Karl Ridderbusch - der Kumpel aus dem Ruhrgebiet

  • Erstaunlicherweise findet man Ridderbusch als Christus in einer noch immer sehr hörenswerten Pionierleistung, der ersten komplett mit männlichen Solisten besetzten Matthäuspassion unter Ltg. von Harnoncourt 1970.




    Und ich muß sagen, daß ich ihn hier durchaus überzeugend finde. Natürlich ist das eine riesengroße, warme Stimme, verglichen mit dem, was man heute unter einem oft überzogenen Schlankheitsdiktat in den Passionen geboten kriegt.
    Anscheinend war er jedenfalls nüchtern und offen genug, um sich auf diese, damals sicher von manchem ähnlich kritisch wie "Regietheater" beäugte Produktion einzulassen. Wobei ich mich dennoch frage, wie genau er dort hineingeraten ist. Die anderen erwachsenen Solisten waren nämlich schon damals mehr oder minder Barockspezialisten.


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Zitat

    Original von Norbert
    Naja, Edwin, "Tagesform" eben...


    Mit dem Sachs habe ich Ridderbusch gegen Ende der 70er Jahre öfter gehört - und es war enttäuschend, schon beim ersten Mal. Der Mitschnitt von 1974 zeigt tatsächlich eine zumindest akzeptable Leistung des Bassisten - aber danach ging es dann doch schnell bergab. Vor allem der dritte Akt, da Edwin völlig recht, zeigte einen matten, angestrengten und brüllenden Sänger an der Grenze seiner Möglichkeiten.

  • Stimmt leider alles. Ein Juwel, dass nie geschliffen, ja direkt verschlampt wurde. Ich habe ihn besonders in Bayreuth in einigen Partien gehört und war ebenfalls meist ernüchtert.
    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Ein ungeschliffenes Juwel ? Das Schleifen erfolgte allerdings an der


    Folkwangschule in Essen, durch den sehr geschätzten Sänger(Bariton)


    und Gesangspädagogen Clemens Kaiser-Breme.


    :hello:Herbert.

    Tutto nel mondo è burla.

  • Lieber Herbert,


    er war sogar so hochbegabt, dass Rudolf Schock ihn förderte und Karajan von einer der schönsten Bassstimmen sprach. Aber und das meinte ich mit der etwas harten Formulierung "verschlampt", diesen großen Erwartungen wurde er leider besonders im Fortgang seiner Karriere nicht mehr gerecht. Dies wird auch durch die zum Teil vernichtencden Urteile unserer Tamino-Kollegen bestätigt.
    Herzlichst
    Operus

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  • Vielleicht war da doch auch etwas zu viel Alkohol im Spiel. Ich entsinne mich, daß in Bayreuth der böse Witz umging: "Was ist der Unterschied zwischen Salminen und Ridderbusch? - Prinzipiell keiner, beide sind permanent sternhagelvoll. Allerdings ist der Salminen nur im betrunkenen Zustand ein guter Sänger und der Ridderbusch nur im nüchternen..."
    :hello:

    ...

  • Lieber Edwin Baumgartner,


    was sie jetzt bereits ausgiebig ausgeführt haben: Für sie war der Ridderbusch der späten 70er Jahre enttäuschend und sie haben sicher ihre guten Gründe dafür. Außerdem: Über Geschmack lässt sich nicht streiten.


    Ich selbst habe Ridderbusch jedenfalls nicht in solch schlechter Erinnerung, im Gegenteil, obwohl ich ihn vor 1977 regelmäßig erleben konnt. Ich habe ihn als im positiven Sinn polternden Daland in "Der fliegenden Holländer", als mächtigen Hunding in "Die Walküre" und, vor allem unter der Regie von Otto Schenk, als zumindest in der Premierenserie idealen Handwerker Sachs ("Die Meistersinger von Nürnberg"), mit leichten, für einen Bass typischen, Höhenproblemen erlebt. Nur mit seinem Ochs "Der Rosenkavalier" hatte ich meine Probleme - da mir der sicher nicht stimmlich ideale Manfred Jungwirth hier als Rollenportrait einfach besser gefiel.


    Der Schallplattensänger Ridderbusch wurde in seinen Wagner-Partien bereits gewürdigt bzw. verrissen: Ich möchte besonders auf seine Leistung als La Roche in "Capriccio" unter Karl Böhm hinweisen-nicht nur für mich eine großartige Leistung.



    Weniger ideale Schalplattendokumente, die bisher nicht erwähnt wurden:
    Verdi: Messa da Requiem unter Büchel aus Bielefeld (eine im Ganzen zu deutsche Angelegenheit) und Mozart: Requiem unter Böhm (keine Glanzleiustung obwohl er rein stimmlich keine Probleme hat, sein Mozartgesang ist keinesfalls ideal).




    Doch nun genug geschrieben – Hören wir lieber etwas Musik:
    Vielleicht Ridderbusch als Rocco in der alten Einspielung aus 1976 von Beethovens Leonore unter Blomstedt


    Giovanni Bertati

    Ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum. (Friedrich Nietzsche)

  • Lieber Giovanni Bertati,

    Zitat

    Ich habe ihn als im positiven Sinn polternden Daland in "Der fliegenden Holländer", als mächtigen Hunding in "Die Walküre" und, vor allem unter der Regie von Otto Schenk, als zumindest in der Premierenserie idealen Handwerker Sachs ("Die Meistersinger von Nürnberg"), mit leichten, für einen Bass typischen, Höhenproblemen erlebt.


    An sich sind wir hier alle per Du - muß aber nicht sein.


    Wenn Daland poltern soll, war Ridderbusch sicherlich gut - aber da habe ich offenbar eine andere Rollenauffassung.


    Als Schenks Sachs war er insoferne gut, als er ein Erfüllungsgehilfe von Schenks grauenhafter Personenführung war - ich war heilfroh, daß sich Holtenau davon emanzipierte ("ich spiele den Sachs doch nicht als Trottel").


    Aber jetzt Hand aufs Herz: Hatte Ridderbusch wirklich nur Höhenprobleme? - So wahnsinnig hoch ist doch der Sachs nicht. Wohl aber lang. Und diese Länge war es wohl, die Ridderbusch zu schaffen machte. Was man von ihm mit ziemlicher Sicherheit bekam, war ein tüchtig gesungener zweiter Akt und eine tapfere Schusterstube. Auf der Festwiese ging zumeist "Euch macht ihr's leicht" kaum noch, der Schlußmonolog kam nur in Ausnahmefällen. Und ich erinnere mich noch gut, es war wohl die Premierenserie oder die darauffolgende, als Ridderbusch mit Holtenau alternierte, sich ältere Opernbesucher bei Holtenau an Schöffler erinnert fühlten und ich zum ersten Mal begriff, daß der Sachs im zweiten Akt eine Maske trägt, während er sein Wesen im dritten Akt enthüllt; bei Ridderbusch hatte ich immer das Gefühl, der zweite Akt sei der echte Sachs, der dritte die Maske. Aber Ridderbusch lag wahrscheinlich das Kumpelhafte, die Kameraderie, besser als die Philosophie.


    Was den Ochs betrifft: Natürlich war Jungwirth - übrigens international sehr unterschätzt - besser, aber mir war auch Sotin lieber, und Rydl brachte den Ochs so, wie er mir immer vorkam: Täppisch, bäuerlich, ungeschickt, aber nicht bösartig und auch nicht dumm.


    Die einzige Aufnahme, in der ich Ridderbusch wirklich schätze, ist diese:

    Ridderbusch als Holzhacker bringt eine gewisse saftige Derbheit hinein, eine Nuance tumbe Bosheit auch, die dieser Rolle gut ansteht.
    Gerade deshalb, also wegen seiner volkstümlich-geradlinigen Art, hätte ich mir vorstellen können, daß Ridderbusch ein glänzender Petrus in Orffs "Mond" hätte sein können, ein guter Vater in "Hänsel und Gretel" usw. Für Sachs, Ochs und vor allem für Hagen reichte meiner Meinung nach seine geistige Spannweite nicht aus, bzw. beließ er es dabei, die Charaktere nur oberflächlich-eindimensional zu erfassen.
    :hello:

    ...

  • Ich habe Ridderbusch nie live erlebt. Die Stimme hat mich immer fasziniert, damit konnte er puren Wohlklang verströmen. Doch je mehr ich von ihm kennenlernte, umso enttäuschter wurde ich, da seinen Interpretation wirklich einige Dimensionen fehlen. So gefällt mir Ridderbusch heute vor allem in Partien, in denen es auf allzu differenzierten Ausdruck nicht ankommt oder die an sich eher einfältig sind, z.B. König Heinrich, Pogner, auch König Marke (da überwiegt der positive Wohlklang), vielleicht noch Kezal, wobei die Fernsehaufzeichnung nur noch Reste einer Prachtstimme zeigt. Differenziertere Charaktere wie Gurnemanz oder gar Sachs werden wirklich zu recht groben Gesellen.
    Dabei glaube ich kaum, dass Ridderbusch wirklich dumm war (ich glaube, er war vor seiner Sängerlaufbahn Ingenieur). Charakterlich eher etwas einfältig. Ich erinnere mich da an ein Fernsehinterview mit August Everding, das einen unerträglich eitlen polternden älteren Herren zeigte (und damit meine ich nicht Everding).


    Gruß
    Dieter

  • Zitat

    Original von vitelozzo-tamare
    Dabei glaube ich kaum, dass Ridderbusch wirklich dumm war (ich glaube, er war vor seiner Sängerlaufbahn Ingenieur). Charakterlich eher etwas einfältig. Ich erinnere mich da an ein Fernsehinterview mit August Everding, das einen unerträglich eitlen polternden älteren Herren zeigte (und damit meine ich nicht Everding).


    Gruß
    Dieter


    Stimmt, "unerträglich" und "polternd" kann man auf Everding absolut nicht anwenden :pfeif:

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  • Vielleicht kam Ridderbusch gerade aufgrund der hier zusammengetragenen Charakteristika in dieser Einspielung seiner kleinbürgelmeisterlichen Bühnenfigur am nächsten und war gar in der Lage, sie im zugehörigen Film äußerst glaubhaft darzustellen:



    audiamus
    .

  • Oder hier?



    Ich kenne zu wenig von seinen anspruchsvolleren Rollen um hier mitreden zu wollen, denn der Rocco in Blomstedts LEONORE ist mir derzeit ebenso wenig präsent wie der Mitschnitt der Wiener MEISTERSINGER von 1975 unter Dohnanyi mit Janowitz. In beiden habe ich ihn eigentlich als recht gut in Erinnerung. Sehr präsent sind mir dagegen sein von Audiamus genannter van Bett und sein Falstaff in Nicolais Version des Stoffes. "Als Büblein klein an der Mutter Brust" fand ich ihn goldrichtig - auch und gerade in dem Fernsehfilm des ZDF aus etwa der gleichen Zeit.


    Vielleicht nicht nur eine Frage der Tagesform, sondern auch eine der Affinitäten?


    :hello: Jacques Rideamus

  • Zitat von Alviano

    allerdings war sein Rocco auch nicht besser.


    Da will ich aber vehement widersprechen: Sein Rocco unter Blomstedt gehört für mich nach dem unerreichten Gottlob Frick zu den besten auf Tonträger.
    Außerdem schätze ich ebenso seinen Daland unter Böhm in Bayreuth und seinen Holzhacker in den "Königskindern". Zum Sachs kann ich mich leider (noch) nicht äußern.


    Best, DiO :beatnik:

  • Zitat von Diabolus in Opera


    Da will ich aber vehement widersprechen: Sein Rocco unter Blomstedt gehört für mich nach dem unerreichten Gottlob Frick zu den besten auf Tonträger.


    Da reden wir über zwei verschiedene Sachen - ich sprach von "Live-Auftritten".


    Es mag sein, dass Ridderbusch dieses hier angesprochenen Spielbasspartien besser lagen. Aber gute Rollengestaltungen sind das auch nicht - Ridderbusch verfügte über ein eher schmales Ausdruckssprektrum, das er in jeder Partie einsetzte. Seine gesanglich besten Aufnahmen stammen sicher vom Ende der 60er und Anfang der 70er Jahre.


    Die hier angesprochene "Capriccio"- Einspielung zeigt einen stimmlich gut aufgelegten Ridderbusch, der gegenüber Hotter zu Punkten vermag. Letztere ist aber als Typ für mich der interessantere Sänger.


    Die "Meistersinger" von 1974 würde ich einem Einsteiger immer empfehlen. Die Aufnahme ist in vielen Punkten nicht ideal, strahlt aber eine gewisse Spielfreude aus. Und Ridderbusch ist hier besser, als in allen mir bekannten, späteren Aufführungen.

  • Zitat von Alviano

    Da reden wir über zwei verschiedene Sachen - ich sprach von "Live-Auftritten".


    Geht klar.


    Mir ist gerade noch eine andere Rolle eingefallen, in der ich Ridderbusch überraschend gut fand: Nämlich als Kaspar im Freischütz unter Sawallisch (Live-Aufnahme aus Rom). Überraschend deswegen, weil ich mir zunächst gedacht habe, Ridderbusch kommt womöglich doch zu gutmütig und kumpelhaft rüber, ohne wirklich eine Bedrohung für Max zu sein. Aber da habe ich mich ein bisschen getäuscht. Genauso wie beim Holzhacker in den "Königskindern" ist diese latente, unterschwellige, dumpfe Gewalt ein interessanter Aspekt, der sich gut mit der Rolle vereinbaren lässt. Ich mag aber an dieser Stelle nicht beurteilen, inwieweit er dies selbst "gestaltet" hat. Ganz Unrecht hat Alviano nicht, wenn er von einem relativ beschränkten Spektrum an Interpretation spricht.


    Best, DiO :beatnik:

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  • Ich habe Ridderbusch häufig live gehört, in allen möglichen Rollen, Hunding, Hagen, Sachs und das über Jahre hinweg - mit wechselndem, eher abnehmenden Vergnügen.
    Ich habe erlebt, wie er sich selbst kaputtmachte und sich im Lohengrin fit spritzen ließ, als er am Ende des ersten Aktes nicht nur stimmlich zusammengeklappt war, weil sein Kreislauf die Beanspruchungen durch "vorgestern San Franzisko, gestern Moskau, heute Duisburg" (Welch eine Reihenfolge! :D) nicht mitmachte. Stimmlich bot er gegen Ende seiner Karriere ein ziemliches Fiasko - und was ich noch viel schlimmer fand: Er versuchte es mit Mätzchen zu überspielen. Insofern sah ich ihn nur nur als ungewollte Parodie als Bürgermeister in "Zar und Zimmermann".


    einigermaßen versöhnlich fand ich dann den Bürgermeister in den Gezeichneten.

    mit freundlichen Grüßen
    Martina
    Auf dem Rohre taugt die wonnige Weise mir nicht!

  • Die Späße von Karl Ridderbusch werden bestätigt. Allerdings berichten Zeitzeugen, dass diese besonders als Ochs gegenüber Sängerinnen-Kolleginnen sehr derb und die notwendige Distanz nicht wahrend gewesen sein sollen. Es bleibt dabei, der Sänger polarisiert: Auf der einen Seite ein großer Sänger, auf der anderen Seite eine Persönlichkeit die viele Fragen aufwirft.


    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Lieber Operus,


    da stimme ich dir zu. Wir hatten mal ein Konzert mit ihm, es sang ein Männerchor und danach kam der Frauenchor dran. Er stand hinter der Bühne und sah dem Treiben des Auftretens der Chöre zu.
    Als die Frauen zum Auftreten los ging sagte er mit einem breiten Grinsen" Jetzt kummen de Wiever (Frauen) dran".


    :hello:

  • Anläßlich des heutigen 12. Todestages möchte ich nochmal eine Lanze brechen für Karl Ridderbusch, der hier ja schon von einigen reichlich demontiert wurde (nicht nur stimmlich). Durch allzu heftiges Schlechtreden wird bekanntlich oft erst das Interesse an einer Person (hier: Sänger) geweckt, und bislang überzeugte mich Ridderbusch, etwa als Fafner im Karajan-"Rheingold", durchaus.


    :hello:

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

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  • Unsägliches liest man in diesem Thread. Bereits zu Anfang driftete das ganze Thema ins Nebensächliche ab. Böswilligere Unterstellungen und überzogenere Kritiken habe ich selten gelesen wie in diesem Thread über Karl Ridderbusch. Sein Sachs wäre grob, zu keiner Nuancierung fähig, ein einfältiger Säufer, der wie ein Hetzer brülle. Komischerweise beweisen alle mir bekannten Aufnahmen das genaue Gegenteil: Selten hört man den Wahn-Monolog verinnerlichter, selten die Schlußansprache in ruhigeren Tönen als bei Ridderbusch. Vielmehr ein nobler Schuster mit poetischer Ader, das ist sein Sachs. Seine Stimme strömt reinen Wohlklang aus. Karajan wußte schon, wieso er Ridderbusch als Sachs in Salzburg 1974 einsetzte. Im selben Jahr sang er auch im bekannten Philips-Mitschnitt aus Bayreuth. Bei den Salzburger Osterfestspielen wirkt Ridderbusch sogar noch besser. Liest man sich alte Rezensionen dieser Aufführungen durch, überschlagen sich die Kritiker förmlich in Lobeshymnen – zurecht. Eine ganz große Stimme war das, und das sollte man bei aller späterer Kritik nicht vergessen.


    :hello:

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Karl Ridderbusch hatte in seine Glanzeiten eine hoch liegende Bassstimme von außerordentlicher Schönheit und Qualität. Was das Urteil über ihn beeinträchtigt ist der Ausklang seiner Karriere. Hier war er leider nur noch ein Schatten seiner selbst und eine Warnung für alle, die zu rücksichtslos mit ihrer Stimme und ihren Ressourcen umgehen.
    Dazu kommt noch, dass über sein derbes Wesen und eine unverbesserliche Nähe zur Ideologie des Dritten Reiches berichtet wird.
    Ridderbusch wird also als widersprüchlich wahrgenommene Sängerpersönlichkeit mit einer Zahl hervorragender Aufnahmen in Erinnerung bleiben.


    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Hallo Forianer,


    nachdem ich alle Beiträge studiert hatte, habe ich einen Großteil meiner Aufnahmen, überwiegend aus den Siebzigern rausgesucht, reingehört und Kritiken gelesen. Barbier von Bagdad... Pluspunkt der Aufnahme KR, Meistersinger unter Varviso ... KR hervorragend, Schuster und Poet dazu. In Holländer, Freischütz, Lohengrin unter Kubelik, Ring unter Karajan, Fidelio, Leonore, Parsifal, Zar und Zimmermann und Verkaufte Braut habe ich reingehört und bin nach wie vor begeistert.


    Die späten Jahre kenne ich nur vom Lohengrin unter HvK. Hier ist bekannt, dass die Aufnahme wegen eines Zerwürfnisses mit Kollo unterbrochen wurde und erst viel später fertig gestellt werden konnte. Man hört's.


    Das erste Mal negativ aufgefallen ist mir Ridderbusch in der Fernsehfassung der "Verkauften Braut".
    Hier habe ich erstmals eine DVD zurückgeschickt. Er sang noch schlechter als Jerusalem, die Popp konnte die Aufführung auch nicht retten. KR holte ständig einen Flachmann aus der Jackentasche und nippte daran. Ich dachte erst, das gehört zur Regie. Aber nach dem was alles geschrieben wurde, bin ich mir da auch nicht mehr sicher.


    Gruß aus Burgdorf


    "Nicht weinen, dass es vorüber ist
    sondern lächeln, dass es gewesen ist"


    Waldemar Kmentt (1929-2015)


  • Hallo, liebe Freunde von Karl Ridderbusch,


    ich habe ihn kennengelernt, als er in den 60er-Jahren in Münster, wo er, ich meine, den Meister Hans aus Albert Lortzings Undine gab.
    Von seiner stimmlichen Potenz her sang er das ganze Ensemble an die Wand, und er war ja auch ein echter Komödiant.
    Dies kommt, so glaube ich, nirgends schöner zum Ausdruck als im Zar und Zimmermann, wo er einen Bürgermeister Bett gibt, wie ich ihn nie wieder angetroffen habe. Hier singt Hermann Prey den Zaren, und Heinz Wallberg dirigiert das Mümnchner Rundfunkorchester.
    Diese Aufnahme habe ich Gottseidank im CD-Regal, aber möglicherweise gibt es davon auch eine DVD, denn die Oper wurde damls in der Besetzung auch im Fernsehen gezeigt. Bis jetzt habe ich sie allerdings noch nicht gefunden.


    Liebe Grüße


    Willi

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Hallo Willi,


    was den van Bett in "Zar und Zimmermann" betrifft, kann ich Dich an den entsprechenden Lortzing-Thread hier im Forum verweisen, hier:


    O Sancta Justicia - Gustav Albert Lortzing: Zar und Zimmermann



    Die DVD gibt es, das ist das Bild zu dieser Doppel-CD:


    Ich habe Ridderbusch mehrfach auf der Bühne in der Rolle des Bürgermeisters gesehen, sie gehörte zu seinem Standard-Repertoire, wenn er nicht gerade Wagner singen mußte.


    LG


    :hello:

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

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  • Ich bin entsetzt, wie hier über den Sänger Karl Ridderbusch hergehalten wird. Sein Privatleben hat mich nie interessiert, ich sah in ihm einen echten "Ruhrkumpel". Aber als Sänger konnte ich mir in den siebziger Jahren und Anfang der Achtziger kaum einen besser und schöner singenden deutschen Baß vorstellen. Ich habe viele Aufnahmen von ihm. Daß das Stimmvolumen im Laufe der Zeit rapide abnahm, mag vielleicht an seinem Lebenswandel gelegen haben. Doch seine Stimme war in seiner besten Zeit auch abgrundtief. Den Zacharias aus Nabucco mit der Arie "Welche Klage muß ich hier vernehmen" interpretiert er einfach ideal. Und die Partie des Charon aus der Oper Orpheus von Monteverdi" Der du hier herniedersteigst du Ungebetener", die sich alleine in des Basses Grundtiefen abspielt, singt ihm so schnell keiner nach. Den Schluß der Arie beendet er mit dem tiefen C, was er mindestens 1/2 Minute hält. Jedesmal, wenn ich diese Partie höre, jagt es mir einen Schauer über den Rücken und ich fühle mich auch schon mitten im Hades. Das nur zur Ehrenrettung eines meiner Lieblingsbassisten.


    Gruß Wolfgang

    W.S.

  • Ich habe mir grad gestern eine meiner alten LP`s hervorgeholt, den Mittschnitt unserer Aufführung vom November 1970 des Verdi-Requiems in der Bielefelder Oetkerhalle in der Karl Ridderbusch die Basspartie gesungen hat. Ich habe wieder festgestellt,dass er eine der schönsten Bassstimmen in den 60ern und 70ern Jahre hatte.
    Auf der Bühne habe ich ihn leider nur zweimal erlebt, als Ochs und als König Heinrich Ostern in Salzburg unter Karajan. Das war die Aufführung, in der HvK sowohl mit Kollo, als auch mit Ridderbusch Differenzen hatte.
    Leider war er m.E. ein etwas naiver, einfacher Mann, der sich körperlich nicht schonte, seine Kraft als Sänger nicht gut einteilen konnte und daher schon sehr früh (vor allen für einen Bass !) viel von seiner Stimmschönheit und Kraft verloren hat.
    Trotzdem kann man in sehr vielen Aufnahmen eine Ahnung von dem stimmlichen Rang, den er einnahm erfahren.

  • Hallo,


    ich habe hier die Diskussion über Karl Ridderbusch genau gelesen. Obwohl ich, gerade im Wagnerfach, Fan von Schwarzbässen wie Gottlob Frick bin, muß ich Ridderbusch hier verteidigen. Bei Licht betrachtet, erlebten wir mit ihm die schönste, klangvollste, schallkräftigste und technisch versierteste deutsche Baßstimme der Nachkriegszeit. Durch Ridderbusch ist der Wagnerianer in der glücklichen Lage, die Partien des Daland, König Heinrich, König Marke, Veit Pogner, Hunding und Hagen nach Geschmack auswählen zu können und nicht nach Qualitätsausschluß, das heißt: Man ist hier in der Lage, zwischen Frick und Ridderbusch wählen zu können, je nachdem, welchen Stimmtypus von bevorzugt. Ich persönlich bin der Meinung, daß es Anfang der 70iger Jahre die falsche Entscheidung von Ridderbusch war, Hans Sachs zu singen ! (Ein Fehler, den Rene Pape hoffentlich noch sehr lange vermeiden wird !) Eines steht aber auch fest: Der Sachs von Ridderbusch ist, neben dem von Otto Edelmann, der beste der Nachkriegszeit ! Hierzu muß noch gesagt werden, daß ich Paul Schöffler hier ausdrücklich ausnehme, weil der für mich schon nicht mehr in die Nachkriegszeit gehört. Als Historiker möchte ich aber auch nicht als der große politische Entschuldiger erscheinen. Klipp und klar: Wenn Ridderbusch dem genannten Hobby frönte, ist es nur zu verständlich und zu billigen, wenn ihn der, von mir hoch verehrte, Sir Georg Solti, aus der Gesamtaufnahme warf ! Allerdings wissen wir alle die Sachverhalte nicht genau. Interessant ist übrigens, daß das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel", konservativer oder rechter Ansichten ganz unverdächtig und in den Fällen unerbittlich, Ridderbusch im Nachruf 1997 nur als "Nationalkonservativen" bezeichnete. Zum Alkoholismus-Vorwurf kann ich nichts sagen, wobei ich allerdings weiß, daß es in diesem Beruf viele "Lampenfieber-Säufer" gibt. So bleibt die Erinnerung an einen hochbegabten Sänger mit wundervollem Material, der sich schlicht überforderte und offensichtlich außerstande war, seinen Beruf in allen Facetten zu erfassen !


    Trotzdem: Karl Ridderbusch R.I.P.


    Antalwin

  • Er wäre heute 80 geworden



    Karl Ridderbusch (* 29. Mai 1932 in Recklinghausen; † 21. Juni 1997 in Wels, Österreich), deutscher Sänger (Bass).


    Er wirkte an allen berühmten Opernhäusern Europas und war Kammersänger an der Wiener Staatsoper.


    LG

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Die späten Jahre kenne ich nur vom Lohengrin unter HvK. Hier ist bekannt, dass die Aufnahme wegen eines Zerwürfnisses mit Kollo unterbrochen wurde und erst viel später fertig gestellt werden konnte. Man hört's.


    Ob 1976 zu den "späten Jahren" gehören? Aber der Rest stimmt sicher nicht. Hier gab es den Fall, dass eine Einspielung nicht ausreichend gelungen war, so dass eine Nachaufnahme angesetzt wurde. Und da fing es zu klemmen an. Zuerst kam Karajans Krankheit in die Quere und dann musste Kollo zweimal verschieben - DAS führte erst zu den Spannungen mit Karajan!


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


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