Gustav Mahler: Das Lied von der Erde

  • Zitat

    Original von Uwe
    Sehr viel wichtiger als die vernachlässigenswerte Tennstedt-Aufnahme finde ich die mit Fritz Reiner / Forrester /Lewis und dem CSO. Eine der besten Darstellungen des Werkes überhaupt. Kommt bei mir gleich nach Walter / Ferrier/Patzak und der Klemperer-Einspielung.


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    Die von Uwe schon kurz vorgestellte Aufnahme ist inzwischen auch als SACD erhältlich und somit noch empfehlenswerter geworden.



    Die Klangqualität verdient nur eine einzige Bezeichnung: Sensation!
    Nichts rauscht, alle Orchestergruppen sind satt abgebildet und verfärbungsfrei aufgenommen, die Orchestertransparenz ist fast referenzwürdig. Nur ein paar einzelne geringfügig übersteuerte Tutti-Stellen erinnern daran, daß es keine Digitalaufnahme, sondern eine Einspielung aus frühen Stereo-Tagen (1959) ist.


    Auch bei der Orchesterleistung fällt es schwer, Superlative zu vermeiden.
    Brillianter und durch alle Orchestergruppen besser besetzt kann man Das Lied von der Erde nicht spielen. Kein Detail der umfangreichen Partitur wird vernachlässigt; Reiner schafft mustergültig den Spagat, die vielen Solostimmen besonders hervorzuheben, aber auch gleichzeitig in das gesamte Orchester einzubetten. Somit gelingt es ihm, die reichhlaltigen Gefühlswelten zu offenbaren, aber sich in ihnen nicht zu verlieren. Sentimentalität ist ihm fremd.


    Zu den Solisten: Sowohl Maureen Forrester als auch Richard Lewis begeistern durch große Hingabe an die Musik und an den Notentext. Verfärbungsfreies Deutsch darf man nicht immer erwarten (Bei Richard Lewis ist "Ein voller Becher Weins" "märr wärrd" und nicht "mehr wert" "als alle Reiche dieser Erde"), aber diese Details sind zu vernachlässigen, wenn man dem Engagement und dem sehr angenehmen Timbre lauscht.


    "Der Abschied", zweifelsfrei das Kernstück des Lieds von der Erde, steht für mich im Ausdruck der Darstellungen von Christa Ludwig und Janet Baker in nichts nach.


    Auch deswegen ist Reiners Aufnahme eine derjenigen, die für mich zu den besten und ergreifendsten gehören, ganz knapp hinter Kubelik und auf einer Stufe mit Klemperer stehend.

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler



  • Beneidenswert! Es dürfte sich um ein Konzert Mitte der 70er gehandelt haben. Denn 1975 nahm Karajan mit demselbigen Gespann Ludwig–Kollo das "Lied von der Erde" im Studio auf.



    Daß diese Aufnahme mehr als nur eine "nette Alternative" darstellt, mutmaßte ich ja bereits vorab. Freilich: Mir fehlen die Vergleichsmöglichkeiten an "legendären Einspielungen". Gleichwohl kann man wohl ohne Zweifel behaupten, daß das Solistenpaar schlichtweg ausgezeichnet ist: Christa Ludwig zu jener Zeit genauso auf ihrem stimmlichen Höhepunkt wie der leider etwas unterschätzte René Kollo, der seine Sache hier wirklich formidabel macht. Mir gefallen die Tenor-Stellen noch besser als die der Alt-Stimme, wobei das an meinem generellen Männerstimmen-Faible liegen wird. Kongenial wird das Ganze unterstützt von den Berlinern unter Karajan, die sich ganz und gar nicht in den Vordergrund spielen, wie es beim späteren Karajan ja zuweilen behauptet wird. Vielmehr erweist sich Karajan als exzellenter Begleiter. Die Klangschönheit und die Spielkultur der Berliner Philharmoniker jener Tage ist ohnehin nahezu ohne Beispiel. Klare Empfehlung für diese Einspielung.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Zitat

    Original von Joseph II.


    Freilich: Mir fehlen die Vergleichsmöglichkeiten an "legendären Einspielungen".


    _____________________________________


    Dem Mann kann geholfen werden:



    :angel: :angel:

    Freundliche Grüße Siegfried

  • Zitat

    Original von Norbert
    Des Weiteren vermisse ich Georg Solti als Dirigenten des Lieds von der Erde. Sind von ihm Aufnahmen erhältlich und falls ja, gibt es Eindrücke?


    Mir wurde vor Jahren, eher: Jahrzehnten, mal eine Aufnahme vom CD-Händler meines Vertauens empfohlen (damals noch bei Schossau in Düsseldorf, falls das jemandem noch etwas sagt...):



    Mein Cover sieht noch anders aus, müsste aber dieselbe Aufnahme sein.


    Ich liebe diese Aufnahme sehr, möchte sie eigentlich nicht missen.


    Die alte Kollo/Karajan-Aufnahme ist die, mit der ich in der Schule 'aufgewachsen' bin (wir haben den ersten Satz in der Schule durchgenommen, und ich wollte das mal ganz hören), die schätze ich auch sehr. Aber momentan bin ich mit meinem Solti glücklich.

  • Dem Mann kann geholfen werden:


    Außer den bisher genannten Aufnahmen noch


    Meier, Heppner, BRSO, Maazel
    Ludwig, Kmennt, Wiener Sinfoniker, C. Kleiber



    Gruß aus Burgdorf


    "Nicht weinen, dass es vorüber ist
    sondern lächeln, dass es gewesen ist"


    Waldemar Kmentt (1929-2015)


  • Auch ich mag den Klemperer sehr, auch die Reiner-Aufnahme, die zudem ganz vorzüglich klingt, mein Favorit ist aber ein Live-Mitschnitt von ca. 1970, den ich irgendwann irgendwoher bekommen habe, und nicht mehr weggebe: George Szell mit Janet Baker und Richard Lewis, der hier übrigens ganz vorzüglich deutsch singt. Da stimmt allles, da ist alles: Ruhe, Erregung, Lust, Verzweiflung, Ewigkeit.


    Ich glaube allerdings nicht, dass der Mitschnitt zur Zeit erhältlich ist. Außerdem bin ich nicht sehr objektiv, weil ich Janet Bakers Gesang über alles liebe. Sie hat mit Szell auch das Verdi-Requiem gemacht. Das ist vielleicht unglaublich!

    Der Jugendtraum der Erde ist geträumt
    Grillparzer
    Macht nix!
    grillparzer

  • Zitat

    George Szell mit Janet Baker und Richard Lewis,


    BENEIDENSWERTT!


    Ich höre in letzter Zeit immer gerne wieder die sehr preiswerte Aufnahme mit Kletzki, die mir momentan am Besten gefällt.
    Und Fidi ist wirklich wunderbar! Den Tenor kann man auch ertragen.

    Aber ehrlich gesagt, die Superaufnahme habe ich noch nicht, denn


    Horenstein ist mir zu spannunslos im Abschied (fast 33 Minuten), geradezu einschläfernd.


    Bei Klemp fehlt mir in den schnellen Teilen der Drive, der Abschied ist wunderschön. Und auch , wenn Frau Ludwig allerbeste Güte abliefert, Dame Janet Baker wäre noch'n Tick mehr Richtung Ideal.


    Bruno Walters Aufnahme mit Frau Ferrier ist zwar berühmt aber ich finde sie völlig überbewertet. Ein Mythos, aber in Wirklichkeit nur Kaisers neue Kleider.


    Neuere Aufnahmen mit Nagano sind recht gut gelungen, aber es fehlt mir die innere Beteiligung.


    Tennstedt, der ja nun langsam wieder ausgegraben wird, und der sicherlich seine Verdienste hat, ist mir dagegen zu gefühlig.


    Die Kleiber Aufnahme habe ich auch, sie ist super, aber sie klingt so sch....., das ist was für Klangmasochisten.


    Gielen hat meines Wissens dieses Werk nie aufgenommen. Schade eigentlich.


    Gruß S.

    Einmal editiert, zuletzt von s.bummer ()

  • Ich muß jetzt hier mal ein Geständnis machen:


    "Das Lied von der Erde" ist das Werk von Mahler, welches ich am allerwenigsten mag. Es rangiert in meiner Gunst noch hinter der Achten Sinfonie (2.Teil) sowie den Mittelteilen (Nachtmusiken) der Siebten Sinfonie, bei denen ich mich immer unglaublich langweile.


    "Das Lied von der Erde" finde ich ein dermaßen gekünsteltes und mit Bedeutung aufgeblähtes Werk, daß ich immer froh bin, wenns rum ist.


    Die einzige Aufnahme, in der ich es dennoch ertragen kann, ist diejenige mit Hans Rosbaud und dem SWF-Sinfonieorchester Baden-Baden von 1957 mit Grace Hoffman und Helmut Melchert. Rosbaud gibt ein sehr zügiges Tempo vor und führt das Orchester schlank, wendig und dynamisch. Hier kommt nur wenig Sentimentalität auf und das Werk geht schneller rum als sonst.




    Agon

  • Also - wenn ich ein Werk nur beim hohen Tempo ertragen könnte, würde ich glaube ich lieber ganz drauf verzichten... ;)


    Das Lied von der Erde halte ich im Gegenteil für eines von Mahlers stärksten Werken. Anschließend bin ich immer fix und fertig, und gelangweilt habe ich mich noch nie bei Mahler. Jaja, die Geschmäcker der Menschen sind doch sehr unterschiedlich. :-)


    Kennt noch jemand die Solti-Aufnahme oder bin ich mit meiner Vorliebe allein auf weiter Flur?

  • Klemp brauchte 1951 auch nur 52 Minuten.
    Zur der Zeit fertigte er auch Mahler2 in 71 Minuten ab!


    Aber Agon hat insofern Recht, da das LVDe nur mit Höchstdruck und/oder Eleganz/Tempo zu ertragen sind.
    Ansonsten rinnt aus den Lautsprechern der pure Schmalz und Kitsch! (Horenstein/Tennstedt ist z.B. für mich purer, reinstkristalliner Kitsch!)


    Bei Klemp 1951 werden die Kriterien übers Tempo erreicht. Bei dem LvdE von 196x dagegen durch das Ensemble und die zunehmende Einschwärzung der Auffassung. Das soll er bekanntlich 1970 nochmals getoppt haben. Aber davon gibt es nur Berichte (Heyworth) und keine Aufnahme.
    Gruß S.

    Einmal editiert, zuletzt von s.bummer ()

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  • Danke, Travinius, für die Antwort.


    Ich mußte erst einmal nachschauen, wann ich die Frage gestellt hatte. Aber nach knapp vier Jahren verzeihe ich mir, daß ich mich an die Frage nicht mehr erinnern konnte... ;)


    Daß Dir die Einspielung gefällt, glaube ich Dir gerne.


    Allzu viel dürfte Solti mit dem Concertgebouw Orchester nicht aufgenommen haben. Wegen des Orchesters und Thomas Mosers, den ich recht gerne höre, dürfte das eine lohnenswerte Einspielung sein.
    Wann wurde sie aufgenommen?

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler



  • Die Solti-Aufnahme, die auch in der oben gezeigten Version erschien, wurde amazon.com zufolge 1992 aufgenommen.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Danke für die Info.

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler




  • Hallo Agon
    Ich kann Deine Argumente gut nachvollziehen.....


    ca 1960 kaufte ich mir meine erste LP mit Mildred Miller/Haefliger unter Bruno Walter....
    es folgte meine 1. Ferrier-Aufnahme mit Walter....und auch wenn ich den letzten Teil ab und zu mit der Ferrier gehört habe(weil ihre Stimme mich seit meinem 16. Lebensjahr fasziniert)................


    so brauchte ich doch nochmals fast ein viertel Jahrhundert:


    Um heute sagen zu können, dass "das Lied von der Erde" eines meiner Favoriten ist..................und ich es für ganz große Kunst halte, wobei Dein Einwand des "Artifiziellen" in diesem Werk, mir ein stichhaltiges Argument zu sein scheint,....was ich allerdings nicht negativ sehe.


    Gruß......................"Titan"

  • Zitat

    Original von Joseph II.


    Die Solti-Aufnahme, die auch in der oben gezeigten Version erschien, wurde amazon.com zufolge 1992 aufgenommen.


    Ja, das ist die Version, die hier im Schrank steht... ich glaube, heute ist die mal wieder fällig... :)

  • Zitat

    Gielen hat meines Wissens dieses Werk nie aufgenommen. Schade eigentlich.


    Gielen tut sich sowieso schwer mit einigen Mahler-Sinfonien, wie er in dem Buch "Mahler im Gespräch-Die zehn Sinfonien" (Metzler Musik, 2002) verrät.


    Er ist kein vorbehaltloser Mahler-Bewunderer, sondern hält bei aller Wertschätzung immer eine kritische Distanz zu dessen Werken.


    So findet er beispielsweise das Durchbruchsfinale der Ersten "unglaubwürdig".


    @ s.bummer und titan


    "Höchstdruck" und/oder "Eleganz/Tempo", ja, so kann mans sagen. Und das lassen eben die meisten Dirigenten vermissen. Klemperers Schwärze lässt das Werk in eine neue Qualität umkippen, super. Die Darbietung von 1970 hätte ich ja gerne mal gehört!
    Ferrier kenne ich von drei Mahler-Liedern mit Walter und die mag ich eigentlich wegen ihrer Baker-ähnlichen Intensität. Das "Lied" müsste ich mal testen.


    Vielleicht bin ich wirklich noch nicht alt genug, um dieses Werk gebührend schätzen zu können. Es erscheint mir in weiten Teilen einfach aufgesetzt.
    Aber ich finde es interessant, dass Du meine Argumente nachvollziehen kannst. Dann scheint es Dir ähnlich wie mir ergangen zu sein.
    Irgendwie findet das "Lied" für mich in einer Art luftleerem Raum statt, mir fehlt die Luft zum Atmen.

  • Habe beide verglichen. Die Studioaufnahme unter Klemperer gefällt mir besser. Wunderlich live im Musikvereinssaal nicht so gut wie bei Klemperer im Studio. Hatte Wunderlich denn eine Mikrofonstimme? Auch bei einigen Opern-Aufnahmen mit Fritz habe ich festgestellt, dass Studio-Aufnahmen besser sind als Live-Mitschnitte.





    LG, Bernward


    "Nicht weinen, dass es vorüber ist
    sondern lächeln, dass es gewesen ist"


    Waldemar Kmentt (1929-2015)


  • Gielen hat meines Wissens dieses Werk nie aufgenommen. Schade eigentlich.


    Hallo Hans,


    er hat schon, bloß dauert es fast 20 Jahre, bis die Aufnahme herausgegeben wird.


    Am 23. Mai veröffentlicht Hänssler eine Aufnahme, die 1992 produziert wurde:



    Ich habe sie (bei Hänssler direkt) vorbestellt und bin schon sehr gespannt.

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Aus demselben Jahr 1952 gibt es einen Live-Mitschnitt mit Kathleen Ferrier, der für mich ebenfalls zu den Glanzpunkten der LvdE-Diskografie gehört:
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    Das Hallé Orchestra Manchester wird geleitet von Sir John Barbirolli, neben Kathleen Ferrier singt Richard Lewis. Der Mitschnitt entstand in Manchester am 2.4.1952, also etwa sechs Wochen vor der Decca-Einspielung mit Bruno Walter und den Wiener Philharmonikern vom 18.5.1952

    Noch ein Hinweis: die Ferrier-/Walter-Aufnahme ist inzwischen auch für sehr wenig Geld in dieser 2 CD-Box

    zu bekommen.

  • Habe beide verglichen. Die Studioaufnahme unter Klemperer gefällt mir besser. Wunderlich live im Musikvereinssaal nicht so gut wie bei Klemperer im Studio. Hatte Wunderlich denn eine Mikrofonstimme? Auch bei einigen Opern-Aufnahmen mit Fritz habe ich festgestellt, dass Studio-Aufnahmen besser sind als Live-Mitschnitte.


    Hallo Bernward,


    habe mir die Live-Aufnahme auch gekauft, bislang noch nicht gehört. Natürlich hast Du Recht, wenn Du sagst, die Studioaufnahmen mit FW sind (oft) besser als die Livemitschnitte. Dennoch gibt es von FW auch grandiose Liveaufnahmen. Herausragend sein Duett "Liebe ist Seligkeit" aus "Rigoletto" mit Erika Köth - wenn ihm auch ein Ton leicht verrutscht, sein Belmonte unter Zubin Mehta (1965), seine "Münchner Sonntagskonzerte", um nur einige zu nennen.


    Ich werde mir den "Mahler" umgehend anhören, obwohl ich Dir jetzt schon glaube: die Klemperer-Aufnahme ist Referenz!!


    LG
    Manfred

    "Menschen, die nichts im Leben empfunden haben, können nicht singen."
    Enrico Caruso


    "Non datemi consigli che so sbagliare da solo".
    ("Gebt mir keine Ratschläge, Fehler kann ich auch allein machen".)
    Giuseppe di Stefano

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  • Habe beide verglichen. Die Studioaufnahme unter Klemperer gefällt mir besser. Wunderlich live im Musikvereinssaal nicht so gut wie bei Klemperer im Studio. Hatte Wunderlich denn eine Mikrofonstimme? Auch bei einigen Opern-Aufnahmen mit Fritz habe ich festgestellt, dass Studio-Aufnahmen besser sind als Live-Mitschnitte.



    Hall Bernward!



    Fritz Wunderlich war auch live ein Erlebnis, aber groß war die Stimme nun wirklich nicht. Wenn man ihn im Prinzregententheater oder im Cuvillée-Theater in München gehört hat, war das natürlich schon imponierend, weil die Stimme gut trug und ihre Strahlktraft hatte. Aber er beschränkte sich immer klugerweise auf das lyrische Fach!
    Vor ein paar Wochen wurde er im Thread, in dem eine Idealbesetzung für die Meistersinger gesucht werden sollte, als idealer Stolzing vorgeschlagen. Ich habe daraufhin versucht deutlich zu machen, dass diese Partie auf Jahre hin für ihn nicht in Frage gekommen wäre, weil es die Stimme nicht hergegeben hätte. Ich habe ihn wirkklich in eigentlich allen seinen Partien mehrfach live gehört - auch noch wenige Wochen vor seinem Tode! Danach bin ich mir ganz sicher, dass er gut beraten war, die an ihn herangetragenen Vorschläge zum Fachwechsel nicht gefolgt ist und auch wohl nicht vor hatte zu folgen.




    Idealbesetzung für "Die Meistersinger von Nürnberg"




    Wenn Du magst kannst Du da auch meine Beiträge 24, 29 und 33 anschauen.



    Zu Deiner Frage: Ja, eine glänzende Mikrophonstimme hatte Wunderlich schon. Und deshalb wecken seine Aufnahme mitunter einen Eindruck, die Stimme sei groß und expansiv gewesen. Das war sie aber eher nicht und wenn, dann nur in der Höhe!



    Ein schönes Wochenende!



    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

  • Danach bin ich mir ganz sicher, dass er gut beraten war, die an ihn herangetragenen Vorschläge zum Fachwechsel nicht gefolgt ist und auch wohl nicht vor hatte zu folgen.


    Hallo Caruso,


    doch, das hatte er vor - glaubt man seiner Biografie. Wunderlich wollte "nicht ewig den David singen" sondern schon einmal den Stolzing. Das hat er in seinen Briefen sehr oft zum Ausdruck gebracht.


    LG
    Manfred

    "Menschen, die nichts im Leben empfunden haben, können nicht singen."
    Enrico Caruso


    "Non datemi consigli che so sbagliare da solo".
    ("Gebt mir keine Ratschläge, Fehler kann ich auch allein machen".)
    Giuseppe di Stefano

  • doch, das hatte er vor - glaubt man seiner Biografie. Wunderlich wollte "nicht ewig den David singen" sondern schon einmal den Stolzing. Das hat er in seinen Briefen sehr oft zum Ausdruck gebracht.


    Ich kenne seine Briefe nicht, ich kenne seine Biografie nicht und ich kenne seinen Biofgrafen nicht. Trotzdem glaube ich gerne, dass er gesagt hat, er wolle nicht immer den David singen. (nebenbei: wann und wo hat er den denn gesungen?)


    Andrerseits habe ich in der Bayerischen Staatsoper sehr direkt mitbekommen, wie vorsichtig er mit der Frage umgegangen ist, in welcher Richtung er sein Fach erweitern könnte. So hat er etwa den Duca im Rigoletto ebenso immer wieder zurückgestellt wie den Edgardo in der Lucia (stattdessen sang er mit schöner Regelmäßigkeit den Arturo neben Georg Paskuda als Edgardo - das war schon auffällig!)
    Hoch interessant waren übrigens auch seine Wünsche an Werner Egk als es um seine Rolle in der Verlobung von San Domingo ging. Ihm war schon bewußt, dass seine Stimme nicht groß war und ihr in den tieferen Lagen die Möglichkeiten fehlten, die sie in den oberen Lagen so reich hatte.
    Und er dürfte sehr wohl gewusst haben, dass er seine Stärken in der Tessitura des Stolzing nicht so voll zum Tragen gebracht hätte.
    Wenn er denn wirklich Wagner hätte singen wollen, hätte gewiss der Lohengrin erheblich näher gelegen, zum einen wegen der für ihn vorteilhafteren Tessitura, zum anderen, weil der Tenor im Lohengrin sehr viel weniger vom Orchester "bedrängt" wird als in den Meistersingern!

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

  • Ich kenne seine Briefe nicht, ich kenne seine Biografie nicht und ich kenne seinen Biofgrafen nicht. Trotzdem glaube ich gerne, dass er gesagt hat, er wolle nicht immer den David singen. (nebenbei: wann und wo hat er den denn gesungen?)

    Aber ich. Kleine Richtigstellung. Bereits 1966 gab es ein Meistersinger-Gespräch in Wien zwischen Wunderlich und Wieland Wagner. Letzterer hatte dann ein längeres Gespräch mit Böhm und beide kamen zu dem Schluss, dass es nicht zu verantworten ist, den derzeit weltbesten Mozart-Tenor zum Stolzing zu machen. Für 1968 aus Anlass des 100jährigen Jubiläums sollte Wunderlich den David singen und die GG alles mitschneiden. Soweit Zitat aus dem Originalbrief von Wieland Wagner. Wunderlich bedankte sich für den Brief vom 30. Juli 1966 und bat sich 4 Wochen Bedenkzeit aus. Dann schrieb er an Wieland Wagner, ich zitiere: Die Frist ist um und abermals verkündige ich Ihnen dass ich die nächsten 7 Jahre in Bayreuth keinen David singen werde. Mit anderen Worten, ich möchte doch in Bayreuth mit einer großen Partie beginnen, und wenn es einige Jahre später ist. Abgesehen davon ist meine persönliche Meinung, dass Gerhard Unger, mit dem ich gerade in Salzburg Entführung gemacht habe, in stimmlicher und darstellerischer Beziehung immer noch der beste David ist. Mit herzlichen Grüßen Ihr ...


    M.W hat er den David nirgendwo gesungen.


    LG, Berward (Wunderlich-Fan und Mitgl. der Fritz-Wunderlich-Gesellschaft in Kusel)


    "Nicht weinen, dass es vorüber ist
    sondern lächeln, dass es gewesen ist"


    Waldemar Kmentt (1929-2015)


  • Besten Dank lieber Bernward für die Aufklärung!


    Wunderlich-Fan bin ich natürlich auch! Wer könnte es nicht sein?


    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

  • Hallo Caruso41,


    ich finde diese Diskussion sehr interessant, weil die grandiose Leistung, die Wunderlich in Mahlers Lied von der Erde abliefert, von vielen Wunderlich-Fans, ich bin auch einer, als Beleg dafür gewertet wird, daß Wunderlichs Stimme an der Schwelle zum dramatischen Fach stand. Es ist Spekulation, sagen zu wollen, wo sich die Stimme Wunderlichs hin entwickelt hätte, liest man jedoch seine Biographie, so wird offenbar, daß am Ende seines Lebens dramatischere Partien für die Zukunft auf der Agenda standen: Offenbachs Hoffmann, Ricardo (Maskenball) und Don Carlos.


    Doch zurück zu Mahlers "Lied von der Erde". In der Aufnahme unter Kent Nagano führt Klaus Florian Vogt unfreiwillig vor, daß er eben kein Heldentenor ist und sehr wahrscheinlich auch nie einer sein wird: Seine Stimme ist einfach zu dünn, hat keine Durchschlagskraft, der Einschwingvorgang dauert zu lange, sie wird vom Orchester regelrecht verschluckt. Zum Abschluß eine ganz allgemeine Frage: Sollten die Tenor-Vokalteile der Komposition eher von einem Lyrischen oder einem Heldentenor gesungen werden ?


    Gruß,


    Antalwin

  • Eines noch, weil es interessant ist. Ein japanischer Klassik-Fan hat einen Mitschnitt von Mahlers "Lied von Erde" vom 9. November 1980 ins Netz gestellt, mit Peter Hofmann und Tatiana Troyanos unter Carlo Maria Giulini.


    Gruß,


    Antalwin

  • Zum Abschluß eine ganz allgemeine Frage: Sollten die Tenor-Vokalteile der Komposition eher von einem Lyrischen oder einem Heldentenor gesungen werden ?


    Hallo Antalwin,


    die Frage ist für mich nicht "lyrisch oder heldisch", sondern eher "passend oder unpassend". ;)


    Sowohl lyrische Tenöre wie Peter Schreier, Ernst Haefliger, Muray Dickie oder Fritz Wunderlich als auch "stimmlich robustere Vertreter" wie Waldemar Kmentt oder Ben Heppner haben ihren Gesangspart auf ihre Weise meisterlich interpretiert.


    Ein "Anforderungsprofil" an den Tenor zu stellen, ist ohnehin nicht ganz so einfach, denn Mahler setzt für mich ein sowohl lyrisch als auch heldisch voraus. Im "Trinklied vom Jammer der Erde" ist stimmliches "Stehvermögen" gefragt, "Von der Jugend" erwartet eine fragilere Text- und Notenbehandlung, in "Der Trunkene im Frühling" zählen sowohl die "lauteren" als auch die "leiseren" Töne.

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Zitat

    Zitat von Antalwin:


    Es ist Spekulation, sagen zu wollen, wo sich die Stimme Wunderlichs hin entwickelt hätte, liest man jedoch seine Biographie, so wird offenbar, dass am Ende seines Lebens für die Zukunft dramatischere Partien auf seiner Agenda standen: Offenbachs Hoffmann, Riccardo (Maskenball) und Don Carlos.

    Ergänzend darf noch hinzugefügt werden, dass er schon mit seinem Begleiter Hubert Giesen begonnen hatte, Schuberts "Winterreise" einzustudieren. Was für ein Verlust, dass es zu derlei nicht mehr gekommen ist. Wenn man sich vorstellen würde, dass er die Winterreise villeicht nicht nur mit Hubert Giesen, sondern auch mit Swjatoslaw Richter aufgeführt hätte. Aber ich schweife vom Thema ab.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Mit anderen Worten, ich möchte doch in Bayreuth mit einer großen Partie beginnen, und wenn es einige Jahre später ist. Abgesehen davon ist meine persönliche Meinung, dass Gerhard Unger, mit dem ich gerade in Salzburg Entführung gemacht habe, in stimmlicher und darstellerischer Beziehung immer noch der beste David ist.


    Danke, Bernward,


    das meinte ich damit. FW wollte irgendwann den Stolzing singen. Vielleicht habe ich mich missverständlich ausgedrückt: mit "nicht ewig den David singen" wollte ich sagen, er strebte die großen Rollen an. Wirklich auf der Bühne gesungen hat er den David - meines Wissens - nicht.


    LG
    Manfred

    "Menschen, die nichts im Leben empfunden haben, können nicht singen."
    Enrico Caruso


    "Non datemi consigli che so sbagliare da solo".
    ("Gebt mir keine Ratschläge, Fehler kann ich auch allein machen".)
    Giuseppe di Stefano

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