Hat Klassische Musik eine Zukunft ?

  • Hallo Johannes,


    Zitat

    Es liegt also am schlechten "Marketing"?


    Nicht Marketing, ich meine die allgemeine Aussenwirkung innerhalb der Gesellschaft.
    Das Marketing bei der Klassik ist m.E. sogar mitverantwortlich, dass der Kahn in diese Schieflage gekommen ist. Das, was da zur Zeit läuft, ist doch werbetechnisch unterstes Niveau, das ist doch bloß plumpes Anbiedern in Kombination mit ein paar leeren Phrasen, mit der Folge dass der Kenner nach dem Motto "Augen zu und durch!" verfahren muss, derweil der zaghaft interssierte Laie eher abgeschreckt, denn angezogen wird.


    Zitat

    Reizüberflutung, Zapping-Rezeptionshaltung, die die Aufmerksamkeitsspanne auf wenige Minuten reduziert, mangelhafte kulturelle Bildung an allgemeinbildenden Schulen, eine alles verschlingende Unterhaltungsindustrie mit einer auch in öffentlich-rechtlichen Medien dominante Popkultur.


    Eine schöne Beschreibung des Gegners, der ich voll zu stimme, bloß wie sieht der Gegner uns?


    Viele Grüße
    John Doe
    :hello:


    P.S. Wenn du mal für gewisse Zweckentfremdungen einen Leiterhalter brauchst, gib mir Bescheid. ;)

  • Klassik, das bedeutet für unsere jüngsten Mitarbeiterinnen: wenn der Chef am Weihnachtsessen sein Streichinstrument malträtiert. Privat hören sie sowas nicht, Punkt. Ich kenne wenige junge Leute, die auch nur schon was mit Opern oder Symphoniekonzerten anfangen können, geschweige denn mit Kammermusik oder Liedern - ausser natürlich Musiker, und von denen gibt es in unserem Umfeld viele und gute, die mit der gleichen Begeisterung dabei sind wie in der Generation meiner Grosseltern. Vielleicht ist die klassische Musik das, was man auf englisch "an acquired taste" nennt. Aber mir scheint durchaus, dass ein Generationenwechsel stattfinden wird. Das hiesige Tonhalle-Publikum ist grossteils im Ruhestand. Manchen von den Jüngeren, die man dort sieht, ist anzusehen, dass sie aus Prestigegründen hingehen und nicht aus Interesse; entsprechend tuscheln die aufgetakeltsten Konzertgänger am meisten. All das führt dazu, dass Konzerte dort auf Nicht-Habitués eher abschreckend wirken. Wenn der Nachwuchs die Klassik nicht live kennenlernt, wo dann? Auf Tonträgern? CDs kaufen die unter 30jährigen nicht mehr so oft. Man downloadet, oder wie immer das auf neudeutsch heisst. Das letztemal habe ich vor vielen Jahren auf so einer Download-Seite vorbeigeschaut und interessehalber geguckt, was sie an Klassik haben. Es schien mir ein potentiell gangbarer Weg, den musikalischen Horizont zu erweitern und einzelne Stücke kennenzulernen, wenn man nicht immer gleich ne ganze CD kaufen will. Aber... online gibts nur, was man eh schon kennt. Dieses karge Angebot scheint mir das Desinteresse an der klassischen Musik zu reflektieren, die ich am lokalen Nachwuchs beobachte. Das stimmt eher skeptisch. Seither habe ich folgerichtig nie wieder Download-Seiten angeguckt. Vielleicht ist es inzwischen besser? Wissen die jüngeren Teilnehmer hier mehr?


    Aber ich schweife ab. Wenn es tatsächlich eine Generationenfrage ist, ob man klassische Musik schätzt oder nicht, dann wird irgendwann auch der politische Konsens schwinden, diese Art von Kultur mit viel Geld zu unterstützen. Hierzulande wird sie heftig subventioniert. Ob sie in Mitteleuropa ohne Staatsgelder lebensfähig bliebe, sei dahingestellt. In den USA läuft es anders, aber da ist das Kulturangebot in Städten von der Grösse Zürichs entsprechend dürftig.


    Entweder kommt der Nachwuchs bzw. ein Teil davon in mittleren Jahren noch auf den Geschmack, oder sonst sehe ich langfristig nur noch ein Nischendasein für die klassische Musik. Tragisch wäre das nicht; aussterben sehe ich das Genre ebensowenig wie Ihr alle. Bin ich zu pessimistisch?

    writing about music is like dancing about architecture

  • P.S. Marketing: absolut einverstanden! So kommts bei den Jungen noch am besten an. Braucht nicht immer schlecht zu sein; auf der Seebühne der Bregenzer Festspiele sieht man erheblich mehr junge Gesichter als im Zürcher Opernhaus.

    writing about music is like dancing about architecture

  • Da hat unsere Tonhalle scheinbar ein gelungeneres Konzept. Die 'Düsis' haben schon vor einigen Jahren eine aufwendige Promotion-Kampagne gestartet, am Konzept der Abonnement-Konzerte gefeilt, mit dem 'Star-Talk' vorab die Möglichkeit gegeben, Ausübende live im Gespräch zu erleben und mit den Sonntags-Nachmittags-Konzerten auch wieder jüngere Eltern und Menschen im Berufsleben ins Haus gelockt.


    Ich hoffe, das etwas von dieser Wirkung auch Nachhaltigkeit beweisen wird.

  • Klassische Musik (wir alle wissen, wie unscharf der Begriff sein mag) - die war immer nur für etwa 4% der Bevölkerung Mitteleuropas ein regelmäßiger Teil ihres Lebens.


    Das war zu Zeiten von Louis XIV. nicht anders als heute. Ich sehe keinen Grund, warum es nicht bei diesen 4% bleiben sollte. Weder in die eine noch in die andere Richtung.


    Es mag sein, dass der Trend zu Ganztagsschulen Kinder davon abhalten könnte, ein Instrument zu lernen. Das könnte einen Einfluss auf die Affinität zu klassischer Musik haben. Über das Thema weiß ich aber zu wenig.

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  • Zitat

    Original von Wolfram
    Klassische Musik (wir alle wissen, wie unscharf der Begriff sein mag) - die war immer nur für etwa 4% der Bevölkerung Mitteleuropas ein regelmäßiger Teil ihres Lebens.


    Das war zu Zeiten von Louis XIV. nicht anders als heute. Ich sehe keinen Grund, warum es nicht bei diesen 4% bleiben sollte. Weder in die eine noch in die andere Richtung.
    ...



    ...das ist leider ein unsinniger Vergleich. Zu Zeiten Ludwig, des 14. hatten auch nur 4% der Bevölkerung Zugang zu Bildung in nennenswertem Umfang.


    Das ist heute ein wenig anders. Die Akademikerquote liegt bei 21%.


    Relativ zum Anteil der Gebildeten ist also Anteil der Klassikhörer rückläufig.

    marta

  • Hallo Wolfram!


    Wenn es die Menschen wollen (und auch die Politiker), so kann gerade die Ganztagsschule die Musikausbildung fördern. Warum?
    Kinder brauchen Abwechslung, somit wäre es ideal, wenn im Tagesablauf einer Ganztagsschule sowohl Sport als auch Musikausbildung an einem Insturment angeboten würden. Zeit wäre in einer Ganztagsschule ja vorhanden.



    lg,
    Franz

    Sagt nicht:"Ich habe die Wahrheit gefunden", sondern:"Ich habe eine Wahrheit gefunden." (Khalil Gibran; Der Prophet, dtv, 2002)

  • Zitat

    Original von Franz Laier


    Wenn es die Menschen wollen (und auch die Politiker), so kann gerade die Ganztagsschule die Musikausbildung fördern. Warum?
    Kinder brauchen Abwechslung, somit wäre es ideal, wenn im Tagesablauf einer Ganztagsschule sowohl Sport als auch Musikausbildung an einem Insturment angeboten würden. Zeit wäre in einer Ganztagsschule ja vorhanden.


    Das wird von den Ganztagsschulen auch angestrebt, die neu dazukommen, dass die Angebote der Sportvereine und der Musikschulen auch in die Schulen verlagert werden. Sonst wäre das Aussterben der Musikschulen u.ä. vorprogrammiert.


    :hello:
    Jolanthe


  • Ich denke auch, dass Ganztagesschulen sehr förderlich sein können. Ich bemerke es selber an meiner Schule (die zwar keine Ganztagesschule ist), dass vor allem die musikalischen Zusatzprojekte, wie Big Band, Chor, Orchester etc. einen regen Ansturm haben. Im Vergleich zu sportlichen Angeboten sind die Musik-AG's meiner Schule allesammt besser besetzt. Selbiges habe ich auch bei mehreren anderen Schulen schon feststellen können, weshalb ich die Schule doch sehr förderlich für die Musikalität der Jugend halte.


    Zum Thema allgemein:
    Ich denke nicht, dass die klassische Musik irgendwann komplett einmal aussterben wird, doch dass die bereits mehrfach angesprochene Minderheit der Klassikhörer immer weiter abnehmen wird, halte ich für realistisch, denn klassische Musik hat schon lange keinen bedeutenden Stellenwert neben Rock und Pop mehr, wie sie es einmal hatte - doch geben wird es sie immer.

    Zitat von André Glucksmann:
    Philosophieren bedeutet zuallererst, gegen die eigene Dummheit zu kämpfen.

  • Dank diverser Musiker-Jubiläen hat die Musikindustrie im Klassikbereich Umsatz-Zuwächse zu verzeichnen:


    Zitat

    Zahlreiche Veröffentlichungen anlässlich der Jubiläen berühmter Komponisten wie Händel, Haydn oder Mendelssohn liessen die Zahl der verfügbaren Klassik-Produkte 2009 von 53'874 auf 61'963 um 15 Prozent steigen.
    In einem insgesamt leicht rückläufigen Musikmarkt stieg der Umsatz mit klassischer Musik laut dem deutschen Bundesverband Musikindustrie um 10 Prozent - von 108 auf 119 Millionen Euro.


    Der Absatz von Klassik-CDs konnte sogar um 16,7 Prozent von 12,6 Millionen im Jahr 2008 auf 14,7 Millionen Stück im Jahr 2009 zulegen und erreicht damit den höchsten Wert seit 2003.


    Besonders auffällig ist, dass immer häufiger jüngere Menschen zur Klassik greifen. So stieg 2009 der Anteil der Klassikkäufer bei den 10- bis 19-Jährigen im Vergleich zum Vorjahr von 1,3 auf 1,8 Prozent und bei den 20- bis 29-Jährigen sogar von 2,7 auf 4,7 Prozent. (Quelle = cf)


    Das läßt doch hoffen - oder?


    LG


    :hello:

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

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  • Zitat

    Original von Alfred_Schmidt



    Diese Schicht gibt es meiner Meinung nach nämlich noch durchaus immer, sie ist aber heute durchaus anders zusammengesetzt als man es sich vorstellt. Es gibt den kleinen und mittleren kulturbeflissenen Angestellten´, der an dies Stelle des adeligen Grußgrundbesitzers und des reichen Fabrikanten getreten ist, die Manager von heute sind ja heutzutage meist eher mit Einfalt und Ahnungslosigkeit gesegnet, sie verbergen dies hinter kryptischen Anglizismen, die Bildung wirtschftlicher Art vortäuschen wo oft gar keine ist, und natürlich schon gar keine humanistische. Die Gesellschaft ist hier im Wandel begriffen, Bildung beginnt langsam wieder ihren Stellenwert zurückzubekommen, und einst wird jemand das Dogma verbreiten, daß nur jene Leute imstande wären ein Unternehmen vor roten Zahlen zu bewahren, die Shakespeare gesehen, Kant und Schlegel gelesen und mit Mozart und Beethovens Musik schon im Kindesalter gefüttert wurden. Aber noch ist es nicht soweit.


    Im Sinne einer Definition, wonach unter dem Begriff Bildungsbürgertum eine Mitte des 18. Jahrhunderts in Europa neu entstandene einflussreiche Gesellschaftsschicht versteht, die sich durch humanistische Bildung, Literatur, Wissenschaft und Engagement im Staate auszeichnete [Wikipedia] dürfte es diese Schicht in der Tat nicht mehr geben. Jedenfalls spielt sie keine signifikante Rolle mehr. Sie dürfte in dem aufgegangen sein, was man das Wirtschaftsbürgertum bezeichnet, also eine Schicht, die sich nicht durch humanistische Bildung, sondern wirtschaftlich Leistungsfähigkeit definiert. Schuld daran dürfte nicht zuletzt die uneinheitliche Schulbildung sein, die einen Kanon von humanistischer Bildung systematisch zu Gunsten anderer Lernfelder verdrängt hat.


    Der Umstand, dass die klassische Musik gleichwohl fröhliche Urstände feiert - Harald hat ja auf die Verkausfzahlen hingewiesen - belegt aber, dass die Ausgangsthese von Kasier bereits falsch ist. Klassische Musik ist eben nicht an eine bestimmte Schicht gebunden - auch wenn diejenigen, die dieser Schicht insgeheim oder offen nachtrauern - das gerne anders sehen würden.


    Musik, gleich welcher Richtung - ob Heavy Metal, Folkore, Pop/Rock oder eben klassische Musik - ist nicht an bestimmte Gesellschaftschichten gebunden. Musikstile werden quer durch alle Schichten gehört.


    Meinen Vorschlag einer Umfrage, welcher Schicht die Taminos angehören (Selbsteinschätzung Einschätzung anhand objektiver Merkmale) habe ich nur halb ernst gemeint. Man könnte so etwas ja auch anonym machen. Aber das ist nicht der Punkt. Ich glaube, und Alfred hat das ja auch schon fast bestätigt, dass die Forenmitglieder sich auf alle möglichen Schichten verteilen. Nur über die porzentualen Anteile könnte man sich vermutlich noch trefflich streiten.


    Viele Grüße,


    Bernd

  • Hallo!


    Auch ich denke, dass jene Musik, welche unter dem Begriff "klassische Musik" zusammengefaßt wird, noch lange gehört werden wird. Speziell wenn ich daran denke, dass jetzt vom einen oder anderen Künstler wieder lange Zeit nicht beachtete Komponisten neu vorgestellt werden und auch gerne gekauft und gehört werden.
    Oder wenn eine CD mit Chorälen plötzlich in den Charts auftaucht.


    Was sich ev. ändern könnte ist, wie sich das ganze finanziert. In einem Beitrag wurde ja schon die Situation in Amerika angesprochen: Wenn es keinen privaten Wohltäter gibt oder jene die sich für die Klassik interessieren zuwenig Geld dafür ausgeben, wird die Angebot weniger werden.


    Selbst wenn ein privater Sponsor in ein Projekt für klassische Musik investiert, so ist der Erfolg oft auch nur gegen Widerstand erreichbar, wie man zur Zeit beim Konzertsaal für die Wr. Sängerknaben sehen kann. Manche/Viele Bürger interpretieren das als Eliten-Projekt und lehnen es ab.
    Für den an klassischer Musik interessierten Bürger, kann das bedeuten, dass in Zukunft die Kartenpreise für Konzerte und Opernaufführungen höher werden, falls die Subventionen weniger werden.
    Das kann auch zu höheren Preisen bei CDs führen, wenn Orchester auf Einnahmen aus diesen angewiesen sein könnten, weil auch Subventionen gestrichen werden könnten.


    Und trotzdem glaube ich, dass klassische Musik eine Lange Zukunft hat. Es sei den alles wird den Sachzwängen und der Nützlichkeit geopfert.


    lg,
    Franz

    Sagt nicht:"Ich habe die Wahrheit gefunden", sondern:"Ich habe eine Wahrheit gefunden." (Khalil Gibran; Der Prophet, dtv, 2002)

  • Zitat

    Der Umstand, dass die klassische Musik gleichwohl fröhliche Urstände feiert - Harald hat ja auf die Verkausfzahlen hingewiesen - belegt aber, dass die Ausgangsthese von Kaiserr bereits falsch ist. Klassische Musik ist eben nicht an eine bestimmte Schicht gebunden - auch wenn diejenigen, die dieser Schicht insgeheim oder offen nachtrauern - das gerne anders sehen würden.


    Kaiser hat niemals behauptet, daß klassische Musik ans Bildungsbürgertum gebunden sei.
    Er hat nur gemeint, daß jene Wichtigkeit, die das Bildungsbürgertum bis in die 60er 70er Jahr (und teilweise auch später) der klassichen Musik einräumte, heute nicht mehr gegeben sei. Das kann ich eigentlich nur unterschreiben,


    Ich glaube doch, daß gewisse Musik gewissen Gruppen zugewiesen werden kann, auch wenn es das "Bildungsbürgertum" nicht in seiner eigentlichen Form gibt, so gibt es doch die "bildungsbürgerliche ATTITÜDE" - eine gewisse Grundhaltung also, die jener des Bildungsbürgertums gleicht - ohne daß deren Vertreter wikliche Mitglieder dieser Schicht sein müssen.


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Zitat

    Original von Alfred_Schmidt
    ...
    Ich glaube doch, daß gewisse Musik gewissen Gruppen zugewiesen werden kann, auch wenn es das "Bildungsbürgertum" nicht in seiner eigentlichen Form gibt, so gibt es doch die "bildungsbürgerliche ATTITÜDE" - eine gewisse Grundhaltung also, die jener des Bildungsbürgertums gleicht - ohne daß deren Vertreter wikliche Mitglieder dieser Schicht sein müssen.


    Wenn das stimmen sollte, stellt sich mir die weitere Frage im Hinblick auf die Unterscheidung von "Populärklassik" und "richtiger Klassik", ob diese auch von unterschiedlichen Schichten gehört wird ? "Richtige Klassik" für das Bildungsbürgertum - soweit es das noch gibt - und "Populärklassik" für den Rest ?


    Vielleicht nimmt die Musikindustrie selbst auf diese Unterscheidungen und die verschiedenen Zielgruppen Rücksicht ? Das wäre nur eine Vermutung von mir.


    Viele Grüße,


    Bernd

  • Hallo, liebe Forianer,


    ich glaube, wenn die klassische Musik eine Zukunft hat, dann liegt sie auf der Seite der Komponisten sicherlich in der Vergangenheit, und die Brücke zwischen Vergangenheit und Zukunft kann nur durch die Interpreten geschlagen werden.
    Der Nährboden für das Interesse an der klassichen Musik kann nur in den Schulen liegen, wenn der Musikunterricht endlich wieder die Bedeutung erlangt, die ihm gebührt und nicht nur als stille Vertretungsreserve in den Stundenplänen herumvegitiert und in den Musikbüchern die Geschichte der klassichen Musik wieder breiteren Raum einnimmt.
    Solche Erlebnisse, wie ich sie vor etlichen Jahren hatte, als eine (noch junge) Mutter eines Schülers auf dem Elternsprechtag vor mir saß und mir gestand, sie werde es nie vergessen, wie ich (als ihr ehemaliger Musiklehrer) mit ihrer Klasse die Zauberflöte durchgenommen hätte, waren leider in meiner ganzen Zeit als Musiklehrer sehr selten. Auch denke ich zurück an den seltenen Fall, als ich eine Klasse erhielt (im 5. Schuljahr), die tatsächlich noch singen konnte, und so nahm ich mit dieser Klasse das Lied "Das Wandern" durch und zwar einmal in der Volksliedversion und einmal als Kunstlied aus dem Zyklus "Die schöne Müllerin" von Schubert. Und was soll ich sagen, die Schüler (es waren Hauptschüler) sangen lieber Schuberts Version, und so haben wir dieses wunderschöne Lied auf der Schulentlassung aufgeführt. Selbstverständlich sangen wir auch die vierte Strophe "Die Steine selbst, so schwer sie sind.." im langsameren, schweren Rhythmus. So eine Gruppe habe ich nie wieder gehabt.
    In dem Maße, wie das Singen an Grundschulen immer mehr zurückgeht, die Kunde der Noten und der Instrumente immer mehr zurückgeht, wird es immer schwerer werden, das Interesse an der klassichen Musik in unserer heutigen Jugend wachzuhalten.


    Liebe Grüße


    Willi

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

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  • Lieber Willi,


    die Erfahrung habe ich im Musikunterricht auch gemacht. Wenn die Kinder einen guten Musikunterricht in der Grundschule hatten, dann kann man wunderbar darauf aufbauen.
    Manchmal hat man solche Klassen, die offen für alles sind und die Grundlagen werden wirklich schon in der Grundschule gelegt.
    An eine Klasse erinnere ich mich, die es jedes Mal bedauerte, wenn eine Musikstunde ausfiel, weil ich wieder mal in einer anderen Klasse vertreten musste. Diese Klassen sind dann offen für alles was man ihnen anbietet, ein highlight in unserem Lehrerdasein.


    Liebe Grüße
    :hello:
    Jolanthe

  • Ich giaube nicht an den "Musikunterricht" als prägende Kraft. genausowenig wie man mich im Turnunterricht zur "Freude an der Bewegung" animieren konnte - ich habe dieses Fach gehasst, immer Angst gehabt ich könnte mir eine Schramme holen, mir etwas verstauchen oder brechen oder schmerzhaft fallen.
    Vermutlich ist diese Unlust , auch bei Klassikunwilligen vorhanden.


    Klassik braucht keine "Erziehung" auch Freunde des guten Essens und Weintrinker benötingen in der Regel keine Schuilung. Vielleicht fehlt vielen die letzte Feinheit zum "Kenner" - aber der Freude tut das keinen Abbruch.


    Ich bin eher ein Vertreter der These von der genetschen Vorbestimmung zur "klassischen Musik"


    GEGEN die Theorie von der Klassikerziehung als positiver Faktor sprechen auch die Verkaufszahlen sogenannter Klassikzeitschriften und die Besucherfrequenz in Klassikforen.
    Wenn ich den deutschen Sprachraum mit ca 100 Millionen Einwohnern annehme und einer von 2000 Einwohnern im Klassikforum mitlesen würde, dann hätten wir 50.000 Mitleser. Wenn wir nun noch annehne, es würden hievon 20% aktiv mitschreiben - dann wären das immerhin noch 10.000 Mitglieder. Die Realität siehr indes anders aus. Aufrecht erhalten wird ein Forumn in etwa von 100 - 150 Mitgliedern - wenn es hoch kommt.


    Klassische Musik hat also - hierin irrt Kaiser nicht - allenfalls noch marginale Bedeutung - und ist für die Industrie, die in profitable Produkte investieren will - völlig uninteressant,


    Erschwerend kommt noch hinzu, daß wir ja ein Gratisprodukt anbieten.
    Alle sonstigen Ausreden, wie, zu teurer Preis, Bekleidungsvorschriften etc haben hier keine Gültigkeit.....


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • In meiner Wahrnehmung war die Größenordnung der Klassik-Hörerschaft immer vergleichsweise klein . Alle Bestrebungen der Popularisierung haben nicht wirklich nachhaltig gewirkt, zumindest nicht im Sinne einer massenhaften Heranführung von Menschen an klassische Musik. Die Produzenten - zumindest die Majorlabel - haben auch gar kein Interesse daran, dass aufzubrechen, denn sie denken vor allem betriebswirtschaftlich. Man würde den Hebel mittels Marketings massiv ansetzen müssen - das kostet. Da ist das Geld schneller mit Popularmusik verdient, die auch noch günstiger herzustellen ist (zumindest im Vergleich zu orchestraler Klassik). Den Indies fehlen die finanziellen Möglichkeiten, um hier überhaupt eine relevante Wahrnehmung zu erzielen. Der Zugang zur Klassik kann meiner Ansicht nach vorwiegend über entsprechende Angebote und Kontaktmöglichkeiten im Kindesalter erfolgen (Schulen, Musikschulen, Kinder ins Konzert, Erlernen von Instrumenten...). Da ist dann zumindest ein Grundstein gelegt.Konzertkarten - zumindest für Veranstaltungen der Hausorchester - sind in den günstigen Kategorien nicht teurer - häufig sogar günstiger - als entsprechende Tickets von Musikern aus dem Bereich der Rap und Pop-Musik. CDs sind via diverser Budgetlabel und Reihen im Preis in den vergangenen Jahren relativ gesehen sehr deutlich gesunken. Die Zugangsmöglichkeiten via Radio, YouTube diverser kostenfreier Streamingmöglichkeiten sind zudem gegeben.Liebe Grüße

    Patrik

    Musik ist höhere Offenbarung als alle Weisheit und Philosophie. Wem meine Musik sich verständlich macht, der muß frei werden von all dem Elend, womit sich die anderen schleppen.

    Ludwig van Beethoven


    Bruckner+Wand So und nicht anders :)

  • Gibts beim Jazz eigentlich auch das Weltuntergangsgerede?

    Ja natürlich.

    Kaiser tendiert seit je zum Schwätzen, weniger zum Argumentieren...

    Dieser Meinung bin ich nur bedingt.

    Man kann zwar nicht sagen, wann denn eigentlich sein Zenit war, aber als die erste Auflage seine berühmten Buches erschien, da war er 37 und voller Aufgeschlossenheit damals aktuellen Pianisten gegenüber - das Buch wurde (und das nicht ohne Grund) schnell zu Bibel der Klavierkritik.

    'Und Kaiser wurde allmählich zum Kritikerpapst hochstilisiert. Wenn man das laufend hört, dann beginnt man es allmählich zu akzeptieren.

    Und dann wid man älter - und hofft, daß die anderen es nicht merken. Man erstarrt und verbirgt sich hinter seien Maske der Allwissenheit. Wobei im Falle Kaisers das gar nichwirklich so war- In der letzten erschienen Auflage seines Buches erklärte er im Vorwort, daß sein Interesse am Thema allmählich erlahme - und er sorgte für einen Nachfolger, dar allerding bereits kurze Zeit später verstarb.

    Immer wenn "charismatische" Persönlichkeiten allmählich Charisma verlieren, dann macht sich die Meute über sie her -in bemerkenswerter Parallele zum alternden "Alphatier"... Si dichtee man Kaiser zahlreiche negative Eigenschaften an, die kritiklos weitergegeben wurden...


    Klassische Musik (wir alle wissen, wie unscharf der Begriff sein mag) - die war immer nur für etwa 4% der Bevölkerung Mitteleuropas ein regelmäßiger Teil ihres Lebens.
    Das war zu Zeiten von Louis XIV. nicht anders als heute. Ich sehe keinen Grund, warum es nicht bei diesen 4% bleiben sollte. Weder in die eine noch in die andere Richtung.

    Ich war ofr - eigentlich fast immer - unterschiedlicher Meinung mit Wolfram -

    Aber HIER bin ich 100% d' accord


    Alle Bestrebungen der Popularisierung haben nicht wirklich nachhaltig gewirkt, zumindest nicht im Sinne einer massenhaften Heranführung von Menschen an klassische Musik.

    Ich versehe überhaupt nicht, warum das angestrebt ist.


    Es trinken auch weniger Leute Champagner als Coca Cola ohne daß die Champagnerhersteller eine Heranführung an ihre Getränkekultur auch nur ansatzweise versuchen.


    Die sogenannte "Klassikkrise" hat uns eine vielfal an Aufnahmen beschert, von der frühere Generationen nur träumen konnten.


    mfg aus Wien

    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



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  • In meiner Wahrnehmung war die Größenordnung der Klassik-Hörerschaft immer vergleichsweise klein . Alle Bestrebungen der Popularisierung haben nicht wirklich nachhaltig gewirkt, zumindest nicht im Sinne einer massenhaften Heranführung von Menschen an klassische Musik.

    Zum Glück ist sie klein geblieben. Ich möchte nicht zu einer Mehrheit gehören. ;) Indem die Klassik elitär bleibt, erhält sie sich ihr vergleichsweise hohe Niveau. Verbreiterungs-oder Popularitätsgelüste enden dann beim deutschen Klassik-Radio, wo nur noch gefällige musikalische Häppchen, die allen schmecken, wie in einem Bistro serviert werden.

    Der Zugang zur Klassik kann meiner Ansicht nach vorwiegend über entsprechende Angebote und Kontaktmöglichkeiten im Kindesalter erfolgen (Schulen, Musikschulen, Kinder ins Konzert, Erlernen von Instrumenten...).

    Diesem Ansatz - so gut er auch gemeint ist - misstraue ich. Ein bekannter Philosoph nannte die Sehnsucht nach gleicher Bildung für alle erst neulich wieder eine durch und durch sozialistische Idee, die letztlich den Praxistest nicht besteht. Andererseits bin ich ein glühender Verfechter von gutem Musikunterricht und Kinderkonzerten. Es darf aber nicht erwartet werden, dass dabei leidenschaftliche Klassikfans in großen Stückzahlen herauskommen. Verrückte Sammler, die fünfzig verschiedene Aufnahmen von Beethovens Sinfonien brauchen oder Melomanen, die sich tapfer durch jede Oper sitzen, empfangen ihre höheren Weihen nicht im Musikunterricht. Das ist ein weites Feld für sich.

    Es trinken auch weniger Leute Champagner als Coca Cola ohne daß die Champagnerhersteller eine Heranführung an ihre Getränkekultur auch nur ansatzweise versuchen.

    Das stimmt. Es ist allerdings auch zu beobachten, dass zunächst elitäre Marken der Versuchung unterliegen, noch mehr Geld durch Masse zu verdienen. Damit schaffen sie sich letztlich ab. Ich denke da an bestimmte Modelabels und Accessoires. Erst neulich habe ich gesehen, wie ein verurteilte Verbrecher einen Gerichtssaal mit den Insignien eines einstmals legendären Modehauses verließ. :(

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Ich war ofr - eigentlich fast immer - unterschiedlicher Meinung mit Wolfram -

    Aber HIER bin ich 100% d' accord

    Diese Annahme wurde von Mawal in Beitrag #36 dieses Threads bereits argumentativ widerlegt!


    Grüße

    Garaguly

  • ...das ist leider ein unsinniger Vergleich. Zu Zeiten Ludwig, des 14. hatten auch nur 4% der Bevölkerung Zugang zu Bildung in nennenswertem Umfang.


    Das ist heute ein wenig anders. Die Akademikerquote liegt bei 21%.

    Ich weiß nicht ob das ein schlagendes Argument ist.

    Wir haben eine Akademikerschwemme und nicht alle Akademiker haben eine humanistische Allgemeinbildung -

    einerseits, weil deren Stellenwert heute nicht besonders hoch zu sein scheint,

    andrerseits, weil das "Wissen der Menschheit" inzwischen exponential angestiegen ist.

    (in meiner Schulzeit wurde uns gesagt, das Wissen der Menschheit verdopple sich alle 10 Jahre - inwieweit das zutrifft - oder nicht - kann ich natürlich nicht beurteilen - aber vermutlich stimmt es näherungsweise)

    Aber der Einzelne kann zwar - bei Bedarf - darauf zugreifen - kann es aber nich in seiner Gesamtheit speichern.

    Das ware aber - als Randthema - ein interessanter Thread


    mfg aus Wien

    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • ...bin ich ein glühender Verfechter von gutem Musikunterricht und Kinderkonzerten

    Hier in Brasilien erlebe ich, was Schule ohne Musik- und Kunsterziehung bedeutet. Zwei Handvoll Mitstreiter unserer Händel-Messiah-Produktion, darunter ich, besuchten Ende 2019 die Schule eines sozialen Problemviertels. Wir stellten, in Ausschnitten, das Werk vor, sprachen über Singen und Musizieren, ließen Instrumente in die Hand nehmen. In zwei Gruppen über hundert junge Menschen, jeweils pausenlose 90 Minuten. Als vor dem ersten Durchgang der lärmende Haufen in die Turnhalle stürmte dachte ich "das funktioniert nie". Die ersten Klänge der Ouvertüre - und es war mucksmäuschenstill im Raum. Konzentriert, interessiert und engagiert blieben die 12-16jährigen dabei. Eine für uns zwischen den beiden Durchgängen vorgesehene Pause entfiel, wegen der vielen Nachfragen in den kleinen Gesprächsgruppen. Was für ein spürbar großes Bedürfnis, dem das Bildungssystem nicht entspricht. Es entlässt musikalische und ästhetische Analphabeten.

  • Hier in Brasilien erlebe ich, was Schule ohne Musik- und Kunsterziehung bedeutet. Zwei Handvoll Mitstreiter unserer Händel-Messiah-Produktion, darunter ich, besuchten Ende 2019 die Schule eines sozialen Problemviertels. Wir stellten, in Ausschnitten, das Werk vor, sprachen über Singen und Musizieren, ließen Instrumente in die Hand nehmen. In zwei Gruppen über hundert junge Menschen, jeweils pausenlose 90 Minuten. Als vor dem ersten Durchgang der lärmende Haufen in die Turnhalle stürmte dachte ich "das funktioniert nie". Die ersten Klänge der Ouvertüre - und es war mucksmäuschenstill im Raum. Konzentriert, interessiert und engagiert blieben die 12-16jährigen dabei. Eine für uns zwischen den beiden Durchgängen vorgesehene Pause entfiel, wegen der vielen Nachfragen in den kleinen Gesprächsgruppen. Was für ein spürbar großes Bedürfnis, dem das Bildungssystem nicht entspricht. Es entlässt musikalische und ästhetische Analphabeten.

    Das ist - besonders unter der gegenwärtigen Bolsonaro-Regierung - aber auch genauso gewollt!


    Grüße

    Garaguly

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  • besonders unter der gegenwärtigen Bolsonaro-Regierung

    Die gegenwärtige Chaos-Truppe in Brasilia ist dafür nicht verantwortlich, die pointiert mathematisch-naturwissenschaftliche Ausrichtung der brasilianischen Schulen hat lange Tradition. Aber Garaguly, wir entfernen uns damit zu weit vom Thema.


    Mit meinem kleinen Beitrag breche ich eine Lanze für den Musikunterricht an Schulen und die pädagogische Arbeit von Künstlern und Ensembles. Wie sie beispielsweise die Hofer Symphoniker leisten. In der Musikschule des Orchesters meiner Heimatstadt, keine 50.000 Einwohner, werden rund 1.200 Kinder und Jugendliche unterrichtet. Ein Segen für die Region, für die aktive Musikpflege dort, aber auch für den Bestand der Kultureinrichtungen, das Theater Hof und die Hofer Symphoniker. Nicht zuletzt aber für die, die ein Instrument beherrschen und mit kundigeren Ohren hören.

  • Habe mich vor einigen Jahrzehnten zweimal jeweils über mehrere Wochen in Brasilien aufgehalten, als Student und Praktikant. Immer versucht, den Fortgang in Brasilien zu verfolgen. Dort fühlen sich weite Kreise der Bevölkerung mit jedweder Musik, live oder aus Radio und Fernsehen, verbunden. Oft ist das dann tanzbar. Ich will damit sagen, dass die Brasilianer immer (noch ?) etwas mehr Musik im Blut haben als Mitteleuropäer. Ich könnte udohasso also noch etwas pointieren, indem ich das grosse Interesse dort an europäischer klassischer Musik unterstreiche, z.B. an einem Chopin Prelude, gefolgt von einer Ch.- Polonaise oder auch Bach Präludium. Neben dem ganzen Popularmusik- Getöse. Das (leidlich im Schuss gehaltene) Baldwin- Klavier war dann regelrecht umlagert von kleinsten bis grösseren Menschen meiner grossen Gastfamilie, die Mütter, Cousinen, Freundinnen und Grossmütter freundlich interessiert im Hintergrund.


    Es scheint, dass man dort Musik nicht studieren muss, dass diese vielmehr tief in den Menschen drinsitzt (natürlich weiss ich, dass es dort selbstverständlich vielerorten eine hochwertige Ausbildung dafür gibt, aber eben auch das Streben nach USA und sogar Europa). Und es gibt in jedem grösseren Dorf, in den Städten sowieso, so und so viele "Sambaos", also durchaus strukturierte Tanz- und Musikabende...


    PS

    ich hoffe, dass das heute noch genauso oder nicht viel anders ist (!?)

  • Ich möchte auf # 50 zurückkommen.


    Weltuntergangs- und sonstiges komisches Gerede gibt es natürlich auch. Ein gut Teil des früheren Jazz-, v.a. aber Festivalpublikums, geht nicht mehr so aus wie früher, ist vielleicht schon etwas hinfällig und überdrüssig/ faul. Gerade diese Leute gaben in den letzten Jahrzehnten noch rel. viel Geld für Konzertkarten und dazu notwendige Hotels aus. Andererseits besuchen junge Bubies und (weniger- wie immer, das hat sich nicht verändert)- Mädies die bekannten oder legendären Festivals in Europa und zur Not auch in der Türkei oder gar Java, wo man uns Oldies respektvoll, aber nicht- kommunikativ u.ä. begegnet. Dann bin ich eben auch verschnupft oder/ und arrogant. Zuletzt vor kurzem bei "Inn- Tones" in einem Bauernhof in der Nähe von Passau, in einer riesigen, rel. neu hochgezogenen Scheune mit einer nachträglich eingebauten, schön gezimmerten Zuschauertribüne. Der ehemalige (grosse) Kuhstall ist zu einer Bar umgebaut, wo so manche Jungen (und einige Ältere) aus Passau, München, Ingolstadt, Regensburg, Linz und Salzburg, sogar Wien und auch Budweis mit ihrer sachkundigen Anwesenheit glänzten.


    Zum ersten Male in einigen Jahren habe ich mich (73) , sogar mit meiner lieben und wirklich besseren, v.a. schöneren Hälfte (58) wie ein Kulturetwas gefühlt, den man respektiert und abnickt.


    Na Danke ! :(;)

  • Es scheint, dass man dort Musik nicht studieren muss

    Deinem Eindruck kann ich nicht beipflichten Damiro, ich halte ihn eher für ein Vorurteil, wenn auch ein positives...


    :)


    Gerade für den Umgang mit Musik, die gemeinhin "klassisch" genannt wird, benötigen auch Brasilianer Anleitung, ein Handwerkszeug. Selbstverständlich gilt das auch für das Erlernen eines Instruments, für welche Art von Musik auch immer dieses dann eingesetzt wird. Das ist für Brasilianer nicht weniger mühsam, als für Menschen irgendwo sonst auf der Welt.


    Ich nehme an Damiro, dass Deine Brasilienerfahrung länger zurückliegt? Leider hat sich die populäre Musik Brasiliens in den rund dreißg Jahren, die ich sie beobachte, stark verändert - und für meinen Geschmack verschlechtert. Ein komplexes Thema, in diesem Forum vermutlich zu weit enttfernt von den Interessen der Mitglieder. Die Glanzzeit der MPB, der Musica Popular Brasileira, waren die Sechziger und Siebziger des vergangenen Jahrhunderts. Einige ihrer Protagonisten ragen noch in unsere Tage: Maria Bethânia und ihr Bruder Caetano Veloso, oder der Musiker, Schriftsteller und Dramatiker Chico Buarque - um nur drei Namen von vielen zu nennen. Samba, vor allen Dingen aber Bossa Nova gingen von Brasilien aus in die Welt. Diese Zeiten sind vorbei, mehr und mehr dominiert importierte Musik, Englisch verdrängt das portugiesische Brasilianisch.

  • Ja, udohasso, ich kenne eben das Brasilien aus dieser früheren Zeit, 1975 bis 1983. Die Frage am Schluss meines Posts zum Thema (# 57) drückte meine Befürchtung aus.

    Chico Buarque und Caetano Veloso waren damals in vieler Munde, aber Bossa hatte schon niemand mehr gespielt.


    Danke für deinen prägnanten Zustandsbericht. :)

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