Gestern hörte ich folgendes Konzert im HR-Sendessal, FFM:
FORUM NEUE MUSIK
Jeremias Schwarzer, Blockflöte
HR - Sinfonieorchester,
Sian Edwards, Dirigentin
1.) Martin Schüttler (*1974): Wald (2010) für Orchester mit Zuspielung -Auftragswerk des HR / Uraufführung-
2.) Rolf Riehm (*1937): Au Bord d'une source (2007) für Tenorblockflöte, Orchester und elektronische Zuspielungen
3.) Arnold Schönberg (1874-1951): Fünf Orchesterstücke op. 16 (1909/49)
-Vorgefühle.
-Vergangenes.
-Sommermorgen an einem See (Farben).
-Peripetie.
-Das obligate Rezitativ.
4.) Luigi Nono (1924-1990): Variazioni canoniche sulla serie dell' op. 41 di Arnold Schönberg (1950)
Es war ein Konzert, in das ich mit nur wenig Lust und gemischten Gefühlen ging und aus dem ich bereichert, erfüllt und mit guter Stimmung herauskam. Das sind eigentlich immer die besten Konzerte. Es gibt sie nur nicht so oft (leider).
Die beiden ersten Stücke von Schüttler und Riehm arbeiteten beide mit Sprachzuspielungen vom Band, was durchaus etwas Reizvolles an sich hatte. Der Blockflötist Jeremias Schwarzer spielte sich im Riehm-Stück die Seele aus dem Leib, was wohl auch nicht anders ging. Die Schwierigkeiten müssen immens gewesen sein, auch angesichts der vom Solisten verlangten Virtuosität. Leider schien mir das Stück nur wenig Substanz zu besitzen und es hinterließ in mir eine gewisse Genervtheit und Gleichgültigkeit. Das Stück von Martin Schüttler hingegen hatte eine gewisse Originalität und auch an Witz an sich, da er originale Texte aus Rundfunk- oder TV-Werbung verwendete und von daher nicht so bierernst und trocken rüberkam.
Der eigentliche Höhepunkt dann nach der Pause. Die englische Dirigentin Sian Edwards, die hier vor einigen Jahren eine perfekte Aufführung von Vareses Arcana hinlegte, scheint einen besonders guten Draht zum HRSO zu haben. So erklärt sich auch, aber nicht nur, die exemplarische Darbietung von Schönbergs Fünf Orchesterstücken. Erst in dieser Aufführung wurde mir bewußt, was in diesem Stück eigentlich drinsteckt. Die ganze Expressivität, die Konzentriertheit, die klangfarbliche Vielfalt, die Dramatik. Richard Strauss hat damals (1909) die Uraufführung abgelehnt, weil er damit nicht klargekommen ist und es dem konservativen Berliner Publikum nicht zumuten wollte. So kam die Orchesterfassung erst im Jahre 1912 in London unter Sir Henry Wood heraus.
Das abschließende Stück, Nonos Schönberg-Variationen, schlossen sehr gut an die Orchesterstücke an, obwohl sie mit einer wesentlich kleineren Orchesterbesetzung ausgestattet sind. Auch hier zeigte sich einmal mehr die absolute Kompetenz und Hingabe des HRSO bei der Musik des 20. Jahrhunderts. Das 25-minütige, eigentlich etwas "sperrige" Stück, geriet zu einem emotional bewegenden Erlebnis. Man wurde in eine fremdartige, aber faszinierende Klangwelt gezogen, mit der der junge Luigi Nono seine Schönberg-Verehrung zum Ausdruck bringt.
Insgesamt also ein besonderes Konzert, das gezeigt hat, das auch "schwierige" Stücke der Moderne berührend und emotional sein können.
Agon