Wiener Konzerthaus-Quartett - Blick in die Vergangenheit

  • Liebe Taminos


    Manchmal muß man zu seinem Glück förmlich gezwungen werden.


    Ich kannte in den siebziger Jahren einen Herrn namens Professor Kamper, er war Kunde in jenem Geschäft in der Wiener Kärntnerstraße, wo ich in jenen Tagen tätig war.
    Er besaß eine Stradivari, die er, da er alt geworden war, einem jungen Kollegen überließ - damit das Instrument bespielt würde.
    Er selbst begnügte sich mit einem "lebensgroßen" Bild seines Instruments, damit er es immer vor Augen habe.


    Wo er denn spiele, fragte ich
    "ich war einst Primarius des Wiener Konzerthausquartetts" war seine Antwort.
    OK - Das sagte mir damals nichts...
    "Kommen Sie uns doch einmal besuchen, meine Frau und ich würden uns freune - ich zeige ihnen alte Bilder und spiele Ihnen Aufnahmen vor"
    Ich war damals mitte zwanzig - und suchte die Gesellschaft junger Leute, sagte also höflich ab.
    Immer öfter kamen die Einladungen - immer wieder sagte ich ab.
    Eines Tages war Professor Kamper gestorben - es war für immer zu spät.


    Irgendwann fand ich bei Preiser eine alte Aufnahme mit Schubert Streichquartetten (3 CD Box), gespielt vom "Wiener Konzerthausquartett"


    Schade - nur mono, dache ich - und die Box blieb ungekauft.


    Vor etwa 10 Tagen habe ich mich dann aber doch entschlossen hineinzuhören - und flugs war die Aufnahme bestellt


    Seit einer halben Stunde höre ich in die Aufnahme hinein - sie dürfte aus den fünfziger Jahren sein und ist weder klanglich flach noch höhenschwach oder verfärbt - im Gegenteil: die Instrumente haben Körper und die Aufnahme ist in die Tiefe hinein "räumlich" (das ist bei Mono-Aufnahmen durchaus möglich, lediglich der seitliche Aspekt der Räumlichkeit fehlt)


    Aber was rede ich über Technik !! Selten hat mich eine Aufnahme so berührt wie diese, die melancholischen Stellen kommen todtraurig und klanglich bittersüss aus den Schallwandlern, die agileren Stellen werden mit beherztem Zugriff gespielt - jedoch ohne künstliche Aggression.
    Alles passt hier. Ein Glücksfall



    Schade eigentlich, daß es nur diese eine Aufnahme gibt.....


    Denkste - es gibt bei Preiser durchaus mehr - und wenn die Qualität mit der von mir gehörten Aufnahme vergleichbar sein sollte - dann habe ich allen Grund mich zu freuen.....


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • es gab in den neunzigern von preiser eine serie der haydn-quartette mit dem wiener konzerthaus-quartett. davon besitze ich vol.3, eine 4 cd box mit recht bunt zusammengewürfelten quartetten (7 letzte worte, diverse nummern der quartette op.1, 33, 50, 55, 64, 76). keine ahnung, ob alle quartette verfügbar waren oder ob es die heute noch irgendwo gibt - auf der preiser-website gibt es nur 2 einzel-cds davon.


    ich habe die box damals ganz billig beim caruso aus der wühlkiste gezogen, war und bin aber nie zufrieden mit den aufnahmen geworden. viel zu zäh ist mir diese art des musizierens, ganz der romantischen tradition verschrieben. immer schön die erste geige - teilweise mit schmazligstem vibrato - im vordergrund, ja keine kante zuviel, alles lieb und brav gespielt. wer's gern gemütlich mag, wird vielleicht zufieden damit, ich persönlich will mir solche aufnahmen heute nicht mehr anhören.


    greetings, uhlmann

  • Kenne bisher noch nichts mit diesem Ensemble, aber hier (intern) gibt es die die Gelegenheit, etwas kennenzulernen.


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Es gibt ja nicht so viele, die die alten Schubert-Einspielungen des Wiener Konzerthaus Quartetts noch kennen, aber für so manchen gehören sie immer noch zum Besten, was es auf diesem Sektor gibt. Leider ist die Box recht teuer...


    Eine echte Muss-Doppel-CD dieses Ensembles ist folgende Ergänzung:



    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Zitat

    Leider ist die Box recht teuer...


    Unglücklicherweise habe ich einige davon bestellt.....


    Vielleicht was für ein Preisrätsel im Herbst ?


    Persönlich habe ich auch den Eindruck, daß sie zum Besten gehören, was ich in Sachen Schubert auf diesem Gebiet je gehört habe - aber Uhlmann ist hier anderer Meinung das ist zu respektieren.
    Über Geschmack lässt sich nicht streiten....


    Viele werden diese Aufnahmen nicht wollen, da sie nur mono sind....


    Im Gegenzug dazu sind sie optimal durchhörbar....


    LG
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



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  • Zitat

    Original von Alfred_Schmidt
    ...
    Persönlich habe ich auch den Eindruck, daß sie zum Besten gehören, was ich in Sachen Schubert auf diesem Gebiet je gehört habe - aber Uhlmann ist hier anderer Meinung das ist zu respektieren.
    ...


    Nicht unbedingt. Uhlmann sprach von Haydn-Aufnahmen und man soll nicht einfach generalisieren. Das Konzerthaus-Quartett trifft einen wunderschönen Schubert-Ton, allein daher ist die Konkurrenz nicht gar so groß. Es kann aber durchaus sein, dass die Haydn-Aufnahmen im Vergleich zu modernen Produkten ein wenig nach Zopf klingen. Wenn ihm das nicht liegt wird er damit eben nicht gut zurecht kommen. Schubert kann aber eigentlich gar nicht nach Zopf klingen...


    (Allerdings ist das Oktett wirklich wunderschön eingespielt und das Quintett liegt auch mehr auf der klangschönen Seite - und dringt dennoch bis zum Kern vor)




    Das Missgeschick mit den bestellten Exemplaren klingt gut! ;)



    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • ich habe mir die von johannes verlinkte aufnahme des bruckner quintetts mal angehört (danke übrigens für den link). sie bestätigt die einschätzung, die ich auch vom haydn gewonnen habe: das konzerthaus quartett spielt klangschön, allerdings für meine begriffe viel zu wenig inspiriert, viel zu brav.


    auffallend sind die steifen tempi und die wenig ausgeprägte dynamik. dazu ist die "führungsstimme", wie auch bei ihrem haydn, zu sehr im vordergrund, wodurch viele details und ein natürlicher aufbau verloren gehen. bruckners musik klingt hier seltsam dröge, sie "atmet" überhaupt nicht (gerade das will ich aber bei bruckner).


    das melos quartett etwa, das ich zum vergleich gehört habe, leuchtet die musik weit tiefer aus, dort gibt es einen vernünftigen aufbau des werks, dort wird vor der nötigen dynamik nicht zurückgeschreckt (bruckner verlangt auch mal tempovariationen und pausen, man kann nicht alles in einer wurscht durchspielen). dort klingt es jedenfalls richtig nach bruckner.


  • Nach der Edition aller Aufnahmen des Barylli Quartetts legt das Scribendum Label jetzt eine zweite Box mit den Aufnahmen des Wiener Konzerthaus Quartetts vor. 22 CD für € 44 scheint mir ein angemessener Preis für diese historischen Aufnahmen. Wer sich dafür interessiert, wie in Wien in den 50er Jahren Kammermusik gemacht wurde, sollte vielleicht zugreifen.