Brahms Sextette

  • Sagitt meint:


    Was haben wir für herrliche Werke dem Umstand zu verdanken, dass Brahms so viele Selbstzweifel hatte und sich nicht an die Form der Sinfonie herantraute. Die Serenaden gehören dazu, die Sextette.
    Op. 18 und op. 36. Leider nur diese beiden, weil sich Herr Brahms von den Verlegern frustrieren liess, die kein Interesse an diesen kammermusikalischen Formen zeigten. Beide Stücke sind Perlen der Kammermusik. Brahms hatte- Hugo Wolf zum Trotze- eine Fülle von Einfällen, die sorgsam bearbeitet wurden, zB Variationen im 2ten Satz von op. 18( mein Lieblingssatz in diesem Sextett, Brahms dokumentiert, dass er die alten Meister kennt und schätzt).
    Viel Zartheit ist in dieser Musik vorhanden, Beginn Sextett op. 36. Auch in diesem Sextett ist der zweite Satz mein Favorit. Das sind Melodien, die mir sofort eingehen, etwas zum Schwingen. Dabei ist dies keine "schlichte" Musik, sondern durch und durch differenzierte, "gebaute" Musik, aber das ist ja die große Kunst, dass die Konstruktion nicht verhindert, von der Musik berührt zu werden.


    Ich will zwei Aufnahmen vorstellen:


    LÁrchibudelli spielen die beiden Sextette sehr transparent, die zarten Seiten der Stücke kommen vielleicht ein wenig überzeugender heraus als die dramatischen . Das Ensemble spielt auf Darmseiten. Ich habe zu wenig Vergleiche,um ein endgültiges Urteil abgeben zu können, aber mir gefällt diese Einspielung. Die Technik der Aufnahme ( 1995) ist außerordentlich gut.
    Die zweite Aufnahme bezieht sich auf eine Klaviertriofassung von Theodor Kirchner, ein Zeitgenosse von Brahms, der als Kleinmeister sich unter anderm durchs Leben schlug, indem er Bearbeitungen von Werken anderer schuf. Diese Bearbeitung der Sextette fand durchaus die Billigung von Brahms. Auf diese Weise haben wir zwei Werke als Klaviertrio, die auch zu den interessantesten des Genres zählen würde.
    Die Aufnahme ist von Rabinovitch, Klavier,Hirschhorn,Violine,und Geringas, Violoncello. Hier habe ich erst recht keibe Vergleiche. Aber ich kann schreiben, dass mich auch diese Aufnahme anspricht. Und, ich möchte keine Fassung dieser Werke missen.

  • Hallo!


    Brahms` Sextette (je 2 Violinen, Violas und Celli übrigens) wurden 1860 bzw. 1864 komponiert - als seine ersten Kammermusikwerke ohne Klavier und der Gattung des Steichquartetts weiterhin ausweichend (von der Symphonie ganz zu schweigen).


    Das erste (op.18 ) steht in B-dur und ist viersätzig: allegro ma non troppo - thema (andante, ma moderato) con variazioni - scherzo. allegro molto - rondo. poco allegretto e grazioso.
    Der beeindruckende 2. Satz (d-moll) ist wohl der Schwerpunkt des Werkes und gehört sicher zu den interessantesten Variationssätzen von Brahms (an alle Star-Trek-Fans: Das ist das Stück, das Sarek zum Weinen brachte). Er transkribierte diesen Satz auch für Klavier solo (ist in der DGG-Brahms-Klavierwerke-Gesamtausgabe auch dabei mit Barenboim als Interpret). Bemerkenswert ist noch das unerwartet verhaltene Finale.


    Das zweite (op.36) steht in G-dur und ist ebenfalls viersätzig: allegro non troppo - scherzo. allegro non troppo - poco adagio - poco allegro.
    Hier ist das Finale durchaus schwungvoll, aber wegen der ersten drei Sätze ist das zweite Sextett doch eher introvertierter, intimer als das erste. Im ersten Satz taucht übrigens die Tonfolge a-g-a-h-e auf, was auf Brahms` Ex-Verlobte Agathe von Siebold hinweist. Das fehlende t wird als d von der zweiten Violine ergänzt. Den langsamen Satz bezeichnete Eduard Hanslick übrigens als "Variationen über kein Thema" - na, ja, so ist es ja nicht.


    Ich ziehe als Gesamtkomposition übrigens das zweite Quartett vor, wenn ich mich für einen Einzelsatz entscheiden müßte, dann (natürlich ?) für den zweiten aus op.18.


    Ach ja, ich habe eine Aufnahme mit dem Amadeus-Quartett, Cecil Aronowitz und William Pleeth - souverän eingespielt.
    Und noch eine, die aber wohl kaum einer hat: Das noch recht junge Serene-Sextett spielt "jung und dynamisch", dem würde ich glaube ich sogar den Vorzug geben.


    Viele Grüße,
    Pius.

  • Auch bei mir rangiert das 2. Streichsextett ein wenig vor dem ersten. Nach wie vor favorisiere ich die alte Aufnahme mit dem erweiterten Amadeus-Quartett, die auch klangtechnisch hohen Ansprüchen genügt.
    Glücklicherweise spielt das Amadeus-Quartett - vielleicht wegen der Erweiterung - die Serenaden nicht ganz so deutlich mit dem typischen "weinerlichen" Ton (bitte mich wegen dieser Formulierung nicht steinigen!), der ihnen bei vielen, dennoch hochrangiegen, Quartettaufnahmen der sechziger Jahre zu eigen war.


    Für mich ist diese Aufnahme auch deshalb von besonderer Bedeutung, weil ich damit das 2. Sextett als Student kennen- und lieben gelernt habe.


    Oft liegt einem ja die Interpretation, mit der man ein Werk entdeckt hat, ein Leben lang besonders am Herzen.

    "Muss es sein? - Es muss sein!" Grave man non troppo tratto.

  • Hallo!


    Jetzt kann man sich ja ganz unverfänglich äußern... :D


    Bei meiner Brilliant-Classic-Box mit der kompletten Kammermusik von Brahms ist versehentlich bei der CD mit den Sextetten auf der Rückseite die Information zu den Cellosonaten. Über deren Interpreten weiß ich nun doppelt bescheid.... :motz:
    Vorne drauf steht nur "Alberni Quartet". Die werden die Sextette sicher nicht alleine gemeistert haben...
    Kennt jemand den 2. Bratscher und den 2. Cellisten der Aufnahme?


    Viele Grüße,
    Pius.

  • Hallo pius,


    da besitze ich wohl eine bessere Brilliant-Box, bei mir stehen sie nämlich drauf:


    Alberni Quartet, bestehend aus Howard Davis, Peter Pople, Berian Evans und David Smith,


    dazu Roger Best an der Bratsche und Moray Welsh am Cello


    Gruß, flo

    "Das Leben ist zu kurz für schlechte Musik"


    Wise Guys 2000

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  • Hallo, Flo!


    Zitat

    Original von pianoflo
    da besitze ich wohl eine bessere Brilliant-Box, bei mir stehen sie nämlich drauf:
    Alberni Quartet, bestehend aus Howard Davis, Peter Pople, Berian Evans und David Smith,
    dazu Roger Best an der Bratsche und Moray Welsh am Cello


    Bevor ich es ganz vergesse: Vielen Dank!


    Viele Grüße,
    Pius.

  • Hallo allerseits,


    dank Johannes bin ich nun bei den Streichsextetten von Brahms gelandet und suche eine geeignete Einspielung.


    Eine, die mein Interesse geweckt hat, ist diese mit dem Raphael Ensemble:



    Kann jemand diese subjektive Meinung bestätigen:

    Zitat

    There's really not very much to say about this version of Brahms's String Sextets. Just listen... Inspired, perfect...



    Die Einspielung mit dem Amadeus Quartett konnte ich nicht finden.
    Habt ihr noch andere Empfehlungen? Gerade du, Johannes :D



    Gruß, Maik

    Wie ein Rubin auf einem Goldring leuchtet, so ziert die Musik das Festmahl.


    Sirach 32, 7


  • Gerade ich habe diese Werk mit der von Dir hier abgebildeten CD vor ca. 10 Jahren kennengelernt (ich meine mich noch zu erinnern, wo ich sie gekauft habe: Tower Records Downtown Seattle während eines sales...damals war dieses Rockalbum mit dem dreibeinigen Hund vorne drauf gerade rasugekommen, der prangte groß an der Fasade des Ladengebäudes, aber sie hatten eine gute Klassikabteilung!) und ich finde sie immer noch wundervoll. Meine einzige Alternative ist in einer Box mit sämtlicher Brahms-Kammermusik von Philips, die ist auch nicht schlecht, keine Ahnung, ob die einzeln erhätlich ist., hyperion ist ja wohl leider recht teuer. Die Werke dürften aber ziemlich schwer kaputtzukriegen sein...
    In Radagasts Rätsel ist übrigens #2 ein Auschnitt aus dem 2. Satz des 1. Sextetts. Und es gibt einen ziemlich guten Film (1960 "Die Liebenden", mit Jeanne Moreau :jubel: :jubel: ), der diesen Satz ausgiebig verwendet, u..a bei Liebesszenen :D


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Hallo Maik,


    bei mir steht schon lange die im Eingangsbeitrag auch erwähnte Einspielung der Sextette mit dem Ensemble "L'Archibudelli" um den Cellisten Anner Bylsma.



    Wie ich gerade sehe, ist sie inzwischen auch günstig (dafür mit scheußlichem Cover) in einer Reihe erschienen, die man gelegentlich auch in Deutschland bekommt und die normalerweise um 5 EUR rum kostet. Also, wenn das kein Grund ist, bei dieser herrlich entspannten, lyrisch-emotionalen Deutung zuzugreifen, dann weiß ich es auch nicht mehr ;-)



    Beste Grüsse,


    C.

    Die wirkliche Basis eines schöpferischen Werks ist Experimentieren - kühnes Experimentieren! (Edgar Varèse)

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  • Guten Tag ,
    eine interessante Ergänzung der Brahmseinspielung durch das Amadeusquartett mit Aronowitz und Pleeth sind die beiden Aufnahmen, die Mitglieder des Alban Berg Quartetts mit den nach dem Tode des Bratschers Peter Schidloff verbliebenen Mitgliedern des Amadeusquartetts durchgeführt haben.Es handelt sich dabei um Live-Mitschnitte (op.18 Wiener Konzerthaus 30.1.1990 ; op.36 Opera Comique , Paris.Als Zugaben jeweils der 2.Satz des anderen Sextetts).
    Diese CD's(erschienen bei EMI) sind ja nun mittlerweile nicht nur als Vermächtnis des Amadeus- sondern auch des Alban Berg-Quartetts anzusehen.
    Die Besetzung
    1.Violine N.Brainin,2.Violine S.Nissel 1.Violoncello M.Lovett (alle Amadeus-Qu.)
    1.Viola Th.Kakuska , 2.Viola G.Schulz (sonst 2.Violine),2.Violoncello V.Erben (alle ABQ).
    G.Pichler, der Primarius des ABQ tritt nicht in Erscheinung.
    Die beiden Sextette sind äußerst lebendig interpretiert und beim Anhören kommt immer wieder der Wusch auf , diese beiden großen Ensembles noch einmal im Konzertsaal erleben zu können.
    Viele Grüße
    Santoliquido

    M.B.

  • Zitat

    Original von miguel54
    Ich finde die Einspileung mit dem hervorragenden englischen Ensemble Hausmusik um die Violinistin Monica Huggett noch einen Deut besser:



    Diese Aufnahme finde ich auch sehr gelungen, m.E. klingt sie wärmer als L'Archibudelli.


    Aufnahmetechnisch gelungen halte ich auch die Einspielung des Nash Ensembles.Sie wirkt durch viel Raum und Tiefe ohne künstlich zu klingen...


  • einschränkend muß ich sagen, daß mich das erste Sextett nicht interessiert, wohingegen das zweite zu meinen absoluten Lieblingen gehört.
    Bisher war ich eigentlich mit L'Archibudelli diesbezüglich wunschlos glücklich. Allmählich wird aber meine Neugier nach Hausmusik und Nash geweckt, wenn ich mir die Postings so ansehe.


    Weniger juckt mich dagegen das Alban Berg Quartet, wegen ihrer notorischen Weigerung, die Expositionswiederholungen zu spielen (oder sollten sie hier mal eine Ausnahme gemacht haben?!). Es macht einen gewaltigen Unterschied, ob im ersten Satz nach einer als Kreislauf gehörten, sozusagen in sich selbst ruhenden Exposition diese mit dem Durchführungseintritt gewaltsam unterbrochen wird, oder ob die Durchführung nur einfach so, an einer scheinbar beliebigen Stelle hereinbricht.


    Naja, ihr wißt schon, ich vergesse nie, auf meinem Lieblingsthema herumzureiten...


    Khampan

  • Zitat

    Original von Khampan
    Allmählich wird aber meine Neugier nach Hausmusik und Nash geweckt, wenn ich mir die Postings so ansehe.


    Da muß ich dann schnell mal den Link nachliefern:


  • Oh ja, "Die Liebenden" von Louis Malle stellt ein sehr eindrückliches Beispiel der Brahms-Rezeption dar. Hätte Brahms, der doch ein Feind des Programmatischen war, das gefallen?


    Wer weiß, welches Ensemble im Film mit dem B-Dur-Sextett zu hören ist, d.h. welche Einspielung also als Filmmusik verwendet wurde.


    Vielen Dank
    Frieder Schwitzgebel

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  • Zitat

    Original von Schwitzgebel
    Wer weiß, welches Ensemble im Film mit dem B-Dur-Sextett zu hören ist, d.h. welche Einspielung also als Filmmusik verwendet wurde.


    In der IMDB steht:

    Zitat

    "Streichsextett No. 1" (uncredited)
    Music by Johannes Brahms
    Conducted by Serge Baudo

  • Es gibt aber doch wohl auch noch andere Filmmusik in dem Film, die Baudo dirigiert haben könnte, oder?
    Wird das Stück in einer Streichorchesterfassung gespielt? (Ich meine nicht)
    Jedenfalls kann es gut sein, dass einige Studiomusiker den Satz für den Film gespielt haben. Es dürfte 1959 auch kaum mehr als zwei oder drei Plattenaufnahmen des Werks gegeben haben.


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
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    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • … teuer, weil auf zwei CDs verteilt. :(

    Aber :) die Brahms Sextette sind jeweils anderen Werken gegenübergestellt, die in der Brahmstradition stehen. Sextett 1 ist mit einem Werk von Adolf Busch (1881-1952) (1933 in Basel bearbeitet) kombiniert, während Sextett 2 zusammen mit einem 1993 entstandenen Werk, „Vergessene Gärten", des 1934 geborenen Kurt Hopstein erhältlich ist.
    Die Einspielungen stammen aus dem Jahr 2002. Das Kölner Streichsextett ist hier im Forum schon sehr gelobt worden wegen seiner Einspielung der Sinfonie Nr. 6 von Beethoven (eine Bearbeitung als Streichsextett von Michael Gotthardt Fischer [1773-1829]). Gibt es einen Grund dafür, dass die CDs mit den Brahmssextetten hier noch nicht erwähnt wurden? Ich finde die Soundschnipsel klingen sehr gut – besonders auch die der „begleitenden moderneren" Werke. Bei mir stehen die CDs ganz oben auf der Wunschliste, (obwohl ich kein Romantiker bin).

  • Moin,


    eine ganz exzellente Aufnahme des 2.Streichsextett gibt es neu auf CD mir Isabelle Faust.



    Für mich persönlich zur Zeit die beste Aufnahme aus ABQ, Archibudelli, Hausmusik und eben Faust & Co. Ich kenne allerdings nicht die gelobte Nash-Aufnahme.

    Grüsse aus Rhosgobel


    Radagast

  • Auf zwei einzelnen CDs mit kaum bekannten Stücken zu koppeln, ist sicher interesant; mir allerdings auch eher zu teuer. Ich bin bislang mit meiner einzigen (Raphael/hyperion) so zufrieden, dass ich nicht nach weiteren Ausschau gehalten habe. Das zweite besitze ich eher zufällig noch in einer intensiven Einspielung mit Heifetz & Co.


    Vielleicht nimmt Faust ja das Doppelkonzert auch noch auf und koppelt dann mit dem 1. Sextett. Ich weiß ja nicht, ob das auch einem pädagogischen Impetus geschuldet ist, bekannte Konzerte mit Kammermusik zu koppeln (wie schon im Falle von Dvorak mit Faust bzw. Queyras). Lobenswert wäre es jedenfalls.

    Struck by the sounds before the sun,
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    (Bob Dylan)

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  • Ich gebe zu, dass ich in fremden Gefilden wildere. Mir ist erst im Nachhinein klar geworden, was mich an den Soundschnipseln des Kölner Streichquartetts so fasziniert hat. Ich höre meistens Barockmusik und bin Dauer-Vibrato nicht gewöhnt. Die Kölner setzen Vibrato sehr sparsam ein. Das trifft das wohl auch auf Isabelle Faust zu (danke an Radogast für den Hinweis). Für mich macht das die Aufnahmen viel schlanker und transparenter.


    Was würde Brahms wohl zu der folgenden Aufnahme gesagt haben ?