Warum sind Weihnachtslieder so anrührend, und Disharmonien so quälend? Diese Frage haben sich Forscher gestellt und versucht, eine technisch grundierte und gleichzeitig medizinisch fundierte Antwort zu finden.
Der Musikforscher Stefan Kölsch von der FU Berlin hat „die emotionale Verarbeitung von Musik“ in einem Forschungsprojekt untersucht: „Die Musik weckt Emotionen und kann damit die Aktivität fast aller limbischer* und paralimbischer Strukturen im Gehirn modulieren.“
Den Versuchspersonen wurden, so ist zu lesen, eine Ouvertüre von Bach im Original und in einer verfremdeten Fassung vorgespielt, wobei die Verfremdung in einem Fall sehr unangenehm war: In einer Version war das Stück um einen Ganzton nach oben, in einer anderen um einen Tritonus nach unten versetzt worden. Und dieser Tritonus ist ein besonders gewöhnungsbedürftiger Intervall.
Die Untersuchungen liefen in einem Kernspintomographen ab, in dem die Gehirnaktivität in Echtzeit beobachtet werden kann. Das Ergebnis war eindeutig: Das originale Bach-Werk aktivierte andere Regionen des Gehirns als die verfremdeten Werke. Die Reaktionen der Versuchspersonen ließ auch erkennen, ob sie ein Musikstück mit „Genuß“ hörten oder eines, unter dem sie litten.
Ein anderes Experiment betraf die Sprache: „Sie bestreicht das Brot mit warmen Socken“ - ein sinnloser Satz, der das Gehirn in ähnlicher Weise protestieren ließ wie schräge Musik.
Das Interessante war, daß die Musikverarbeitung vor allem in der rechten Hirnhälfte geschieht, die Sprachverarbeitung vor allem links. Anatomisch gesehen, so Stefan Kölsch, ist die Musikverarbeitung also ein Spiegelbild der Sprache.
Oscar Wilde soll gesagt haben, daß Musik ganz nutzlos und deshalb so wertvoll sei. Aus Sicht der Medizin, so ein weiteres Fazit, ist das falsch; wer nämlich, beispielsweise, „Stille Nacht“ singt (oder auch nur hört), erlebe einen wohligen Schauer mit körperlichen Veränderungen wie Puls, Atemfrequenz und Hauttemperatur. Schräge Töne erregen Mißfallen im Gehirn.
Was will uns das Ergebnis dieser Forschung nun sagen?
Nichts anderes, als daß das Gehirn reagiert - ob man nun will oder nicht. Aber: haben wir das nicht sowieso schon gewußt...?
* Nach Wikipedia ist das limbische System eine Funktionseinheit des Gehirns, die der Verarbeitung von Emotionen (…) dient. Dem limbischen System werden auch intellektuelle Leistungen zugesprochen.
MfG