Gestern war Premiere in Köln, der letzte handfeste Skandal von David Alden fast auf den Tag genau vor 8 Jahren, war vermutlich schon in Vergessenheit geraten und im Gegensatz dazu ging es auch recht harmonisch gestern Abend zu. Größere Störfaktoren waren nur notorische Zuspät-Kommer (wegen des Deutschlands-Spiel), die leider auch noch eingelassen wurden und sich gar nicht so leise hinsetzten.
Die Inszenierung von Uwe Eric Laufenberg bekam zwar einige Buhs, aber auch viel Zustimmung. Sie ist – das sieht man sofort, wenn man den Zuschauerraum betritt – durch und durch modern, mit psychologischen Ansätzen. Die steril weiße Bühne von Gisbert Jäkel finde ich persönlich etwas langweilig, erfüllte aber ihren Zweck: Es ist ein großer oval geformter Raum, der sich recht weit vorne auf der Bühne befindet und diese ganz von links bis rechts einnimmt, und auch um den Orchstergraben bis zum Publikum geht. Eine Anlage mit Stühlen links, darüber eine Fläche, die später für Projektionen genutzt wird. Ein großes Bett, daneben ein Tischchen mit Getränken, rechts am Bühnenrand ein begehbarer Kleiderschrank – fertig ist die offensichtliche Bühne. Vor Kopf ist eine große weiße Schiebetür, die immer wieder den Blick frei gibt auf die Welt außerhalb von Giovannis Reich. Mal ist es eine Eingangshalle, mal ein Flur, mal eine Vorstadt-Hochhäuser-Ansammlung.
Wichtiges Element ist das Spiel mit der Technik, besonders mit dem I-Phone. Schon während der Ouvertüre, die aus heiterem Himmel plötzlich über die Zuschauer hereinbricht (die Saal-Türen) waren noch nicht mal geschlossen), beobachtet Leporello via Hauskameras das Geschehen auf den Fluren. Während der Registerarie präsentiert stolz das Telefonbuch seines Herren, was wirklich sehr gut und einfallsreich gemacht ist über Einträge, Fotos und Markierungen auf Landkarten.
Die Personenführung von Laufenberg schwankt von sehr gut bis einfallslos, die Aufführung hat darin kaum eine Konstante. Sehr interessant ist der Einfall, Zerlina zu einer muslimischen Braut zu machen. Im Aufeinanderprallen dieser fast monarchischen Gesellschafts-Struktur und dem leichtfertigen , fast anarchischem Giovanni kratzt Laufenberg zwar noch an der Oberfläche. Aber in „La ci darem la mano“ gelingt ein höchst eindrücklicher Moment, wenn Giovanni zum Ende des Duettes Zerlina ganz langsam ihr Kopftuch abnimmt – die Befreiung aus einem von den Medien arg gescholtenem Symbol der Unterdrückung, für mich eine wirklich hervorragende Aktualisierung. Zerlina wird kurz vor „Batti, batti“ von ihrem Masetto zwar nicht sichtbar, aber akustisch doch deutlich von Masetto ziemlich verprügelt, so dass sich einem die Kehle zuschnürt. Dass dieses Ehe-Paar im Laufe der Begegnung mit Don Giovanni wächst, wird ziemlich deutlich. Im Falle des ersten Aktes gibt es natürlich ein paar nackte Menschen zu sehen - ein Skandal ist das (zum Glück) nicht. In der Höllenfahrt zeigt sich das leicht unausgeglichene Bild der Inszenierung ganz deutlich zwischen spannenden Projektionen, die am Ende doch nicht aufgegriffen werden.
Etwa enttäuscht war ich von der Leitung von Markus Stenz, dabei war es doch ein schöner, flinker Mozart, den das Orchester spielte. Für mich war es, ähnlich wie die weiße Bühne etwas zu kantenlos, zu wenig Akzente, zu glatt poliert – aber im reinen Klang dennoch schön.
Sängerisch dagegen wurde viel, sehr viel geboten: Wolf Matthias Friedrich debütierte als Masetto und machte das sehr gut, wusste auch in den Ensemble durchaus mitzuhalten. Nikolai Didenko sang einen kraftvollen Komtur. Ebenfalls ein Debütant war Mikhail Petrenko als Leporello, den ich bisher nur im Wagner-Fach kannte, und sehr überrascht war wie schlank und agil er seine Stimme führte. Insgesamt ein viel versprechendes Debüt. Fern jedem Soubretten-Klischee sang Claudia Rohrbach eine ganz tolle Zerlina, mit einem schönem runden und leichtem Sopran. Maria Bengtsson gelang ein hoch intensives „Mi Tradi“ und musste zum Glück nicht die übertriebene Furie spielen, was auch zu ihrer sehr angenehmen Stimme passte. Mirko Roschkowski sang Don Ottavio mit agiler aber auch stabilen Stimme, die ihm eine tolle Zeichnung der Figur erlaubte – fern dem traditionellem Weichei. Simone Kermes wurde zu recht gefeiert, war ihre Donna Anna doch wirklich ein Erlebnis der ungewohnten Hör-Art. Ihre vibratolose Höhe produziert selbst im leisesten Piano schöne Töne, ihre Koloraturen sind perfekt perlend, ihre Darstellung der emotional zerrissenen Donna Anna sehr glaubhaft. Christopher Maltmann schließlich war ein schön kerniger Don Giovanni, mit starker Höhe und Tiefe gleichermaßen, im Rezitativ mit guten Akzenten, in der Canzonetta mit schönem, tragfähigem Piano (ich saß in der letzten Reihe im Parkett) und mit der für die Rolle entsprechendem Charisma.
Insgesamt ein Abend, wo mich vor allem die Sänger begeisterten. Da wird sich Baden Baden doch anstrengen müssen, auf dem Niveau mitzuhalten. Leider konnte mich die Aufführung sonst nicht so mitreißen, wie das in Essen der Fall war. Dafür war mir manches einfach zu glatt.