Regietheater - letzte verbliebene Schrumpfform linker Ideologie ?

  • Ist es eigentlich die Aufgabe von Moderatoren, missliebige Kommentare zerstückelt zu kommentieren und dabei gleich freundlicherweise gleich auch noch bewusst den Zusammenhang unter den Tisch fallen zu lassen (- oder ihn einfach nicht kapiert zu haben)?


    Gerade Kirchenkunst hat große Überschneidungen zum Handwerk, da wenig individuell und nach strengen Vorgaben (Posen, Farben, Symbole) - echte Individualisten gab's natürlich auch, primär in der Renaissance. Die hatten aber durchwegs Mäzene und konten daher weitgehend machen, was ihnen passt (und Michelangelos Fresken wurden halt dann ein paar Windeln aufgemalt).


    Shostakovitch war ein überzeugter Kommunist - und ein großer Künstler. Deshalb ist er auch mit dem Apparat aneinandergeraten, weil er sich seine Kunst nicht von irgendwelchen ideologischen Dogmen versauen lassen wollte.


    Sinnerfassend lesen wäre nett - glaubt unser lieber Kurzstückmeister tatsächlich, mit Inszenierungen des 18. Jhdt. für Furore sorgen zu können? Dann wäre selbst Schenk ein unverzeilicher Sündenfall.
    - Gegebenenfalls tut's mir leid, dass er 200 Jahre zu spät geboren ist (nur dass man damals bereits 10 Jahre alte Werke nicht mehr aufgeführt hat, weil man sich mit dem "alten Zeug" nicht abgeben wollte).


    Im Übrigen - mal bei Felsenstein nachlesen, dass Regie immer aus der Gegenwart heraus entsteht (der wird ja hoffentlich nicht unter böses "Regietheater" fallen).


    Sie wollen linke Regisseure benannt?
    Konwitschny, Mielitz, Chereau, Pountney, Kusej
    (links ist aber nicht immer marxistisch im engeren Sinn)


    Bondy, Loy, Pelly, Sellars sind für mich "liberal"


    - letztlich bestimmt hier aber der ideologische Standpunkt die Einstufung des Künstlers.

  • Zitat

    Original von martello
    Ist es eigentlich die Aufgabe von Moderatoren, missliebige Kommentare zerstückelt zu kommentieren und dabei gleich freundlicherweise gleich auch noch bewusst den Zusammenhang unter den Tisch fallen zu lassen (- oder ihn einfach nicht kapiert zu haben)?


    Durch den Zusammenhang werden die absoluten falschen Aussagen leider nicht richtiger. Das ist irgendwie so das Problem der Regietheater-Predigten, die ich in Tamino zu lesen bekomme. Dann geht es rasch unter die Gürtellinie.

    Zitat

    Gerade Kirchenkunst hat große Überschneidungen zum Handwerk, da wenig individuell und nach strengen Vorgaben (Posen, Farben, Symbole) - echte Individualisten gab's natürlich auch, primär in der Renaissance. Die hatten aber durchwegs Mäzene und konten daher weitgehend machen, was ihnen passt (und Michelangelos Fresken wurden halt dann ein paar Windeln aufgemalt).


    Naja, ich kann mit einem solchen Kunstbegriff, der bsp. Rottmayr, Gran, Troger etc. nicht als Kunst ansehen kann, ebensowenig, wie mit einem, der Duchamp oder Schlingensief nicht als Kunst ansehen kann.

    Zitat

    - glaubt unser lieber Kurzstückmeister tatsächlich, mit Inszenierungen des 18. Jhdt. für Furore sorgen zu können?


    Hm. Strohmannargument oder Verweigerung sinnerfassenden Lesens?

    Zitat

    - Gegebenenfalls tut's mir leid, dass er 200 Jahre zu spät geboren ist (nur dass man damals bereits 10 Jahre alte Werke nicht mehr aufgeführt hat, weil man sich mit dem "alten Zeug" nicht abgeben wollte).


    Ach, vielleicht wird das noch.


    Wie Du richtig anführst, ist das Museale im Bereiche der "performativen Kunst" ja eine relativ moderne Entwicklung. Wüßte nicht, warum das auf halbem Wege halt machen sollte.

    Zitat

    Sie wollen linke Regisseure benannt?
    Konwitschny, Mielitz, Chereau, Pountney, Kusej
    (links ist aber nicht immer marxistisch im engeren Sinn)


    Bondy, Loy, Pelly, Sellars sind für mich "liberal"


    - letztlich bestimmt hier aber der ideologische Standpunkt die Einstufung des Künstlers.


    Und jetzt noch die rechten Regisseure des Regietheaters, bitte.

  • Zitat

    Original von martello


    Insgesamt ist gute Oper und gutes Theater nur möglich, wenn die Regie eine ganz wesentliche Rolle einnimmt - nur dann wird ein Werk wirklich ein großes Ganzes.


    Lieber Martello, vielen Dank für deinen brillianten Beitrag! :jubel:


    LG


    Gerd

  • Sicher muß die Regie eine wesentliche Rolle einnehmen. Aber bitte nicht, indem sie gegen das Werk arbeitet.


    Es gibt, was das Regietheater angeht, durchaus schlüssige Konzepte, ich verweise abermals auf Wieland Wagner.


    Es gibt ja auch Opern, die sich eher anbieten als andere, von der Regietheater-Fraktion vergew... äh ... :O bearbeitet zu werden.


    So finde ich, daß der "Ring des Nibelungen" sich viel eher hierzu anbietet als etwa "Die Meistersinger" oder "Don Carlo", die m. E. nur in ihrer Spielzeit (beide Male 16. Jahrhundert) Sinn machen. Der "Ring" ist viel zeitloser und hat ja auch keine explizite Festlegung auf irgendeine Epoche.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Zitat

    Original von GiselherHH


    Eine Entsprechung zu Nüblings Aufführung bei Wagner wäre in etwa (ich phantasiere jetzt mal ein wenig) eine Kompilation aus Bruchstücken von "Tannhäuser" und "Meistersinger" unter dem Thema: Rolle des Künstlers und der Kunst in der Gesellschaft mit Texten von Nietzsche, Mann und Brecht, dazu noch neukomponierte Stücke von Wolfgang Rihm. Außerdem weiß ich nicht, was Du dagegen hast, wenn man Stücke und Texte neu zusammenstellt und das dann auch so, wie immer wieder von den "Staubis" gefordert, als Bearbeitung kennzeichnet.


    Die Kennzeichnung ist natürlich i.O. und begrüßenswert, das macht aber die Inszenierung noch nicht toll ;)


    Zitat

    Der Vergleich mit Konwitschnys "Meistersingern" geht schon allein aus quantitativen Gründen fehl, da der Diskussionseinschub gerade mal anderthalb Minuten in Anspruch nahm bei einer Gesamtdauer von ca. 4 Stunden, also knapp 0,5 % (wie müsste man dann erst die Aufführungstradition von Opern in Barock und Rokoko mit ihren auf die Solisten zugeschnittenen Einlagearien ad libitum aus verschiedenen Stücken bezeichnen - als "Theaterpraxis mit übermächtigen Sängern"?).


    Es ging mir nicht um prozentuale Verhältnisse, sondern darum, dass dort eine Collage vorliegt, egal ob der Konwitschny-Textanteil nun 0,5 oder 5 oder 50% beträgt. Die Aufführungspraxis des Barock mit ihren je nach Bedarf hinzuerfundenen Anteilen finde ich nicht vorbildlich, da sie aus einer Zeit stammt, in der Autorschaft für mein Empfinden viel zu gering geachtet wurde.


    Zitat

    Außerdem war diese Diskussion nicht "politisch korrekt", da Konwitschny nicht auf eine wohlfeile Pauschalverurteilung der Schlussansprache abzielte, sondern, ganz im Gegenteil, den Darsteller des Hans Sachs die anderen Meister darüber aufklären ließ, dass "Was deutsch und echt..." aus der Zeit der Renaissance heraus verstanden werden könne, als an Fürstenhöfen das Deutsche wenig gelitten war (Karl V. etwa sprach ja kaum Deutsch) und so eine kulturelle Entfremdung zwischen Herrschern und Volk drohte. Es war also schlicht eine Erörterung der in der Rezeptionsgeschichte vielfach als problematisch empfundenen Textstelle.


    Also, für mich beginnt die PC schon damit, dass überhaupt der Schlussmonolog unterbrochen wird, damit ist die Kohärenz im Eimer und dem Publikum wird ein schulmeisterlicher Vortrag gehalten, der ins Programmheft und nicht auf die Bühne gehört. Aber das sollten wir zumindest hier nicht weiterdiskutieren, da es nicht zum Threadthema gehört.


    Zitat

    Aber das genaue Hinsehen und Hinhören war ja noch nie eine Stärke der Fundamental-"Staubis"...


    Dazu kann ich nichts sagen, bin nach eigenem Dafürhalten weder "Staubi" noch Fundamental-"Staubi" (eher Befürworter von zeitlos-abstrakt wirkenden Inszenierungen, allerdings Gegner der "Entpathetisierung" pathetischer Stoffe und anderer zeitgenössischer Regiepraktiken).

    „People may say I can't sing, but no one can ever say I didn't sing."
    Florence Foster-Jenkins (1868-1944)


  • Komisch an der Sache ist nur, dass somit die Werke früher offenbar kein "großes Ganzes" waren.

  • Zitat


    1. Regie als eigenständige Kunstform existiert im engeren Sinn erst seit dem 20. Jhdt. - Davor agierten die Darsteller entweder nach strikten Schemata (griechische Tragödie, No, Kabuki, Peking Oper), die eine individuelle Ausgestaltung durch die Darsteller verunmöglichen oder in einer Kulisse im Wesentlichen nach eigenem Gutdünken mit viel Improvisation (Shakespeare, Nestroy). In der Oper agierten sie zunächst zumeist gar nicht, sondern traten auf (an die Rampe) und sangen - im Übrigen war das Publikum an der Szene selbst ohnehin nur mäßig interessiert, sondern mauschelte in den Logen (nachzulesen bei Dumas).


    Das ist ein Irrtum, selbstverständlich gab es eine Personenregie im 17. und 18. Jahrhundert.
    Diese Regie sah nur eben anders aus, da sollte man etwas differenzieren.
    Dumas als Quelle zu verwenden ist da eher fragwürdig.


    Zitat

    2. Libretti enthalten meist nur Angaben zu Auftritt/Abtritt und zur Kulisse - das Handeln (Bewegung, Berührung, Gestik, Mimik) muss stets neu "erfunden" werden. Elaborierte Libretti (etwa Wagner) enthalten wiederholt Szenenanweisungen, die praktisch gar nicht umsetzbar sind - wer hat etwa schon einmal Brünnhilde auf ihrem Ross in den Scheiterhaufen galoppieren gesehen?


    Nein
    Die spezielle Gestik der Sänger war ganz genau festgelegt.
    Jedes Wort, manche Wissenschaftler meinen sogar jede Silbe hätte ihre eigene Bewegung gehabt.



    Zitat

    4. Zumindest bis Mozart war es völlig selbstverständlich, dass in historischen Sujets die Personen in Gewändern der Gegenwart auftraten (so wie auch die Figuren- und Umgebungsdarstellungen in Gemälden nicht "historisch korrekt" war - Troja im Hintergrund von El Grecos "Laokoon" ist etwa zweifelsfrei Toledo; Ritter in Bibeldarstellungen gibt es wie Sand am Meer).


    Nein
    Die Kostüme waren reine Phantasieprodukte und hatten mit der höfischen oder bürgerlichen Kleidung nichts gemeinsam.
    Sie waren an die Kleidung und Rüstungen der Antike angelehnt, aber eben in einer völlig freien Interpretation.
    Richtig ist aber, dass es nie darum ging eine echte römische Rüstung zu reproduzieren.


    Die Kostüme der Barockoper sind daher reine Theaterkostüme.
    Das gleiche gilt für die Kulissen, es waren reine Phantasie - Anlagen die eine Mischung aus Antike und Barock waren (schade dass es das nie in der echten Architektur gab)


    Selbst wenn im Barock von konzertanten Aufführungen die Rede ist, das meine ich im Besonderen im Bezug auf das Oratorium, dann heißt das nur, dass ohne Bühne und Kulissen gespielt und gesungen wurde


    Die Sänger waren dann auch entsprechend kostümiert.
    Das war auch nötig, in Rom war es z.B. verboten dass Frauen singen, daher wurden die Kastraten in entsprechende Fummel gesteckt, damit man wenigstens noch ein bischen Maria Magdalena hatte :D



    Zitat

    Gerade Kirchenkunst hat große Überschneidungen zum Handwerk, da wenig individuell und nach strengen Vorgaben (Posen, Farben, Symbole) - echte Individualisten gab's natürlich auch, primär in der Renaissance. Die hatten aber durchwegs Mäzene und konten daher weitgehend machen, was ihnen passt (und Michelangelos Fresken wurden halt dann ein paar Windeln aufgemalt).


    Ein Vorurteil, gerade die "Kirchekunst" aus dem 17. und 18. Jahrhundert sollte man da mal etwas genauer betrachten ;)



    Zitat

    glaubt unser lieber Kurzstückmeister tatsächlich, mit Inszenierungen des 18. Jhdt. für Furore sorgen zu können?


    Vielleicht er nicht, aber dafür ich :D:angel:


    Zitat

    Gegebenenfalls tut's mir leid, dass er 200 Jahre zu spät geboren ist (nur dass man damals bereits 10 Jahre alte Werke nicht mehr aufgeführt hat, weil man sich mit dem "alten Zeug" nicht abgeben wollte).


    eine Pauschalisierung die genau genommen falsch ist.


    Zwar gab es bei den meisten italienischen Opern diese Tendenz, aber auch da gab es ausnahmen bei besonders beliebten Werken.


    In Frankreich und England sah das ganz anders aus.
    Lully, Campra und Rameau wurde das ganze 18. Jahrhundert durch gespielt, es gab Liebhaberkonzert in denen man Musik des 16 ! Jh. aufführte.


    In England gründete man die Academy of Ancient Music
    etc.



    Zitat

    Das Werk als solches ist Kunst.


    Regietheater ist keine Kunst, sondern Kunsthandwerk.


    ein grandioses Mißverständnis :hahahaha:


    wie schon von Martello geschrieben wurde:


    Zitat

    Insgesamt ist gute Oper und gutes Theater nur möglich, wenn die Regie eine ganz wesentliche Rolle einnimmt - nur dann wird ein Werk wirklich ein großes Ganzes.



    ...

    Zitat

    Komisch an der Sache ist nur, dass somit die Werke früher offenbar kein "großes Ganzes" waren


    nee lieber KSM, die Inszenierung war früher natürlich auch wesentlicher Bestandteil der Aufführung, gerade im 17. und 18. Jahrhundert.




    Zitat

    Wie Du richtig anführst, ist das Museale im Bereiche der "performativen Kunst" ja eine relativ moderne Entwicklung. Wüßte nicht, warum das auf halbem Wege halt machen sollte.


    leider so modern, dass diese Entwicklung auf meiner Akademie nicht akzeptiert wird :wacky:

  • Zitat

    Insgesamt ist gute Oper und gutes Theater nur möglich, wenn die Regie eine ganz wesentliche Rolle einnimmt - nur dann wird ein Werk wirklich ein großes Ganzes.


    Eine unbewiesene Behauptung.


    Regie ist sicher nötig - gut ist sie indes nur - wenn man sie überhaupt nicht bemerkt.
    Das Stück sollte SCHEINBAR von alleine laufen, völlig natürlich, sodaß der
    Eindruck entsteht: "So und nicht anders"


    SICHTBARE Regie ist in etwa so angenehm wie die Schnüre von Marionetten.


    Aber eigentlich wollte ich mich hier nicht über Sinn und Unsinn des Regietheaters streiten -interessant ist vielmehr, welche Auswirkungen Kehlmanns Rede hat, bzw haben könnte.


    Die Reaktionen waren ja ziemlich heftig - von allen Seiten übrigens...


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Zitat

    Original von Joseph II.
    Sicher muß die Regie eine wesentliche Rolle einnehmen. Aber bitte nicht, indem sie gegen das Werk arbeitet.


    Es gibt, was das Regietheater angeht, durchaus schlüssige Konzepte, ich verweise abermals auf Wieland Wagner.


    Wieland Wagner hat aber - so würden es "Werktreue"-Anhänger nennen - durchaus "gegen das Werk" inszeniert, indem er mit der Übereinstimmung von Musik und Gestik/Bewegung in der Inzenierung gebrochen hat, weil er - m.E. zu Recht - die "mitkomponierte Inszenierung" Richard Wagners, also Szenik und Gestik, als Fossilien eines bereits abgestorbenen Inszenierungsstils erkannt hat, nämlich als bloß zeitgebundene theaterpraktische Anweisungen, gerichtet an Wagners Zeitgenossen. Diese daher nicht ohne Substanzverlust ins Heute zu tradierenden Regieanweisungen gehören somit nicht zum eigentlichen, überzeitlichen "Werkkern" (Text, Partitur).


    :hello:


    GiselherHH

    "Mache es besser! (...) soll ein bloßes Stichblatt sein, die Stöße des Kunstrichters abglitschen zu lassen."


    (Gotthold Ephraim Lessing: Der Rezensent braucht nicht besser machen zu können, was er tadelt)

  • Zitat

    Original von GiselherHH
    Wieland Wagner hat aber - so würden es "Werktreue"-Anhänger nennen - durchaus "gegen das Werk" inszeniert, indem er mit der Übereinstimmung von Musik und Gestik/Bewegung in der Inzenierung gebrochen hat, weil er - m.E. zu Recht - die "mitkomponierte Inszenierung" Richard Wagners, also Szenik und Gestik, als Fossilien eines bereits abgestorbenen Inszenierungsstils erkannt hat, nämlich als bloß zeitgebundene theaterpraktische Anweisungen, gerichtet an Wagners Zeitgenossen. Diese daher nicht ohne Substanzverlust ins Heute zu tradierenden Regieanweisungen gehören somit nicht zum eigentlichen, überzeitlichen "Werkkern" (Text, Partitur).


    Ein interessanter Aspekt.


    Die Frage, lieber Giselher, ist ja, ob dies tatsächlich bereits wirklich "gegen das Werk inszeniert" genannt werden kann.


    Hat Wieland nicht zumindest die Optik weitgehend beibehalten? Ritter im "Tannhäuser", einen doch auf seine Weise monumental anmutenden Gralstempel im "Parsifal" oder, wenn auch "entschlackte", so doch noch immer als frühneuzeitlich erkennbare "Meistersinger"?


    Ich meine: Ich sehe da noch einen gewaltigen Unterschied zum heutigen Regietheater, wo man eine Wagner-Oper gewiß nicht mehr auf den ersten Blick identifizieren kann, wenn man Photos davon sieht.


    :hello:

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

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  • Zitat

    Original von martello
    In der Oper agierten sie zunächst zumeist gar nicht, sondern traten auf (an die Rampe) und sangen


    Wie war das denn mit Schikaneder??

  • Zitat

    Hat Wieland nicht zumindest die Optik weitgehend beibehalten? Ritter im "Tannhäuser", einen doch auf seine Weise monumental anmutenden Gralstempel im "Parsifal" oder, wenn auch "entschlackte", so doch noch immer als frühneuzeitlich erkennbare "Meistersinger"?


    Das haben die "Werktreuen" der 50er und 60er Jahre aber ganz anders gesehen (Du hast in einem anderen Thread ja einen entprechenden "Zeit"-Artikel zitiert, es gab da noch weit extremere Äußerungen). Die "Meistersinger" von 1956 waren ein richtiger Skandal, man sprach von den "Meistersingern ohne Nürnberg" (insbesondere beim 2. Akt mit der "Niere" und dem stilisierten Fliederbusch) und es gab eine heftige Feuilleton-Debatten darüber, was man als Regisseur denn dürfe und was nicht. Manche Dinge ändern sich halt nie...


    :hello:


    GiselherHH

    "Mache es besser! (...) soll ein bloßes Stichblatt sein, die Stöße des Kunstrichters abglitschen zu lassen."


    (Gotthold Ephraim Lessing: Der Rezensent braucht nicht besser machen zu können, was er tadelt)

  • Die heutige Regietheaterdiskussion hat nichts mit der damaligen zu tun, es geht um völlig andere Ideen und Praktiken (damals ging es darum, die Inszenierungen zu "entrümpeln", heute eher darum, sie neu vollzustopfen).

    „People may say I can't sing, but no one can ever say I didn't sing."
    Florence Foster-Jenkins (1868-1944)

  • Zitat

    Original von martello
    In der Oper agierten sie zunächst zumeist gar nicht, sondern traten auf (an die Rampe) und sangen [...]


    Das muß aber zunächst auch erst einmal zeitlich eingegrenzt werden und gilt nicht für alle prämodernen Opern. Das gilt vielleicht teilweise noch beim Idomeneo - aber selbst da wird's schon arg kritisch und lag vielleicht eher an der Unbeweglichkeit des Protagonisten.


    Aber Bastien et Bastienne, die Finta Giardiniera, die Entführung, den Figaro und Don Giovanni, die Cosí und Zauberflöte als Rampenoper? Nee.... da muß jemand was falsch verstanden haben!


    :no:


    Zitat


    Libretti enthalten meist nur Angaben zu Auftritt/Abtritt und zur Kulisse - das Handeln (Bewegung, Berührung, Gestik, Mimik) muss stets neu "erfunden" werden [...]


    Jein. Hier bewegen wir uns auch im Bereich der sogenannten Historischen Aufführungspraxis. Nicht alles, was gespielt wurde, stand in den Noten, da man davon ausging, die Musiker wissen, was zu tun ist. Und falls dies nicht der Fall war, gab es Krach! Gleiches gilt natürlich auch für die Libretti - niemand hat sich da selbstverständlich die Mühe gemacht und detailliert jeden zu machenden Furz notiert (Papier war kostbar, teuer und das Schreiben zeitraubend). Damals dachte natürlich niemand, daß dies heute vergessen sein könnte (man schrieb ja nicht für die Ewigkeit, sondern in der Regel für einen kurzfristigen Erfolg). Es gilt natürlich, anhand von Berichten diese Historische Aufführungspraxis auch hinsichtlich der Libretti neu zu finden, herauszuarbeiten und entsprechend umzusetzen.


    :hello:


    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Zitat

    Original von Draugur
    Die heutige Regietheaterdiskussion hat nichts mit der damaligen zu tun, es geht um völlig andere Ideen und Praktiken (damals ging es darum, die Inszenierungen zu "entrümpeln", heute eher darum, sie neu vollzustopfen).


    Aber die Argumente der Gegner sind zumeist immer die gleichen geblieben. Die ewig gleiche Litanei von der mangelnden "Werktreue" kann man mittlerweile mehr als 100 Jahre zurückverfolgen. Damals waren Adolph Appia und Gordon Craig aus der Sicht Cosimascher Orthodoxie die bösen Buben...


    :hello:


    GiselherHH

    "Mache es besser! (...) soll ein bloßes Stichblatt sein, die Stöße des Kunstrichters abglitschen zu lassen."


    (Gotthold Ephraim Lessing: Der Rezensent braucht nicht besser machen zu können, was er tadelt)

  • Zitat

    Original von GiselherHH
    Aber die Argumente der Gegner sind zumeist immer die gleichen geblieben. Die ewig gleiche Litanei von der mangelnden "Werktreue" kann man mittlerweile mehr als 100 Jahre zurückverfolgen. Damals waren Adolph Appia und Gordon Craig aus der Sicht Cosimascher Orthodoxie die bösen Buben...


    Wen wundert das wirklich? Die Regietheaterregisseure nerven ja - mit wenigen großartigen Ausnahmen - auch seit 100 Jahren gleichbleibend...


    :pfeif:

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Zitat

    Original von GiselherHH
    Aber die Argumente der Gegner sind zumeist immer die gleichen geblieben. Die ewig gleiche Litanei von der mangelnden "Werktreue" kann man mittlerweile mehr als 100 Jahre zurückverfolgen. Damals waren Adolph Appia und Gordon Craig aus der Sicht Cosimascher Orthodoxie die bösen Buben...


    Lieber Giselher,


    Was hast Du prinzipiell dagegen, wenn Menschen verlangen, daß ein Werk so getreu wie möglich gezeigt/gehört wird?
    Bist Du gegen HIP-Aufnahmen?


    LG, paul

  • Zitat

    Original von GiselherHH


    Aber die Argumente der Gegner sind zumeist immer die gleichen geblieben. Die ewig gleiche Litanei von der mangelnden "Werktreue" kann man mittlerweile mehr als 100 Jahre zurückverfolgen.


    Dass dieser Begriff immer wieder auftaucht, mag ja sein, aber mit Sicherheit immer anders definiert. Es ist nur meiner Ansicht nach unzulässig, die umstrittenen Inszenierungen von heute mit dem Hinweis darauf legitimieren zu wollen, dass Wieland Wagner auch umstritten war, obwohl es sich um völlig verschiedene Konzepte handelt.

    „People may say I can't sing, but no one can ever say I didn't sing."
    Florence Foster-Jenkins (1868-1944)

  • Wenn ich etwas NICHT WILL, was immer es auch sei - -dann brauche ich nicht zu argumentieren - ICH WILL ES EBEN NICHT.


    Man stelle sich vor ich möchte einen hellgrauen Schurwoll-Anzug kaufen.
    Der Verkäufer erklärt mir, daß "fortschrittliche Leute" heuer violette Anzüge mit 4 cm Durchmesser großen gelben Tupfen aus Terylene tragen. Und als ich dankend ablehne fragt er: Was sind ihre argumente geen den lila-gelb getupften Anzug. Jeder trägt das heutzutage.
    Da bin ich aber neugierig was sie mir zu sagen haben.- Ausserdem ist Lila Gelb eine Symbolfarbe gegen Kaptialismus und unerwünschtes Gedankengut."


    Er würde nicht lange warten müssen, bis ich was sagte - Argumentieren würde ich indes nicht.ich finde es einfach eine Frechheit mir einen lila-gelb getupften Anzug anzubieten


    So ist es auch beim Theater. Das Publikum bestimmt WAS gepielt wird -und wie es inszeniert wird. - Hoffen wir, daß es in Zukunft wieder so sein wird.


    In einem der vielen Zeitungsartikel wurde getextet, daß Kehlmann NICHT die Speerpitze der Regietheatergegner sei - als ob das noch von Bedeutung wäre.


    Es ist beispielsweise zu hoffen, daß Alexander Pereira, ab 2011 Intendant der Salzbuerger Festspiele, und eher konservativ, den einst vom vielgehassten Gerard Mortier initiierten Kurs wieder verlässt und zusammen mit Helga Rabl-Stadler jenen Glanz wieder herstellt der mit der endenden Ära Karajan verschwunden ist.



    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Lieber Paul,


    natürlich bin ich nicht gegen HIP, genauso wie ich auch nicht prinzipiell gegen naturalistische Aufführungen bin. Aber für mich gibt es sowohl musikalisch wie inszenatorisch keinen allein selig machenden Weg. Wenn mich das Ergebnis anspricht/berührt/zum Nachdenken anregt, dann ist mir die "Herstellungsweise" schnurzpiepegal. Beispielsweises sind die berühmt-berüchtigte "Matthäuspassion" von Mengelberg oder die "Messiah"-Aufnahme von Beecham heutzutage in philologischer Hinsicht äußerst unkorrekt. Dennoch haben beide Interpretationen eine emotionale Kraft, die von vielen historisch richtigeren Aufnahmen m.E. nicht erreicht wird. Ich möchte beide Spielarten nicht missen, weil sie für mich oft komplementär sind.


    :hello:


    GiselherHH

    "Mache es besser! (...) soll ein bloßes Stichblatt sein, die Stöße des Kunstrichters abglitschen zu lassen."


    (Gotthold Ephraim Lessing: Der Rezensent braucht nicht besser machen zu können, was er tadelt)

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  • Zitat

    Original von Alfred


    Regie ist sicher nötig - gut ist sie indes nur - wenn man sie überhaupt nicht bemerkt.
    Das Stück sollte SCHEINBAR von alleine laufen, völlig natürlich, sodaß der
    Eindruck entsteht: "So und nicht anders"


    Ah ja. Und was soll dann die Regie, wenn man sie nicht sehen soll?


    Ich gehe in die Oper, um etwas Spannendes zu erleben, um etwas Neues zu entdecken, und nicht, um mir unförmige Sänger in ebensolchen Kostümen anzusehen, die krampfhaft historiert sind, und noch dazu ein Bühnenbild aus soviel Mumpitz, dass extra eine neue Müllhalde eröffnet werden muss, um die ganze Pappe zu recyceln.


    Wie manchen Anderen schon auch impliziert sich mir angesichts des Threadtitels fast sofort der Satz: "Traditionstheater- letzte verbliebene Schrumpfform rechter Ideologie?" Und fast möchte ich diese Frage bejahen, denn wenn es einen Beweis dafür gibt, wie wenig wir nach Holocaust und Bombenkrieg dazu gelernt haben, dann diese Fluchten in ein Wolkenkuckucksheim.


    Auch meine Ethik des Theaters hat Grenzen, auch ich möchte einige Dinge auf der Bühne nicht sehen. Welche? Weiß ich nicht. Ich möchte sie nämlich nur dann nicht sehen, wenn sie nicht im mindesten in das Konzept passen, oder wenn sie deplatziert und konstruiert wirken. Oralsex- warum nicht, wenn's gut gemacht ist :D?


    "Werke so aufführen, wie der Dichter/der Komponist es wollte"- ja, aber wie soll das denn aussehen? Es gehört sicherlich auch zu den Absichten eines Komponisten, sein Werk unsterblich zu wissen, für alle Generationen interessant. Will man nun jungen Leuten eine alte Oper näherbringen, wäre es mithin der Super-GAU, dort die sprichwörtlichen "Helden in Strumpfhosen" auflaufen zu lassen.


    Kehlmann, über den der stern treffend bemerkte: "Daniel Kehlmann nervt. Er ist 33, sieht aus wie 20 und schreibt, als wäre er 80", hat von Regietheater und Inszenierungen allgemein wahrscheinlich ungefähr so viel Ahnung wie Dieter Bohlen von den Fruchtbarkeitszyklen einer Galapagos-Schildkröte.


    In einem anderen Thread wurde die Frage gestellt, wie man jungen Leuten am besten Wagner näherbringt. Alfred meinte: "mit einer traditionellen Inszenierung des 'Fliegenden Holländers'". Muss sich da aber nicht jeder Jugendliche meines Alters (ich bin 15, und viel früher sollte man wohl auch nicht mit dem Nahebringen Wagners anfangen, solange kein eigenes Interesse sichtbar wird) in seiner Ablehnung für Wagner im Speziellen oder gar die Oper an sich bestätigt fühlen, wenn er dort Daland mit Käpt'n-Iglo-Bart und ungruselige Untote bewundern darf oder besser muss, wenn er nicht gerade zu der von Mutti abhängigen Fraktion mit Stock im Ar..., bis zum Anschlag hochgezogener Hose und dementsprechend nichtliberalem Geist zählt?


    Natürlich gibt es verfälschende, sinnfreie (ich erinnere da an Wilsons Baden-Badener "Freischütz" oder an Jones' Münchner "Lohengrin") oder einfach konstruiert wirkende Inszenierungen, die sich auch mir nicht erschließen (dazu zählt vor allem Martin Kusejs Salzburger "Giovanni").


    Andererseits gibt es die Fraktion Otto Schenk. Nie wieder hat es ein Regisseur so grandios verstanden, den Werken jegliche Spannung auszutreiben. Zitat aus einem anderen Thread, sinngemäß: "der 'Riesen-Wurm' in der Nibelheim-Szene ist tatsächlich ein Riesen-Wurm!". Eben nicht! Das ist ein Kuscheltier, das nicht mal einem Säugling Angst machen würde! Personenführung ist bei Schenk gleichsam nicht vorhanden. Die Charaktere bleiben farblos.
    Genauso kilometerweit am Kern des Werks vorbei schlitterte stets auch Herbert von Karajan, was nicht zuletzt aus seinem lächerlichen "Rheingold"-Filmchen erkennbar ist.
    Warum sollen die Rheintöchter nicht nackt sein dürfen? Sie sind Kinder der Natur, und es ist ohnehin doch äußerst hinderlich, in einem Kleid zu schwimmen, oder? Warum müssen sie überhaupt schwimmen? Ach ja, "weil's da steht". Wenn am Ende der Götterdämmerung die Anweisung wäre: "Brünnhilde reitet ins Feuer, die Zuschauer rennen hinterher", würdet ihr die dann befolgen? Als Staubi müsste man das ja machen. Wäre ja werktreu.


    Regie darf alles. Regie muss alles. Eine Inszenierung kann, aber muss einem Werk nicht "dienen". Das Dienen heißt aber: Das Werk in die jeweilige Zeit zu den jeweiligen Menschen zu transponieren, damit die aus diesem Werk etwas fürs Leben lernen können.
    Wer das nicht will, der soll sich seine ollen Kamellen auf Video ansehen oder einen alten Ritterfilm gucken. Altmodische Inszenierungen sind keine Inszenierungen, sondern der krampfhafte Versuch, eine unwiederbringliche Zeit auf die Bühne zu stemmen, weil man es ja angeblich nur so machen darf. Deshalb möchte ich auch sagen, dass es nicht die Leute des Regietheaters sind, die sagen: "So und nicht anders!", sondern vielmehr die des verkrampften, verschlossenen und dummen Staubtheaters.



    :hello:

  • Zitat

    Original von Basti
    Ich gehe in die Oper, um etwas Spannendes zu erleben, um etwas Neues zu entdecken, und nicht, um mir unförmige Sänger in ebensolchen Kostümen anzusehen, die krampfhaft historiert sind, und noch dazu ein Bühnenbild aus soviel Mumpitz, dass extra eine neue Müllhalde eröffnet werden muss, um die ganze Pappe zu recyceln.


    Nanana, da fragt sich eher, was mit den Utensilien einer zeitgemäßen Inszenierung geschehen soll... Sondermüll? Gorleben?



    Zitat

    Und fast möchte ich diese Frage bejahen, denn wenn es einen Beweis dafür gibt, wie wenig wir nach Holocaust und Bombenkrieg dazu gelernt haben, dann diese Fluchten in ein Wolkenkuckucksheim.


    Nunja, die Oper sollte eigentlich von ihrer Konzeption her kein Politikkampfplatz sein - gegen gewisse Anspielungen spricht natürlich nichts. Aber vom Grundgedanken her geht Oper doch schon eher Richtung 'Heimatfilm' - sie soll nämlich von den Querelen des Alltags ablenken und nicht noch darauf hinweisen (dafür gibt's ja Lindenstraße).



    Zitat

    Oralsex- warum nicht, wenn's gut gemacht ist :D?


    Einverstanden - aber in historischen Kostümen bitte (ich bin sehr fetischistisch veranlagt).



    Zitat

    "Werke so aufführen, wie der Dichter/der Komponist es wollte"- ja, aber wie soll das denn aussehen?


    Das wurde doch schon x-mal erläutert.



    Zitat

    Es gehört sicherlich auch zu den Absichten eines Komponisten, sein Werk unsterblich zu wissen, für alle Generationen interessant.


    Nein, das war nicht immer so - das ist eine Spinnerei, die wohl aus der Romantik stammt. Sonst hätten ja die Komponisten alle jeweils nur eine Oper komponieren brauchen - was taten sie aber? Sie komponierten 30, 40, 50, 60, 70 oder 80 solcher Werke. Das waren Gelegenheitsstücke, die darauf hoffen konnten, wenigstens für eine Saison gespielt zu werden...



    Zitat

    Will man nun jungen Leuten eine alte Oper näherbringen, wäre es mithin der Super-GAU, dort die sprichwörtlichen "Helden in Strumpfhosen" auflaufen zu lassen.


    Also, um nochmals auf meinen Fetischismus zurückzukommen: Strumpfhosen sind geil :lips:



    Zitat

    Kehlmann, über den der stern treffend bemerkte: "Daniel Kehlmann nervt. Er ist 33, sieht aus wie 20 und schreibt, als wäre er 80",


    Wer kann das, außer mir, noch von nicht behaupten? :P



    Zitat


    "Brünnhilde reitet ins Feuer, die Zuschauer rennen hinterher", würdet ihr die dann befolgen? Als Staubi müsste man das ja machen. Wäre ja werktreu.


    Wenn die Oper von Kraus, Händel oder Mozart wäre... warum nicht?



    Zitat

    Das Dienen heißt aber: Das Werk in die jeweilige Zeit zu den jeweiligen Menschen zu transponieren, damit die aus diesem Werk etwas fürs Leben lernen können.


    Stimmt auch nicht, denn das ist vorkauen. Das Hirn, so vorhanden, wird m. E. erst angeregt, in dem man versucht, das damalige selbst für sich ins Heute zu übertragen. Weil, ansonsten kann ich gleich Lindentraße schauen...



    Zitat

    Wer das nicht will, der soll sich seine ollen Kamellen auf Video ansehen oder einen alten Ritterfilm gucken.


    He! Jetzt wirds aber haarig. Es geht nicht um 'olle Kamellen', sondern um tolle Kostüme, faszinierende Bühnenbilder und das Wiederfinden in einer anderen [!] Welt.



    Zitat


    Altmodische Inszenierungen sind keine Inszenierungen,


    Achja, das war mir neu - hab ich glaub ich oben schonmal geschrieben...



    Zitat

    sondern der krampfhafte Versuch, eine unwiederbringliche Zeit auf die Bühne zu stemmen, weil man es ja angeblich nur so machen darf.


    Es geht nicht ums Dürfen, sondern darum, die unwiederbringliche Zeit eben doch wiederherzustellen. Für einen Augenblick eben. Das ist wohl nicht verboten!?



    Zitat

    Deshalb möchte ich auch sagen, dass es nicht die Leute des Regietheaters sind, die sagen: "So und nicht anders!", sondern vielmehr die des verkrampften, verschlossenen und dummen Staubtheaters.


    Zum Glück für Dich, daß Du es nicht sagtest...


    :hello:


    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Warum werden eigentlich Gemälde, Deckenfresken und ganze Gebäude liebevoll und kostspielig saniert und restauriert? Das ist doch völlig unzeitgemäß... wenn man Schloß Versailles aus Kostengründen schon nicht abgerissen und durch ein mehrstöckiges Beton-Parkhaus ersetzt hat, dann hätte man wenigstens im Zuge der Sanierung die Deckenfresken gegen Graffitis ersetzen sollen, oder?


    :pfeif:


    Ich denke, es geht doch primär um die Erhaltung des Kunstwerks. Daß das Kunstwerk selbst auch anregend sein kann, in ein anderes integriert zu werden, ist eine andere Sache. Als Gag empfände ich eine Inszenierung im Startrekstil wirklich urcool - aber erstnehmen könnte ich das nicht...


    :hello:


    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Zitat

    Original von Ulli
    Warum werden eigentlich Gemälde, Deckenfresken und ganze Gebäude liebevoll und kostspielig saniert und restauriert? Das ist doch völlig unzeitgemäß... wenn man Schloß Versailles aus Kostengründen schon nicht abgerissen und durch ein mehrstöckiges Beton-Parkhaus ersetzt hat, dann hätte man wenigstens im Zuge der Sanierung die Deckenfresken gegen Graffitis ersetzen sollen, oder?


    :pfeif:


    Die Frage könnte ich mir in einem Thread über Malerei oder Architektur gut vorstellen.


    :hello:


    Gerd

  • Zitat

    Original von Zwischenrufer2
    Die Frage könnte ich mir in einem Thread über Malerei oder Architektur gut vorstellen.


    Tut mir leid, ich sehe da keinen Unterschied zur Musik bzw. Oper.


    :hello:

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Zitat

    Original von Ulli


    Tut mir leid, ich sehe da keinen Unterschied zur Musik bzw. Oper.


    :hello:


    Der Maler hat sein Werk vollendet. Es ist fertig. Es bedarf keiner weiteren Bearbeitung. Man hängt es auf. Das wars dann auch schon.


    :hello:


    Gerd

  • Irgendwann Ende des 19. Jahrhunderts gab es eine Sängerin der Brünnhilde, die nicht durch ihre Sangeskunst sondern durch die Reitkünste von sich reden machte. Die sprang samt Pferd über ein Feuer - OK, das mag eine schwierige Übung für ein Pferd sein, aber mir sind Sängerdarsteller lieber, die außer wohlgeratenen Tönen mir auch die seelischen Abgründe einer Rolle, deren gesamtes Spektrum an Emotionen zeigen kann.
    Vor Jahren inszenierte Tobias Richter Rheingold und Walüre in der Kraftzentrale des Landschaftspark Duisburg Nord. Im zweiten Walkürenakt trat Brünnhild hoch zu Roß auf - Wotan hatte auch ein Pferd, aber da zeigte sich auch schon die Grenzen. Die Pferde mussten geduldig genug sein, um das ganze Spektakel drumherum zu ertragen und auch noch ungeübte Sänger so zu tragen, dass die nicht beim ersten Antraben aus dem Sattel fielen.
    Fricka trat leider nicht mit einem Widdergespann auf (hat man das jemals gemacht?) sondern in einem von Huskies gezogenen Wagen (die stanken auch nicht ganz so). Ist Tobias Richter deshalb ein Staubi?


    Ein anderes Beispiel ist der irgendwo in diesem Thread erwähnte Flieder in dem Meistersingern, der zu den so genannten unverzichtbaren Requistiten gehören soll. Nun dazu habe ich eine Frage: Wer von Euch hat einen Fliederbusch im Garten? Welcher von denen hat am 24. Juni noch geblüht? Gab es zu Sachsens Zeiten schon die häufig mit dem Namen Flieder bezeichnete Pflanzengattung Syringa in Mitteleuropa? Zu Wagners ja, das ist keine Frage. Zu Sachsens Zeiten nicht, ebenso wenig wie die Tulpe.
    Also ein Irrtum von Wagner? Nein, das nicht - aber der Irrtum von vielen Ausstattern.
    Mitte/Ende Juni blüht der Holunder, der früher als Flieder bezeichnet wurde, und der Holunder ist in seiner symbolischen, heilenden, magischen oder mythologischen Bedeutung wesentlich stärker als der Flieder. Wird dort je nach Farbschlag (Blau, violett, weiß) ein anderer Symolwert vermutet?


    Darum geht es doch eigentlich gar nicht! Führt das mich zum Kern des Fliedermonologs? Oder erhoffe ich das durch den Vortrag des Sängers zu erfahren? Mich hat ein unglücklich gewähltes Requsit nur zur Bschäftigung mit der Ausbreitung von Pflanzen geführt - also ganz weit weg von den Meistersingern.


    Muss die Regie nicht Wert darauf legen, dass sich mir der Kern des Werkes aus der Aktion der handelnden Personen erschließt?
    Aufzeigen wollte ich nur die Fallstricke, die sich ergeben aus dem bloßen Lesen und Ausführen der Wörter eines Librettos. Inszeniert werden sollte aus dem Text hinter dem Text aus der Bedeutungsebene heraus.

    mit freundlichen Grüßen
    Martina
    Auf dem Rohre taugt die wonnige Weise mir nicht!

  • Zitat

    "Traditionstheater- letzte verbliebene Schrumpfform rechter Ideologie?" Und fast möchte ich diese Frage bejahen, denn wenn es einen Beweis dafür gibt, wie wenig wir nach Holocaust und Bombenkrieg dazu gelernt haben, dann diese Fluchten in ein Wolkenkuckucksheim.


    Der Holocaust ist nicht Thema wenn ich in die Oper gehe, sondern Mozart oder Verdi, Bellini Donizetti, ebensowenig wie er Thema ist, wenn ich in ein Restaurant gehe. Wer seine Kunden mit Themen beglückt, die sie nicht interessieren, der hat bald keine.


    Die Mehrheit der Menschen hat es satt immer wieder bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit daran erinnert zu werden, es redet ja letztlich auch kein Mensch über die Opfer der französischen Revolution. Also bitte ich beim Thema zu bleiben.


    Zitat

    Ich gehe in die Oper, um etwas Spannendes zu erleben, um etwas Neues zu entdecken


    ICH ging einst in die Oper um etwas ALTES zu entdecken, wer "Spannung" sucht, soll Jerry Cotton Hefte lesen.
    Oper- wie sie ist - ist spannend OHNE Verfremdung - wer Verfremdung braucht um sie als spannend zu empfinden - der hat wohl mit der Oper wenig bis nichts am Hut und sollte die Finger davon lassen oder MODERNE, ZEITGENÖSSISCHE Opern anhören.
    Manche Leute finden ja auch die Katholische Kirche interessant - lediglich die Spielregeln stören sie.


    Traditionstheater- letzte verbliebene Schrumpfform rechter Ideologie?"


    Eine gute Frage. Vielleicht kann man sie in 5 Jahren beantworten, denn den die rechte Ideologie ist ja gerade wieder am aufflammen - oder zumindest die konservativ- reaktionäre.


    In der Tat würde ich nicht ds Wort RECHTS benutzen, sondern eher reaktionär (sihe WIKpedia REAKTION)


    Aber zugleich muß ich mich bedanken.
    Immer wieder habe ich behauptet, das Regietheater sei in Wahrheit keine künstlerische, sonderne ein politische Bewegung, zur Zerstörung
    konservativ.autoritärer Strukturen gedacht.


    Immer wieder wurde ich dafür belächelt, und nun darf ich hier lesen, daß das Traditionstheater in der Tat als "rechtes" Theater gesehen wird.


    Wahr ist daran wahrscheinlich lediglich - aber immerhin bemerkenswert, daß es in der Tat kein "rechtes", bzw "rechtslastiges" Regiethater zu geben scheint.


    Wie das (elitäre !!) Publikum auf den Angriff aufs Regietheater reagierte ist hier zu lesen:


    Zitat

    Im Publikum ortete der Berichterstatter aus Deutschland weitgehende Zustimmung: "In Salzburg zieht, unter dem Applaus des Publikums, die Reaktion ein", schreibt er. "Niemand murrte, niemand buhte, alles applaudierte, manche frenetisch."


    mfg aus Wien


    Alfred



    PS: Ich weise erneut darauf hin, daß Politik in diesem Forum nicht gestattet ist, räume aber ein, daß dieser Thread einen Sonderfall darstellt, wo diese Grenze gelegentlich (unfreiwillig, wie ich hoffe) überschritten wurde, bzw werden musste....
    MOD002 Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



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