Bach Violoncello solo

  • Hallo,




    Ich stelle mir den Umgang mit dieser "schulterbratsche" auch recht schwierig vor, aber es würde ohne Zweifel (abgesehn vom Instrument selbst, was ich für sehr interessant halte) das Instrument der 6. Suite erklären...
    Vom praktischen gesehn, müsste jeder Cellist dieses Instrument neu "erlernen", die Haltung ist total anders, sowohl des Bogens, des Instruments als auch der Finger, egal, ob es sich nun um ein Violoncello piccolo, oder die Viola pomposa handelt. Beides ist für den Cellisten jedenfalls eine Umstellung, da es ähnlich wie die Bratsche gehalten wird.
    Dass das Instrument, welches auf der schulter des Bogenarmes liegt, diesen beim Streichen nicht behindert, kann ich mir nur schwer vorstellen, also ist das wahrscheinlich auch der Grund, warum sich das Instrument nicht lange hat halten können; es war sehr unangenehm zu spielen (so stelle ich es mir vor). Auf dem Video klingt das Instrument jedenfalls hervorragend!
    Ob es sich dabei um eine Viola da braccio, ein Violoncello pomposa, oder ein Violoncello piccolo da spalla handelt, kann ich leider überhaupt nicht sagen, fest steht nur, dass die VI. Suite bestimmt nicht ausschließlich für das Cello geschrieben wurde (wegen der 5. Saite), sondern auch anders Instrumentiert werden konnte. Bei den anderen Suiten, so glaube ich, kann man das nicht wirklich sagen. Natürlich ist ein Argument für diese "Schulterbratsche", dass man weitere Griffe auf ihr spielen konnte, die in einigen Sätzen auf dem Cello ohne Daumenaufsatz (der erst mit Duport und Boccherini entwickelt wurde) unmöglich zu spielen wären... (siehe zB Praeludium 3. Suite).
    Ein weiteres Argument ist, dass anscheinend Bach selbst diese "Schulterbratsche" gespielt haben soll, wie aus dem Vorwort der neuen Bärenreiter-Urtext Edition hervorgeht. Ich werde das kurz zitieren:



    Übrigens an alle anderen "Praktiker" :D : Diese Bärenreiter Ausgabe ist für jeden Cellisten, der sich mit den Suiten ernsthaft auseinandersetzt wirklich sehr empfehlenswert... :yes:
    nun gut, wünsche noch einen fröhlichen vor-Weihnachtsabend
    Freundlichen Gruß aus Wien
    Renua

    Der Vorteil der Klugheit besteht darin, dass man sich dumm stellen kann...
    Das Gegenteil ist schon schwieriger. (K. Tucholsky)

  • Hallo Renua,


    vielen Dank für deine Ausführungen. Ich bin kein Musiker, aber ich stelle es mir auch sehr schwierig vor, auf einem so großen und unhandlichen Instrument spielen zu müssen. Auf dem Video von Badiarov auf Youtube kann man übrigens sehen, dass er einen Haltegurt verwendet. Vielleicht macht es das etwas leichter.


    Was die Aufführungspraxis angeht können wir wohl festhalten, dass völlig unklar ist, welches Instrument Bach für die 6. Suite vorgesehen hatte. Es kann sowohl ein Violoncello piccolo sein, wie auch das in Armhaltung gespielte "da braccio".


    Gestern hatte ich Gelegenheit die Aufnahme von Ryo Terakado anzuhören.


    51lt6isIDpL._SY300_SX300_QL70_ML2_.jpg


    Terakado (Jhg 1961) ist Violinist und spielt schon seit langem auf Barockinstrumenten. Er hat bei Sigiswald Kujiken studiert und anhägt der historischen Spielweise an.


    Auf der Aufnahme verwendet er ein "Violoncello da spalla" bezeichnetes Instrument. Es ist - wie das Instrument von Kujiken - ebenfalls von Dmitry Badiarov gefertigt. Dieser bezeichnet das Instrument als "Viola da braccio".


    Als erstes viel mir auf, dass Terakado viele "Verzierungen" spielt, die ich so noch nicht kannte. Das macht die Aufnahme ziemlich spannend und abwechslungsreich, zugleich aber auch etwas gewöhnungsbedürftig. Die Tempi sind imo eher unauffällig, weder besonders langsam, noch betont schnell.


    Der Klang des Instruments - die Aufnahmequalität (mangels SACDP kann ich nur die CD-Spur hören) ist sehr gut - hat mir persönlich jetzt aber nicht gefallen. Ich finde, es klingt eher dünn, der Ton hat für mich etwas "nervöses". Vielleicht war ich auch einfach nicht in der richtigen Stimmung, aber micht hat die Aufnahme selber eher unruhig und nervös gemacht. Zum Ausgleich musste ich dann in die Aufnahme von Janos Starker aus den Neunzigern hereinhören und dann war ich wieder etwas beruhigt.


    Tipp ? Ja, für Zuhörer mit offenen Ohren, die mal etwas abseits des Mainstream hören wollen.


    Nun bin ich mal auf die Einspielung von Kujiken mit einem ähnlichen Instrument gespannt (die erscheint wohl erst diesen Monat).


    VG, Bernd

  • Heute gehört:


    Andreas von Wangenheim "Six Suites for Violoncello solo - Transcription for guitar"



    Von Wangenheim traut sich was: er hat nicht nur die Suiten für die Gitarre übertragen und eingespielt, sondern dabei auch bewußt die Reihenfolge verändert und zwar, wie er sagt, aus künstlerischen Motiven. Welche das waren, bleibt leider im Dunkel. Die ursprüngliche Reihenfolge orientiert sich an zunehmender musikalischer Komplexität und steigender technischer Schwierigkeiten. An ersterem dürfte sich durch die Übertragung nichts geändert haben. Ob und in welchem Umfange die Suiten für eine Gitarristen nach der Transkription technisch schwieriger sind, kann ich leider nicht beurteilen.


    Nach meiner Meinung ist das Experiment durchaus gelungen. Der Klang der Gitarre passt sehr schön zu dem "tänzerischen" Charakter der Suiten. Mit Verzierungen hält sich von Wangenheim eher zurück, und wenn, dann passen sie zu dem barocken Charakter der Stücke. Dafür kommt der mehrstimmige Charakter der Suiten auf Grund der im Gegensatz zu einem Streichinstrument veränderten Spielweise besser zur Geltung. Wer nicht weiss, dass die Stücke ursprünglich für ein Streichinstrument geschrieben sind und wer nur diese Einspielung kennt, wird sicherlich meinen, dass die Suiten zum klassischen Gitarrenrepertoire gehören.


    Ich könnte mir vorstellen, dass man über diese Aufnahme leichter einen Zugang zu den Suiten insgesamt findet, als durch eine Einspielung auf dem Cello. Andererseits kann die Gitarre das Cello gerade in der eher ruhigen, melancholischen 2. oder 5. Suite kaum ersetzen. Hier fehlt der volle sonore Klang, der auch mehr Ausdruck erlaubt.


    VG, Bernd

  • Sigiswald Kuijken hat jetzt auch eine Aufnahme der Suiten auf dem Violoncello da spalla vorgelegt:



    Eine werde ich mir zulegen, Terakado oder Kuijken ...

  • Tach,


    heute habe ich mal die beiden Aufnahmen der Suiten von Terakado und Kuijken verglichen.



    und


    51lt6isIDpL._SY300_SX300_QL70_ML2_.jpg


    Beide verwenden neu gebaute Instrumente nach alten Vorlagen, nämlich sogen. Violoncelli da spalla, d.h. Celli, die nicht zwischen den Knien gehalten werden, sondern an der Schulter. Sieht gewöhnungsbedürftig aus. Das Instrument, das deutlich kleiner ist, als ein richtiges Cello, wird dabei mit einem Riemen gehalten.


    Terakado hat bei Kuijken gelernt, was man imo auch hören kann. Die Spielweisen scheinen mir doch sehr ähnlich zu sein. Beide spielen recht unpretentiös aber virtuos, ohne große hörbare Mängel (wenn ich das beurteilen kann) und ohne Vibrato, eben nach der historischen Spielweise. Stilistisch tun sie sich nicht allzuviel. Vielleicht spielt Kuijken manchmal etwas flotter obwohl er mit 2:15 h etwas länger braucht, als Terakado (2:10). Das dürfte aber den etwas längeren Pausen zwischen den Sätzen geschuldet sein.


    Was erstaunt ist, dass der Klang der Instrumente so unterschiedlich ist, obwohl sie beide von demselben Instrumentenbauer Dmitry Badiarev stemmen. Während Terakados Cello dunkler, fas ein wenig "mulmig" klingt und damit einem richtigen Cello näher kommt, ist das Cello Kuijkens wesentlich heller, "strahlender". Beiden Intrumenten fehlt natürlich das Voluminöse des richtigen Violoncello. Sie klingen für mich etwas dünn.


    Beide Aufnahmen zeichnen sich durch einen deutlich hörbaren Hall aus, in dem die Aufnahmen jedoch nicht verlorengehen. Griffgeräusche sind kaum, Atemgeräusche - bei manchen Einspielungen der Suiten fast etwas störend zu hören (könnte das an der Position des Mikrophons liegen ?) - gar nicht zu hören.


    Das deutsche Booklet der Kuijken - Aufnahme ist sehr informativ und geht auf die Geschichte der unterschiedlichen Bauarten und Spielweisen der Celli ein. Über das Booklet der Terakado-Aufnahme kann ich nichts sagen; ich kann kein Japanisch.


    Welche ist besser ? Wieso oft ist das wohl Geschmacksache. Ich persönlich tendiere derzeit aber mehr zu der CD von Kuijken, weil sie mit ihrem doch so anderen Klang neue Aspekte der Suiten eröffnen kann.


    VG, Bernd

  • vielleicht eine kleine Hilfestellung:
    Die Frage ist auch "Accent oder Denon"


    Ich kenne beide Aufnahmen nicht, habe aber eine ärgerliche Accent-Aufnahme mit Kuijken, und zwar die Violinsonaten von Mozart.
    Das Aufnahmeteam Andreas und Adelheid Glatt (bis vor kurzem auch die Label-Chefs) erleichtert sich seine Arbeit gerne dadurch, daß die Wiederholungen zum großen Teil kopiert sind. Und das nervt bzw. langweilt beim zuhören. Jedenfalls mich, und zwar kolossal.


    Ich kann natürlich nichts zu den Bach-Aufnahmen sagen. War hier wieder das Ehepaar Glatt aktiv? Wenn ja, wäre ich mißtrauisch.


    Khampan

  • Hallo Bernd, liebe Taminoianer,


    vielen Dank für Deine interressante Ausführung zu den Einspielungen mit dem VC da spalla. Solche Rezensionen finde ich sehr gut, zeigen sie doch die individuelle Sicht eines einzelnen. Das, meine ich, ist sehr wichtig um sich ein Bild über eine Sache machen zu können. Ich finde den Klang des Instrumentes recht interessant, neige jedoch persönlich (auch aus eigener langjähriger Cello-Erfahrung) zu den Traditionalisten (ich hoffe mir jetzt keinen Rüffel zu holen). Aber wie du schon schreibst ist das ja die Frage des Geschmackes der ja bekanntlich unterschiedlich ist. Die Interpretation der Suiten hängt (wie so ziemlich jedes andere Solowerk auch) sowieso stark mit der Persönlichkeit des Ausführenden zusammen. Das kennen wir doch alle, einer ist begeistert von einer Einspielung weil gerade "X" sie eingespielt hat, ein anderer eher verhalten.
    Ich werde mir die Kuijken-Einspielung zulegen, sozusagen um einen Interpretationsvergleich zu haben. Persönlich glaube ich aber nicht das sich so ein "Sonderindstrument" durchsetzen wird, da auf dem Gebiet des Instrumentenbaus schon immer viel experimentiert wurde (und wird). Darüber ist ja auch schon oben einiges geschrieben worden.


    Für heute beste Grüße aus Norge


    Stefan.M

    Stefan

  • Zitat

    Original von Khampan
    vielleicht eine kleine Hilfestellung:
    Die Frage ist auch "Accent oder Denon"
    ...Ich kann natürlich nichts zu den Bach-Aufnahmen sagen. War hier wieder das Ehepaar Glatt aktiv? Wenn ja, wäre ich mißtrauisch.


    Nein, Aufnahme und Mischung bei accent stammen von Bert Van der Wolf.


    Die Aufnahmequaliät ist bei beiden Aufnahmen imo recht gut. Ich meine, dass ist bei Solo-Instrumenten immer schwer zu bewerten. Die Denon-Aufnahme klingt für mich - trotz SACD (obwohl ich mit der Spur mangels Player nix anfangen kann) - etwas "stumpfer". Aber das mag wirklich an der Klangfarbe des Instrumentes liegen.


    VG, Bernd

  • Hallo Stefan,


    ich glaube auch nicht, dass das Violoncello da Spalla eine neue Blüte erleben wird. Einmal abgesehen von der anderen Spielweise fehlt ihm insgesamt etwas der körperhafte Ton des Violoncello. Ich kann mir kaum vorstellen, wie ein solches Instrument sich in ein Orchester einfügen kann oder als Soloinstrument in einem größeren Raum wirkt. Es wird schon seinen Grund haben, warum es lange Zeit ausgestorben war.



    VG, Bernd

  • Zitat

    Original von zatopek


    Nein, Aufnahme und Mischung bei accent stammen von Bert Van der Wolf.


    autsch!
    Bert van der Wolf schert sich erst gar nicht um die Musik, zumindest drängt sich mir dieser Verdacht nach meiner Untersuchung der 9. Sinfonie von Schubert mit Jos van Immerseel auf. Da ist kaum ein Takt einer Wiederholung wirklich gespielt.


    Khampan

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  • Zitat

    Original von Michael Schlechtriem
    verschiedentlich habe ich schon hier im Forum darauf hingewiesen, und es ist mir ein großes Anliegen, euch zu empfehlen, doch einmal die Aufnahmen mit Boris Pergamenschikow anzuhören.
    O.K., ich kann in diesem Falle nicht neutral sein, da er einer meiner Lehrer und ein für mein Leben sehr wichtiger Mensch war.
    Aber seine Aufnahme haut mich regelrecht um.
    Er hat sich warscheinlich jeden Tag seines viel zu kurzen Lebens mit diesen Werken beschäftigt und hat zum Schluß eine solch lebendige Interpretation aufgenommen, die einen regelrecht schmunzeln läßt bei der Fülle an passenden und nie vorher gehörten Verzierungen sowie einer tiefen Auslotung der interpretatorischen Möglichkeiten, daß ich nur sagen kann: :jubel: :jubel: :jubel:



    Die Aufnahme ist mit Sicherheit eine der spannendsten und abwechslungsreichsten. Wie Michael schon sagte, spielt Pergamenschikow die Suiten ohne falsche Ehrfurcht vor dem Werk oder dem Komponisten mit seinen eigenen Ausschmückungen und Verzierungen, die aber nie übertrieben oder aufgesetzt wirken. Pursiten mögen sagen, das entspreche nun nicht mehr wirklich dem, was Bach geschrieben hat. Aber seine Angaben zu Spielart und Tempo sind eher spärlich und lassen imo viel Raum für die eigene Kreativität. Pergamenschikow nutzt diese Freiheit für seine ganz eigene Spielweise und es macht wirklich Laune, dem zu zuhören.


    Pergamenschikow betont in seinen Anmerkungen zu der Aufnahme die Wichtigkeit der Preludes und das hört man an seinem eigenen Spiel. So forsch und lebendig habe ich das noch nicht gehört ! Selbst die eher langsamen Suiten, wie etwa die zweite, die ja etwas melancholisches hat, spielt er lebhaft und ohne falsches Pathos.


    Sehr gefallen haben mir auch seine "Gedanken zu Bachs Suiten für Violoncello solo" aus dem Booklet und ich möchte seinen letzten Absatz zitieren, weil ich finde, der trifft den Charakter - so wie ich die Suiten heute jedenfalls verstehe - in seltener Klarheit:


    Zitat


    Ich glaube nicht, dass die Cellosuiten in erster Linie einen instruktiven Charakter hatten, so, wie etwa viele Klavierwerke. Es ist vielmehr eine Art "Glasperlenspiel", Musik, die einem die Seele wäscht, besonders, wenn man sie für sich selbst spielt; am besten ohne Zuhörer.


    Ich denke, besser kann man es nicht ausdrücken.


    VG, Bernd

  • Ich habe Kuijkens Aufnahme inzwischen bekommen und kann das Gerede, ob sich dieses Instrument "durchsetzen" wird, nicht nachvollziehen, denn darum geht es überhaupt nicht, wie Kuijken in einem Insterview auch gesagt hat. Es geht hier nicht um ein "entweder - oder", sondern ein "sowohl - als - auch" - es ist eben so, daß Bach offensichtlich an das Violoncello da spalla gedacht hat für die Obligati und Soli in seiner Kirchenmusik, den Solo-Suiten, und wohl auch in seiner Orchestermusik, denn den Tiefbass macht der Violone. Völlig logisch.
    Spätere Solo-Konzerte sind für das Knie-Cello geschrieben, und die brauchen es auch. Kuijken schreibt ja sehr differenziert im Booklet seiner CD, wann und wo das Schultercello gebräuchlich war.
    Ach die alten Hörgewohnheiten - der Körper ist da, nur leichter, und gibt den Stücken die tänzerische Leichtigkeit zurück, da einige Passagen so eben leichter auszuführen sind.
    In Kuijkens Aufnahmen der Bach-Kantaten mit obligatem Cello finde ich das Instrument ebenfalls sehr angemessen.

  • Guten Morgen Michael,


    weisst du, ob Terakado auch in dem Orchester "La petite Bande" mitspielt ? Ich meine ihn auf einem Foto hier http://www.savelapetitebande.com/ zu erkennen (zweite Reihe links), mit seinem Violoncello da spalla in der Hand. Ich habe allerdings den Eindruck, dass die beiden Instrumente, das von Kuijken und das von Terakado nicht gleich groß sind, oder täusche ich mich da ? Das könnte u.a. die doch auffälligen Klangunterschiede der beiden Aufnahmen erklären.


    Übrigens ist der Besuch der Seite http://www.savelapetitebande.com/ eine gute Gelegenheit, seine Solidarität mit dem Ensemble zu bekunden.


    VG, Bernd

  • Hallo.


    Ich mag die Cellosuiten wirklich gern, höre sie aber viel zu selten, da ich kaum die Ruhe für sie finde, die sie verdienten. Besitze bisher nur Casals (Naxos), Fournier und - seit kurzem - Tortelier. -


    Die ersten zwei Suiten habe ich mit du Pré kennengelernt und diese Interpretation ist mir schon immer sehr nah gegangen - nicht weil Jacqueline schwer krank war und jung starb, sondern weil schon das erste Prelude bei ihr etwas in mir auslöst, das ich schwer in Worten ausdrücken kann, ohne in sentimentales Geschwafel zu verfallen; für mich war das immer höchst "nachdenkende" Musik und bei du Pré habe ich das Gefühl eines intensiven Versunkenseins in dieses Nachdenken; ich behaupte sie hat sich mit dieser Musik identifiziert. Daß das manche nicht so wahrnehmen können, verstehe ich - für mich gehört es zum Beeindruckendsten in der Geschichte der Plattenaufnahmen.


    Als ich mir vor kurzem die Rostropovich-Aufnahme hörte, war ich enttäuscht - das kam mir sehr kalt und leer vor, also bestellte ich mir die Tortelier-Suiten und diese Interpretation ist doch sehr anders, als die von mir bisher gehörten, allerdings spricht sie mich an und ich finde sie zwar in Manchem eigenwillig, aber sehr interessant. Schade, daß sie hier nicht so gut anzukommen scheint.


    Fournier müßte ich wieder einmal hören, bisher fehlte mir da etwas und Fournier scheint mir etwas distanziert an die Sache gegangen zu sein.


    Zu Casals schweige ich aus Voreingenommenheit.


    Gruß aus dem zugeregneten Wien.


    Bernhard

  • Zitat

    Original von zatopek
    Guten Morgen Michael,


    weisst du, ob Terakado auch in dem Orchester "La petite Bande" mitspielt ? Ich meine ihn auf einem Foto hier http://www.savelapetitebande.com/ zu erkennen (zweite Reihe links), mit seinem Violoncello da spalla in der Hand. Ich habe allerdings den Eindruck, dass die beiden Instrumente, das von Kuijken und das von Terakado nicht gleich groß sind, oder täusche ich mich da ? Das könnte u.a. die doch auffälligen Klangunterschiede der beiden Aufnahmen erklären.


    Terakdo war/ist Mitglied von La Petite Bande und hat dort Violine wie Violoncello da spalla gespielt - da das Instrument eine Rekonstruktion ist hat der Erbauer experimentiert, es sind offenbar verschiedene Größen im Gebrauch gewesen. Mehr hier.

  • Zitat

    Original von miguel54
    Terakdo war/ist Mitglied von La Petite Bande und hat dort Violine wie Violoncello da spalla gespielt - da das Instrument eine Rekonstruktion ist hat der Erbauer experimentiert, es sind offenbar verschiedene Größen im Gebrauch gewesen.


    Terakado war/ist seit langer Zeit Konzertmeister von La Petite Bande.
    Das Instrument scheint tatsächlich seine da spalla zu sein, wie man auf den Bildern auf der Columbia (Denon) Homepage sehen kann. Leider alles nur japanisch, aber wegen der Bilder trotzdem interessant: "http://columbia.jp/artist-info/terakado/special.html"


    Gruß,
    Khampan

  • Hallo Michael,


    Zitat

    Original von miguel54
    Ich habe Kuijkens Aufnahme inzwischen bekommen und kann das Gerede, ob sich dieses Instrument "durchsetzen" wird, nicht nachvollziehen, denn darum geht es überhaupt nicht, wie Kuijken in einem Insterview auch gesagt hat. Es geht hier nicht um ein "entweder - oder", sondern ein "sowohl - als - auch" - es ist eben so, daß Bach offensichtlich an das Violoncello da spalla gedacht hat für die Obligati und Soli in seiner Kirchenmusik, den Solo-Suiten, und wohl auch in seiner Orchestermusik, denn den Tiefbass macht der Violone. Völlig logisch....


    Wenn Kuijken mit seinen Vermutungen Recht hat, dann dürfte das auf die historische Aufführungspraxis eigentlich nicht ohne Folgen bleiben. Denn dann müßten eigentlich viel mehr Stücke statt mit dem "klassischen" Violoncello mit dem historischen Violoncello da spalla gespielt werden. Also so ganz überflüssig sind die Gedanken zu einer möglichen Renaissance dieses Instrumentes wahrscheinlich nicht.


    VG, Bernd

  • Hallo Bernhard,


    Zitat

    Original von Maldoror
    ...
    Als ich mir vor kurzem die Rostropovich-Aufnahme hörte, war ich enttäuscht - das kam mir sehr kalt und leer vor, also bestellte ich mir die Tortelier-Suiten und diese Interpretation ist doch sehr anders, als die von mir bisher gehörten, allerdings spricht sie mich an und ich finde sie zwar in Manchem eigenwillig, aber sehr interessant. Schade, daß sie hier nicht so gut anzukommen scheint.


    Welche Tortelier Aufnahme hast du denn ? Er hat sie meines Wissens wenigstens zweimal aufgenommen, einmal 1960 und einmal 1982. Die frühere Aufnahme ist in der Serie EMI Red Line erschienen, die spätere als EMI Classics. Ich müßte sie mal in unmittelbarem Vergleich hören.


    Slava ist natürlich schon eine Ausnahmeerscheinung. Man darf bei seiner Aufnahme aus dem Jahre 1991 nicht vergessen, dass er immerhin schon 64 Jahre alt war. Ich vermute, da gehen einem die Griffe auch nicht mehr so leicht von der Hand. (nun gut, Tortelier war bei seiner zweiten Einspielung 67 Jahre und Janos Starker bei seiner vierten sogar 68 ). Aber die 5. Suite finde ich zum Beispiel ausgesprochen schön. Er trifft diesen todtraurigen, getragenen Ton der Suite gut. Nett fand ich auch seine Erzählung in dem Booklet, wie er einmal in jungen Jahren Casals getroffen hat und dieser ihm aus dem Stehgreif die Allemande der 1.Suite vorgespielt hat und er davon vollkommen beeindruckt war und gar nicht mehr ruhig sitzen konnte. Das Booklet der Aufnahme ist übrigens allein schon sehenswert. Die Einspielung gibt es übrigens auch auf DVD.



    VG, Bernd

  • Hallo Bernd,


    ich habe die Tortelier-Aufnahme von 1982, erschienen bei EMI in der Reihe Great Recordings of the Century, Tortelier müßte also 68 gewesen sein. Wenn es von ihm eine zweite Aufnahme gibt, werde ich mir die sicher auch noch besorgen.
    -
    Den Rostropovich habe ich nur die ersten zwei Suiten lang über mich ergehen lassen - vielleicht sollte ich es noch einmal versuchen? - Würden meine CD-Player nicht langsam den Geist aufgeben, hätte ich gestern und heute noch gerne Fournier und Tortelier angehört, aber . . . .


    Liebe Grüße


    Bernhard

  • Hallo Bernhard,


    gib Rostropovitch noch mal eine Chance. Es kommt häufig auch darauf an - jedenfalls ist das bei mir so - in welcher Stimmung ich selber bin. Manchmal gefällt mir eine Aufnahme überhaupt nicht und an einem anderen Tag entdecke ich darin etwas, was ich vorher nicht gehört habe.


    Tortelier Aufnahme:




    Wer auch noch gut ist ist Maurice Gendron.



    Gehörte - wie Tortelier, Fournier und André Navarra - zu den "Vier Musketieren", die in den fünfiziger und sechziger Jahren die Cello-Szene prägten. Gendron spielt die Suiten ohne jeden Schnörkel, schlank und sehr beschwingt.


    Viele Grüße,


    Bernd

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Hallo Bernd,


    habe gerade folgende Doppel-CD bei a...... bestellt:


    61X7DD7DCML._SS400_.gif.


    Nachdem ich den ersten Schnipsel gehört hatte, wurde mir klar, daß Tortelier der Lehrer von du Pré war.


    Von Gendron lese ich zum ersten Mal - jetzt warte ich ´mal auf die zweite Tortelier-Aufnahme, dann werde ich weitersehen - es wartet ja noch soviel auf mich . . . Chausson, Poulenc, Varèse und mit mir sollte ich mich auch noch beschäftigen . . . - Bei letzterem werden mir wenigstens die Bach-Suiten ganz sicher beistehen können . . . .


    Danke, lieber Bernd.


    Grüße aus Wien


    Bernhard

  • Hallo Maldoror

    Zitat

    Nachdem ich den ersten Schnipsel gehört hatte, wurde mir klar, daß Tortelier der Lehrer von du Pré war


    Auch wenn, es vielleicht stimmen mag, dass JdP einen ähnlich romantischen Zugang zu Bach hat wie Tortelier- zu dem Zeitpunkt, als sie Bach aufgenommen hat (wir reden vom BBC-Recital nehme ich an, dass sie mit 16 live aufgenommen hat, eine andere Einspielung ist mir nicht bekannt)- hatte sie bei William Pleeth Unterricht. Tortelier kam erst viel später.


    Gruss


    :hello:Syrinx

  • Hallo Syrinx,


    danke für Deine Aufklärung - ich sollte wohl recherchieren, bevor ich mich hier gehen lasse und Blödsinn verzapfe . . . .


    -


    Wahnsinn - habe ein gespaltenes Verhältnis zu Jahreszahlen, zu Zahlen sowieso, und bin erst durch Dein Mail auf die Idee gekommen die Lebensdaten von du Pré mit den Aufnahmezeiten zu vergleichen und ich bin schockiert - mit diesem Alter diese Tiefe; umso erstaunlicher ist du Pré´s Bach für mich jetzt.
    -
    Höre gerade die fünfte Suite mit Tortelier und bin fasziniert von dieser Trauer, die perfekt zum Wetter in Wien zu passen scheint - zu meiner Stimmung sowieso.


    Liebe Grüße aus dem düst´ren Wien.


    Bernhard

  • Zitat

    Original von Maldoror
    Hallo Bernd,


    habe gerade folgende Doppel-CD bei a...... bestellt:


    61X7DD7DCML._SS400_.gif.
    ...


    Da hst du jetzt aber gefühlsmäßig die Aufnahme, die du schon hast, noch einmal bestellt!


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Zitat

    Original von Theophilus


    Da hst du jetzt aber gefühlsmäßig die Aufnahme, die du schon hast, noch einmal bestellt!


    :hello:


    Nein, das glaube ich nicht. Die Aufnahme die Maldoror vorher hatte, war die von 1983 und da sind die Stücke auf die CD´s anders verteilt. CD 1 enthält die Suiten Nos. 1, 4, 5, CD 2 die Nos 2, 3 und 6. Demgegenüber sind die früheren Aufnahmen auf die CD´s in der - richtigen - Reihenfolge verteilt, also CD 1 Nos 1 - 3 und Cd 2 4 - 6. Aus den Bezeichnungen der Sätze auf der von Maldoror jetzt erworbenen Doppel-CD ergibt sich aber, dass es sich um die alte Aufnahme handelt. Denn dort ist - auch wenn die Suiten Nummern fehlen, aus der Bezeichnung z.B. des 5.Satzes der CD 1 als "Bourree" zu schließen, dass es sich um entweder die Suite No. 3 oder die No. 4 handeln muss. Wäre es die neuere Aufnahme, würde es sich um die 5.Suite handeln und deren 5.Satz ist eine Gavotte :yes: .



    VG, Bernd

  • Zitat

    Original von zatopek
    ...
    Nein, das glaube ich nicht. Die Aufnahme die Maldoror vorher hatte, war die von 1983 und da sind die Stücke auf die CD´s anders verteilt. CD 1 enthält die Suiten Nos. 1, 4, 5, CD 2 die Nos 2, 3 und 6. Demgegenüber sind die früheren Aufnahmen auf die CD´s in der - richtigen - Reihenfolge verteilt, also CD 1 Nos 1 - 3 und Cd 2 4 - 6. Aus den Bezeichnungen der Sätze auf der von Maldoror jetzt erworbenen Doppel-CD ergibt sich aber, dass es sich um die alte Aufnahme handelt. Denn dort ist - auch wenn die Suiten Nummern fehlen, aus der Bezeichnung z.B. des 5.Satzes der CD 1 als "Bourree" zu schließen, dass es sich um entweder die Suite No. 3 oder die No. 4 handeln muss. Wäre es die neuere Aufnahme, würde es sich um die 5.Suite handeln und deren 5.Satz ist eine Gavotte :yes: .


    Darauf würde ich nicht viel wetten. Die alte Aufnahme wurde für LPs gemacht, und wie die dann auf CD verteilt werden, ist Ermessenssache und nicht in Stein gemeißelt (wenn es von den Zeiten ausgeht). Für meine These spricht, dass das Bild auf jeden Fall einen Musiker in den 60ern und nicht in den 40ern zeigt (wenn man von einem mitdenkenden Editor ausgeht) und dass die alte Aufnahme eigentlich kein Fall für die Reihe EMI Classics ist, die ja die Vollpreis-Serie war/ist. Ich hoffe natürlich, dass du Recht hast, aber Zweifel bleiben...


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Tach Theophilus,


    ich weiss, ich weiss, ich bin ein alter Besserwisser, aber ich erlaube mir trotzdem noch einmal zu widersprechen:


    Die Aufnahmen aus dem Jahre 1983 passen anders nicht auf zwei CD´s, weil die 1. bis 3. Suite insgesamt 62.09 Minuten lang sind und die 4. bis 6. 82.53 Minuten; das passt nicht mehr. Es ist deshalb mehr als unwahrscheinlich, dass die von Maldoror gekaufte Ausgabe die mit den neuen Einspielungen ist. Das Cover ist bestimmt von einer anderen Aufnahme geklaut.


    Die Dauer der Suiten ist ja bei allen Einspielungen ein Problem, was zu der Kuriosität führte, dass in der späteren Aufnahme von Yo-Yo Ma die 4. Suite auf beide CD´s verteilt wurde.


    VG, Bernd

  • Liebe Leute,


    mir gelingt es zwar immer wieder ein bißchen blöd zu sein, aber ganz blöd bin ich nicht - also, bevor ich die zweite Tortelier-Aufnahme bestellt habe, habe ich auf amazon in die Schnipsel, die einem da geboten werden, hineingehört und - da ich amazon nicht ganz vertraue - die Zeiten meiner Aufnahme mit denen auf der Albumrückseite der dann bestellten CD verglichen. Das Ergebnis, ganz nüchtern:


    Die in meinem Besitz befindliche Aufnahme (GRC, 1983): Suite 1: 18.01,
    Suite 2: 20.59, Suite 3: 23.09, Suite 4: 26.04, Suite 5: 27.38, Suite 6: 29.09.


    Die bestellte Aufnahme hat folgende Angaben: Suite 1: 15.17, Suite 2: 18.03, Suite 3: 20.45, Suite 4: 21.10, Suite 5 23.48, Suite 6: 28.08.


    -


    Sollte die bestellte Aufnahme trotzdem mit der bereits vorhandenen übereinstimmen, werde ich dies hier kundgeben und mich außerdem ziemlich verhintert fühlen.


    Liebe Grüße aus dem verschneeregneten Wien


    Bernhard

  • Zitat

    Original von zatopek
    ..
    Die Aufnahmen aus dem Jahre 1983 passen anders nicht auf zwei CD´s, weil die 1. bis 3. Suite insgesamt 62.09 Minuten lang sind und die 4. bis 6. 82.53 Minuten; das passt nicht mehr. Es ist deshalb mehr als unwahrscheinlich, dass die von Maldoror gekaufte Ausgabe die mit den neuen Einspielungen ist. Das Cover ist bestimmt von einer anderen Aufnahme geklaut.
    ...


    Mit den letzten beiden Aussagen könntest du Recht haben, aber die 1983-Aufnahme wird sehr wohl als Doppel-CD verkauft!


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Hallo zusammen,


    ich will doch wieder etwas zum Thema zu bedenken geben. Ich meine das es sehr wichtig ist frank und frei zu schreiben was man denkt. Wir diskutieren doch auf der Sachebene und da kann man ruhig auch mal ein "Gerede" über Zukunftsaussichten eines Instrumentes veranstalten. Immerhin gab es ja, wie geschrieben, in der Entwicklung des Instrumentenbaues sehr viele Sonderformen. Das geht bis in unsere Zeit hinein. Doch es ist schlicht eine Ansichts-und Geschmacksfrage ob ich ein konventionelles Cello oder eine Sonderform vorziehe. Genauso wie die solistische Qualität einer Aufnahme rein subjekitv ist, jeder empfindet hier anders. Früher konnte ich z. B. mit Tortellier rein gar nichts anfangen. Heute sehe ich das ganz anders. Geschmack verändert sich eben und das ist gut so. Die Suiten für Cello sind eine besonders hohe Anforderung an den Solisten. Da legt jeder seinen individualismus rein, da wird interpretiert und experimentiert. Gerade das macht auch den Reiz des Interpretationsvergleiches aus. Das funktioniert doch auch bei Orchestermusik ganz gut (den Interpretationsvergleich meine ich).
    Ich habe in München lange Jahre in verschiedenen Orchestern gespielt (Cello) und weiß also aus Erfahrung das fast jeder Cellist sich an den Suiten "vergreift" und probt und experimentiert. Das ist interessant, unabhängig davon übrigens welches Instrument benutzt wird. Ich selber ziehe alte Instrumente aus Klanggründen neueren Instumenten vor. Eine moralische Berechtigung dazu gibt es m. E. aber nicht, weil auch die Komponisten und Musiker der früheren Jahrhunderten sich mit dem begnügen mussten was da war (bestens zu sehen an den Sinfonien von J. Haydn). Gerade in der Bach-Zeit waren die Musiker i. d. Regel ausführende der Wünsche großer Herren und gekrönter Häupter. Wer sich sachlich mit diesem Thema beschäftigt wird da seine Ernüchterung erleben. J. B. Vanhall war einer der ersten Komponisten die Unabängig und um der Kunst willen komponierten. Mozart, Bach und Haydn (um nur ein Beispiel zu geben) waren, so großartig ihr Werk auch oder trotzdem ist, Musiker aus pragmatismus.
    Ich finde die ganze obige Diskussion um die verschiedenen Einspielungen und die dazugehörigen Empfindungen und Bemerkungen jedenfalls höchst interessant und lesenswert. Immerhin erweitert es doch auch die eigene Sicht über dieses Thema.
    Freundliche Grüße aus dem eiskalten und völlig verschneiten Norwegen!


    Stefan.M

    Stefan

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