Bachs Motetten

  • Zitat

    Original von Rosenkavalier
    Nicht unterstreichen kann ich die Aussage (sofern sie überhaupt so gemeint ist), dass die Aufführung dieser Werke a capella schwerer zu bewältigen ist als mit Instrumentalbegleitung. Im Gegenteil - je mehr Akteure, desto wichtiger ist das Aufeinander Hören und die Präzision.


    Da möchte ich widerum widersprechen :baeh01:


    Bei einer fehldenden instrumentalen Begleitung muss der Chor ganz allein die Intonation halten. Da die Motetten teilweise mehr als 15 Minuten lang sind (Jesu meine Freude sogar über 20 Minuten), ist dies eine beachtliche Aufgabe für den Chor.


    Zudem stützt die Begleitung den Chorklang und der einzelne Sänger muss sich weniger anstrengen. Dies hat nicht nur psychologische sondern auch stimmphysiologische Gründe, da nicht nur eine Korrelation zwischen Hören und Singen besteht (der Sänger hört seine eigene Stimme und passt danach die Lautstärke Klang etc. daran an. Den Klang von Mitsängern und Instrumenten hört er jedoch gleichermaßen..) sondern da die Stimme durch die instrumentale Begleitung passiv mitschwingt.
    (Übrigens ist das ein riesiges und tolles Thema für eine tiefer gehende Diskussion..)


    Außerdem fehlt mit der Begleitung eine akkustische Tempo-Referenz, an der sich jede Stimme orientieren kann. Zwar ist der Dirigent letztlich die Referenz, aber das "zusammenhören" spielt im Chor eine ganz wichtige Rolle. Gerade an Stellen, an denen eine Stimme etwas schleppt oder rennt und das ganze rhythmische Gefüge ins Schwimmen gerät (und das passiert ganz schnell bei Doppelfugen mit endlosen 16tel-Kolleraturen), macht sich die fehlende Begleitung bemerkbar.


    Was ich aber nicht sagen wollte, ist, das Bach-Motetten MIT Begleitung plötzlich ganz einfach zu bewältigen ären. Dem ist mitnichten so! :no:


    Liebe Grüße, der Thomas. :hello:

  • Bach-Motetten a cappella


    Im Gegensatz zu den hier erwähnten Vokalwerken der Renaissance sind Bachs Motetten ohne allen Zweifel KINDER DES GENERALBASS-ZEITALTERS, und man kann es den Interpreten, die heutzutage Einspielungen vorlegen, nicht verübeln, daß da Instrumente mitspielen, wenn es natürlich ganz ohne Zweifel auch OHNE geht. Das letzte Live-konzert mit diesen Werken ohne instrumentale Zutaten hörte ich im letzten Jahr in Krakau vom "Windsbacher Knabenchor". Die Windsbacher haben die Werke auch eingespielt, ob mit oder ohne Instrumente weiss ich nicht, denn ich kenne die Aufnahmen nicht.

    Das geht über das Sagbare hinaus. Das läßt sich nicht deuten und bedarf keiner Deutung. Es kann nur gehört werden. Es ist Musik. (H.H.Jahnn)

  • Zitat

    Original von BigBerlinBear
    Die Windsbacher haben die Werke auch eingespielt, ob mit oder ohne Instrumente weiss ich nicht, denn ich kenne die Aufnahmen nicht.


    Auf meiner uralt-LP singen die Windsbacher unter Hans Thamm ohne Instrumentalbegleitung.

  • Zitat

    Auf meiner uralt-LP singen die Windsbacher unter Hans Thamm ohne Instrumentalbegleitung.


    Hans Thamm (Gott hab ihn selig) starb 1977: ich mein die Aufnahmen unter
    Karl-Friedrich Beringer, die irgenwann aus dne 80gern sein müssten !

    Das geht über das Sagbare hinaus. Das läßt sich nicht deuten und bedarf keiner Deutung. Es kann nur gehört werden. Es ist Musik. (H.H.Jahnn)

  • Zitat

    Original von BigBerlinBear
    Die Windsbacher haben die Werke auch eingespielt, ob mit oder ohne Instrumente weiss ich nicht, denn ich kenne die Aufnahmen nicht.



    Die sind a cappella (sorry, für Euch Historiker nur mit einem p).


    Gruß,



    audiamus



    .

  • Ich bin kein Liebhaber von Harnoncourts Einspielungen der großen Bachschen Vokalwerke (am ehesten gefällt mir noch seine jüngste Matthäus-Passion).


    Aber die Motetten hat er großartig mit dem Bachchor Stockholm und dem Concentus Musicus vor über 30 Jahren eingespielt:



    Für Liebhaber dieser Musik sicher eine lohnende Investition.

  • Darf ich fragen, warum du kein Liebhaber der Bach'schen Vokalmusik unter Harnoncourt bis, Wolframt? -
    Das ist doch ein begnadeter Könner, der Harnoncourt!


    Freundliche Abendgrüße,


    Melisma :hello:

  • Lieber Melisma,


    ich mag vieles mit Harnoncourt - begonnen mit seinen Aufnahmen der Mozart-Sinfonien mit dem altehrwürdigen Concertgebouw-Orchestra, seine Aufnahmen der Beethoven-Sinfonien, seinen Freischütz, seine Aufnahme des Schumannschen Klavierkonzerte mit Martha Argerich, seine 5. 8. 9. Bruckner, seine 7. 8. 9. Dvorak, seine Bartok-CD und und und. Ich lese seine Bücher mit Wonne.


    Seine Matthäus-Passion mit Knabenchor fand ich nicht so toll, genauso wenig die Johannespassion und das Weihnachtsoratorium mit Knabenstimmen. Was nicht nur an den Knabenstimmen lag. Sein Zugang zu Bach hat etwas Steifes, Gewolltes. Es fehlt manchmal an Selbstverständlichkeit.


    Harnoncourt war einer der ersten, der den Schritt in Richtung einer historischen oder historisch orientierten Aufführungspraxis gegangen ist - wohlgemerkt, mit dem Ziel, eine wirklich zeitgemäße Aufführung zustande zu bringen. Aber andere haben für meinen Geschmack seine Ideen besser weiter gedacht. (Ich finde Edisons Phonographen auch nicht so toll und bevorzuge CDs.) Natürlich hat er die Aufführungspraxis beeinflusst wie kaum ein anderer und sehr sehr viele gute Dinge bewirkt, auch, wenn er sich von manchen Interpreten, die seine Ideen weiter gedacht haben, wohl distanzieren würde, wenn er das überhaupt jenseits eines Privatkreises täte (er tut es nicht).


    Aber die großen Bach-Werke mag ich mit anderen lieber: Mt-Passion und Jh-Passion mit Gardiner oder Herreweghe, WO mit Otto oder Herreweghe, h-moll-Messe mit Gardiner.


    Freundliche Abendgrüße zurück!
    Wolfram

  • Zwar habe ich bei JPC die (SA)CD noch nicht gefunden, aber ich möchte doch ankündigen ( als Spezialtip für Bernhard, der solche must-have-Neuaufnahmen meistens vor mir ordert... ;) ), dass demnächst eine superbe Aufnahme der Bachmotetten mit dem Bach Collegium Japan unter der musikalischen Leitung von Masaaki Suzuki erhältlich sein wird.


    Man kann auch schon hineinhören und den Worten des Dirigenten lauschen:


    "http://www.youtube.com/watch?v=1T3mOTq214w"


    Die Reinheit der Intonation, die klangliche Homogenität, und die allgemeine Transparenz finde ich, der ich schon Einiges gewohnt bin, wirklich verblüffend gut.
    Obwohl das handwerkliche-technische Niveau des Bach Collegium-Japans schon von Beginn des Kantatenprojektes an über jeden Zweifel erhaben war, meine ich doch, dass Suzuki und seine Leute durch die Jahre hindurch an Bach hörbar gewachsen sind.
    Es ist gut, dass diese Aufnahme erst jetzt herauskommt.


    Ich freue mich schon....


    Gruss :hello:
    Glockenton


    PS.: ...würde mich wundern, wenn ich damit nicht Bernhards Interesse geweckt hätte :)

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Guten Tag


    Zitat

    Original von Glockenton


    PS.: ...würde mich wundern, wenn ich damit nicht Bernhards Interesse geweckt hätte :)


    Wenns diese



    CD ist ? Hab sie schon im Hinterkopf gespeichert.
    Die Harnonncuort-Aufnahme höre ich auch gerne; weiterhin habe ich noch diese



    Aufnahme mit dem Trinity Baroque, hier wurden noch einige Orgelstücke mit eingespielt, der 8-köpfige Chor singt mit allerdings mit zu viel englichen Akzent.


    Gruß :hello:


    aus der Kurpfalz


    Bernhard

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  • Hallo Bernhard,


    Harnoncourt höre ich vor allem bei "Singet" und "Fürchte dich nicht" sehr gerne, hier besonders die jeweiligen Anfangssätze.


    Für "Jesu meine Freude" fand ich bisher Herreweghes solistische Version am schönsten.


    Die von Dir genannte Aufnahme mit Trinity Baroque hört sich in den JPC-Ausschnitten sehr gut an - vor allem finde ich die Interpretation von "Der Geist hilft..." äusserst ansprechend.
    Erstaunlich, auf was für einem Niveau heute teilweise schon gesungen wird.


    Guter Tip.. ;)



    LG :hello:
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Die neue Kuijken-Aufnahme kenne ich noch nicht, doch höre ich sofort beim reinhören den mich tödlich nervenden Bass, der ebenso einen starken Akzent hat (auch oft bei den Kantaten und der ansonsten großartigen h-moll Messe zu hören) und kein rollendes R beherrscht ("Die Ghraft verschwind je mehr und mehr" klingt einfach lächerlich). Wieso nimmt Kuijken nicht Mertens, Harvey oder Kooy ??


    Die allgemeine Faszination an der Gardiner-Aufnahme konnte ich nie nachvollziehen. Sie ist ordentlich, aber zu brutal, wie Gardiners Chor des öfteren und ehrlich gesagt auch oft genug intonatorisch fragwürdig. Außerdem nervt das Vibrato in den Frauenstimmen. Ich möchte ein Gesangsensemble mit der Qualität wie Alessandrinis "Concerto Italiano" oder "The Kings Singers" - ich frage mich ernsthaft, warum so viele mittelmäßige Motetten-Aufnahmen existieren, wenn es von Gesualdo, Monteverdi, de Wert, Marenzio etc. REIHENWEISE HERVORRAGENDE Aufnahmen gibt.


    Die Cantus Kölln-Aufnahme ist sehr sehr gut. Herreweghe ist zwar schön, aber zu glatt.
    Eine nicht schlechte Aufnahme ist, wenn man vom überbesetzten Bass absieht, die Koopman Aufnahme. Die alte Harnoncourt-Aufnahme will ich echt nicht hören, da graust mir schon nach 10 Sekunden.


    Auf mehrfache Hinweise hier im Forum auf die anscheinend sehr gute Johannespassion mit dem "Scholar Baroque ensemble" habe ich mir diese und die Motetten jetzt bestellt. Bin schon sehr gespannt.
    Edit: Die Aufnahme des Scholar Baroque Ensembles war schon heute im Briefkasten :)
    Mein erster Eindruck ist, daß diese Aufnahme sehr stark ist. Aber: Warum macht man eine so tolle Aufnahme mit der zeternd-überforderten Sopranistin Kym Amps? Sie trübt das ansonsten sehr klare und gerade Klangbild mit ihren falschen, vibratoreichen aber zugleich dünnen Kreissägentönen.
    Der Unterschied zur anderen Sopranistin, Anna Crookes ist frappierend.

    Das Frühstück ist ihm viel zuviel Zeremonie. Die ganze Lächerlichkeit kommt zum Ausdruck, wenn ich den Löffel in die Hand nehme. Die ganze Sinnlosigkeit. Das Zuckerstück ist ja ein Anschlag gegen mich. Das Brot. Die Milch. Eine Katastrophe. So fängt der Tag mit hinterhältiger Süßigkeit an.

  • Zitat

    Original von bubba


    Auf mehrfache Hinweise hier im Forum auf die anscheinend sehr gute Johannespassion mit dem "Scholar Baroque ensemble" habe ich mir diese und die Motetten jetzt bestellt. Bin schon sehr gespannt.
    Edit: Die Aufnahme des Scholar Baroque Ensembles war schon heute im Briefkasten :)
    Mein erster Eindruck ist, daß diese Aufnahme sehr stark ist. Aber: Warum macht man eine so tolle Aufnahme mit der zeternd-überforderten Sopranistin Kym Amps? Sie trübt das ansonsten sehr klare und gerade Klangbild mit ihren falschen, vibratoreichen aber zugleich dünnen Kreissägentönen.
    Der Unterschied zur anderen Sopranistin, Anna Crookes ist frappierend.


    Recht getan!!! :yes: Ich schätze diese Aufnahme außerordentlich. Im Gesamteindruck läßt sie die meisten meiner 8 oder 9 anderen Einspielungen hinter sich.
    Mir ist Kym Amps nicht so negativ aufgefallen - aber wohl deshalb, weil ich volkommen versunken war in die Männerstimmen: Was David van Asch, Robin Doveton und Julian Podger hier leisten ist für mich nicht mehr und nicht weniger als perfekt! :jubel: :jubel: :jubel:


    Gruß
    Stefan

    Psalmen sprechen und Tee trinken kann niemals schaden!

  • ich wundere mich, dass diese aufnahme vom noch nicht erwähnt wurde, obwohl speziell nach solistisch besetzten gefragt wurde:



    erstaunlicherweise gibt es leute, die sie spannungsarm finden, aber mir gefallen die (nie gehetzten) tempi, die hervorragende textverständlichkeit und die überhaupt sehr sinnfällige gestaltung ausnehmend gut.
    vom klang lohnt sich ja bei den hilliards kaum zu sprechen, von der ecm-aufnahmetechnik ebenfalls nicht.
    an continuo gibt es übrigens nur eine sparsame orgel bei 'lobet den herrn alle heiden', ohne die geht's ja auch nicht.


    kann ich jedem interessierten nur wärmstens ans herz legen!

  • Hallo Hannes,


    vor langen, laaangen Zeiten - meine ich- sprachen wir hier in einem anderen Thread kurz über diese Aufnahme.
    Ich teile Deine Auffassung - mir gefällt diese Hilliard- Produktion sehr gut! Vor allem, da ich lange auf der Suche war nach einer kleinbesetzten Aufnahme ohne colla parte Instrumente. Und da hat sie meine Erwartungen klar erfüllt, langweilig ist sie keineswegs.


    Gruß
    Stefan

    Psalmen sprechen und Tee trinken kann niemals schaden!


  • Diese Aufnahme habe ich seit heute Nachmittag.
    "Komm, Jesu komm" habe ich mir schon angehört, genau diese Motette vor allem auch, weil ich die heute abend einem Chor beibringen darf...
    Ausserdem ein paar Tracks von "Jesu meine Freude".


    Jedenfalls gefällt mir diese Aufnahme von der Interpretation, dem makelosen Chorklang, Textverständlichkeit und Aufnahmequalität her sehr gut.
    Das Niveau, das Suzuki mit seinem Bach Collegium Japan mittlerweile erreicht hat, ist schon erstaunlich.
    Bei den Solisten fällt mir in den letzten Monaten intensiven Hörens zunehmend die Sopranistin Yukari Nonoshita positiv auf, auch auf dieser Einspielung:




    Bin schon auf die weiteren Motetten gespannt....



    :hello:


    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Volle Zustimmung. Mein Lob dieser Aufnahme in diesem Thread ist offenbar beim Tamino-Crash 2010 verloren gegangen.



    Viel Positives hat Glockenton schon benannt: makelloser Chorklang, Textverständlichkeit und Aufnahmequalität. Das kann ich nur bestätigen.


    Suzuki pflegt einen nicht-aggressiven Bachstil. Diese Musik hat eine besondere Aura bei ihm. Das mag eventuell nicht ganz nach dem Geschmack der Hardcore-HIPler sein, die Gardiner oder Goebel bevorzugen. Mir gefällt es sehr gut.


    Für mich war diese CD eine der besten Anschaffungen in 2010, und seitdem ich sie habe, ist sie meine Lieblingsaufnahme der Johann-Sebastian-Bachschen Motetten.

  • Volle Zustimmung. Mein Lob dieser Aufnahme in diesem Thread ist offenbar beim Tamino-Crash 2010 verloren gegangen.



    Viel Positives hat Glockenton schon benannt: makelloser Chorklang, Textverständlichkeit und Aufnahmequalität. Das kann ich nur bestätigen.


    Ich habe soeben mal rein gehört bei jpc. Ja, die Aufnahmen klingen frisch, wenngleich mir die Chorstimmen etwas zu solistisch aggieren. Was mich wirklich stört: Wiedermal eine Einspielung mit Instrumenten. Von meiner eigenen chorsängerischen Praxis bin ich a-capella-Aufführungen gewohnt. Ich habe alle Motetten die letzten 15 Jahre viele viele Male in den unterschiedlichsten Ensembles gesungen - kein einziges mal mit Instrumenten. Ich finde es sehr schade dass es keine einzige neuere ernst zunehmende Einspielung der Motetten a capella gibt..


    Liebe Grüße, der Thomas : :hello:

  • Lieber Thomas,


    natürlich "machen" Chorleiter die Bach-Motetten oft ohne Instrumente - sonst kostet es ja Geld. Natürlich wissen alle, dass eine Bach-Motette ohne Instrumente historisch gesehen ungefähr so korrekt ist wie Isoldes Liebestod ohne Gesang. Man kann beides machen, zweifelsohne, den Bach ohne Instrumente und den Wagner ohne Gesang, und man kann an beidem Spaß haben.


    Vielleicht findet sich ja mal wieder ein erstklassiger Chor, der das Wagnis einer reinen a-cappella-Einspielung auf sich nähme - und die allfälligen Bemerkungen der Kritikeria oberdrein. Vielleicht accentus?


    Ich kann mit den colla-parte-Aufnahmen gut leben. Wenn Bach acht Sänger für eine "zweichörigte Motette" geplant hat, waren die Instrumente wohl noch viel mehr im Vordergrund, als dies bei Suzuki oder Harnoncourt der Fall ist. Suzuki hat zwei Sänger pro Stimme (drei im Sopran) und solistische Instrumente.

  • Lieber Wolfram,


    natürlich "machen" Chorleiter die Bach-Motetten oft ohne Instrumente - sonst kostet es ja Geld. Natürlich wissen alle, dass eine Bach-Motette ohne Instrumente historisch gesehen ungefähr so korrekt ist wie Isoldes Liebestod ohne Gesang. Man kann beides machen, zweifelsohne, den Bach ohne Instrumente und den Wagner ohne Gesang, und man kann an beidem Spaß haben.


    Mag sein dass die instrumentalisierte Fassung die historisch korrektere ist. Aber wenn man sich die Aufführungspraxis anschaut, erlebt man den überwältigenden Anteil an Bach-Motetten-Konzerten a capella. Und zwar von durchaus renomierten und semiprofessionellen Ensembles. Ich meine diese Konzertpraxis sollte sich irgendwie in der Riege der Motetten-Einspielungen widerspiegeln. Aber eben genau das ist nicht der Fall.


    Zitat

    Vielleicht findet sich ja mal wieder ein erstklassiger Chor, der das Wagnis einer reinen a-cappella-Einspielung auf sich nähme - und die allfälligen Bemerkungen der Kritikeria oberdrein. Vielleicht accentus?


    Da kommen wir vermutlich der Sache näher. Bach-Motetten a capella - ja das ist nicht so leicht. Die Motetten gehören zu den schweren Werken der a capella Chormusik. Vielleicht mögen sich die Chorleiter dieser Herausforderung nicht stellen und greifen deswegen auf Instrumente zurück. Das rhythmische Gefüge und die Intonation zu halten, ist nun mal die wahre Kunst bzw. Können des Chorsingens.


    Liebe Grüße, der Thomas. :hello:

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  • Hallo Glockenton,


    Du übst mit dem Chor die Motette ein, bleibt es dann Vokal oder setzt Du das dann auch Instrumental um?
    Da Du dich in OWL befindest, würde mich einmal dein Chor interessieren wo befindet er sich?


    Eine gelungene Vokal-Einspielung der Bach-Motette: "Komm, Jesu komm" gibt es auch von einem großartigen Leiter und Gründer eines außergewöhnlichen Chores:


    zu hören auf YouTube


    http://www.youtube.com/watch?v=frORzy6OY3k


    Gruß Volker

    Bach ist so vielfältig, sein Schatten ist ziemlich lang. Er inspirierte Musiker von Mozart bis Strawinsky. Er ist universal ,ich glaube Bach ist der Komponist der Zukunft.
    Zitat: J.E.G.

  • Hallo reklov,


    ich werde in den nächsten Tage aus den Bässen des rechten und linken Chores eine gemeinsame Continuostimme mit Bezifferung aufschreiben.
    Wir werden die Motette mit Cello, ggf. plus Kontrabass und Continuoorgel aufführen.
    Noch schöner wäre es, für jeden Chor ( damit sind im barocken Sinne ja nicht nur Sänger gemeint) auch ein eigenes Continuoinstrument zur Verfügung stünde, aber das ist in unserem Fall nicht so.
    Die reine a capella-Praxis ist eine auf dem 19. Jahrhundert stammende Aufführungstradition, die bei so nicht praktiziert hat.
    Ich finde es auch schöner, wenn es da ein Continuo gibt, allein schon weil die Bassstimme stärker herauskommt.
    Da bei der Barockmusik und gerade bei Bach die Musik strukturell und klanglich sehr vom Bass-"fundamento" abhängig ist, kommt das der Wirkung sehr zugute.
    Zudem bewirkt das weiche Orgelgedackt eine Unterstützung, sowohl klanglich für die Zuhörer als auch intonationsmässig für die Sänger/innen.


    Ein Missverständnis muss ich noch aufklären:
    Ich wohnte früher (bis Anfang 2005) in OWL und kenne daher auch Spenge, Enger, etc. sehr gut.
    Jetzt wohne ich allerdings in Østfold/ Norwegen.
    Die Motette BWV 229 wird vom Sarpsborg Kammerkor am 10.04. in Sarpsborg Kirke aufgeführt. Die Leitung hat mein Kantor-Kollege Carl-Andreas Næss.
    Am letzten Mittwoch haben wir uns das Einüben der Stimmen nach Männern und Frauen getrennt in Registerproben aufgeteilt, damit es effektiver voran geht, weswegen ich schrieb, dass ich mich auf das Einüben gerade vorbereite.
    Während der Probephase singe ich noch selbst Bass II mit, aber ich gehe davon aus, dass bei der Aufführung ein professioneller Sänger, der auch die Basspartien aus der ebenfalls an diesem Tage aufzuführenden Kantate BWV 27 singt, mich ablöst, damit ich dann das Orgelcontinuo spielen kann.


    Bei BWV 27 werde ich Orgelcontinuo und das Orgelsolo von der Arie "Willkommen will ich sagen" spielen und bei der Einrichtung der Orchesterstimmen mit Artikulations- und Interpretationsanweisungen sowie bei der Probenarbeit intensiv mitwirken, worauf ich mich schon sehr sehr freue.


    Wenn Du also die Aufführung hören willst, müsstest Du eine etwas längere Anfahrzeit in Kauf nehmen.... :pfeif:


    Danke auf für den Link.
    Eine legitime, kontemplative Interpretation mit schönen Ideen.
    Was die klangliche Chorkultur angeht, galt diese Gardiner-Einspielung damals bei vielen als massstäblich (kann auf dieser Tastatur leider kein SZ generieren...).
    Als diese Aufnahme hier


    "http://www.youtube.com/watch?v=wcmy97WXOj8"


    herauskam, war man, die Aufnahmen mit Knabenchören im Ohr, auch über die Kombination Chorkultur + Harnoncourt begeistert.


    Mit heutigen Ohren klingen diese Einspielungen für mich interpretatorisch zwar immer noch mitreissend und bewegend (vor allem lehrreich), aber klanglich gibt es auf Aufnahmen heute von der Intonation und auch klanglich kultiviertere, mehr "sauber" klingende Aufführungen.
    Mit klanglich meine ich z.B. die in beiden Aufnahmen für meinen heutigen Geschmack zu starke Besetzung und auch vor allem bei der Gardiner-Aufnahme ein zu starkes und häufiges Vibrato.


    Mir würde heute eine Aufführung vorschweben, die vom Chorklang und der Besetzungsstärke her so klar, durchsichtig und rein wie diese Aufnahme hier daherkommt


    "http://www.youtube.com/watch?v=vJMWk3ssDM4"


    und gestische Elemente aus Harnoncourts Aufführung einbaut ohne eine innere Balance zu zerstören.


    Letztendlich muss man ja ohne aus seinem eigenen Verständnis der Partitur heraus agieren, und da haben wir schon eine Menge von Ideen.


    Von der Chorkultur her wird es bestimmt nicht das Niveau des Bach-Collegium Japans erreichen können, noch nicht einmal annäherungsweise, denn der Chor besteht nun einmal aus sehr engagierten Amateuren.


    Bei der Kantatenaufführungen von BWV 27 soll es aber kompromissloser vor sich gehen, worauf ich mich umso mehr freue!



    :hello:


    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Sette voci mit Peter Kooji haben eine beseelte Einspielung vorgelegt. Mich wundert, dass sie bisher in diesem Thread nicht erwähnt wurde. Kooji singt auch in den Suzuki Aufnahmen mit.


    Jemand Bedeutender war auch begeistert von dieser Musik:


    Im Jahre 1789 wohnte Mozart einer Aufführung der Bach-Motette »Singet dem Herrn ein neues Lied« bei. Einer der Chorknaben, Friedrich Rochlitz, wurde später Musikwissenschaftler und berichtete, welche musikalische Offenbarung Mozart in jenem Moment widerfuhr: »Kaum hatte der Chor einige Takte gesungen, so stutzte Mozart (…) Als der Gesang geendigt war, rief er voll Freude: Das ist doch einmal etwas, woraus sich was lernen läßt! (…) Er ließ sich also die ausgeschriebenen Stimmen geben – und nun war es für den stillen Beobachter eine Freude zu sehen, wie eifrig sich Mozart setzte, die Stimmen um sich herum vertheilte, und, alles andere vergessend, nicht eher aufstand, bis er alles, was von Sebastian Bach da war, durchgesehen hatte.«



    .

    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928




  • Diese Aufnahme ist mir schon seit einigen Wochen aufgefallen. Bei sette-voci.de habe ich auch schon in die Probetracks `reingehört und muss "leider" sagen, dass ich diese Aufnahme unbedingt auf den Einkaufszettel setzen musste, auch wenn ich schon zwischen 4 Einspielungen wählen kann. Das was ich da höre, gefällt mir wirklich ganz ausgezeichnet :) und der wundervolle Blazikova ( für meinen Vocal-Geschmack eine echte "Barock-Queen"..) höre ich eigentlich immer gerne zu.


    Über Facebook habe ich vor einigen Tagen erfahren, dass auf dem Label "Phi" des Dirigenten Philippe Herreweghe eine Neuaufnahme der Motetten mit dem Collegium vocale Gent herauskommen wird.
    Da ich "Jesu meine Freude" mit sette-voci noch kenne, ist für mich bisher immer noch die solistische Aufnahme dieser Motette in der alten Herreweghe-Einspielung aus den 80er-Jahren der Masstab.
    Man darf also gespannt sein....


    :hello:


    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Sette Voci und die neue Herreweghe sind die neue Referenz. Herreweghe sinnlicher, Sette Voci sehr protestantisch, aber nicht kalt oder so.
    Ich bevorzuge insgesamt trotzdem die Sette Voci - Aufnahme, da ich die Collaparte-Instrumente bei Herreweghe störend finde. Wenn Herreweghe diese weglässt, wird es grandios gut - wie etwa bei "Komm, Jesu, Komm"

    Das Frühstück ist ihm viel zuviel Zeremonie. Die ganze Lächerlichkeit kommt zum Ausdruck, wenn ich den Löffel in die Hand nehme. Die ganze Sinnlosigkeit. Das Zuckerstück ist ja ein Anschlag gegen mich. Das Brot. Die Milch. Eine Katastrophe. So fängt der Tag mit hinterhältiger Süßigkeit an.

  • Hallo,
    es geht um die Bach-Motette "Singet dem Herrn ein neues Lied", BWV 225


    Vielleicht findet sich ja mal wieder ein erstklassiger Chor, der das Wagnis einer reinen a-cappella-Einspielung auf sich nähme


    Der Windsbacher Knabenchor unter Thamm hat das Wagnis auf sich genommen und eine Interpretation zustande gebracht, die m. W. bislang einmalig ist - und nur a-cappella gesungen kommt der wahre Geist dieser Motette zum klingen - ich bleibe bei meiner Meinung, auch wenn die vielen neueren Aufnahmen stets mit mehr oder weniger Begleitung (nur Orgel bis zum vollen Bachorchester) sind. Es gibt eine CD mit dem Hilliard-Ensemble (mit mehreren Motetten), auch a-cappella gesungen, und stets mit der Angabe "Original-Version"; die können das auch, aber es ist eben kein a-cappella-Chor und die Profi-Stimmen erzeugen nicht den "wahren Geist der Motette".

    Auf meiner uralt-LP singen die Windsbacher unter Hans Thamm ohne Instrumentalbegleitung


    Ich habe in den 70-er Jahren die Motette in der St. Lorenzkirche, Nürnberg, mit den Windsbachern unter Thamm mitgeschnitten (damals ging das noch!) - leider mit etlichen Nebengeräuschen, die mich aber überhaupt nicht stören und meine Meinung immer auf's Neue bestätigen.


    https://www.youtube.com/watch?v=90t77mQhMD8
    Die Aufnahme mit dem Münchner Motettenchor ist eine der wenigen a-cappella - leider erreicht sie nicht das Niveau der Windsbacher, was auch an der Überakustik der Aufnahme liegt; dadurch geht die Leichtigkeit/Schwerelosigkeit, die überschäumende Freude, die in der Bachschen Motette liegt, verloren.


    Am 20.06. habe ich auf dem Bachfest Leipzig die Motette mit dem "Ottawa-Bach-Chor" (ein Profi-Ensemble - mit Orgel- und kleiner Streicherbegleitung) gehört - weit unter dem Niveau des Münchner Motettenchors.
    (Schütz, SWV 494, Gabrieli und Buxtehude, BuxWV4, haben sie tadellos interpretiert und gesungen.)


    Viele Grüße
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Für mich zählen zu den schönsten BACH-Motetten die Motette für fünfstimmigen Chor, BWV 227 "Jesu, meine Freude", wohl 1723 entstanden, und die Motette für zwei Chöre zu je vier Stimmen, BWV 226 "Der Geist hilft unserer Schwachheit auf", 1729 komponiert, beide anläßlich einer Trauerfeier. Damals wurden die Motetten bei der Aufführung noch von einzelnen Instrumenten verstärkt. Die rein a-capella Ausführung setzte sich erst in der Nachfolge BACHS durch und wird bis heute auch meist so praktiziert.


    Die für mich unumstrittene Referenz-Aufnahme der beiden Motetten ist die alte Mono-Einspielung aus der Archiv-Produktion der DGG vom 05. 11. 1951 durch den Thomaskantor GÜNTHER RAMIN und seinem THOMANERCHOR LEIPZIG, eine wunderbar lebendige, ja mitreißende Aufnahme mit einem glänzend disponierten Thomanerchor. Trotz mono ist die Aufnahme von erstaunlich gutem Klang. Eine Einspielung, die ich jederzeit Liebhabern von BACH's Motetten sehr empfehlen kann, falls man diese noch irgendwo auftreiben kann!.




    Gruß
    wok

  • Man erfährt zu der Aufnahme aus dem Jahr 2019, (2020 vom Label harmonia mundi herausgegeben) des Ensembles Pygmalion und seinem Leiter Raphael Pichon dies:


    Das Florilegium Portense, 1618 vom Kantor der Landesschule Pforta bei Naumburg, Erhard Bodenschatz, veröffentlicht, enthielt 365 Motetten führender italienischer und deutscher Komponisten des 16. Jahrhunderts und entwickelte sich zu einem Standardwerk für den sonntäglichen Gottesdienstgebrauch. Der Leipziger Thomanerchor erwarb 1672 erste Exemplare, die von Johann Sebastian Bach 1729 und 1737 durch neuere Auflagen ersetzt wurden. Das musikalische Programm eines Sonntags-Gottesdienstes in den Leipziger Hauptkirchen bestand in der Bach-Zeit also nicht nur aus einer wöchentlich neu geschriebenen Kantate, sondern aus einem komplexen Gefüge unterschiedlicher stilistischer und chronologischer Elemente.


    Deshalb erklingen in dieser Aufnahme neben Bachs Motetten BWV 225 - 230 noch weitere Motetten:


    Giovanni Gabrieli: Jubilate Deo a 8

    Jakobus Gallus: Ecce, quomodo moritur justus a 7

    Vincenzo Bertolusi: Osculetur me osculo oris sui


    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928




  • Eine SACD des Labels BIS mit den bachschen Motetten 118, 225-230 verdient Erwähnung.


    Der Norwegian Soloists' Choir wird bei vier Motetten instrumental vom Ensemble Allegria unterstützt. Drei Motetten erhalten eine Orgel Continuo Begleitung.


    Grete Pedersen leitet die Musiker.


    .

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    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928




  • Diese Aufnahme ist noch nicht in diesem Thread gezeigt worden.


    Sigiswald Kuijken hat mit je einem Solisten für jede Stimme eine sängerisch sehr schlanke Besetzung gewählt. Er lässt auch zusätzlich Instrumentalisten aufspielen. Die SACD mit La Petite Bande aus dem Jahr 2005 gibt es immer noch.


    .

    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928




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