„Neues Aufnahmeverfahren transportiert den Originalklang in die Wohnzimmer“ (...?)

  • In seiner aktuellen Ausgabe berichtet das Magazin "FOCUS" über ein angeblich völlig neues Aufzeichnungsverfahren für Musik:



    Hatte vielleicht der ein oder andere Taminoianer schon mal das Vergnügen, eine solche Aufnahme anhören zu können?


    Mich würden eure Erfahrungen dazu interessieren.


    Ist diese Methode tatsächlich so revolutionär, wie es angepriesen wird, oder ist es nur eine besonders leistungsfähige Variante herkömmlicher Aufzeichnungsverfahren?



    Beste Grüße!


    Laurenz :hello:

    `
    (...) Eine meiner frühesten Erinnerungen im Zusammenhang mit der Musik betrifft einen Abend, an dem das Rothschild-Quartett bei uns ein hochmodernes Werk von Egon Wellesz spielen sollte. Die Stühle waren den Musikern zu niedrig, so nahmen sie unsere Bände mit Schubertscher Kammermusik, um damit ihre Sitze zu erhöhen. Ich dachte, wieviel schöner es wäre, wenn sie auf Wellesz sitzend Schubert spielen würden (...)


    — aus „5000 Abende in der Oper“ von Sir Rudolf Bing —
    .

  • Na ja, da muss wieder einmal mit der PR-Trommel gerasselt werden. Es ist mehr als ein halbes Jahrhundert her, dass Robert C. Fine begann, Plattenaufnahmen mit drei Mikrophonen zu machen. Das war äußerst aufwändig, da für jede Ensemble-Größe und für jeden Saal optimale Positionen für die Mikrophone gesucht werden mussten um wirklich eine natürlich klingende und gut ausbalancierte Aufnahme zu erhalten. Aber diese Aufnahmen, die unter Mercury Living Presence veröffentlicht wurden, sind legendär.


    Auch Pfleiderer verwendet nur Hauptmikrophone, und vermutlich auch eher wenige, um den gewünschten Effekt zu erzielen. Es wird sich also um eine Variante der alten Technik von Bob Fine handeln.


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Das ist wirklich ein ganz alter Hut, der bis zu den frühesten Stereoversuchsaufnahmen der Reichsrundfunkgesellschaft zurückreicht.


    http://www.aes.org/aeshc/books+vids/pre-1943.mag.hist.html


    Tonmeister Helmut Krüger z.B. hat auf diese Art und Weise schon in den letzten Kriegsjahren angefangen, Stereoaufnahmen mit drei Mikros zu machen.


    Die Aufnahmen, welche noch erhalten sind, klingen ganz erstaunlich gut, nach dem Krieg wurde das Aufnahmeequipment beschlagnahmt und bildete den Grundstock für die weiteren fühen Stereoversuche in Amerika von RCA oder Mercury, bei welchen auch das Verfahren mit drei Mikros weiterverfolgt wurde.


    Entwickelt oder zuerst benutzt wurde es aber nicht von Bob Fine, so tolle Resultate dieser Tonmeister auch erziehlte.


    :hello:


    Michael

  • Wenn ich nicht mit eigenen Ohren gehört hätte, welche WELTEN bei ein und derselben Aufnahme zwischen der unkomprimierten, ungeschnittenen Masteraufnahme, der für die breite Öffentlichkeit gemischten und gepressten CD und - als Steigerung ins Negative - der Ausstrahlung über terrestrisches oder digitales Radiosignal (mancher namhafter Rundfunkanstalten) liegen, ich glaubte es nicht.
    Ist schon beinahe impertinent, wie wenig Klangspektrum man bereit ist, einem (wie man in div. Radioanstalten und bei div. Labels wohl glaubt) mündigen Hörer zu verabreichen.
    Da klingt es dann im Vergleich wie durch eine angelehnte Tür.


    Dass dann solch "Wundertechnologie" manchem die Ohren öffnet, liegt auf der Hand.
    Ist aber nur die Spitze des Eisbergs.

  • Zitat

    Hatte vielleicht der ein oder andere Taminoianer schon mal das Vergnügen, eine solche Aufnahme anhören zu können? Mich würden eure Erfahrungen dazu interessieren.


    Ja, das Vergnügen kenne ich von den One-Point-Aufnahmen der Firma Denon.
    Die sind mit nur zwei Kleinmembran-Hauptmikrofonen in A-B- Stereo aufgenommen. Hier gingen die Signale vom hochwertigen Mikro-Pre-Amp gleich in das digitale Aufzeichnungsgerät.
    Die Auflösung, die klangliche Wärme und vor allem die Tiefenstaffelung ist dabei phänomenal.
    Dass die originalen Laufzeitunterschiede, die für die empfundene Tiefenstaffelung verantwortlich sind, mit diesem Verfahren am besten dargestellt werden können, leuchtet mir als Nicht-Fachmann irgendwie ein.
    Auch die Aussage, dass ein und dieselben Signale dadurch, dass sie bei Multimikrofonie anteilig immer wieder neu zusammengemischt werden, eine klangliche Aufrauhung erfahren, scheint mir schlüssig zu sein.


    Produktionstechnisch ist diese Single-Pair-Verfahren m.E. schwieriger umzusetzen als die gängien, anderen Methoden. Die Mischung muss bei der Aufnahme durch eine optimale Platzierung der Musiker/Sänger stimmen und auch die Mikros müssen optimal stehen. Nachträglich kann man nichts mehr ändern. Auch der Raum muss optimal sein.


    Vor kurzem haben wir in einer Kirche eine Chor-CD aufgenommen. Das Orchester, die Frauenstimmen, die Herrenstimmen und einzelne Solisten haben ihre eigenen Mikros bekommen. Bei der Aufnahme wurde das Equipment (Harddiskrecording mit Pro-Tools) in der Kirche aufgebaut. Abgehört wurde nur mit Studiokopfhörern. Die Mischung wird dann nachträglich im Studio mit entsprechenden Monitoren vorgenommen.
    Bei Schnitt und Mischung werde ich anwesend sein....bin schon gespannt.


    Bei den ersten gebrannten Probe-CDs haben wir gehört, dass die Männerstimmen unterbelichtet sind. Es wird kein Problem sein, dies zu korrigieren.


    Bei einem puristischen Aufnahmeverfahren wären solche nachträglichen Korrekturen indes nicht möglich, ohne mit aufwendigen "Tools" in die originalen Signale klangtechnisch einzugreifen.
    Ich gehe davon aus, dass man unter idealen und durchaus auch aufwendigen Voraussetzungen einen natürlicheren, "highendigeren" Klang mit einem Minimum an Mikrofonen erzielen kann.


    Ähnliches könnte man im Surround-Bereich erreichen, wenn man sich auf den Einsatz von z.B. 5 Mikrofonen beschränken würde, die normgerecht in einer optimal aufgestellten Surround-Spinne Platz fänden.


    Ich vermute einmal, dass es aufgrund von praktischen und zeitlichen Gründen (Zeit ist Geld...) so ist, dass man sich leider sehr selten für diese puristischen Aufnahmeverfahren entscheidet.


    Ich muss die Worte "glauben" und "vermute" benutzen, denn leider habe ich nicht die Möglichkeit, in der Praxis Vergleiche durchzuführen.
    Das würde mich auf jeden Fall brennend interessieren.


    Gruss :hello:
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Deine Vermutungen kann ich nach meinen Erfahrungen und Diskussionen mit Tontechnikern nur bestätigen.
    Mit einem Minimum an Mikrofonen, also für Stereo nur zwei, eines für jeden Kanal, wofür z.B. Jaecklin in der Schweiz eine spezielle Trennscheibe entwickelt hat, um die Pasenfehler zu minimieren, bekommt man erstklassige Ergebnisse, unter mehreren Voraussetzungen:
    - der Aufnahmeraum muß akustisch optimal sein, was wiederum von Art und Größe des musikalischen Ensembles abhängt, und frei von Störgeräuschen
    - das Ensemble muß gut ausbalanciert sein und in der Lage sein, live ohne Fehler größere Werkteile einzuspielen, denn Schnitte sind bei diesem Aufnahmeverfahren eher hörbar als bei Mehrspuraufnahmen.


    Wenn man dann den optimalen Punkt für die Mikrofonaufstellung findet und die Musiker einen guten Tag haben, ist alles okay. Doch das ist nicht so einfach ...


    Dorian nimmt seine CDs so auf; Harmonic in Paris sogar mit einem speziellen Kunstkopf - die bestklingenden Orgelaufnahmen, die ich kenne. Wie ein großes Orchester bei Dorian klingt, muß man gehört haben! Ähnlich wie die legendären Mercury Living Presence oder RCA Living Stereo, nur etwas plastischer und luftiger.


    Eine halbwegs gut Wiedergabekette braucht man natürlich auch, und natürliche Abhörlautstärke - für Hintergrundgeplänkel ist dieser Aufwand verschwendet.

  • Ein guter Hinweis auf Dorian, vielen Dank!


    Nun finde ich in deren Katalog nicht überwältigend viele Aufnahmen, die ich gerne hätte, aber das Eine oder Andere könnte dabei sein, z.B. die Sonaten für Violine und Cembalo mit Comberti/Tilney.


    Ich finde es nur sehr schade, dass die grossen Labels mit ihren Koryphäen uns diese Art von luftigem, ortungsscharfen, natürlichem und aufgelöstem Klang schon jahrzehntelang vorenthalten. Man sieht es z.B. an einer DVD, die ich besitze: Brahms Symphonie Nr. 4 unter Carlos Kleiber. Über dem Orchester hängt der Himmel des Herkules-Saals voller Mikrofone.
    Dementsprechend klingt es auch, nach einer technischen Produktion, egal ob ich nun auf PCM, Dts. oder Dolby-Digital gehe.
    Bei Mitschnitten aus der Berliner Philharmonie sieht man auch immer diesen Wald von Mikrofonen da herumhängen.
    Wenn man dann ins Konzert geht, dann wundert man sich im ersten Moment immer, weshalb das so ganz anders klingt, jedenfalls dann, wenn man auf einem guten, mittigen Platz sitzt.
    Vor allem die Streicher wirken wärmer, körperhafter und runder, aber auch die Oboen haben viel mehr Klang um sich herum, als man es von manchen häuslichen Aufnahmen her kennt.


    Was die menschliche Anatomie betrifft, so habe ich z.B. nicht 40 fernsteuerbare Ohren, mit denen ich von meinem Platz im Saal an die verschiedenen Musiker heranfahren könnte, um zusätzlich zu hören, wie sich ein Instrument oder eine Gruppe von Instrumenten aus nächster Nähe anhört/anhören.


    Vielleicht klingt ja auch eine Aufnahme mit vielen Mikrofonen über einen Radiorecorder oder eine Brüllwürfel-Anlage besser - ich nehme es sogar an.


    Eine Zeit lang hat die DG mit einem komplizierten Verfahren geworben, mit denen sie durch Zeitverzögerungen etc. wieder den natürlichen Konzerteindruck mit eingerechneten Laufzeitunterschieden künstlich wiederherzustellen wollten. Ich frage mich sehr, ob eine Aufnahme mit zwei Hauptmikrofonen nicht besser geklungen hätte.


    Dass man zu Hause eine gute Anlage in einem optimierten Raum haben muss, um die immensen Unterschiede hören zu können, ist klar.
    Man hört dann aber auch sehr deutlich, wenn es nicht stimmt, leider bei grossen Ensembles zu oft.


    Mit einer etwas geringeren Perfektion könnte ich übrigens leben, wenn dafür wie beschreiben aufgenommen würde.


    Gruss :hello:
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Telarc scheint auch vieles nur mit zwei Mikrofonen aufzunehmen - habe vorhin die Brahms-Sinfonien mit Mackerras zur Hand genommen, da steht drin, welche zwei Neumann-Röhrenmikrofone sie genommen haben. Das reicht für meine Ohren völlig aus - wie man die Klangmischung eines vernünftigen Raumes mit dem Einsatz zahlreicher Mikrofone noch verbessern will, ist mir sowieso ein Rätsel ...

  • Zitat

    Original von Glockenton
    Mit einer etwas geringeren Perfektion könnte ich übrigens leben, wenn dafür wie beschrieben aufgenommen würde.


    Dem kann ich mich nur anschließen!

  • Zitat

    wie man die Klangmischung eines vernünftigen Raumes mit dem Einsatz zahlreicher Mikrofone noch verbessern will, ist mir sowieso ein Rätsel ...


    Das war in der Regel auch gar nicht angestrebt.
    Räumlichkeit in die Tiefe war mit Lautsprechersystemen der Vergangenheit auf Grund ihrer Konstruktion kaum realisierbar. (Man verteilte die Lautsprecher auf der Schallwand recht unregelmäßig um mathematische Beziehungen von Interferenzen zu vermeiden. Das gelang in der Regel auch sehr gut - auf Kosten der räumlichen Wiedergabe in die Tiefe.)


    Angestrebt war vielmehr das Hervorholen einzelner Intrumentengruppen oder Solisten, von denen man fürchtete, sie würden im allgemeinen Klangbrei untergehen. Diese Objekte wurden quasi wie mit einer akustischen Lupe aufgenommen und dann so gut es ging dazugemischt.


    Neue Remasterings bedeuten nicht immer eine echte Verbesserung (im Gegenteil, die Bänder sind ja gealtert) sondern eine Abmiischunge der Quellen nach HEUTIGEM Zeitgeschmack. (Es gibt auch andere Gründe - aber das wäre schon ein eigener Thread......


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



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  • Das Problem ist, daß die allermeisten Aufnahmen nicht nur auf der hochgezüchteten und optimal klingenden Kette im Wohnzimmer klingen müssen, sondern auch im Autoradio, im Küchenradio usw. .


    Also werden Kompromisse eingegangen, welche mir auch oft schwerfallen, sie zu akzeptieren.


    Ein generelles Aufnehmen nur mit zwei Mikros gefällt mir übrigens gar nicht.
    Schon bei einem Cellokonzert würde der Solist, da die visuelle Komponente eines Live-Konzertes fehlt, als überaus leise empfunden werden.


    Natürlich kann man herausragende Ergebnisse erzielen mit nur zwei Mikros, aber der zeitliche Aufwand ist schon enorm groß.
    Das kenne ich aus eigener Erfahrung:


    Damals, als ich selber noch mit einem Freund Aufnahmen machte, haben wir vor allem Choraufnahmen gemacht.


    Eine CD-Produktion war in der Besetzung Soli, Klavier, Chor.


    Da es sich um den Chor meiner Eltern handelte, hatten wir ziemlich viel Zeit, um den Saal akustisch zu präparieren und mit den Aufstellungen der Mitwirkenden zu experimentieren.


    Wir haben dann den Chor in einem Dreieck aufgestellt, den Flügeldeckel abgenommen, die Solisten auf einen Tisch gestellt und das ganze dann mit nur zwei Mikros, welche genau inmitten dieses Aufbaus standen, aufgenommen.


    Das Resultat war umwerfend gut, aber zur Sicherheit haben wir damals (1994) gleichzeitig noch eine Achtspur Multimiking- Aufnahme mitlaufen lassen, denn wir hätten, wenn etwas schiefgelaufen wäre, nicht die Möglichkeit gehabt, zu korrigieren.
    Wir mußten übrigens auch keinen Hall beimischen.


    Opernaufnahmen mit nur zwei Mikros sind ziemlich unmöglich zu realisieren.


    Geschmackvoll und vorsichtig eingesetzte Stützmikros sind eigentlich gar kein Problem, aber meistens werden sie halt nicht geschmackvoll und vorsichtig eingesetzt.


    Dazu kommt dann noch, daß alles häufig überkompressiert wird.


    Aber auch hier gilt: Wenn es geschmackvoll gemacht ist, dann fällt es gar nicht auf.
    Es kann durchaus klanglich von Vorteil sein, wenn in diesem Bereich ein wenig korrigiert wird.


    Bei meinen eigenen Aufnahmen, welche ich im Thread taministen@rapidshare eingestellt habe, sind die Cellokonzerte von Korngold und Miaskowsky mit drei Mikros aufgenommen worden, wobei das dritte Mikro das Stützmikro für das Solocello war.


    Beide Aufnahmen sind kompressiert, aber wetten, daß man es nicht merkt?
    Auf beiden Aufnahmen ist erheblich Hall hinzugefügt worden, da die orginalen Säle sehr trocken und muffig klangen.


    Ich bin mir ziemlich sicher, daß man diese Bearbeitungen nicht hört, da wir vorsichtig vorgegangen sind.


    Mir gefallen beide Live- Aufnahmen zumindest aufnahmetechnisch sehr gut :D, in meinem Wohnzimmer werkelt eine Abhöre mit Spendor-LS und ausgesuchtesten Komponenten davor-das ganze Haus wurde übrigens um die Anlage herum gebaut.


    Mich würde einmal die klangliche Meinung zu diesen vorsichtig bearbeiteten Aufnahmen interessieren.


    Wie schon angemerkt: eine Regel, wie eine Aufnahmen gemacht zu sein hat, ist nicht so mein Ding.


    Wichtiger für mich ist, daß das, was gemacht wird, geschmackvoll und verantwortungsbewußt gemacht wird.


    Leider ist das oft nicht der Fall, es werden nur Routinen ausgeführt, welche einem Standard entprechen, der für die Möglichkeiten, welche vorhanden sind, lachhaft ist.


    Wer einmal ein orginales Master gehört hat, und dann gehört hat, was eventuell daraus gemacht wurde, der wendet sich mit Grauen ab.


    Gruß,
    Michael

  • Soeben habe ich von Tschaikowskys 5. Symphonie den ersten und zweiten Satz in der Aufnahme mit dem RSO Frankfurt unter Eliahu Inbal gehört.
    Aufnahmetechnisch ist es die One-Point-Recording-Version des Denon-Labels, bei der nur zwei Mikros in AB-Technik eingesetzt wurden.


    Die Tatsache, dass ich das hier extra poste, verdeutlicht vielleicht, wie sehr ich beeindruckt bin, obwohl die die CDs ja kenne.


    Es sind die mit Abstand klangtechnisch besten Klassik-Aufnahmen, die ich jemals gehört habe.
    Die Hörner sitzen links hinten, die Klarinette genau in der Mitte, die Posaunen und Trompeten schräg rechts hinten.
    Alles ist vollkommen aufgelöst und luftig, und gerade die Blasinstrumente klingen nicht klein und trocken sondern verschmelzen mit ihrem Klangraum zu einem vollem Klang. Trotzdem hört man alle Frequenzanteile. Eine klangliche Notwendigkeit für Stützmikrofone kann ich hier wirklich nicht entdecken.
    Egal ob pp oder ff, die Streicher klingen niemals hart oder nervig sondern weich und mit richtigem Anstrichanteil.
    Eine derartig echt wirkende, unkomprimierte Dynamik kenne ich so auch nicht von meinen anderen Aufnahmen.


    Insgesamt bin ich aufgrund dieser Aufnahmen der Überzeugung, dass diese Technik für Stereoaufnahmen die mit Abstand glaubhaftesten Ergebnisse liefert.
    Das Wort "glaubhaft" möchte ich noch einmal zusammenfassend betonen, manchmal klingt es schon erschreckend glaubhaft.
    Es hört sich einfach weniger nach Stereoanlage oder Hifi an, sondern kommt dem "Echteindruck" wohl so nahe, wie es bei Stereo nur möglich ist.
    Manche Surroundaufnahmen die ich habe, kommen an diesen luftigen, samtigen, warmen und dynamischen Klang nicht heran, selbst wenn sie von der grundsätzlich technisch überlegenen SACD kommen.
    (Wie ein echtes Orchester klingt, konnte ich vor einigen Wochen gerade bei den Proben zu unserer Paulus-Aufführung hören, die ich auch mit zwei AKG-Mikros mitgeschnitten habe - es ist irgendwie vom ersten Ton an doch anders als das meiste, was man von CDs so kennt)


    Wenn ich mir nur vorstelle, dass meine Lieblingseinspielungen alle derart gut klängen...
    Das wäre wirklich ein (leider unrealistischer) Traum.


    Leider dachte und denkt man da eben kommerziell, und dann geht es um Wiedergabegeräte wie Küchenradio, Autoradio...so wie im vorhergehenden Beitrag schon beschrieben.


    Vielleicht könnte man zukünftig die neuen Aufnahmen in zwei Versionen herausbringen? Eine Consumer-Verion, die mp3 + küchenradiotauglich ist, und dann eine audiophile Version für die Leute, die weder beim Equipment, beim Hörraum noch bei der korrekten Aufstellung irgendwelche Kompromisse machen wollen.
    Sie müssten eben nur die Hauptmikrofone in möglichst guten Räumen optimal platzieren und dann zwei Versionen von ihrem Pro-Tools (oder was sie nehmen) ziehen.
    Auf einem High-End-Kopfhörer hören sich solche Aufnahmen übrigens auch besser als die "normalen" an. Man meint, sich in einem viel grösserem Raum zu befinden.
    Das Ohr ist ein empfindliches Sinnesorgan, und es lässt sich nicht so schnell täuschen wie das Auge.


    Man wünscht sich nur, dass einige Verantwortliche von Recording-Gesellschaften hier mitlesen und Wünsche, wie die hier geäusserten, endlich beginnen ernst zu nehmen.
    Vielleicht mögen ja Leute wie ich eine Minderheit innerhalb der Minderheit der Klassikhörer darstellen, aber wir sind auch Menschen, und an uns kann man auch Geld verdienen...


    Gerne wüsste ich mehr über die verwendeten Aufnahmeverfahren und Philosophien der unterschiedlichen Labels, und hier nicht nur die audiophilen Nischen-Labels.
    Wenn einer mehr weiss, bitte nur heraus damit.


    :hello:
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • ...also mich würde das schon interessieren. Klar, ist die Idee nicht neu: Disney hat 1940 den Fantasound für sein Meisterwerk "Fantasia" erfunden und für "Dornröschen" in den 50ern vervollkommnen lassen. Da das Ganze aber zu kostspielig war, konnte man dererlei nur in ausgewählten Kinos genießen. ich kam leider nie in den Genuss. insofern wäre ich sehr an diesem Aufnahmeverfahren interessiert. Wann soll denn da was veröffentlicht werden?

  • Auf der Webseite von Peter M. Pfleiderer gibt es einige wenige Aufnahmen in der seiner Philosophie entsprechenden Aufnahmetechnik ( einfach den Namen googeln)


    Wenn ich mir seine Grundsätze auf der Webseite durchlese, so gibt es aus meiner Sicht viele gute Ansätze.
    Allerdings stimme ich in zwei Punkten nicht überein:


    1. Man sollte nicht versuchen, die Akustik des Aufnahmeorts abzubilden.


    Natürlich sollte man das.
    Bei einer gut aufgenommenen Stereo- oder Surroundaufnahme bildet sich der "virtuelle" Eindruck des Hörraums im Sweet-Spot ganz wunderbar ab, wenn die Abspielanlage korrekt aufgestellt wurde und der Hörraum nicht stört.


    Das führt mich zum zweiten Punkt, mit dem ich nicht übereinstimme:


    2. Der heimische Hörraum soll mit seiner Akustik irgendwie auch noch etwas Gutes beitragen.


    Nur durch zuviel Nachdenken kommt man wohl zu solchen Meinungen.


    Zunächst wird jedes Wohnzimmer eines CD-Konsumenten anders klingen .
    Ausserdem will ich hören, was auf der Aufnahme enthalten ist, nicht was irgendein Hörzimmer mit seinen Reflexionen verfälschend "beizutragen" hat.


    Meinen Hörraum habe ich mit Schaumstoffnoppen an den Wänden vollständig bedämpft.
    Ich kann nur bezeugen, dass diese Massnahme das Wiedergabeniveau enorm gesteigert hat.


    Man sieht es ja auch bei der Kopfhörerwiedergabe:
    Da gibt es bekanntermassen gar keine störenden Raumeinflüsse.
    Wer einen wirklich guten Kopfhörer hat, der wird bestätigen können, dass man schon eine Menge Geld in die Lautsprecher und den Raum investieren muss, um ein ähnlich sauberes Klangbild zu erreichen.
    Die bekannten Nachteile der Kopfhörerwiedergabe sind ja die Im-Kopf-Lokalisation (das Orchester spielt im Kopf und nicht vor einem), die nicht fühlbaren Tiefbässe und das man überhaupt etwas Technisches auf dem Kopf tragen muss.
    Auf jeden Fall wirkt sich das Nichtvorhandensein eines Hörraums hier aber sehr positiv auf die Wiedergabe aus.


    Aus Neugier habe ich mir den Anfang einer Haydn-Symphonie von der Webseite geladen.
    Merkwürdigerweise wird die Datei bei mir mono abgespielt. Warum nur ? ?(
    Also wahnsinnig gut klingt das jetzt nicht...


    Eine Aussage Pfleideres ist aber auf jeden Fall sehr richtig:
    Die meisten der heutigen klassischen Aufnahmen könnten noch viel besser sein, als sie sind.


    Um einmal ein Gegenbeispiel zu meinem vorhergehenden Hörbericht der Denon-One-Point-Recordings zu geben, möchte ich hier den Höreindruck einer schlechten, mit einem Wald von Mikrophonen abgenommenen Aufnahme zum Besten geben:


    Soeben habe ich eine extrem schlecht aufgenommene Aufführung der 2. Symphonie von Brahms ertragen.
    Da es eine DVD ist, kann man auch sehen, woran es wahrscheinlich liegt:


    Im ganzen Orchester (Israel Philharmonic) sind schätzungsweise 40 Mikrophone verteilt.
    Der Klang ist hart, rau, unangenehm, so tiefenräumlich wie eine flache Wand, richtig hässlich.
    Die Bildqualität ist dahingehend gut und wird durch den Blueray-Player mit Upscaling noch verbessert. Umso irritierender wirkt auf mich der Kontrast zur nicht vorhandenen Klanggüte.
    Die PCM-Stereospur (immerhin CD-Standard mit 44,1 kHz, 16bit Wortbreite) klingt schlichtweg katastrophal, die Dolby-Digital-Spur -man soll es kaum für möglich halten- noch schlechter.
    Eigentlich ist das aber kein Wunder, da sie ja auch noch datentechnisch komprimiert ist.
    Den Bemühungen Sinopolis und der Musiker wirkt dieser "Klang" regelrecht entgegen.
    Eine alte Furtwängler-Aufnahme ertrage ich da besser, weil die vollständig nach "historisch" klingt.


    Wenn ich irgend einem meiner Tonträger den Preis für den schlechtesten Klang geben müsste, dann wäre das dieser.
    Zum Glück habe ich hierfür nur 1,-EUR ausgegeben (Saturn-Wühltisch)


    Mehr wäre so ein Klang auch nicht wert.


    Es bleibt zu hoffen, dass sich bei Tonmeistern für klassische Musik zunehmend die Erkenntnis durchsetzt, das Weniger mehr ist.
    Dass man die wenigen Mikrophone dann natürlich sehr sorgfältig positionieren muss und ausgezeichnete Räume braucht, hatten wir ja schon weiter oben.


    :hello:
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Aufnahmetechnik und HIFI war ein Hobby in meiner Jugend - ich habe aber aufgegeben, mich damit zu beschäftigen, weil ich resigniert habe. Zu viele ungelöste Probleme gibt es in dieser Hinsicht - Wenn mann die meisten davon kennt, dann wundert man sich, daß Tonaufnahmen überhaupt so etwas Ähnlichese wie die Wirklichkeit abbilden können......


    Heute höre ich vermutlich nicht mehr den gesamten Frequentbereich, was die Beschäftigung mit originalgetreuer Reproduktion erschwert.


    Aber denn och hat mich der Hafer gestochen, als ich folgendes gelesen habe:


    Zitat

    1. Man sollte nicht versuchen, die Akustik des Aufnahmeorts abzubilden.


    Das höngt von den Umständen ab.


    In der Tat ist es ja so, daß wenn der Aufnahmeraum abgebidet wird, er sich mit der Akustik des Wiedergaberaumes vermischt - Ein Graus.


    Deshalb wurden ja ursprümglich in Abhörstudios wiedergegeben. Die waren (zumindest theoretisch "schalltot und mischten keine weiterern Reflexionen in das Nutzsignal.


    Es funktioniert eigentlich nur mit Kopfhörern - und zudem perfekt nur mit Kunstkopfstereophonie...

    Zitat

    2. Der heimische Hörraum soll mit seiner Akustik irgendwie auch noch etwas Gutes beitragen.


    Ich habe dass mal anders, aber dennoch geistesverwandt formuliert:
    WENN schon Verfälschungen gegenüber dem Original unvermeidbar sind, dann sollen sie wenigstesn ANGENEHM sein...


    Ich gehen davon aus, daß hier etwas ähnliches gemeint wurde...


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Zitat

    Original von Alfred_Schmidt
    Aufnahmetechnik und HIFI war ein Hobby in meiner Jugend - ich habe aber aufgegeben, mich damit zu beschäftigen, weil ich resigniert habe. Zu viele ungelöste Probleme gibt es in dieser Hinsicht.
    ...
    WENN schon Verfälschungen gegenüber dem Original unvermeidbar sind, dann sollen sie wenigstesn ANGENEHM sein...


    Ich kann dem nur beipflichten, habe auch (zu) lange versucht, des Phantoms 'Originalklang' habhaft zu werden - vom Schliff der Abspielnadel bis zum Tennisballeinsatz :no:. Es kann immer nur um eine Annäherung gehen - wobei als erstes schon mal die Frage Annäherung an was (Platz 24 in Reihe 5 in Block A oder Platz 5 in Reihe 24 in Block Z) für alle Zeiten ungelöst bleiben muß.


    Im späteren Verlauf hat sich für mich als entscheidende Voraussetzung die richtige Aufstellung der Lautsprecher im Raum entpuppt. Gilt m. E. für alle Anlagen, egal auf welchem Qualitäts- und/oder Preisniveau.


    Freundliche Grüße


    Helmut Andres