliteratur und muss einfach sagen, dass Beethoven gegen die Chorsätze von Händel, Bach, Schütz, Monteverdi, aber auch von Brahms, nicht bestehen kann, so genial seine Orchestersätze sind! Der zweite Satz ist einer großartigsten Symphoniesätze überhaupt. Im 19. Jahrhundert haben sich übrigens die Dirigenten noch getraut, die 9. ohne den letzten Satz zu spielen, was heute keiner mehr wagt.

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  • Es ist der Chorsatz. Als Chorsänger kenne ich durch das Singen sehr viel Chorliteratur und muss einfach sagen, dass Beethoven gegen die Chorsätze von Händel, Bach, Schütz, Monteverdi, aber auch von Brahms, nicht bestehen kann, so genial seine Orchestersätze sind!

    Wohingegen sich Händel, Bach, Schütz und Montevedi äußerst schwertun, gegen die Symphonik Beethovens zu bestehen...


    Ich glaube, hier liegt ein grundlegendes Rezeptionsproblem vor. Der Finalsatz von Beethovens IX. ist eben kein Werk der Chorliteratur. Es ist vielmehr der damals beispiellose Versuch, die klanglichen Ausdrucksmittel der Symphonie unerhört weit über das bekannte Maß hinaus zu erweitern. Und was Beethoven hierbei vollbracht hat, ist absolut großartig. Der instrumentale Teil beschreitet völlig neue Wege und ist hochkomplex mit solistischen Vokalpassagen und eben Chorabschnitten verwoben; teilweise werden zudem alle drei Teile zur Steigerung des Ausdrucks überlagert. Hier zu verlangen, dass der Chorsatz für sich betrachtet - also aus dem Zusammenhang gerissen - mit expilizit als Chorwerken angelegten Beispielen der Musikgeschichte in seiner Durchbildung immer gleichwertig sein muss, ist nicht sehr sinnvoll. Negiert es doch all jene Aspekte, die Beethoven für seine ehrgeizige musikalische Konzeption in Einklang bringen musste. Aspekte mithin, mit welchen sich gennante Komponisten reiner oder überwiegender Chorwerke gar nicht erst auseinandersetzen mussten.
    Bedenkt man dies, müsste man eigentlich zu einem anderen Urteil über diese Musik kommen.



    Im 19. Jahrhundert haben sich übrigens die Dirigenten noch getraut, die 9. ohne den letzten Satz zu spielen[...]

    Vielleicht haben sich die Dirigenten im 19. Jhdt auch einfach nicht getraut, die Neunte mit dem letzten Satz zu spielen...

    'Architektur ist gefrorene Musik'
    (Arthur Schopenhauer)

  • Lieber novecento, vielen Dank für diesen Beitrag, der mir doch einiges erklärt, vor allem, dass Beethoven im Grunde hier schon Mahler vorwegnimmt, der ja auch Vokales eingebaut hat. Auch die Geschichte mit dem Weglassen des vierten Satzes im 19. Jahrhundert überzeugt mich. Trotzdem: auch wenn ich jetzt weiß, dass ich Beethoven hier mit Händel, Bach und Monteverdi nicht vergleichen kann, kann ich meine Gefühle als Chorsänger nicht ausschalten. Die Chöre finde ich ganz schrecklich, und sie werden meist auch schrecklich gesungen. Also theoretisch finde ich deine Einwände überzeugend, aber subjektiv überzeugt mich diese Musik nicht. Aber das heißt ja nicht, dass die anderen das nicht schön finden dürfen. Ich bin trotzdem immer erstaunt, dass ich weit und breit der einzige zu sein scheine, der an diesem Teil des Denkmals rüttle.

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