Guillaume Lekeu (1870-1894)

  • Guillaume Lekeu (1870-1894)


    * 20. Januar 1870 in Heusy bei Verviers, Belgien - † 21. Januar 1894 Angers, Frankreich



    Der Schmerz überwältigt mich


    Das Unglück scheint sich an meine Sohlen geheftet zu haben


    Und das Leben ist für mich zum Leiden geworden


    Daher rufe ich den Tod,


    daher will ich wieder in das Nichts tauchen,


    aus dem ich gekommen bin.



    Der Autor dieser erschütternden Zeilen ist unbekannt. Jedoch finden sie sich als Motto, dem Manuskript einer unvollendeten Sonate in d-moll für Violine und Klavier aus dem Jahre 1885 vorangestellt. Der Komponist der Sonate - ein vor Lebens- und Schaffensfreude schier übersprudelnder Bursche von 15 Jahren, aus dem ländlichen Verviers in Belgien kommend - heißt Guillaume Lekeu. Genau diese seltsame Diskrepanz spiegelt das unergründliche Rätsel, das sich um den so außergewöhnlichen Komponisten rankt, wider.



    Die ersten neun Lebensjahre verbringt der junge Guillaume sorglos und behütet im Kreis seiner Familie und Freunde in dem kleinen Ort Verviers, in dem ein blühender Handel mit Wolle betrieben wird - auch die Lekeus verdienen ihren Lebensunterhalt damit.
    Aus wirtschaftlichen Erwägungen zieht die Familie im Jahr 1879 ins französische Poitier, wo Guillaume das Gymnasium besucht und gleichzeitig bei verschiedenen Professoren Geigen- und Klavierunterricht erhält sowie einige Grundlagen in Komposition. Erste kammermusikalische Stücke, wie die oben erwähnte Violinsonate, entstehen.
    Nach dem 1889 abgeschlossenen Gymnasium begibt sich der junge angehende Komponist im Sommer gemeinsam mit einem Freund auf eine lange Reise in die Schweiz und nach Deutschland, die ihren Höhepunkt in einem Besuch der Bayreuther Festspiele findet - ein für Lekeu überwältigendes Erlebnis, das jedoch bezüglich seiner eigenen Schaffenskraft auch negative Auswirkungen zeigt: "Ich fühle, daß der Meister Bayreuths mit all seinem wunderbaren Gewicht auf meinem Denken lastet."



    Das angestrebte Studium bei César Franck (1822-1890) erfordert einen nochmaligen Umzug nach Paris. Im Herbst 1889 wird Lekeu in den ausgesuchten Schülerkreis von "Vater" Franck aufgenommen, dessen strengen Unterricht (u. a. in Kontrapunkt und Fuge) zu besuchen, Lekeu nur wenig länger als ein Jahr vergönnt ist.
    Das Datum des 8. November 1890, an dem der hoch geschätzte Lehrmeister an den Folgen eines Unfalls stirbt, ist für Lekeu ein einschneidendes Erlebnis und ein harter Schlag. Der ansonsten in seinen Briefen in bezug auf in Arbeit befindliche Werke so auskunftsfreudige Komponist, schweigt sich im Falle des nun in Angriff genommenen 'Adagio pour Quatuor d' Orchestre' (1891) vollkommen aus. Lediglich das zu Beginn der Partitur zitierte Motto 'Les fleurs pâles du souvenir' ('Die blassen Blumen der Erinnerung') läßt darauf schließen, daß das in Lekeus Oeuvre einen so bedeutenden Platz einnehmende Werk, dem Andenken des hoch verehrten Meisters und Freundes César Franck gewidmet ist.


    Weitere Anregungen und die Motivation, in seiner schöpferischen Arbeit fortzufahren, erhält Lekeu durch den französischen Komponisten Vincent d' Indy (1851-1931), auf dessen Rat er sich 1891 in Brüssel mit der Kantate 'Andromède' um den 'Prix de Rom' (Rompreis) bewirbt, mit der er einen zweiten 2. Preis gewinnt. Auch wird Lekeus Ausbildung, vor allem auf dem Gebiet der Orchestrierung vervollständigt.


    Durch die Bekanntschaft mit dem belgischen Violinisten, Dirigenten und Komponisten Eugène Ysaye (1858-1931), der einige Kammermusiken bei ihm in Auftrag gibt sowie Aufführungen seiner Werke arrangiert, erhält Lekeu die Möglichkeit, sich weiterhin mit ganzem Einsatz der Komposition zu widmen. Unter anderem entstehen in diesen letzten Jahren die zu seinen gehaltvollsten Stücken gehörenden Opera:
    'Fantaisie sur Deux Airs Populaires Angevins' für Klavier zu 4 Händen / für Orchester (1892)
    'Sonate' für Klavier und Violine und das leider unvollendet gebliebene
    'Klavierquartett', beide von 1892/93.


    Am 21. Januar 1894 stirbt Lekeu in Angers an Typhus.



    Wer war nun dieser Guillaume Lekeu? Welche Wesenszüge waren ihm zueigen?
    Der ab Sommer 1887 begonnene, rege Briefwechsel mit dem sieben Jahre älteren Schulfreund Marcel Guimbaud, in dem er ausführlich von seinen musikalischen Entdeckungen, Empfindungen und Plänen, auch den eigenen kompositorischen Projekten berichtet, läßt das Bild eines vor geistigem Witz sprühenden, neugierigen und begeisterungsfähigen jungen Mannes voller Lebensfreude und Schaffensdrang und mit vielseitigen Interessen entstehen. Selbst der letzte erhaltene Brief vom 29.12.1893, in dem er von seiner körperlichen Erschöpfung und völligen Appetitlosigkeit spricht, läßt keine ernsthafte Beunruhigung oder gar Todesahnung erkennen.
    Jedoch ist dies nur die eine Seite.


    Eine gänzlich anders geartete, dunkle Seite offenbart sich bei der Beschäftigung mit seiner Musik:
    1. läßt sich eine starke Häufung des Themas 'Tod' feststellen, und zwar bezüglich der Auswahl der Liedtexte fremder Dichter, als auch der seiner eigenen Gedichte.
    2. Gleichfalls betrifft dies etliche Texte, die als Motto über den Partituren stehen.
    3. sind die meisten seiner Kompositionen geprägt von extremen Gefühlszuständen - vor allem ist Lekeus Hang zu düsteren und melancholischen Stimmungen unüberhörbar. Bezüglich der Wahl der Tempi läßt sich eindeutig eine Favorisierung der langsameren, getrageneren Gangarten erkennen. Adagios gelingen ihm am eindringlichsten.
    Dabei erreichen Lekeus überwiegend von Trauer, Schmerz, Melancholie und Düsterkeit geprägte Stücke eine solch enorme Intensität und emotionale Tiefe, wie sie bei einem Komponisten dieses jungen Alters nahezu einmalig sein dürfte - eine Qualität, die bei der Beurteilung seiner musikalischen Werke von fachlicher Seite, z. B. in Musiklexika, meist fast vollständig übersehen wird.



    Als erstes Beispiel möchte ich das oben (Lebenslauf) bereits erwähnte 'Adagio' näher beschreiben:


    Adagio für (Streich-) Orchesterquartett, LV 13 1891
    In dem zwölfminütigen Stück scheinen die berühmten Adagio-Sätze Gustav Mahlers (z. B. der V. und VI. Symphonie) vor allem bezüglich der Eindringlichkeit, Tragik und eingängigen Melodik bereits um ca. 10 Jahre vorweggenommen. Lekeu, der darin den schmerzlichen Verlust seines hochverehrten Lehrers Franck zum Ausdruck bringt, läßt das klagende Hauptthema mehrmals im Verlauf durch das Streicherensemble wandern und auch abwechselnd von den drei Solisten (Violine, Viola und Cello) spielen. Etwa in der Mitte des Stücks erfährt die Musik eine Aufhellung. Ein Lichtstrahl fällt in die dunkle Einsamkeit, die Sologeige schwingt sich auf zu lichten Höhen - eine Erinnerung an glückliche Tage keimt empor. Die Aufhellung währt jedoch nicht lange. Ganz bald kippt die Stimmung wieder und fällt in die Trostlosigkeit zurück, wird von Minute zu Minute dunkler, bitterer und zu Tode betrübt.
    Hier noch ein Zitat aus einer Werkbeschreibung von Jérôme Lejeune:
    "Dieses Adagio ist ein wichtiger Markstein auf seinem musikalischen Weg, dessen Sprache sich von den Modellen befreit: alles ist hier Wagnis, ob es sich nun um die Harmonie, die Rhythmen, den orchestralen Einfallsreichtum mit seiner Suche nach Farbtönen oder die Einteilung in Pulte (4 Geigenparts, 2 Bratschenparts, 2 Cello- und Kontrabaßparts und drei Solisten: Geige, Bratsche und Cello) handelt. Es ist eine warnende Musik, die mit erstaunlicher Lyrik einige Jahre vor Schönbergs 'Verklärter Nacht' die Pforten zum 20. Jahrhundert öffnet."


    Zur weiteren Illustration von Lekeus musikalischer Gefühls- und Gedankenwelt, hier einige Zitate aus seinen Briefen - geschrieben während der Komposition des von Eugène Ysaye bestellten 'Klavierquartetts':


    Quatuor à Clavier / Quartett für Violine, Viola, Cello und Klavier, LV 62 1892/93 (unvollendet)
    "Mein Quartett ist wild und unzähmbar und wird beunruhigend lang. Mein Klavier stöhnt, brüllt und kreischt den halben Tag lang und ist zweifellos entsetzt über die ungewöhnlichen Akkorde, die ich es wiederzugeben zwinge. Die unglücklichen Leute, die im vierten Stock wohnen, fragen sich bestimmt ängstlich, welch unsinnige Wut mich in all diesen Tagen packt ..." (17.01.1893)
    "Thema des ersten Stücks ist der Schmerz, zuerst rasend, krampfartig, dann manchmal etwas besänftigt, verwandelt er sich in leidenschaftliche Melancholie. Doch da der zweite Teil als Quelle dieses Schmerzes die Liebe angibt, muß ich bei der Arbeit am ersten ständig an den zweiten denken und alle meine Themen und Pläne so kombinieren, daß sie sich vollkommen mit dem später kommenden vereinen können." (An Ysaye, 01.02.1892)
    "Mein Hirn kocht; meine Arbeit hat außerordentliche Fortschritte gemacht; ich habe tausend Dinge aufzuschreiben: ich bin völlig hingerissen und gehe auf den Bürgersteigen des Boulevards einher wie einer, der Wahnvorstellungen hat! ... Kindliche Freuden, Visionen von Morgengrauen und Frühling und Herbstmelancholie und Tränen bis zu schmerzlichsten Schreien, ich bemühe mich zu Tode, meine ganze Seele in meine Musik zu legen. Aber dieses expressive Chaos muß auch ein harmonisches Ganzes sein und während ich die süßeste Melodie schreibe, muß ich die schmerzliche Entwicklung, die darauf folgen wird, voraussehen; es ist nicht nur ein Werk, das schrecklich zu schreiben, sondern vor allem erdrückend ist, will man die Gesamtstruktur erfassen." (07.02.1893)


    Im folgenden möchte ich noch eine kleine Serie von außergewöhnlichen Klavierstücken zur Sprache bringen, die der angehende Komponist in eher loser Folge - noch vor dem Unterricht bei Franck in den Jahren 1887/88 - verfaßt. Und zwar handelt es sich um Stücke überwiegend meditativen Charakters, die der Siebzehn- / Achtzehnjährige für sich selbst schreibt und 'Morceaux Égoïstes' ('Egoistische Stücke') nennt. Das längste und aufgrund seiner fatalistischen Stimmung mit Abstand hervorstechendste, mit dem Titel 'Lento Doloroso', stellt eine Art langer Alptraum dar, der von verschiedenen Themen beherrscht wird, in dem die langen Pausen die Last und Schwere von Fragen ohne Antwort symbolisieren und in dem die Zeit nicht mehr existent zu sein scheint.


    Morceaux Égoïstes für Klavier solo 1887/88
    daraus: Lento Doloroso für Klavier solo, LV 100 1887
    "Endlich möchte ich für das Klavier Dinge schreiben, die für mich selbst sind, ohne mich in geringster Weise um ein Publikum oder irgendeine Zuhörerschaft zu kümmern; zwei Stücke sind bereits in dieser sehr freien Form geschrieben ... Diese Stücke dienen mir zu zwei Dingen: die von mir empfundenen Gefühle in eine von mir vorgezogene Form zu übertragen und Dinge zu schreiben, die ebenso neu in ihrer Melodieführung wie in ihrer Harmonie sind." (An Marcel Guimbaud, 25.10.1887)
    "Bald werde ich das vierte meiner "Morceaux Égoïstes" vollendet haben ... Diesmal habe ich als Motto einige Verse aus einem Gedicht Gustave Kahns gewählt ... Die Melodie, die ich darunter geschrieben habe, Lento Doloroso, ist (jedenfalls für mich) bei weitem die wahrste, die am besten empfundene, die mir je eingefallen ist. Ein dunkles Thema, das dennoch mild ist, wobei wie im Dies Irae kein Leitton vorhanden ist, daher die sehr archaische Klangfarbe. Es wird durch chromatische Klagen eingeleitet, die zu anderen Themen führen, unter die ich einen verzweifelten Trauermarschrhythmus gesetzt habe, den ich einmal in den Straßen von Montmartre gehört und rasch aufgeschrieben hatte. Ich weiß nicht, ob dieses Stück leicht verständlich ist (ich glaube eigentlich nicht), doch ich bin bei jeder Note, die ich davon schreibe, dem Weinen nahe; jeder Takt, jede Vibration, ja selbst jede Pause ist für mich eine Träne, ein Seufzer. Das ist keine Musik mehr, sondern ein Gedanke." (An Marcel Guimbaud, 26.11.1887)
    So weit die ausführliche Würdigung einiger der bemerkenswertesten Werke des Komponisten.



    Das Bedauernswerte im Schaffen Lekeus stellt der Umstand dar, daß die Mehrzahl seiner Werke noch vor dem Studium bei César Franck entstanden ist - also zu einer Zeit, als er noch zu viele Projekte auf einmal in Angriff nimmt, seine Ideen nur skizzenhaft auf einzelnen Zetteln rasch notiert, diese teils wieder verwirft - mit dem Ergebnis, daß vieles aus dieser Zeit fragmentarisch bleibt.
    Was dagegen die vollendeten Frühwerke betrifft, befindet sich die Form bezüglich Einheit und Zusammenhang oftmals noch nicht auf dem soliden Niveau wie in den "Spätwerken". Trotzdem zeigen sich die (meiner Meinung nach) für Lekeus Kompositionen prägendsten Elemente des unmittelbaren und so überaus emotionalen Ausdrucks sowie eines höchst individuellen musikalischen Stils im Gesamtoeuvre - also sowohl im Früh- als auch im Spätwerk - als durchgängig präsent! Darin liegt die Stärke und Faszination, die den Hörer der Lekeuschen Stücke stets zu fesseln vermag.


    Auch die Vielfalt in bezug auf die Gattungen und Besetzungen, für die der junge Komponist schreibt, überrascht: Orchesterwerke, Stücke für Klavier solo bzw. zu 4 Händen, Streichquartette, sonstige Kammermusik, wie Klaviertrio, Violinsonate, Klavierquartett, außerdem Klavierlieder und Chorwerke, darunter das großformatigste, die bereits erwähnte Kantate 'Andromède für Soli, Chor und Orchester. Selbst zwei Opern hatte Lekeu in Planung:
    Les Burgraves - Lyrisches Drama, LV 2 1887 und
    Barberine - Oper, LV 1 1889



    Ein von mir erstelltes, vollständiges Werkverzeichnis ist für die Interessierten hier einzusehen:


    Lekeu-Werkverzeichnis



    Gesamteinspielung



    Zu des Komponisten 100. Todestag ist im Jahre 1994 eine hoch verdienstvolle - und leider seit einigen Jahren nicht mehr erhältliche - Gesamteinspielung der aufführbaren Werke Lekeus beim Label Ricercar in Form einer 9 CD-Box erschienen (RIC 94001).
    Diese beinhaltete 5 Volumes mit Kammermusik, 1 CD mit Klavierstücken und Liedern, 2 Volumes mit Orchesterwerken und 1 CD enthielt die Kantate 'Andromède'.



    An den Aufnahmen beteiligt waren u. a.:
    Luc Devos, Daniel Blumenthal, Dirk Herten, Jean-Claude Vanden Eynden, Klavier;
    Philippe Hirschhorn, Violine; Luc Dewez, Cello;
    Quatuor Camerata; Domus;
    Dinah Bryant, Sopran; Zeger Vandersteene, Tenor; Philippe Huttenlocher, Bariton; Jules Bastin, Baß;
    Choeur Symphonique de Namur;
    Orchestre Philharmonique de Liège
    Leitung: Pierre Bartholomée


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    Zum Ende zitiere ich den ergreifenden Bericht von Marthe Lorrain, einer Freundin der Familie, die die letzten Worte Guillaumes wohl von seinem Vater erhalten hatte und in einer dem Komponisten gewidmeten Veröffentlichung des Jahres 1923 der Nachwelt überlieferte:


    "Vater, bist du es? Ich war recht krank; es war Typhus, nicht? Es geht mir besser. Ich hatte so schöne Träume. Ich habe das Ende des zweiten Teils meines Quartetts und alle Themen des dritten gefunden; er wird viel schöner als die beiden anderen werden! Wir ziehen nach Brüssel. Ich werde viele Schüler haben. Ich werde meinen Unterhalt reichlich verdienen. Ich habe an meine Klasse gedacht. Ich werde kleine Tische hineinstellen, einen für jedes Mädchen; so sind sie aufmerksamer, und das ist gut. Und dann kommt Ihr alle beide mit mir; wir werden zusammenleben und sehr glücklich sein.
    Das waren seine letzten Worte. Er, der den Schmerz mit so wissender Feder beschrieben, der das glühende Leben, das er so heiß liebte, besungen hat, er, der seltene Rhythmen suchte, um die Feinheiten seiner Gedanken genauer auszudrücken, starb einige Tage später, ohne zu ahnen, daß er in die Ewigkeit eintrat, deren Geheimnis niemand ergründet." - Marthe Lorrain


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  • Hallo Guercoeur


    Danke für Deinen ausführlichen Bericht zu diesem recht unbekannten Komponisten. Wir müssen den Bericht noch in Ruhe durchlesen.


    Wir kennen Lekeu nur durch diese eine Aufnahme, die wir gerne empfehlen können



    das Petersen Quartett, welches sich ja immer wieder für randständige Werke einsetzt, hat folgende zwei Werke auf dieser Platte eingespielt;
    - Nocturne
    - ein Fragment


    Herzliche Grüsse


    romeo&julia

  • Außer der G-dur-Violinsonate, 1938 von den Menuhin-Geschwistern eingespielt, kenne ich von Lekeu nichts. Danke, insbesondere für den Link zum Werkverzeichnis!


    Heinz

  • Hallo romeo&julia,


    vielen Dank für Euren Hinweis auf die CD bzw. SACD des Petersen Quartetts, die ich wegen der äußerst gelungenen Programmzusammenstellung ebenfalls sehr empfehlenswert finde:


    Petersen Quartett -
    Ernest Chausson (1855-1899): Chanson Perpétuelle für Sopran, Streichquartett und Klavier, opus 37 1898
    Guillaume Lekeu (1870-1894): Nocturne für Singstimme, Streichquartett und Klavier, LV 83 1893
    Guillaume Lekeu (1870-1894): Andromède - Fragment für Singstimme, Streichquartett und Klavier, LV 5 1891
    Darius Milhaud (1892-1974): Streichquartett Nr. 1, opus 5 1912
    Maurice Ravel (1875-1937): Streichquartett F-dur 1902/03
    Juliane Banse, Sopran; Wolfram Rieger, Klavier; Petersen Quartett
    Capriccio, 2000, 1 CD / 1 SACD



    Vor etwa sechs Jahren spielte das Petersen Quartett - gemeinsam mit Wolfram Rieger, Klavier und Sophie Koch, Mezzosopran - beim Rheingau Musikfestival eine ähnliche Kombination von Werken. Leider war der schönen Auswahl der Stücke damals ein Pflicht-Beethoven vorangestellt, der zum Rest des Programms so gar nicht paßte - wohl um dem konservativeren Publikum wenigstens einen bekannten Komponistennamen anzubieten. Trotzdem war's ein toller Kammermusikabend:
    Beethoven: Streichquartett B-dur, opus 18 Nr. 6; Erwin Schulhoff: Fünf Stücke für Streichquartett 1923; Guillaume Lekeu: Nocturne 1892 & Fragment aus 'Andromède' 1891; Chausson: Chanson Perpétuelle 1898; Ravel: Streichquartett F-dur 1902/03


    Eine ähnlich stimmige Zusammenstellung bieten die folgenden CD-Veröffentlichungen:


    The Ysaye Connection -
    Eugène Ysaye (1858-1931): Cellosonate opus 28; Rêve d' Enfant, opus 14
    César Franck (1822-1890): Cellosonate A-dur
    Guillaume Lekeu (1870-1894): Cellosonate G-dur
    Raphael Wallfisch, Cello; John York, Klavier
    Cello Classics, 2002, 1 CD



    French Piano Quartets -
    Ernest Chausson (1855-1899): Klavierquartett A-dur, opus 30 1897
    Guillaume Lekeu (1870-1894): Klavierquartett h-moll, LV 62 1892/93
    Alexis de Castillon (1838-1873): Klavierquartett g-moll, opus 7 1869
    Camille Saint-Saëns (1835-1921): Klavierquartett B-Dur, opus 41 1875
    Quatuor Kandinsky
    Virgin, 1992, 2 CD



    Verena Rein - La Note d' Or
    Ernest Chausson (1855-1899): Chanson Perpétuelle opus 37 1898
    Guillaume Lekeu (1870-1894): Nocturne für Sopran, Streichquartett und Klavier 1893
    Maurice Ravel (1875-1937): Streichquartett F-Dur 1902/03
    Gabriel Fauré (1845-1924): La Bonne Chanson - Liederzyklus für Sopran, Streichquartett und Klavier, opus 61 1898
    Verena Rein, Sopran; Sergej Okrusko, Klavier; Ciurlionis Quartett
    Dreyer, 2005, 1 CD



    :hello:
    Johannes

  • lieber johannes,


    ein wunderschöner, ergreifender artikel über diesen großen und tragischen komponisten. chapeau! :jubel:


    ich bin froh, daß ich mir vor vielen jahren noch die gesamtaufnahme - auf dein zuraten hin - sichern konnte. :yes:


    allen, die musik ende des 19, jhds. lieben und lekeu noch nicht kennen sollten, kann ich nur raten: unbedingt kennenlernen...


    :hello:

    --- alles ein traum? ---


    klingsor

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  • Wow!


    Das nenne ich ein gelungenes und anregendes Komponistenportrait. :yes:


    Hast Du ihn eigentlich schon in Deine Liste der "früh heimgeholten" aufgenommen??


    Besonders interessant finde ich den Hinweis, daß Lekeu in seinem Adagio Mahler schon 10 Jahre vorwegnimmt.



    LG
    Wulf.

  • Zitat

    Original von Wulf
    Besonders interessant finde ich den Hinweis, daß Lekeu in seinem Adagio Mahler schon 10 Jahre vorwegnimmt.


    Ja, und ich bin schon neugierig, wie man es (hoffentlich) widerlegen/relativieren wird ...

  • Hallo Wulf,


    Zitat

    Wow!
    Das nenne ich ein gelungenes und anregendes Komponistenportrait. :yes:


    Habt Dank für Eure lobenden Worte! :]


    Zitat

    Hast Du ihn eigentlich schon in Deine Liste der "früh heimgeholten" aufgenommen??


    Nun ja, den Beitrag hatte ich eigentlich zuerst im 'Früh verstorbene Komponisten'-Thread gespeichert. Aber, da Thomas / Salisburgensis meinte, er hättte einen eigenen Thread verdient, war ich mit dieser Lösung einverstanden und werde im anderen Thread noch einen kurzen Beitrag zu Lekeu verfassen und auf den ausführlichen Thread verlinken.


    LG
    Johannes

  • Ach, Kurzer, lass doch mal gelten....oder haste Schiss, daß Mahlers Bild bröckelt?? :baeh01:


    Zudem: Das Bild eines Komponisten bröckelt bei mir sowieso nicht, "nur" weil ein anderer Komponist bereits zehn Jahre vorher etwas vorweggenommen hat.


    Und vergessen wir nicht: von Mahler stammt immerhin der Ausspruch: "Besser gut geklaut als schlecht komponiert"


    :hello:
    Wulf.

  • Moin Johannes,


    super Artikel ! :jubel: :jubel:


    Auch ich finde es sehr schade, dass die Bartholomee-Aufnahmen nicht mehr lieferbar sind. Zum Glück besitze ich Andromede und das Adagio. Ich konnte vor einiger Zeit in die CDs mit dem Kandinsky Quartett reinhören und fand sie nicht schlecht.

    Grüsse aus Rhosgobel


    Radagast

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  • Hallo Stefan,


    ganz vielen Dank! Freut mich sehr, daß doch der ein oder andere im Forum etwas von Lekeu kennt. :]


    Zitat

    Original von Radagast
    Auch ich finde es sehr schade, dass die Bartholomee-Aufnahmen nicht mehr lieferbar sind.


    Bezüglich des Labels 'Ricercar', das die Lekeu-Gesamt-Einspielung veröffentlicht hatte, hat mir unser lieber Salis vor kurzem verraten, daß es wohl noch (oder wieder) existiert (das Label). Die Lekeu-Box oder Einzel-CDs aus der Edition werden zwar offiziell nicht angeboten, aber manchmal hat man bei kleineren Labels ja Glück, wenn man sie direkt kontaktiert und evtl. irgendwelche Restposten erwerben kann. :rolleyes:


    Herzliche Grüße
    Johannes
    :hello:

  • Guten Abend.


    Höre gerade die Violinsonate von Lekeu mit Christian Ferras und Pierre Barbizet zum zweiten Mal und habe dann diesen alten Thread gefunden. Die Sonate gefällt mir ausgesprochen gut und ich möchte nicht wissen welch´ Musik Lekeu noch komponiert hätte, wäre er nicht so jung verstorben. - Da dies meine erste Begegnung mit diesem Komponisten ist, würde es mich interessieren ob seine anderen Werke auch diese angenehm französische Melancholie besitzen.


    Kann mir da vielleicht jemand helfen der bereits mehr kennt?


    Lieben Gruß aus Wien


    Bernhard

  • Hallo Bernhard,


    Zitat

    Original von Maldoror
    Da dies meine erste Begegnung mit diesem Komponisten ist, würde es mich interessieren, ob seine anderen Werke auch diese angenehm französische Melancholie besitzen.
    Kann mir da vielleicht jemand helfen, der bereits mehr kennt?


    wie ich im obigen Einführungsbeitrag bereits geschrieben habe, liegen Lekeus Stärken eindeutig in den Werken und Sätzen der langsameren Gangarten, derer er sich in seinem Oeuvre auch überwiegend bedient. Darüber hinaus ist sein Hang zur Melancholie in den meisten Stücken unverkennbar!


    Als Beispiele für die meiner Meinung nach originellsten und / oder bewegendsten Opera des Komponisten möchte ich Dir zunächst - als Ergänzung zu der von Dir bereits erwähnten Violin-Sonate, LV 64 - auf dem Gebiet der Kammermusik das (leider unvollendet gebliebene) Quatuor à Clavier / Klavierquartett, LV 62 von 1892/93 ans Herz legen.


    Von den Klavierwerken sind vor allem die 'Morceaux Égoïstes' (insbesondere das 'Lento Doloroso', LV 100 1887) zu erwähnen,
    von den Liedern das 'Nocturne / Le Printemps' für Singstimme und Klavier, LV 82 Nr. 3 oder in der Fassung für Singstimme, Streichquartett und Klavier, LV 83 1892
    sowie die Rompreiskantate 'Andromède' für Soli, Chor und Orchester, LV 3 1891, deren zentrale tragische Arie 'La Mort! Ne plus penser jamais!' Lekeu auch als sogenanntes 'Andromède-Fragment', LV 5 für eine Kammerbesetzung - Sopran, Streichquartett und Klavier - arrangiert hat.


    Und zum Schluß sei nochmals das tief traurige, im Gedenken an seinen Lehrer César Franck komponierte 'Adagio' für (Streich-) Orchesterquartett, LV 13 von 1891 empfohlen.


    Um in diese wie auch weitere Werke hineinzuhören, wäre natürlich die in meiner Einführung genannte (nach wie vor gestrichene) Lekeu-Gesamtedition des Labels 'Ricercar' am besten geeignet. Ansonsten habe ich leider keinen Überblick über die momentan erhältlichen Einspielungen. Aber sicher wirst Du bei den bekannten Online-Shops oder in der Bucht schon das ein oder andere Stück aufstöbern.


    Herzliche Grüße
    Johannes

  • Guten Morgen.


    Herzlichen Dank, Johannes. Habe gestern Deine Einführung nur unkonzentriert überflogen, aber heute alles gelesen und dieser Komponist wird mich wohl noch beschäftigen. Werde mich umsehen - vor allem das Adagio klingt sehr vielversprechend. Das mit der Ricercar-Box ist wirklich schade.


    Einen schönen Tag wünscht


    Bernhard

  • Hallo!


    Zitat

    Original von Guercoeur
    Quatuor à Clavier / Quartett für Violine, Viola, Cello und Klavier, LV 62 1892/93 (unvollendet)
    "Mein Quartett ist wild und unzähmbar und wird beunruhigend lang. Mein Klavier stöhnt, brüllt und kreischt den halben Tag lang und ist zweifellos entsetzt über die ungewöhnlichen Akkorde, die ich es wiederzugeben zwinge. Die unglücklichen Leute, die im vierten Stock wohnen, fragen sich bestimmt ängstlich, welch unsinnige Wut mich in all diesen Tagen packt ..." (17.01.1893)
    "Thema des ersten Stücks ist der Schmerz, zuerst rasend, krampfartig, dann manchmal etwas besänftigt, verwandelt er sich in leidenschaftliche Melancholie. Doch da der zweite Teil als Quelle dieses Schmerzes die Liebe angibt, muß ich bei der Arbeit am ersten ständig an den zweiten denken und alle meine Themen und Pläne so kombinieren, daß sie sich vollkommen mit dem später kommenden vereinen können." (An Ysaye, 01.02.1892)


    Dieses viertelstündige Klavierquartettfragment ist echt der Hammer!! :jubel::jubel:


    Intensive und interessante Musik. Davon hätte es gerne noch mehr sein können.... schade.


    Allein dafür lohnt es sich schon, die oben genannten Klavier-Quartett-CDs anzuschaffen:



    Da wird sogar der Guercoeur zum Kammermusik-Fan! =)


    Viele Grüße,
    Pius.

  • Tamino XBeethoven_Moedling Banner
  • Zitat

    Original von Pius
    Dieses viertelstündige Klavierquartettfragment ist echt der Hammer!! :jubel::jubel:


    Intensive und interessante Musik. Davon hätte es gerne noch mehr sein können....


    Deine Begeisterung bezüglich des Lekeuschen Klavierquartetts teile ich voll und ganz :], allerdings sei hiermit erwähnt, daß das Domus Quartett in seiner Aufnahme des Stückes von 1991 mit einer Spieldauer von immerhin 25 Minuten! (2 Sätze) aufwartet. ;)


    Guillaume Lekeu (1870-1894):
    Quartett für Violine, Viola, Cello und Klavier, LV 62 1892/93 (unvollendet)
    Domus Quartett
    Ricercar, 1991, 1 CD / 9 CD



    :hello:
    Johannes

  • Die eingangs erwähnte Box von Ricercar ist übrigens wieder erhältlich und bei jpc für 36 Euro zu haben. Ich werde sie für eine Entdeckungsreise nutzen.


    Er hat Jehova gesagt!