Johannes Brahms: Sinfonie Nr. 2 in D-Dur, op. 73

  • Hallo zusammen,


    ich nenne nun diese Einspielung mein eigen.



    Brahms Symphonies 1 – 4 Günter Wand NDR - Sinfonieorchester


    Ist es möglich, dass die Einspielung von Norbert´s und meiner identisch ist? Dann währe der Preisunterschied allerdings frappierend.


    Interessant übrings, das Allegro non troppo der 2. Sinfonie ist unter Wand nur 15,31 min lang, unter Sanderling aber 16,20 min. Ich habe aber trotzdem nicht den Eindruck, das das Allegro schneller gespielt wird. Trügt mich mein Schein oder wie ist das möglich?


    LG


    Maggie

  • Hallo Maggie,


    ja, die beiden Aufnahmen sind identisch. Es kommt öfter vor, daß Plattenfirmen ihre Aufnahmen in verschiedenen Editionen zu verschiedenen Preisen anbieten.


    Was Du in bezug auf die Tempi schreibst, ist normal. Subjektives Empfinden und Stoppuhr vertragen sich halt nicht immer ;) . Wichtiger als die Zeitdauer erscheint mir ohnehin, daß das Tempo als "stimmig" empfunden wird, also nichts verschleppt oder verhetzt erscheint.

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Brahms' 2. Sinfonie ist eines derjenigen Werke, bei denen ich eine ganz besondere Art der Interpretation schätze.
    Das Werk wird, in Anlehnung an Beethoven, gerne einmal "Brahms' Pastorale" genannt.
    Ich halte generell wenig von solchen Vergleichen, aber gerade diese Sinfonie höre ich gerne "pastoral" - im Sinne von eher langsam als schnell dirigiert und eher die romatisch-heitere als die dramatische Seite des Werkes betonend.


    Indes, um Brahms selbst zu zitieren: "Laßt Euch nicht von der pastoralen Idylle täuschen". Er nannte sie "das neue liebliche Ungeheuer" und schrieb an seinen Verleger, die Melancholie seiner neuen Sinfonie sei nicht zum Aushalten, und ihre Partitur müsse mit Trauerrand erscheinen.


    (" Die neue Symphonie ist so melancholisch, daß Sie es nicht aushalten. Ich habe noch nie so was Trauriges, Molliges geschrieben; die Partitur muß mit Trauerrand erscheinen." - siehe petemonovas Beitrag)


    Ich habe in den letzten Tagen viele meiner Aufnahmen durchgehört. Besonders gut gefiel mir dabei eine meiner Neuerwerbungen:



    Sie entstand im Oktober und November 1949 und klingt dafür erstaunlich gut. Alle Orchesterstimmen sind deutlich zu hören und erstaunlich transparent.


    Karajans Interpretationsansatz ist als "lyrisch" zu betrachten. Wunderbar ruhig und entspannt beginnt er die Sinfonie und läßt dem ersten Satz eine sanfte, heitere Grundstimmung angedeihen.
    Der zweite Satz läßt erahnen, weswegen Brahms seiner Sinfonie eine gewisse Melancholie andichten wollte. Karajan dirigiert ihn recht schwermütig.
    Dufitg-zart, gemäß der ersten Tempobezeichnung "allegretto grazioso", wird der dritte Satz gespielt, auch der vierte Satz wird seiner Tempobezeichnung "allegro con spirito" vollauf gerecht.


    14 Jahre später, im Oktober 1963, nahm Herbert von Karajan die zweite Sinfonie wieder einmal auf.



    Die Grundtendenz hat sich nicht geändert, wohl aber die musikalische Umsetzung.
    Die imo gute und akribische Umsetzung der Melodienstruktur der Mono-Aufnahme ist einem "polierten Oberflächenklang" gewichen. Der Rezensent bei Amazon bezeichnet Karajans Ansatz als "dolce". Treffender kann man diese Aufnahme nicht bezeichnen, man muß diesen speziellen Ansatz mögen.


    Ich habe einige Schwierigkeiten damit. Deswegen ziehe ich die frühere Aufnahme vor (auch weil dort Mozarts "Maurerische Trauermusik" und Strauss' "Metamorphosen" wunderbar interpretiert sind).

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Lieber Norbert ,


    liebe Brahms - Verehrer
    (aber natürlich auch Verächter!)


    Aus den letzten 12 Jahren habe ich die seltsamerweise bis heute Stimmung bei Freunden klassischer Musik festgestellt (in Gesprächen wie in schriftlich Korrespondenz), dass es zwei Komponisten gibt, die gleichbleibenden grössten Zuspruch mit ihren Symphonien finden wie auch schroffe Ablehnung :


    Johannes Brahms und P. I. Tschaikowsky.


    Wenn wir den von Norbert hier zitierten Satz von Brahms selbst als Grundlage für einen Zugang zu "der" Interpretation nehmen, dann werden wir dem heutige Zeitgeist entsprechend die eher im Klang hochpolierten Aufnahmen sowenig überzeugend finden können wie die gewollt sehr schnellen , oft hitzig wirkenden Interpretationen dieser 2. Symphonie .


    Diese Symphonie kommt, die sei besonders hervorgehoben, in einer Reihe von Konzertmitschnitten übrigens besonders oft vor. Ohne dass in einem von mir durchgesehen Booklet dafür auch nur ein Grund genannt wird.


    Auffallend ist auch die häufige Kombination mit dem Violinkonzert von Johannes Brahms.



    W e l c h e Aufnahme (n ) sind meiner Meinung nach besonders zu empfehlen.


    Zunächst halte ich es durchaus für möglich , dass ein Hörer , wie oben ja auch beschrieben , mit seier erste Aufnahme bereits so zufrieden ist , dass er nicht den Wunsch hat , eine zweite Interpretation "zum Vergleich" . anzuschaffen (gerade bei Schülern und Studenten ja meist auch ein finanzielles Problem am Anfang ihrer Liebe zur Klassik) .


    Wenn man 10 , 15 oder 20 verschieden Aufnahme besitzt , dann wird wahrscheinlich nicht (mehr) das direkte Vergleichshören im Vordergrund stehen , sondern eine reflektierende Sicht mit der Thematik "was habe ich mir unter Brahms als Symponiker in Zusammenhang mit seinen biographischen Ereignissen vorgestellt ? Was habe ich von einem bestimmten Dirigenten aus meiner Kenntnis anderer Aufnahmen mit ihm geradzu erwartet ? Und auch , ob sich mein eigener zugang zu einer bestimmten Brahmssymphonie wie zu Brahms selbst verändert hat ? Dazu : bedeutet aufnahmetechnischer Fortschritt auch zwangsläufig , dass die Interpretation deutlicher , klarer in ihrer Umsetzung der Partituranalyse wird ?" .


    Und es stellt sich einmal mehr die Frage : besser Einzelaufnahmen der 4 Brahms - Symphonien oder zwei oder mehrere Gesamtaufnahmen .


    Da es zu meier Schul- wie Studienzeit vor allem Einzelaufnahmen als Geschenke gab , dominierte diese zwangsläufig gegenüber den heutigen , zum Teil preisgünstigen , CD-Boxen .


    Um den von Norbert zuvor genannte Satz von Johannes Brahms über seine zweite Symphonie verstehen zu können , m u s s ein Hörer mehrere Aufnahmen besitzen .


    Und die Frage steht im Raum :"Gibt es sogenannte Brahms - Spezialisten?" .


    Ginge es "nur" um Gesamtaufnahmen , so würde ich aus dirdaktischen Gründen empfehlen , folgede Aufnahmen zu kaufen , um vergleichen zu können :


    C M Giulini ; Philahrmonia Orchestra London ( EMI )


    A Toscanini ; Philharmonia Orchestra London ( Testament )


    R Chailly in der bereits zuvor vorgestllten Interpretation


    H v. Karajan in drer frühen EMI - Produktion


    Celibidache ebenfalls in der Aufnahme , die erwähnt wurde .


    Im Falle der D - Dur - Symphonie , also der 2ten , halte ich die


    Interpretationen durch D. Mitropoulos , den späten Giulini mit den Wiener Philharmonikern (DG) sowie L. Bernstein (DG) und Pierre Monteux ( verschieden Aufnahmen ; Studio wie konzertmitschnitt ) für geradezu unverzichtbar .


    Diese Hinweise beinhalten nicht alle wichtigen Brahms - Interpretationen , sondern sollen einen ersten Überblick vermitteln .


    Sie gehen auch bewusst dahin , sich weit intensiver mit dem symphonische Werk von Johannes Brahms zu beschäftigen .


    Dies lohnt sich um so mehr , weil wir dann viele Klischees über Brahms abbauen können ( im anderen von mir eingangs genannten Fall wäre sie P. I. Tschaikowsky ) .



    Viele Grüsse,
    Frank

    Frank Georg Bechyna
    Musik & Medizin

  • Zitat

    Original von Frank Georg Bechyna
    Zunächst halte ich es durchaus für möglich , dass ein Hörer , wie oben ja auch beschrieben , mit seier erste Aufnahme bereits so zufrieden ist , dass er nicht den Wunsch hat , eine zwiete Interpretation "zum Vergleich" . anzuschaffen ( gerade bei Schülern und Studenten ja meist auch ein finanzielles Problem am Anfang ihrer Liebe zur Klassik) .


    Lieber Frank,


    man muß noch nicht einmal Schüler oder Student sein, um so oder ähnlich geartet zu denken.


    Zwar besitze ich inzwischen weitaus mehr als eine Aufnahme von Brahms' 2. Sinfonie, aber die Einspielung, mit der ich das Werk kennenlernte, ist mir immer noch die liebste:



    Entstanden 1971, betont Abbado auch die "pastorale" Seite der Sinfonie, aber wer einmal die Einleitung zum ersten Satz gehört hat mit den traumhaft schönen, aber nicht "süßlichen" Flöten, der kann sich imo schwer mit "nüchtern-sachlichen" Sinfonieeinleitungen anfreunden...

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Hallo Norbert,



    Dies ist nach wie vor meine einzige Einspielung der Zweiten (Ausnahme: Die Version für Klavier vierhändig), obwohl sie immer noch eine meine allerliebsten Symphonien ist. Wunderschön, die Bläser in den lyrischen Passagen, in der Tat! Und es ist ja nicht so, dass die dramatischen Stellen gegen Ende der Exposition/Reprise oder in der Durchführung oder im zweiten Satz in ihrer Wirkung zu kurz kämen!


    Zu Brahms' Wunsch, die Symphonie mit Trauerrand erscheinen zu lassen: Korff stellt in seiner Brahms-Biographie m.E. überzeugend dar, dass es sich um einen Scherz seitens Brahms handelt. Die Briefstelle an Elisabet von Herzogenberg, in der Brahms schreibt, die Musiker in Wien würden seine neue Symphonie "mit Flor um den Arm" spielen, weil es "gar so lamentabel" klänge, ist ja trotz einiger dunklerer Passagen in den ersten beiden Sätzen derart übertrieben, dass das in dieser Form nicht ernst gemeint sein kann...



    Gruß,
    Frank.

  • Bei der zweiten Brahmssinfonie lasse ich meine Hausgötter (Horenstein, Knappertsbusch, Ansermet) jetzt einmal beiseite. Auch wenn das hochinteressante Aufnahmen sind. Von Günter Wand gibt es mindestens zwei Aufnahmen des Werkes: eine monoaurale mit dem Gürzenich-Orchester Köln und die mit dem NDR-Orchester. Am überzeugendsten bieten indes zwei österreichische Dirigenten das Werk dar:


    Karl Böhm



    und Herbert von Karajan



    Die genannte Einspielung unter der Leitung von Ernest Ansermet ist mithin auch als CD erhältlich. Ich empfehle sie hier ausdrücklich:



    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Zitat von Spradow

    Zu Brahms' Wunsch, die Symphonie mit Trauerrand erscheinen zu lassen: Korff stellt in seiner Brahms-Biographie m.E. überzeugend dar, dass es sich um einen Scherz seitens Brahms handelt. Die Briefstelle an Elisabet von Herzogenberg, in der Brahms schreibt, die Musiker in Wien würden seine neue Symphonie "mit Flor um den Arm" spielen, weil es "gar so lamentabel" klänge, ist ja trotz einiger dunklerer Passagen in den ersten beiden Sätzen derart übertrieben, dass das in dieser Form nicht ernst gemeint sein kann...


    Lieber Frank,


    ich habe mich zwar noch nicht umfassend mit Brahms' Biographie beschäftigt, aber eine Grundtendenz scheint es bei ihm gewesen zu sein, Sachverhalte ins Gegenteil umzukehren. So sind denn die Aussagen die 2. Sinfonie betreffend, eher als Ironie zu verstehen.


    Indes, eine Aussage wird er wohl ernst gemeint haben: "Laßt Euch nicht von der pastoralen Idylle täuschen".

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Hallo Thomas,


    *** das Ansermet ein fesselnder Brahms-Dirigent ist habe ich zufällig auf einer Orfeoi-CD entdeckt, die ich wegen Honneggers Sinfonie Nr.3 gekauft habe. Die Sinfonie Nr.3 von Brahms ist mit drauf.



    *** Das Böhm ebenfalls ein Brahms-Dirigent mit wuchtiger Sicht auf das Ergebnis ist, weis ich seit gestern durch den Kauf der Brahms KK (hier Nr.1 mit Böhm), die Tragische Ouvertüre und die Haydn-Variationen, die er höchst abwechslungsreich darbietet.
    Kommen die Sinfonien bei Böhm auch so derart wuchtig rüber ?



    *** Bei Karajan gilt es klar unter seinen zahlreichen unterschiedlichen Aufnahmen zu unterscheiden.
    Die Karajan - Brahms - Sinfonien - GA, die Du abbildest ist die, bei der die Symphonien Nr. 1-3 Karajans letztem digitalen Zyklus von 1985/6 entnommen sind , während die Vierte aus der DG-GA von 1977/78 stammt.


    Ich selber habe und favorisiere bei Karajan den gesamten Brahms-Zyklus von DG 1977/78, da dieser weit gespannter, vorwärsdrängender rüber kommt als die abgeklärten späten DDD-Aufnahmen. Der Unterschied ist deutlich und frapierend.
    Kennst Du auch die gespannteren DG-Aufnahmen von 1977/8 von Karajan mit diesem Cover der GA ? Bei mir ist es wiederum eine andere Covergestaltung als die abgebildete, aber es sind auch diese Aufnahmen auf 3CD ohne die Ouvertüren und Haydn-Variationen.



    DG, 1977/78, ADD


    Norbert schreibt zu Karajan´s 1963er-DG-Aufnahmen der Sinfonie Nr.2 und 3 (siehe weiter oben), das diese gegenüber der noch älteren Mono-Aufnahme einen "polierten Oberflächenklang" und als "dolce" zu bezeichnen wäre.
    8) Diese Eigenschaften könnte ich in Karajans Aufnahmen aus dem 1977/8er-Zyklus nun absolut nicht behaupten und feststellen.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Hallo Wolfgang,


    danke für den Hinweis auf die unterschiedlichen Brahms-Einspielungen Herbert von Karajans. Gemeint war bei mir die DGG-LP mit dem Tulpen-Label, also eine Aufnahme aus den 1960ern. Auf Norberts Einschätzung hin werde ich mir die Platte noch einmal anhören, da ich sie nicht als sonderlich poliert im Klang empfunden habe.


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

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    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

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  • Lieber teleton,


    ich besitze die 77/78er Gesamtaufnahme in dieser Edition



    und stimme mit Dir ebenso wenig überein wie umgekehrt ;) .


    Im Gegenteil, Brahms' 2. aus 77/78 empfinde ich als noch "glattpolierter".
    Karajan scheint es hier nicht um musikalische Strukturen, sondern eher um "Klangflächen" zu gehen. So grenzt er die "Klangflächen" der Streicher gegenüber den "Klangflächen" des Blech- und der Holzbläser ab.
    Innerhalb dieser "Klangflächen" bleiben für mich einige musikalische Details auf der Strecke.
    Es tritt hier der berühmt-berüchtigte "Karajan-Sound" auf mit eben diesen "Klangflächen" und einem recht "knalligen", bläserbetonten Tutti.

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Hallo Norbert,


    mir ging es bei meinem Beitrag zunächst mal um den Unterschied des Brahms-Analog-Zyklus von 1977/78 und den späteren Brahms-DDD-Aufnahmen von 1985/86, die ich für weit spannungsärmer halte.


    :D Danach müßte nach Deiner und meiner Meinung zusammen jede der folgenden Brahms-Karajan-Aufnahmen immer schlechter geworden sein !
    * Angefangen mit der EMI-Mono-Aufnahme 1954, die Du favorisierst (an der ich aber wegen des historischen Monosounds null Interesse hätte);
    dann die DG-Aufnahme 1963, die gewiss auch nicht schlecht ist, bei der Du aber schon Defizite siehst;
    dann die von mir geschätze DG-Aufnahme von 1977/78, die Du noch "schlimmer" findest;
    dann die ruhevollere und damit spannungsärmere DG, 1985, DDD.


    Ich finde das Abgrenzen der Klangflächen gar nicht schlecht und etwas knallig empfinde ich gerade bei der pastoralen Zweiten angemessen. Ich empfinde keine polierten Oberflächenklang, sondern mag es so.
    Das Details bei Karajan fehlen empfinde ich auch nicht; vielleicht weil ich aus anderen Aufnahmen die Details kenne und beim Hören der Karajan-Aufnahme trotzdem im Unterbewussein mitbekomme, auch wenn sie bei ihm nicht immer so deutlich aufgenommen sind.
    Nebenbei sind die Karajan-Aufnahmen der Sinfonie Nr.2 ohnehin nicht meine totalen Favoriten (wenn wir jetzt mal andere Dirigenten mitbetrachten), da ich bei den Brahms - Sinfonien durch Solti, Szell, Klemperer vorgeprägt war und Karajan erst in den letzten Jahren kennenlernte. Die Aufnahmen der Sinfonien Nr.1 und 4 finde ich aber auch mit Karajan 1977/78 sehr gut.


    *** Bernstein (SONY; nicht DG) hat mir, auch erst vor 1-2 Jahren dann "die Socken ausgezogen", aber das ist ein anderes erfreuliches Thema. Auch Bernstein betont in seiner CBS-Aufnahme (für mich erfreulich) nicht unbedingt die pastorale Seite der Sinfonie Nr.2; sie ist brahmsgerecht groß empfunden.


    *** Ich habe auch die geniale Decca-Karajan-Aufnahme, 1960 von der Sinfonie Nr.1 (mit der Tragischen Ouvertüre); auch eine meiner liebsten Aufnahmen (neben Bernstein (SONY); Solti (Decca); Szell (SONY); Karajan (DG 1978 )).

    Gruß aus Bonn, Wolfgang


  • Im Gegenteil, ich denke, daß mir die Digitalaufnahmen Karajans erheblich mehr zusagen könnten als die der 60er/70er.


    Ich mag viele (beileibe aber nicht alle) Karajan-Aufnahmen der 70er nicht sonderlich, da ich mit seinem Hang zur "Oberflächenpolitur", also seiner Klangästhetik, aus dieser Zeit nicht viel anfangen kann.


    Beim "sehr späten Karajan", also dem der Digitalzeit, entdecke ich ein Umdenken, eine Rückkehr zu musikalischen Strukturen anstatt zur Ausbreitung von "Klangflächen". Einige meiner liebsten Karajan-Aufnahmen entstammen nicht von ungefähr dem Digitalzeitalter.

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Es ist ja nun schon fast vier Jahre her, dass jemand in diesem Thread etwas geschrieben hat. Dann will ich mal damit wieder anfangen.

    Als ich diese Box in dem Thread über zukünftige Neuerscheinungen vorstellte, war Norbert wegen der Klangqualität skeptisch, zumal er wohl die Bruckner-Aufnahme schon kannte. Wegen der Brahms-Aufnahme konnte er sich kaum vorstellen, dass dies in Stereo wären.
    Nun, sie sind es, lieber Norbert, zumindest die Zweite, die ich soeben gehört habe. Zwar haben mich da am Anfang ein paar Laufgeräusche im pp etwas gestört, von denen es die Herrschaften von Acanta (Membran) wohl nicht geschafft haben, diese bei der Überspielung auszufiltern. Wenn man das mal außer Acht lässt und die Tatsache, dass man offenbar die Kanäle vertauscht hatte, Stand, nachdem ich meinen Kopfhörer umgedreht hatte, dem Hörvergnügen nichts mehr im Wege.
    Wer auch immer im Jahre 1960 (vermutlich im Gürzenich) diese Symphonie aufgenommen hat, hat vermutlich noch mit Direktmikrofonen gearbeitet, wodurch die Struktur der Symphonie unerwartet offengelegt wird. Das zeitigt zwar stellenweise, wenn die Holzbläser so scharfkantig daher kommen, einen etwas rustikalen Klang, aber offenbart auch Stellen, die man sonst im samtweichen Misch-klang unserer Tage nicht hört.
    Abgesehen davon, zeigt Wand hier im „zarten Alter“ von 48 Jahren, dass er im Brahmsschen Sinfonienkosmos gut unterwegs ist. Seine „innere“ Uhr, eine seiner großen Stärken, wird offenbar, wenn man die Satzzeiten von 1960 mit denen von 1996 (NDR) vergleicht:
    1960 (48 Jahre): 15:18-10:13-5:50-9:02 – 40:23 min.;
    1996 (84 Jahre): 16:01-09:45-5:32-9:31 – 40:49 min. ;
    Zwischen beiden Aufnahmen liegen 46 Jahre und gerade einmal 26 Sekunden.
    In dieser Aufnahme herrscht ein manchmal aufgerauhtes, durch die Mikrofonie hier und da geschärftes Klangbild vor, das aber noch um Äonen besser ist als etwas eine Mono-Aufnahme, die 5 oder zehn Jahre vorher entstanden ist. Wand bringt die Musik zum Fließen. Eines ergibt sich aus dem Anderen, und er verfällt auch nicht der Gefahr, an irgendeinem Punkt dieser Symphonie hektisch zu werden, selbst die rauschende, mitreißende Coda des Finales entwickelt er organisch.
    Schon mit dieser Aufnahme hat sich die Anschaffung dieser Box für mich gelohnt.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Danke für den Bericht! Scheint eine echte Neuentdeckung zu sein. ;)


    Wenn man das mal außer Acht lässt und die Tatsache, dass man offenbar die Kanäle vertauscht hatte [...]


    Ich frage mich, wieso das andauernd wieder passiert. Gibt's da keine Qualitätskontrolle? In solchen Fällen hilft wohl (außer der ausgefallenen Idee mit dem Umdrehen der Kopfhörer) nur, sich die CD zu rippen und dann mit einem Programm wie Audacity die Kanäle manuell umzutauschen.


    LG

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Ist dir das noch nie aufgefallen, lieber Joseph? Du legst eine CD ein, setzt den Kopfhjörer auf und denkst: "Hä"?, und hast ihn falsch herum aufgesetzt. Da wir gerade Einiges über die Pastorale erzählt haben, da ist mir das nämlich mal passiert, allerdings nicht bei meinem AKG, der hat nämlich nur ein Kabel, und zwar an der linken Seite, aber der Sennheiser hat zwei.


    Liebe Grüße


    Wili :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Ich selber habe und favorisiere bei Karajan den gesamten Brahms-Zyklus von DG 1977/78, da dieser weit gespannter, vorwärsdrängender rüber kommt als die abgeklärten späten DDD-Aufnahmen.

    Im Gegenteil, ich denke, daß mir die Digitalaufnahmen Karajans erheblich mehr zusagen könnten als die der 60er/70er.


    :!: Meinen Eindruck aus Beitrag 69 muss ich unbedingt revidieren. Von abgeklärt oder Altersweisheit kann gar keine Rede sein ! Ich hatte den Brahms-DDD-Zyklus damals 2009 noch nicht auf CD und hatte nur oberflächlich reingehört.
    Im Gegenteil, die Rückbesinnung zu Details und das Ausarbeiten aller Spannungpunkte wird noch deutlicher herausgestellt.


    :thumbup: Ich kann heute nur feststellen, dass es wenige so gespannte Aufnahmen der Sinfonie Nr.2 gibt, wie Karajan (DG, 1986). Von Detailarmut oder irgendwelcher "polierter Oberfäche" (wie hier zur 77er-Aufnahme geschrieben - dort setze ich aber auch ein Fragezeichen: Wo soll das poliert sein ?)), kann hier gar keine Rede sein.
    Wenn ich gerade bei der Zweiten bei einigen Aufnahmen schreibe: "... holt das Werk aus dem Dornröschenschlaf", dann trifft es bei Karajan 86 in besonderer Weise zu. Karajan hat die von ihm ewig hoch geschätzten Sinfonien Nr.1 und 2 sehr zahlreich auf seinem Programm gehabt.


    Wie Szell bei den KK sehe ich Karajan als Spiritus Rektor für die Erste und Zweite. Das sind Int die ich ihm voll abkaufe - genial !!!
    Ein grosser Brahms - Fachmann und Dirigent.



    DG, Nr.2 (6/1986), DDD



    --------------------------------
    Sorry an die Wand Fan´s !
    Aber die Wand-Aufnahme mit dem NDR SO (RCA) empfand ich dagegen als langweilig, viel zu piksauber normal !

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • "Polierte Oberfläche", "Schönklang" und ähnliche Vokabeln mehr gehörten in jener Zeit zum Standard der Karajan-Gegner unter den Kritikern, die zu jener Zeit reich an Zahl waren, lieber Wolfgang.
    Auch ich habe damals, zumindest, was Beethoven betraf, mich davon beeinflussen lassen und Karajan III erst vor kurzem angeschafft, Gottseidank, wie ich jetzt sagen kann. Die Brahms Zwei und Drei habe ich jedoch schon seit langer Zeit, und ich kann deine Einschätzung da nur bestätigen.
    Die Eins und Vier werde ich mir wohl bald im Rahmen der GA anschaffen, die ja mittlerweile günstiger ist als früher eine einzige CD.


    Liebe Grüße


    Willi :)


    P.S. Die Eins und die Zwei habe ich seit kurzem auf DVD.

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Derzeit habe ich mich mit verschiedenen Aufnahmen der Sinfonie Nr.2 beschäftigt.
    Der Mrawinsky-Aufnahme von 1978 wurde attestiert, dass einem "das russische Blech nur so um die Ohren fliegt"). Deshalb möchte ich dieser die Swetlanow-Aufnahme an die Seite stellen, die ebenfalls mit absolutem Herzblut und der swetlanowschen Sidehitze interpretiert ist.


    Langweilige Aufnahmen der Sinfonie Nr.2 haben bei mir keine Chancen - nur die, die das Werk "aus dem Dornröschenschlaf" holen.
    :thumbsup: Dazu gehört eindeutig die Swetlanow - Aufnahme. Swetlanow, hat sich nach eigenen Worten durch Bernstein-Live-Konzerte der Sinf.Nr. 1 und 2 in Wien, denen er in den 80ern beiwohnte, anregen lassen die Brahms Sinfonien auch selber aufzunehmen. Man merkt von daher deutlich den Einfluss Bernsteins bei den Sinfonien Nr., 1 und 2 (Nr.3 und 4 sind viel Eigenständiger; aber auch der helle Wahnsinn!). Was mir nicht ganz so liegt, ist das lange auszelebrierern (a la Bernstein in Wien) der Sätze 1 und in etwa auch 2 (21:22 und 10:40). Er wiederholt auch die Exposition im 1.Satz (was bei mir allerdings kein Qualitätskriterium ist, denn mein absoluten Favoriten Bernstein (SONY); und auch Szell und Karajan gestalten den Satz mit ~13-15Min so kurzweiliger). Das Allegretto grazioso kommt auch in angemessener ausdrucksstarker Grösse (4:46).
    :angel: Im Finalsatz legt er aber dann ein für meinen Geschmack das richtige Tempo vor und bietet das Allegro con spirito als eine der spannensten Interpretationen des Satzes, die ich je hörte, in feurigen 8:48.


    *** Auch sehr erfreulich (für eine russische Aufnahme nicht selbstverständlich, wenn man an manche Mrawinsky-Aufnahmen denkt) ist die wirklich gute Klangtechnik dieser Brahms-Sinfonien-GA (1. + 2.von 1983; 3.+4. von 1982). Ein Detailreichtum (und absolut kein Klangbrei) gepaart mit Swetlanows fabelhaft disponiertem Staatlichen SO der UDSSR und seinen fantastischen Blechbläsern. Da kommt mit Swetlanow richtig Hörspass auf !



    WARNER, Melodiya-Aufnahmen 1982-83




    NEWTON, 1959-1963, 1957 (2.), ADD

    :!: Ich möchte aber auf eine noch weitere Aufnahme der Sinfonie Nr.2 mit Dorati / Mineapolis SO (Newton, 1957) hinweisen, die Norbert mit Recht in einem anderen Thread mal begeistert hervorgehoben hatte. Ich habe der Aufnahme, die wegen des recht starken Rauschfaktors und über die Boxen gehört einen etwas historischen Klang offenbart, zuerst nicht die volle Aufmerksamkeit geschenkt (die 2 ist die Älteste in der Dorati-Brahms-GA). Gestern mit Kopfhörer gehört wirkte diese auch klanglich weit angenehmer.
    :thumbup: Und ich kann nur sagen: Diese Int tritt in die gleichen begeisterungswürdigen Fussstapfen, wie die o.g. Swetlanow-Aufnahme. Mit unbändiger Energie spornt Dorati das Orchester zu energiegeladenen Grosstaten an. OK, die Exposition des 1.Satzes wird nicht wiederholt - sei es drum. Von daher auch die flotte und für meinen Geschmack voll angemessene Spielzeit insgesamt.
    Hier die straffen Daten aller 4 Sätze: 13:53 - 9:46 - 4:33 - 9:01.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang


  • Eine ganz außergewöhnlich gelungene Interpretation der 2. Symphonie von Brahms befindet sich auf dieser leider vergriffenen Box. Sie entstand von 13. bis 15. April 1959 in den Wiener Sofiensälen. Pierre Monteux, damals bereits 84, legt eine der stimmigsten Deutungen dieses Werkes vor. Das Orchester übertrifft sich selbst und verdient den Ruf des weltbesten zumindest in dieser Einspielung. Die Spielzeiten: 20:28 (inkl. Wh.) - 9:18 - 5:05 - 9:00. Die Tonqualität ist (typisch Decca) spektakulär und verschleiert das hohe Alter der Aufnahme.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Hallo,
    ich besitze und kenne nur diese Aufnahme von Brahms 2. Sinfonie in D-Dur, op. 73 (2. CD der Box), ich kann also keinen Interpretationsvergleich anstellen. (Eine Analyse anhand der Noten ist mir zu arbeitsaufwändig, sodass ich mich nur auf mein Gehör verlasse.) Gleich aufgefallen ist mir aber die sehr unterschiedliche Länge des 1. Satzes im Vergleich zu den Sätzen 2 – 4.


    1. Satz, Allegro non troppo, 20:00
    Bis 01:39 wird der Hörer, von den Bläsern dominiert, an das Thema gleichsam herangeführt; es ist kein sperriges Thema, aber auch nicht besonders einprägsam; dem kommt Brahms gleich entgegen, es wird oftmals - zwar variiert - aber immer leicht erkennbar, wiederholt. Wenn dann bei 03:15 eine äußerst rhythmische Variante kommt (die nicht lange anhält), frage ich mich ob nicht dies das eigentliche Thema ist (sein soll?), was ich aber doch verwerfe. Das episch, lyrische Moment gewinnt die Oberhand; es bleibt aber für mich ein wechselnder Kampf zwischen Rhythmus und Lyrik, immer dem Thema verbunden und dieses durchhörbar; ab 18:40 wird der Hörer wie aus dem Thema wieder herausgeführt.


    2. Satz, Adagio non troppo – L’istesso tempo, ma grazioso, 09:04
    Das Thema wird sofort von den Streichern (ohne Violinen) vorgestellt und wenn sich die Violinen (und hohe Holzbläser) dazugesellen, kommt der Reiz des Themas erst voll zur Geltung. Ab ca. 05:50 wird L‘istesso tempo, ma grazioso deutlich, wird ab 8:05 wieder zurückgeführt.


    3. Satz, Allegretto grazioso (Quasi andantino) . Presto ma non assai, 05:01
    Das eingängige und prägnante Thema erklingt sofort in einer Orchestrierung, die der Satzbezeichnung genau entspricht – und dabei etwas Verträumtes/Verspieltes an sich hat, was sich bei Presto…leicht verliert – auf jeden Fall ist es kein (üblicherweise an dieser Stelle zu erwartendes) Scherzo – die Melodie/das Thema hat (für mich) etwas Slawisches/Böhmisches an sich und das nicht nur wegen des (auch tänzerischen) Rhythmus‘.


    4. Satz Allegro con spirito, 08:49
    Ein wenig wiederholt sich das Spiel aus dem 1. Satz – der Hörer wird bis 0:25 auf des Thema (nicht so sperrig wie im 1. Satz) vorbereitet, was nun jedoch mit Macht über ihn hereinbricht und sich aber auch gleich wieder die Lyrik meldet, es ähnelt dem Kampf des 1. Satzes – ein mächtiges, furioses Ende zum Schluss, von den Bläsern dominiert.


    Viele Grüße
    zweiterbass


    Nachsatz: Eine provokante Frage – haben die Satzlängen mit, nach heutigem Begriff, Marktstrategie etwas zu tun? Waren Komponisten stets und ausnahmslos nur der hehren Musik verpflichtet?

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Die Dohnanyi-Aufnahmen habe ich mir vor ein paar Jahren zum Interpretationsvergleich auch zugelegt.


    Mit der Sinfonie Nr.2 unter Dohnanyi werde ich besonders im 1.Satz nicht richtig warm. Obwohl seine Spielzeit mit 19:58 im normalen Rahmen mit Expositionswiederholung liegt, kommt mir seine Int verschleppt vor. Bis zur Durchführung, wo er dann sogar die Pauken saftig tönen lässt, scheint bei ihm in der Sinfonie nicht viel zu passieren. Das HT wirkt dann allerdings in der Durchführung, als würde es auseinanderfallen.
    Die folgenden Sätze geafllen mir mit Dohnanyi weit besser - auch der 4.Satz hat für meinen Geschmack eine angemessen zügige Spielzeit.


    Im Prinzip schätze ich Aufnahmen der Zweiten eher, ohne diese Wdh im 1.Satz - so wie Szell (Sony), Karajan (DG, 77 + 86), Bernstein (SONY), Klemperer (EMI) und Dorati (Newton). Die Länge der Sätze passen dann auch viel besser zusammen.


    :angel: Das es aber auch mit Expositionswiederholung absolut spannend geht zeigt uns Georg Solti:
    Ich habe heute mal in mehere Aufnahmen hineingehört - und war wieder von Solti / CSO (Decca) absolut begeistert - denn bei ihm hat man auch mit Expositionswdh und selbst bei einer Spielzeit im 1.Satz von 20:43 nie den Eindruck, das das Tempo zu langsam wäre - im Gegenteil - Solti hält den Hörer fabelhaft unter Spannung ... in allen Sätzen.
    :!: Für mich ist das zusammen mit Klemperer so ziemlich die überzeugenste Aufnahme der Zweiten - das kann mich richtig packen ... das ist Hörspass pur ...



    Decca, 1979, ADD



    ^^ Für mich interessant zu lesen, dass ich bereits 2005 in Beitrag 19 den gleichen Eindruck auch schon hatte - :thumbup: da war Solti mit Szell in einem Bunde meiner Spitzenaufnahmen.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang


  • Eine provokante Frage – haben die Satzlängen mit, nach heutigem Begriff, Marktstrategie etwas zu tun? Waren Komponisten stets und ausnahmslos nur der hehren Musik verpflichtet?


    Ich verstehe die Fragen nicht so recht und am wenigstens den Zusammenhang zwischen der ersten und der zweiten Frage. (Dass der Komponist der Ungarischen Tänze und Liebesliederwalzer nicht ausnahmslos der hehren Musik verpflichtet war, kann man wohl annehmen.)
    In der Wiener Klassik ist fast immer der Kopfsatz der mit einigem Abstand gewichtigste und längste Satz; das mag schon ursprünglich auch damit zusammenhängen, dass hier eher von "voller Konzentration" der Zuhörer ausgegangen wurde, hat vielleicht aber auch andere, eher äußerliche Gründe. (Noch extremer ist das ja bei vielen klassischen und romantischen Konzerten, bei denen manchmal der Kopfsatz länger ist als die beiden folgenden Sätze zusammengenommen.)


    Selbst wenn sich seit Beethoven in manchen Stücken der Schwerpunkt auf das Finale verschieben kann, ist ein dominierender Kopfsatz auch zu Brahms Zeiten nicht auffällig.
    Während Brahms in seiner ersten eine "Finalsymphonie" analog zu Beethovens 5. und 9. komponiert hat, sind in der 2. der 3. und 4. Satz anscheinend bewusst "klassizistisch" gehalten, sozusagen eher wie ein romantisches update Haydns als ein explizites Anknüpfen an Beethoven. Und der erste Satz ist halt, auch aufgrund eines etwas gemütlicheren Tempos, ziemlich lang, besonders wenn die (lange) Exposition wiederholt wird, sonst sind es ca. 13-15 min.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Hallo Johannes Roehl,


    mit Deiner Antwort komme ich gut zurecht. Kleine Anmerkung am Rande: Nur in der 2. von Brahms fällt der 1. Satz so aus dem Rahmen im Vergleich zu seiner 1. 3. und 4. - und bei Beethoven, von der 9. abgesehen, ist der 1. Satz in den Sinfonien zwar auch der bestimmende, auch von der Zeit her, aber nicht so extrem wie bei Brahms 2.


    Viele Grüße
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Hallo,


    ich habe heute die 2. Sinfonie in einer Studio-Aufnahme sowie einer Live-Aufnahme gehört.


    Herbert v. Karajan, cond
    Berliner Philharmoniker
    (DG, ADD, 1963)


    Carl Schuricht, cond
    Wiener Philharmoniker
    (Audite, ADD, live, Luzern, 1962)


    Ich mag diese Sinfonie extrem. Der erste Satz entsendet eine Wärme und ist streicherlastig. Die Karajan-Aufnahme von 1963 besticht durch den Streichersound und eine außerordentliche Virtuosität. Bei Schurichts Live-Aufnahme wird zügiger und betont strukturell gespielt. Vom Sound und der Präzision ist die Karajan-Aufnahme weit vorne. Aber der musikalische Kontext wird bei Schuricht einfacher erfassbar.


    LG Siamak

  • Hallo miteinander,


    im "was höre ich gerade"-Thread habe ich mich sehr positiv über diese Neuaufnahme



    geäußert und sie als "mit das erfreulichste, was ich in letzter Zeit zum Thema Brahms gehört habe" bezeichnet.


    Gerne möchte ich ein wenig erläutern warum.


    Wenn man sich die Spielzeiten dieser Studio-Aufnahme (!) anschaut, so sieht man auf dem ersten Blick wenig spektakuläres: 20:00, 09:08, 05:23 und 09:15.


    Wunderbar lyrisch beginnt die Sinfonie. Järvi nimmt sich Zeit, erreicht sogar fast die Zartheit der frühen Abbado-Aufnahme von 1971 mit den Berliner Philharmonikern. Die Spielkultur der Kammerphilharmonie Bremen ist als "herausragend" zu bezeichnen: Schlanker Streicherklang, schön aufeinander eingestellte Holzbläser, relativer zarter Einsatz des Blechs. So möchte ich den Beginn hören.
    Nach ca. 3:40 bis hin zur Wiederholung der Exposition horche ich allerdings noch einmal auf: Järvi zieht auf einmal das Tempo deutlich an, bringt wesentlich mehr Dramatik und wesentlich mehr "Feuer" ins Spiel. Nach einigen Takten "Rasanz" kehrt er dann zu einem gewohnten Zeitmaß zurück. Ähnliches folgt im Verlauf der Sinfonie immer wieder, wobei Järvi sich nicht alleine auf Accelerandi verlässt. In der Durchführung bei ca. 10:00 verlangsamt er das Tempo, um es bei ca. 10:30 wieder deutlich ansteigen zu lassen.
    Auch die Satzenden der ersten drei Sätze nutzt er, um das Tempo langsamer als gewohnt zu gestalten.


    Natürlich kann man sich über den grundsätzlichen Sinn von Rubati unterhalten und sich die Frage stellen, ob Brahms' Musik diese "nötig" hat. Nein, "nötig" sind sie sicherlich nicht, aber diese flexible Tempogestaltung gefällt mir sehr gut, weil das Spektrum zwischen "Lyrik und Feuer" noch einmal vergrößert wird. Es herrscht keine zu große "Gemütlichkeit" vor, die in der Sinfonie ohnehin nur scheinbar vorhanden ist, aber es wird auch kein Tempo "verhetzt". Ruhige, gesangliche Passagen werden ebenso akribisch ausmusziert wie die schnellen, "tänzerischen".


    Überhaupt: Das Orchester. Die Besetzung ist mit 10-8-6-6-4 bei den Streichern nicht groß geraten, beim doppelten Holz, den vier Hörnern, zwei Trompeten, drei Posaunen, Tuba und den Pauken "normal".
    Die oben erwähnte Spielkultur ist und bleibt erstklassig; es ist deutlich anzuhören, dass die Partnerschaft zwischen Orchester und Dirigenten seit 2004 anhält und man bestens aufeinander eingestimmt ist. Das Orchester agiert rhythmisch präzise und glänzt mit einer hervorragenden Transparenz in der deutschen Orchesteraufstellung.


    Wer also bereit ist, diese Sinfonie "neu zu hören", der wird, wie ich begeistert sein.

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Lieber Norbert,


    auf dem Rückweg gestern Abend von dem spektakulären Verdi-Requiem-Konzert habe ich in der zuvor gekauften neuen Fono Forum die Rezension von Andreas Friesenhagen gelesen, der sich ähnlich euphorisch geäußert hat wie du. Da ich in den letzten Jahren in Hamburg und in Köln schon einige Brahms-Sinfonien mit der Kammerphilharmonie unter Järvi gehört habe, bin ich schon da zu einer ähnlichen Ansicht gelangt und habe nur noch auf die Veröffentlichung der Brahmsaufnahmen gewartet. Da werde ich nun wohl zuschlagen. Nach den Beethoven- und Schumann-Sinfonien wurde spätestens in den Mahler-Sinfonien mit dem RSO Frankfurt überdeutlich, welches Potential Paavo Järvi in der dynamischen und rhyhtmischen Gestaltung symphonischer Werke hat. Logisch, dass das auch bei Brahms zum Tragen kommt.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Lieber Norbert,
    Danke für Dein Hörprotokoll der Sinfonie Nr.2. Ich bin noch gespannter auf die Sinfonien Nr.1 und 4 ....
    Nach Beethoven und Schumann habe ich auch keine Bedenken gehabt, dass wir mit Paavo Järvi hier auch interessante Brahms-Sinfonien zu hören bekommen.


    *** Zu gegebener Zeit werde ich mir dann auch die Brahms-Sinfonien-GA mit Paavo Järvi zulegen; ggf gerne, wie bei Beethoven und Schumann auf DVD zum besseren "Miterleben" !

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Lieber Willi, lieber Wolfgang,


    ihr erwähnt zu recht Järvis Interpretationen der Beethoven- und Schumann Sinfonien, aber die von mir erwähnte interessante Flexibilität in der Tempogestaltung war dort nicht zu finden. Das waren z.T. sehr gelungene "straight forward" Aufnahmen, die sehr frisch klingen/klangen, aber dass Järvi dort auch mal im Tempo breiter wird, um inne zu halten, konnte ich dort nicht hören.


    Es stimmt, Willi, das "dynamische und rhythmische Potenzial" Järvis ist in jeder Note hörbar.


    Ich freue mich auf jeden Fall auf die anderen Brahms Sinfonien...

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Ich finde es durchaus zu begrüßen, dass sich Järvi bei seinem Brahms offenbar einer ausgeklügelten Tempogestaltung bedient. Das passt zur Symphonik der Spätromantik, wie bereits viele andere Brahms-Dirigenten bewiesen haben. "Straight forward" war ja doch auch ein Punkt, den manche im Forum bei Järvis Beethoven ankreideten, weil der angeblich unter Dauerdruck stand und lyrische Akzentuierungen ausblieben.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

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