Hallo, liebe Musikfreunde,
eine Anregung zur 8. Sinfonie aufgreifend will ich hier eine der unbekannteren Sinfonien von Bruckner vorstellen und wähle dafür die 1. Sinfonie. Es ist tatsächlich auffallend, wie gerade die Dirigenten der berühmten Bruckner-Sinfonien dieses Werk glatt ignoriert haben. Die Liste aller historischen Aufnahmen bis 1959 - Link - zeigt gerade einmal zwei Einspielungen mit Andreae 1950 und 1953, Charles Adler 1955, Georg Ludwig Jochum 1956 und dann endlich 1959 mit Eugen Jochum erstmals einen der berühmten Bruckner-Dirigenten.
Bruckner hat diese Sinfonie bis 1866, also im Alter von 40 - 42 Jahren komponiert. Er selbst nannte sie später ein „keckes Beserl“ und ergänzte: "Ich komponierte eben wie ein verliebter Narr".
Und so klingt sie auch! Ich würde sie vollwertig an die Seite der anderen großen Sinfonien des 19. Jahrhunderts stellen. Sie hat mich von Anfang an einfach begeistert und ist für mich eine notwendige Ergänzung zum Spätwerk, ohne die dieses nicht zu verstehen wäre. Es ist gerade das bisweilen Unfertige, was den besonderen Reiz dieser Sinfonie ausmacht. Überall ist zu spüren: in wie viele Richtungen und wohin kann es weiter gehen. Alles scheint möglich, und der Hörer vermag sich kaum vorzustellen, wie Bruckner dann wohl fortfahren würde.
Der ungemein forsche Auftritt im ersten Satz, die fast surreale Stimmung im 2., die ausgelassene Stimmung des 3. (wer hätte so etwas Bruckner zugetraut ...) und dann der 4. Satz mit einer Seligkeit in dieser Welt sein zu können, da höre ich – Ulli verzeih ! – Bruckner leibhaftig an der Orgel sitzen und alle Scheu überwindend den Hörer an einer Bewegung teilhaben, die über die Grenzen von persönlicher Geburt und Tod hinausführen.
Bruckner als Chordirigent 1868 in Linz:
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Viele Grüße,
Walter