Vivat Vivaldi! - Vivaldi Plus Ultra!

  • Hallo!


    Zitat

    Original von Observator
    ps @ ulli: die pest hab ich schon, welche cholera empfiehlst du mir?


    Ein paar Choleraturen gefällig?*


    Vivaldi für geläufige Gurgeln - da kann ich zwei Einspielungen empfehlen:



    Cantate mit Max Emanuel Cencic und dem Ensemble ornamente 99:


    O mie porpore più belle RV 685
    Alla caccia dell'alma e de' cori RV 670
    Amor, hai vinto RV 683
    Care selve, amici prati RV 671
    Cessate, omai cessate RV 684


    Diese Kantaten sind sozusagen Miniatur-Opern Vivaldis. Karsten Erik Ose schreibt im Booklet:


    Gerade wegen ihrer inhaltlichen Beschränkung [stereotype Szenen bukolisch-arkadischen Charakters: in nahezu allen Solokantaten Vivaldis und Scarlattis tümmeln sich vor meist unglicklicher Liebe schmachtende Schäfer und wankelmütige Nymphen, mit deren verwundbaren Herzen Amor sein Possenspiel treibt] wird die Kantate allerdings für einige Komponisten zur besonderen Herausforderung, ihre Meisterscheaft unter Beweis zu stellen; denn wo die große dramatische Geste er Oper fehlt und weder Kostüm noch Bühnenbild der musikalischen Aussage unter die Arme greifen können, erhält die Bedeutung der Textvorlage und die Wahl der musikalischen Mittel zentrale Bedeutung.


    Faszinierend ist hier erneut die Stimme von Max Emanuel Cencic!


    Die Kantaten sind drei- oder vierteilig und bestehen im Wechsel aus Rezitativ und je einer Arie [also entweder A-R-A oder R-A-R-A], wobei die erste Arie meist lyrischen, die zweite dramatischen Charakters ist.


    Diese Musik ist wahrhaft sehr viel inniger und privater als die großen Opernarien, welche hier von Simone Kermes und dem Venice Baroque Orchestra geboten werden:



    Siam navi all'onde algenti [L'olimpiade]
    Sin nel placido soggiorno [La fede tradita...]
    Ah, fuggi rapido [Orlando furioso]
    Non m'afflige il tormento di morte [Tito Manlio]
    Quel'occhi luminosi [Semiramide]
    Se in campo armato [Catone in Utica]
    Agitata di due venti [Griselda]
    Dopo sì rei disastri [Tito Manlio]
    Amato ben, tu sei la mia speranza [La verità in cimento]
    Combatta un gentil cor [Tito Manlio]
    La farfalletta audace [ohne Zuordnung]
    Or che cinto ho il crin d'alloro [Giustino]


    Die Werkauswahl steht unter dem Stern "Amor profano" - weltliche Liebe. Das Album präsentiert einige "Weltersteinspielungen", dazu zählt auch die Arie Non m'afflige il tormento di morte, die in der Modo-Antiquo-Einspielung des Tito Manlio tatsächlich nicht enthalten ist, da es sich nicht um dieselbe Oper handelt: Vivaldi beteiligte sich 1720 als Komponist des nur dritten Aktes an einer Neukomposition dieser Oper - dazu gehört diese Arie.


    Ihr Akrobatisches Können kann Simone Kermes in der mir sehr lieben Arie Agitata di due Venti zeigen - diese Arie klingt bei jeder Interpretation aufs neue faszinierend: auffallend anders beim Vergleich zur Gesamteinspielung von Jean-Christophe Spinosi.


    :hello:


    Ulli


    [SIZE=7]* Erspare mir die Antwort - es geschah nur wegen des Wortspiels. Den Track 15 des Cencic-Albums solltest Du Dir dennoch einverohren![/SIZE]

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Zitat

    Original von Alfred_Schmidt
    Längst sind die Tage gezählt wo jemand noch unwidersprochen behaupten konnte, Vivaldi sei überschätzt, er habe lediglich ein Konzert geschrieben - das aber 400 mal (Stravinsky, frei aus dem Gedächtnis zitiert). Die neuesten Interpreten, seien es nun Il giardino armonica oder Fabio Bond mit Europa galante, Giulio Carmignola oder The English Concert, sie alle zeigen, wieviel Individualität, Temperament, aber auch und Einfallsreichtum und Abwechslung und den Konzerten steckt.


    Hallo Alfred,


    Ich habe das Gefühl, dass da verschiedene Dinge vermischt werden.
    Zuerst wüßte ich gerne, was Strawinsky wirklich genau gesagt hat. Wenn er überspitzt formuliert hat, dass Vivaldi eine große Menge sehr ähnlicher Concerti über einen längeren Zeitraum ohne größere stilistische Entwicklung geschrieben hat, scheint mir das zutreffend. Das hat grundsätzlich mit Wertung gar nix zu tun.


    Die neuesten Interpreten zeigen vor allem, wieviel Individualität, Temperament und Abwechslungsbedürfnis sie selbst haben. Dass dadurch die Concerti plötzlich ganz unterschiedlich klingen sagt schon deshalb nichts über die Concerti, da ja ein und dasselbe Concerto plötzlich ganz unterschiedlich klingt, was ja kein Argument dagegen sein kann, dass die verschiedenen Concerti recht ähnlich sind.
    :beatnik:

  • Zitat

    Original von Kurzstueckmeister
    Zuerst wüßte ich gerne, was Strawinsky wirklich genau gesagt hat. Wenn er überspitzt formuliert hat, dass Vivaldi eine große Menge sehr ähnlicher Concerti über einen längeren Zeitraum ohne größere stilistische Entwicklung geschrieben hat, scheint mir das zutreffend. Das hat grundsätzlich mit Wertung gar nix zu tun.


    Lieber KSM,


    da hast Du mich auf eine sehr interessante Spur gebracht. Meine erste Recherche brachte zumindest zwei Fassungen des Zitats, einmal waren es 400, dann 600 Konzerte. In den Strawinsky-Biografie, die ich im Regal stehen habe, fand ich nichts. Da werde ich nun mal in der Musikbibliothek recherchieren, nicht dass ich bezweifele, dass Strawinsky so etwas geäußert hat (er hat viel gesagt!), aber der Kontext und der Zeitpunkt der Äußerung wäre doch zu seiner Wertung nicht uninteressant.


    Liebe Grüße Peter

  • Zitat

    Original von Kurzstueckmeister
    Wenn er überspitzt formuliert hat, dass Vivaldi eine große Menge sehr ähnlicher Concerti über einen längeren Zeitraum ohne größere stilistische Entwicklung geschrieben hat, scheint mir das zutreffend.


    Zumindest die späteren Concerti klingen erheblich anders. Aber die konnte Strawinsky noch nicht kennen, weil sie noch irgendwo im Staub schlummerten.


    Zitat

    Die neuesten Interpreten zeigen vor allem, wieviel Individualität, Temperament und Abwechslungsbedürfnis sie selbst haben. Dass dadurch die Concerti plötzlich ganz unterschiedlich klingen sagt schon deshalb nichts über die Concerti, da ja ein und dasselbe Concerto plötzlich ganz unterschiedlich klingt, was ja kein Argument dagegen sein kann, dass die verschiedenen Concerti recht ähnlich sind.


    S. o. Die späten Violinkonzerte – auch oder gerade wenn sie Carmignola spielt – klingen gar nicht mehr so sehr nach dem gewohnten Vivaldi.
    Ansonsten bin ich dankbar, dass die unterschiedlichen Ensembles nicht gleich klingen. Wär ja grauslich... :wacky:

  • Zitat

    Original von Hildebrandt
    S. o. Die späten Violinkonzerte – auch oder gerade wenn sie Carmignola spielt – klingen gar nicht mehr so sehr nach dem gewohnten Vivaldi.


    eher gerade wenn ...
    Die Ecksätze scheinen mir doch sehr ähnlich den 30 Jahre älteren Sachen. Nur dass sie dank Carmignola nicht so klingen ...
    Aber das war nur das Ergebnis einer Anhörung von einem dieser Dinger, vielleicht war es das falsche. Und der Mittelsatz blieb mir ziemlich unklar.
    Und natürlich sind diese Dinger ganz großartig. Auch wenn Carmignola sie spielt.
    :stumm:

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  • Zitat

    Original von Kurzstueckmeister
    Die Ecksätze scheinen mir doch sehr ähnlich den 30 Jahre älteren Sachen. Nur dass sie dank Carmignola nicht so klingen ...


    Vielleichtdochmaindienotengucken? :stumm:

  • Zitat

    Original von pbrixius
    nicht dass ich bezweifele, dass Strawinsky so etwas geäußert hat (er hat viel gesagt!), aber der Kontext und der Zeitpunkt der Äußerung wäre doch zu seiner Wertung nicht uninteressant.


    Bei der Äußerung handelte es sich um Strawinskys Antwort auf die 75. Frage aus "Igor Strawinsky, Gespräche mit Robert Craft". Robert Craft hatte gefragt: "Interessiert sie die allgemein verbreitete Wiedererweckung der italienischen Meister des 18. Jahrhunderts?" Strawinsky ist zu Anfang seiner Antwort auf Vivaldi eingegangen, beschäftigte sich im weiteren mit anderen Barockkomponisten. Sein Statement: "Nicht sonderlich. Vivaldi wird überschätzt, ein langweiliger Mensch, der ein und dasselbe Konzert sechshundertmal hintereinander komponieren konnte."


    Kolneder (Antonio Vivaldi, 1965) weist darauf hin, dass dies sich um eine Paraphrase eines bekannten Wortes über die Symphonien von Bruckner handele. Es kann also nicht so ganz als ernstes Urteil gewertet werden, mehr ein (in der Sache sehr zweifelhaftes) Bonmot, Der Wertung von Kolneder ist wohl nichts hinzuzusetzen: Wenn die Komponisten dees Barock so viel Geld verdient hätten, wie es Strawinsky mit einem seiner Werke tat, wäre die fieberhafte Produktion, bei der es nicht zuletzt um den Lebensunterhalt ging, nicht notwendig gewesen. Dass Strawinsky selbst Geld verdiente, dadurch dass er der Barockmusik seinen Namen vorsetzte (Kolnder, S. 257) sei hinzugefügt.


    Liebe Grüße Peter

  • Zitat

    Original von Hildebrandt
    Zumindest die späteren Concerti klingen erheblich anders.


    Zitat

    Original von Hildebrandt
    Vielleichtdochmaindienotengucken?


    Läßt sich denn die stilistische Entwicklung etwas nachvollziehbarer nachzeichnen?
    Die Frage ist doch, wie erheblich die späteren anders - gemacht sind.
    Ich geb ja gerne zu, hier zu schnell geschossen zu haben.
    Aber Du machst es Dir auch zu leicht.
    :baeh01:

  • Der Kurzstückmeister kam - unabhängig von mir - übrigens zu dem Schluß, daß Vivaldis späte Concerti unter dessen Händen einen melancholischen Unterton bekamen (er meinte "deppressiv" - ich meinte "melanchlisch oder wehmütig mit süsslichem Beigeschmack - ein kleiner Unterschied in der Beurteilung - in der Sache jedoch eine weitgehend identische Aussage)


    Ferner habe ich diese Tatsache eher goutiert, KSM scheint sie gestört zu haben.


    Auf alle Fälle eine IMO sehr interessante Interpretation.




    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Dieses Observatorengeschenk ist sehr faszinierend:




    Antonio Vivaldi [1678-1741]
    Il Proteo
    Konzerte für Violoncello et al. RV 564, 551, 531, 552, 561, 544


    Christophe Coin, Violoncello
    Il Giardino Armonico
    Giovanni Antonini


    Sehr interessant finde ich beispielsweise das Concerto für Violino, due Violoncelli, archi et basso continuo C-Dur RV 561 - beim ersten Satz muß man ja nun in der Tat glauben, Vivaldi habe nur ein Concert komponiert: und das gleich zwei Mal :D [der Satz erinnert sehr stark an den "Frühling" aus den "Vier Jahreszeiten"]. Ich finds aber nicht weiter schlimm, sondern eher abwechslungsreich.


    :jubel: :jubel: :jubel:


    Etwas merkwürdig empfand ich das Larghetto aus dem A-Dur-Concert für Violine, Violino per eco lontano, Streicher und b.c. RV 552. Wie die Besetzung der 2. Geige andeutet, handelt es sich von der Machart her um ein sogenanntes Echospiel - alles, was die erste Violine vorspielt, wird von der zweiten aus der Entfernung wiederholt: es klingt also wie ein Echo. Im letzten Drittel des Larghettos ist jedoch eine Stelle, wo dies nicht exakt stimmt. Das Echo klingt beim ersten Anhören wie ein grober Intonations-faux-pas. Nach weiteren Hörsessions habe ich mich entweder daran gewöhnt oder zur Meinung gemacht, daß Vivaldi hier einen Gag einbaute [frei nach Otto Waalkes: "Hallo, Echo!" - "Hallo, Otto!" :D ].


    Weiß jemand, welche Stelle ich meine? Im Booklet ist leider darüber keine Information gegeben. Es würde mich aber doch interessieren, ob hier ein solch grober Fehler auf CD geb[r]annt wurde, oder ob es so im Notentext steht...?


    ?(


    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

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  • der neue, große peter ryom



    bemerkt zur primavera (rv269 oder op8/1):
    kopfthema von satz 1 auch in der sinfonia "la fortuna in macchina rv717 I:5. dasselbe thema liegt liegt satz 3 der sinfonia und dem einleitenden chorsatz "dell'aura al sussurar" aus rv709 I:1 (= dorilla in tempe) zugrunde.
    zu rv561 vermerkt er: anfangsthema von satz 1 auch in der aria "a te sarò fedele", rv778 III:4 = tito manlio
    zudem findet sich das kopfthema von satz 3 des concerto d-moll f. 2 vl, 2 fl, 2 ob, str, fg u.bc rv566 in folgenden werken wieder: rv269 (1. satz frühling), rv270, rv297 rv 434, rv442, rv706, rv710, rv736.
    von einer mitarbeit i.strawinskis am katalog wird nichts vermerkt.


    zu rv552 liest sich nichts bemerkenswertes, du könntest dich in die sächsische landesbibliothek nach dresden begeben und dort mus.2389.o.4 ausheben lassen, bzw ist sogar ein facsimile 1978 in leipzig erschienen.


    ps: und was sagst du zum 1.satz rv531? -der reißt mich regelmäßig aus dem ohrensessel hoch.


    :hello:

  • Ciao,


    Zitat


    ps: und was sagst du zum 1.satz rv531? -der reißt mich regelmäßig aus dem ohrensessel hoch.


    Ich hab nur einen ohne Sessel... :rolleyes:


    Also ehrlich geschrieben finde ich den 3. Satz irgendwie reißender :O


    Aber irgendwie ist ja die Platte in ihrer Gesamtheit hinreißend. :lips:


    Zitat

    von einer mitarbeit i.strawinskis am katalog wird nichts vermerkt.


    Das war doch der, der ein schröckliches Werk 1.000mal komponierte?


    Zitat


    zu rv552 liest sich nichts bemerkenswertes


    Dann haben die entweder keine Ohren oder keinen Sessel...


    Zitat

    zu rv561 vermerkt er: anfangsthema von satz 1 auch in der aria "a te sarò fedele", rv778 III:4 = tito manlio


    Hab ich eben nachgeprüft - es ist [wie auch bei der Proteo-CD zufällig] Track 13 auf CD3 dieser Einspielung:



    Definitiv unzutreffend :no:


    Umsomehr ist aber bei I:11 Di verde ulivo ein Cellosolo anzutreffen, welches Du wegen Deiner Opernfobie bisher verpasst hast :P


    Grüßle
    Ulli


    P.S. Postings aueinanderreißen macht Spaß :D

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)


  • Auf Quasi-Drängen des Observators habe ich die Arie jetzt mehrfach angehört: ich konnte nicht im entferntesten eine Ähnlichkeit zum RV561/1 feststellen. Auch meine Vermutung, es könnte eine Ersatzarie geben, die gemeint ist, wurde zumindest durch Hörschnipsel der Dantone-Einspielung nicht bestätigt. Eine Ersatzarie ist nur zu Tu dormi in tante pene alternativ mit Flöte eingespielt [Sardelli]. Auch die Ortung "rv778 III:4" - von mir als 3. Akt, Szene 4 interpretiert, ist unstimmig: Die Arie A te sarò fedele ist bei Sardelli und Dantone die 5. Szene des 3. Aktes. Allerdings verbirgt sich hinter die Melodie zu jener Arie durchaus eine bekannte Sache... nur: welche?


    Kann das jemand aufklären?


    :hello:


    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Lieber Jemand,


    dann scheint das nun geklärt zu sein. :wacky:


    Wer ist auch so blöd und komponiert dieselbe Oper mehrfach? ?( Als ob's nicht genug Libretti gäbe... andererseits: Warum wird die falsche Version gleich mindestens zweimal eingespielt, die richtige hingegen gar nicht? Und dann noch beide Versionen mit Endziffer -8 ins Verzeichnis eintragen: das ist gemein! Wie soll man denn da punkten?


    :boese2:


    Zitat


    ps: und was sagst du zum 1.satz rv531? -der reißt mich regelmäßig aus dem ohrensessel hoch.


    O.K. - auch dies habe ich jetzt mehrfach gehört - zu Erinnerung: in dieser Einspielung:



    Antonio Vivaldi [1678-1741]
    Il Proteo
    Konzerte für Violoncello et al. RV 564, 551, 531, 552, 561, 544


    Christophe Coin, Violoncello
    Il Giardino Armonico
    Giovanni Antonini


    ...da gibt es eine Stelle im 1. Satz von RV531, in der es klingt, als würde jemand penetrant auf einer rostigen Baßsaite eines ollen Wirtshausflügels herumhämmern... nur: so ein Ding spielt gar nicht mit.


    Aber auf diese Stelle warte ich immer...


    :hello:


    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

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  • Kennt jemand Vivaldis Oper "Il Giustino" von 1724?


    Die Handlung ist dieselbe wie in der gleichnamigen Händel-Oper.


    Es gibt zwei Einspielungen, nur letztere ist ungekürzt:



    :hello:


    Anmerkung der Moderation:
    Die Virgin Aufnahme wurde inzwischen getrichen und ist, nachdem sie längere Zeit nicht verfügbar war, nun wieder zu haben, scheinbar in Neuaflage zum Sonderpreis
    MOD 001 Alfred

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Guten Tag



    Ich besitze die Einspielung mit Curtis Il Complesso Barocco, sie könnte ein Quentchen lebhafter und die Sänger etwas überzeugender sein. Diese Oper enthält eine Menge schöner, reich instrumentierter und dankbarer Arien.


    Gruß :hello:


    aus der Kurpfalz


    Bernhard

  • Ich habe vorhin reingehört bei JPC - allerdings in die andere Aufnahme. Das klingt ja z.T. sehr nach den "Vier Jahreszeiten". :yes:


    Grüße aus Churbayern


    :hello:

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Zitat

    Und nun kommen wir zum Kernpunkt des Themas:
    Welche weltlichen Konzerte habt Ihr in Eurer Sammlung und welche haben euch beeindruckt, bzw welcher Interpret ?
    Geistliche Musik und Oper sind ausgeklammert, ebenso "Le quattro Stagione",denen ja bereits ein eigener Thread gewidmet ist, es geht aber um alle anderen Konzerte des "prete rosso" Zitat von Alfred



    Liebe Taminoianer,


    aus eigener Erfahrung weiß ich sehr gut, wie man in einer Diskussion vom "hundertsen ins tausendste" kommt. Alfred wollte wohl einen Thread über die weltlichen Werke Vivaldis entfachen. Ich bin gerne dabei.
    Ich habe mir Zeit genommen um eure Beiträge zu diesem, für mich sehr interessanten, Thema zu lesen. Auch in meiner Vivaldi-Jugend hat natürlich I Musici di Roma, Felix Ayo & Co. eine große Rolle gespielt. Da gab es zum Vergleich noch die Aufnahmen mit Claudio Scimone (auf Erato) und den Solisti Veneti. Die "Edizione Vivaldi" von Phillips war der ganze Stolz meinerJugend-Plattensammlung.
    Ich meine, dass kein anderes Ensemble als I Musici, so zur modernen Vivaldi-Verbreitung beigetragen hat.
    Natürlich hat sich siet dieser Zeit eine Menge getan. Zum Glück! Es gibt, wie wir alle wissen, eine Fülle von Einspielungen aller diverser Gattungen die bei V. zu finden sind. Ich habe eine übersicht (nach dem Ryom-Verzeichnis) im Thread "Die großen Werkverzeichnisse" gestellt.
    Titel: Ein Vivaldi, viele Verzeichnisse doch dann: Das Ryom-Verzeichnis


    Ich stelle hier nochmal die Übersicht über die weltlichen Instrumentalwerke ein (es gibt natürlich auch weltliche Vokalwerke)


    A: Werke für ein Instrument und Basso Continuo


    1.) Sonaten für Violine und B.C.
    2.) Sonaten für Violoncello und B.C.
    3.) Sonaten für Traversflöte und B.C.
    4.) Sonaten für Blockflöte und B.C.
    5.) Sonaten für Oboe und B.C.
    6.) Sonaten für verschiedene Instrumente (sind als Werke von le Cadet identifiziert worden)


    B: Werke für 2 Instrumente und Basso Continuo


    1.) Sonaten für 2 Violinen und B.C.
    2.) Sonaten für 2 Traversflöten und B.C.
    3.) Sonaten für 2 Oboen und B.C.
    4.) Sonaten und Trios für 2 versch. Instr. und B.C.


    C: Werke für mehr als 2 Instrumente und Basso Continuo


    1.) Konzerte für mehr als 2 Instr. und B.C.


    D: Werke für Streicher und Basso Continuo


    1.) Konzerte und Sinfonien


    E: Werke für 1 Instrument, Streicher und B.C.


    1.) Konzerte für Violine, Streicher und B.C.
    2.) Konzerte für Viola d`amore, Streicher und B.C.
    3.) Konzerte für Violoncello, Streicher und B. C.
    4.) Konzerte für Mandoline, Streicher und B.C.
    5.) Konzerte für Traversflöte, Streicher und B.C.
    6.) Konzerte für Blockflöte, Streicher und B.C.
    7.) Konzerte für Flautino, Streicher und B.C.
    8.) Konzerte für Oboe, Streicher und B.C.
    9.) Konzerte für Fagott, Streicher und B.C.
    10.) Konzerte für Cemablo, Streicher und B.C.


    F: Werke für zwei Instrumente, Streicher und B.C.


    1.) Konzerte für 2 Violinen, Streicher und B.C.
    2.) Konzerte für 2 Violoncelli, Streicher und B.C.
    3.) Konzerte für 2 Mandolinen, Streicher und B.C.
    4.) Konzerte für 2 Traversflöten, Streicher und B.C.
    5.) Konzerte für 2 Oboen, Streicher und B.C.
    6.) Konzerte für 2 trompeten, Streicher und B.C.
    7.) Komzerte für 2 Hörner, Streicher und B.C.
    8.) Konzerte für 2 versch. Instr., Streicher und B.C.


    G: Werke für mehr als 2 Instrumente, Steeicher und B.C.


    1.) Konzerte für mehr als 2 Violinen, Streicher und B.C.
    2.) Konzerte für mehr als 2 versch. Instr., Streicher und B.C.


    H: Werke für ein oder mehrere Instrumente, zwei Orchester und B.C.


    1.) Konzerte für Violine, 2 Orchester und B.C.
    2.) Konzerte für mehrere Instr. , 2 Orchester und B.C.



    Ich bin allerdings ebenfalls der Meinung, dass man nicht alle Konzerte von Vivaldi kennen muß, um sich eine kompetente Meinung über Vivaldi bilden zu können. Das (oft zitierte) Stravinsky-Wort über Vivaldi zeigt doch höchstens wie wenig jener sich mit Vivaldi befasst hat. Denn welche Aufnahmen gab´s, die ihm zu solch einer Aussage gerbracht haben?
    Rossini sagt von seinen Overtüren übrigens "wenn Sie eine gehört haben, kenne Sie alle" (frei aus dem Gedächtnis zitiert). In beiden Fällen mag etwas dran sein, in beiden Fällen gibts beachtliche Ausnahmen (die ja bekanntlich die Regel bestätigen).
    Nun noch ein paar Worte zu meinen Favoriten in Vivaldischen Aufnahmen.


    Sehr gut sind alle Einspielungen mit F. M. Sardelli (gibt auch Opernaufnahmen).
    Dann wäre da noch die Aufnahme der "Manchester"-Sonaten mit dem Ensemble "Romanesca".
    Die Fagottkonzerte empfehle ich mit Klaus Thunemann (Phillips).
    Cellokonzerte hat Ofra Harnoy recht passabel eingespielt.
    Die div. Einspielungen von Naxos haben mich degegen nicht sehr überzeugt. Egal ob man die Traditionalisten oder Einspielungen der HIP wählt. Abgewinnen kann man jeder Fassung eine ganze Menge!
    Herlziche Grüße aus dem hohen Norden



    Stefan.M

    Stefan

  • Hallo Stefan,


    Danke für die Mühe einer ausführlichen Auflistung. Als ich in meiner späten Kindheit Vivaldi gesammelt habe waren es auch vorwiegend Einspielungen
    von "I Musici", damals steckte wohl die HIP-Bewegung noch eher in den Kinderschuhen. Natürlich haben sie wohl einen gewissen Anteil an der Verbreitung v. Vivaldis Musik beigetragen aber wenn ich diese Interpretationen mit dem heutigen Standard vergleiche kommen sie für mich für erneutes Wiederhören eigentlich nicht mehr in Frage (ich habe sie trotzdem noch in meiner Sammlung, erstens aus nostalgischen Gründen und zweitens weil es für den Fall der Fälle eine gute "Nachschlagemöglichkeit" sein kann wenn mal den rein musikalischen Inhalt für divese Zwecke benötigen würde)


    Vor allem die von Alfred vorgeschlagenen Einspielungen Carmignolas möchte ich hier besonders hervorstreichen, im booklet dessen wird die damalige altmodische Interpretation (nicht unpassend) als "Nähmaschinentechnik" bezeichnet und finde das gerade durch die viel abwechslungsreichere Akzentuierung, Phrasierung und Agogik viel mehr Lebendigkeit in die Werke kommt und der teilweise in manchen Passagen auftretenden Monotonität etwas entgegenwirkt.
    Ebenso empfehlenswert wäre Europa Galante, auch wenn ich hier teilweise nicht immer so zufrieden wie mit Carmignola bin, der m.M.noch nach etwas feinsinniger und subtiler an die Sache herangeht.


    Was die Ähnlichkeit der Vivaldischen Musik anbelangt so hat er wohl sicherlich im Großen und Ganzen eine ziemlich markante, eigene Stilistik gehabt (diverse Ähnlichkeiten mit anderen Zeitgenossen kann man zwar hie- und da aber dennoch nur vereinzelt in ein paar wenigen Werken finden) dessen Abwechslungsreichtum sich aber auch in einem gewissen Rahmen bewegte - so finde ich das sich vor allem die Harmonik in ihrer Abfolge oft wiederholt und gerne auf gleiche Schematiken zurückgreift, der Basso continuo in der Regel eintönig ist und meist die Abwechslung von den Solis bzw. falls vorhanden von den weiteren solistisch begleitenden Instrumenten (wie zB bei "L´Estro Armonico") kommt. Und bzgl. des letzten Punktes möchte ich auch anmerken das schon allein aufgrunddessen nicht alle Instrumentalkonzerte gleich klingen da er nicht nur ausschließlich nur für Soloinstrument mit Streichorchester schrieb.
    Die Opuswerkreihe ist zwar großteils wirklich von der Bestzung und Instrumentierung nicht so sehr abwechslungsreich, aber oben erwähntes "L´Estro Armonico" sticht hier zB sehr positiv hervor, hier geht die Besetzung eher in die kammermusikalische Richtung und dementsprechend hat er hier auch die Proportionen der stimmführenden Instrumente sowie allgemeine Satztechnik anders wie in den meist anderen Konzerten angewendet. Was ich für mich am prägnantesten an seiner Musik finde ist
    eindeutig die Leidenschaft und das Temperament das man deutlich in vielen schnellen Sätzen heraushören kann, vielmals auch eine markante, gut gestaltete Rythmik und natürlich hatte er wie meist bei italienischen Komponisten eine ausgeprägte Ader für einprägsame Themen.


    Heute bevorzuge ich persönlich aber in der Regel eher seine langsamen Sätze, hier gefällt mir oft besonders durch den von ihm bevorzugten Gebrauch gewisser Intervalle eine gewisse melancholische, reine Stimmung
    und vielmals hat er hier auch etwas raffiniertere, originellere harmonsiche Wendungen wie zB im langsamen Satz des "Herbstes" der 4 Jahreszeiten.
    Sehr gut gefällt mir auch seine Kirchenmusik, allen voran "Gloria" - hier gefällt er mir sogar besser wie im Großteil seiner Instrumentalkonzerte (aber gut, ich glaube hierfür gibt es auch einen eigenen Thread)


    lg
    Thomas

    „Eine Erkenntnis von heute kann die Tochter eines Irrtums von gestern sein.” (Marie von Ebner-Eschenbach)

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  • Lieber Thomas,


    vielen Dank für Deinen interressanten Kommentar. Ich finde es sehr gut, wenn jemand seine Gedanken so klar darlegt. Zweifelsohne hat die HIP gerade auch bei Vivaldi gute Dienste geleistet, - ich denke hier zum Beispiel an F. M. Sardelli. Seine diversen Vivaldi-Einspielungen finde ich großartig. Ich hab ihn mal in einem Konzert im Regensburger Dom (mit Modo Antiquo) gehört. Klasse, reines Konzertprogramm.
    Was die langsamen Sätze betrifft gebe ich Dir durchaus recht. Sie sind oft sehr melodisch, einfühlsam und nicht so hektisch.
    Einen kleinen Regelverstoss erlaube ich mir durch das Geständniss, dass gerade der langsame Satz aus dem "Winter" es mir z. Zt. ganz besonders angetan hat.


    beste Grüße,


    Stefan.M

    Stefan

  • Dann bin ich hier wohl der Einzige, der manche Sachen von Vivaldi relativ langweilig findet, egal ob es nun feurig gespielt wird oder betulich.


    Heute morgen hörte ich im DG-Radio (Internet-Stream) eine CD mit mir bis dato unbekannten Werken von Vivaldi, dirigiert vom unspektakulär- solidbraven Trevor Pinnock.
    Ich habe mich über diese ellenlange Sequenzen, diese vorhersehbar einfachen I, IV, V, I - Harmonisierungen ( Tonika, Subdominante, Dominante, Tonika) doch gewundert.
    Was hilft es da, wenn die Streicher sich in alter Monteverdi-Tradition ständig Concitato über dien nur langsam wechselnden Harmonienen hermachen?
    Angesichts der anderen Aspekte wog das für mich die Sache nicht wirklich auf.


    Natürlich ist das auch sehr eine Geschmackssache.
    Ich möchte eben gerne vom Komponisten auf eine Fährte geführt werden um dann angenehm enttäuscht werden, dass es anders kommt, als vorhergesehen.
    Dies ist nach meinem Verständnis ein Charakteristikum für grosse Meisterwerke - es gibt natürlich noch viele andere.
    Aber bei Händel oder vor allem Bach geschieht in vieler Hinsicht in einem Takt doch mehr, als bei Vivaldischer Standardkost, finde ich.


    Andere Hörer sehen das vielleicht ganz anders, und hören da etwas, was mir momentan verborgen ist.
    Die Jahreszeiten finde ich jedenfalls genial, wenn sie gut interpretiert werden, wie z.B. in der legendären und für unübertroffenen Interpretation der Harnoncourts.
    Hier kann ich übrigens aber auch den solide und klassizistisch aufspielenden Pinnock gut ertragen, ja sogar mit Genuss wegen der angenehmen Klanglichkeit hören.
    Aber alles von Vivaldi kann m.E. dieses kompositorische Niveau nicht halten. Und eine fetzige Harnoncourt-Interpretation der 80er-Jahre oder ein Carmignola könnten da auch nicht viel ändern, vermute ich jetzt einmal.


    Von daher neige ich momentan dazu, dem guten Strawinsky mehr oder weniger Recht zu geben :beatnik:
    Aber ich kenne ja, genauso wie der, beileibe nicht alles von Vivaldi, weshalb es durchaus sein kann, dass mein momentanes Meinungsbild sich dreht, und ich irgendwann das Gegenteil behaupte.
    Momentan kann ich mir das aber nicht vorstellen.


    :hello:
    Glockenton


    PS: ..bei meinem Hörbeispiel mit Pinnock handelt es sich um die CD die "La stravaganza" heisst.

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Lieber Glockenton,


    mein ästhetischer Ansatz ist da natürlich ein ganz anderer.
    Ich will unterhalten werden- und nicht durch irgendwelche kühnen (oder abstrusen ?) Klangkombinationen "überrascht" (ich würde sagen "verschreckt") werden.
    Die "einfaschen, vorhersehbaren Harmonien" sind heutzutage ein wenig aus der Mode gekommen, einst waren sie gefragt. und auch heute gibt es viele Hörer, die sie mögen - aber es getraut sich fast keiner zu sagen.


    Nichste Divergenz ist die Beurteilung von Trevor Pinnock. Sein Spiel mag heute solidbrav wirken, als er die ersten Aufnahmen machte waren sie eher spektakulär. Das ist genauso wie mit dem Begriff "brav" an sich, der ja von "tapfer" abgeleitet wurde, und inzwischen genauso seinen Sinn verlaoren bzw gewandelt hat, wie "eltär", das dereinst als Auszeichnung, nunmaehr aber als Schimpfwort verwendet wird.
    Speziell die Vier Jahreszeiten versetzen mich noch heute in Entzücken- ich kenne interessantere, aber kaum klangschönere Aufnahmen.


    Kommen wir zum nächsten Punkt - und ich glaube hier können wir einen gewissen Konsens erzielen, nämlich, daß nicht alle Konzerte Vivaldis herausragende Meisterwerke sind.


    Das konnte ich ihm Rahmen meines neuen Vivaldi Threads zum Thema "Violinkonzerte" bestens recherchieren. Manches ist in der Tat einfach langweilig und "gesichtslos"


    Aber auch hier glaube ich herausgefunden zu haben, warum das so ist: Vivaldis Werke sind sehr interpretationsabhängig und wechseln (im Gegensatz beispielsweise zu Mozarts Werken) ihre Grundstimmung die sie vermitteln, je nach Interpreten. Ic konnte wenige Werke anderer komponisten finden, wo der Gesamtcharakter der Stücke sic durch verschiede Interpreten vrändert. Bei den "Jahreszeiten" ist dies natürlich nicht wirklich der Fall, hier weiß jedes Orchestr was vom Hörer verlangt wird - es gibt also zumindest einen gewissen Grndkonsens.


    Letztlich ist aber alles eine Frage der Erwartungshaltung.


    müsste ich EINEN Barockkomponisten wählen so wäre Vivaldi mit Sicherheit der Komponist meiner Wahl.


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Ich sehe den Ausnahmerang der 4 Jahreszeiten nicht. In der Tat finde ich etliche der gemischt besetzten Werke farbiger und interessanter. Chalumeaux :jubel: :jubel:
    oder auch das Konzert f. 4 Violinen (das Bach für zu viele Cembali bearbeitet hat).
    (Ich bin nicht bei meinen CDs, daher kann ich keine Werknummern auflisten). Ebenso gibt es einige recht interessante Kirchenmusik (und auch "concerti sacri").
    Die Musik ist freilich wesentlich simpler als Händel oder gar Bach (oder auch Zelenka u.a.). Sie hängt von einer farbigen, abwechslungsreichen und fetzigen Interpretation ab und man darf eben auch keine Fugen usw. erwarten.
    Daher würde ich zustimmen, dass Vivaldi zB verglichen mit Telemann oder auch etlichen deutlich weniger bekannten italienischen Meistern stark überschätzt ist (bzw. Telemann, Zelenka, Durante u.a. unterschätzt). Nichtsdestoweniger ist es, wenn gut interpretiert, nicht nur unterhaltsame, sondern auch ausdrucksstarke Musik.
    (Der Kontrast zu Bach u.a. ist vielleicht ein wenig wie Belcanto vs. Wagner)


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Zitat


    Original von Alfred Schmidt
    ...mein ästhetischer Ansatz ist da natürlich ein ganz anderer. Ich will unterhalten werden- und nicht durch irgendwelche kühnen (oder abstrusen ?) Klangkombinationen "überrascht" (ich würde sagen "verschreckt") werden.


    Lieber Alfred,


    ich weiss jetzt nicht, ob Du mich missverstehst und meinst, dass ich ständig das Kühne, Abstruse und Überraschende suche, um dadurch verschreckt zu werden (sozusagen auf der Pirsch nach dem Trugschluss und härteren harmonischen Drogen ;) )
    So ist das bei mir keineswegs.
    Unterhaltung oder "zulässige Ergötzung" um es in Bachs Sprachgebrauch zu formulieren sind für mich auch wichtige Motive beim Musikhören.
    Es fragt sich natürlich, wodurch man sich unterhalten lassen will.
    Der Eine lässt sich gerne von alten Heimatfilm-Schinken mit Peter Alexander und Uschi Glas unterhalten, und der andere findet eher Terminator III :D unterhaltend.
    Das ist jetzt humorvoll gemeint - kein direkter Vergleich zu unseren Musikgeschmäckern !



    Ich meinte ja mit meinem vorhergehenden Posting nur folgendes:


    Zitat

    Ich möchte eben gerne vom Komponisten auf eine Fährte geführt werden um dann angenehm enttäuscht werden, dass es anders kommt, als vorhergesehen.


    Nehmen wir z.B. Mozarts überirdisch schönes A-Dur Klarinettenkonzert, dass ich übrigens am liebsten mit Alfred Prinz, den Wiener Philharmonikern und dem Dirigenten Karl Böhm höre, nicht wahr.
    Ich könnte mir denken, dass Du die Aufnahme auch kennst und gut findest.
    In dem ganzen Stück gibt es keine abstrusen Wendungen und verschreckenden Überraschungen. Es klingt definitiv nicht nach Stockhausen....den wir wahrscheinlich beide nicht so sehr mögen.


    Mozart beschränkte sich hier auch auf "einfache Harmonien".
    Trotzdem ist es - wie bei allen Meisterwerken- so, dass man nicht schon nach ein paar Tönen vorhersehen kann, was die nächsten 12 Minuten kommen wird.
    Und dann gibt es sie doch, die angenehm (nicht zwangsläufig verstörend) überraschenden harmonischen Wendungen und Stimmführungen, gerade in Reprisen bei unveränderter Melodie.
    Mozarts gewöhnt den Hörer an eine sehr schöne, angenehme Harmonisierung und überrascht ihn dann bei einer Parallelstelle gegen Ende des Satzes damit, dass er es noch schöner, noch ausdrucksvoller harmonisieren kann.


    Das Ganze geschieht nicht vor den Kopf stossend, sondern sehr elegant.
    Melodisch und motivisch gesehen finde ich Mozarts Stück trotz der lieblich-harmonischen Grundstimmung so, dass ich es einfach nicht ausschalten kann, wenn es im SACD-Player liegt. Irgendwie ist da etwas, das einen fesselt. Nur bis zu einem gewissen Punkt kann man es musikanalytisch erklären, aber das Eigentliche bleibt doch ein Wunder.


    Auch melodisch-harmonisch ist es bei diesem Stück so, dass es sich nicht in langweiligen Sequenzierungen ergeht, also z.B. ein und dasselbe Motiv ständig in solchen Dominante -> Tonika-Sequenzen wiederholt wird, ohne das man darin irgendeinen rhetorischen Sinn erkennen könnte.
    Und genau diese Dinge sind mir beim Vivaldi (La Stravaganza) aufgefallen.
    Das klang mir dann doch - sorry- etwas zu routiniert und einfallslos.
    Für mich kann sich dass nicht mit den "Vier Jahreszeiten" messen, auch nicht mit "La Notte", dass - je nach Interpretation - sehr faszinierend und fesselnd klingen kann.
    Ich habe auch eine rar zu findende Vivaldi-CD, die ich von der Komposition und der fesselnden Interpretation her zwischendurch sehr gerne höre und mir im Zusammenhang mit dieser meiner Antwort auch vorhin auflegte:


    Il Cimento dell`Armonia e dell`Inventione, Concerti op. 8 Nr. 7 -12 mit den Concertos PV 258, 357, 259, 338, 153 und 8.


    Hier spielt der Concentus musicus Wien der späten 70er sehr musikalisch, sprechend-abwechslungsreich, ausdrucksvoll-klangschön und -mir wichtig- nicht so eintönig kratzig Non-Vibrato.
    Ich erinnere mich, wie ich davon etwas als Jugendlicher zufällig im Radio hörte, und sofort auf Cassette aufnahm, weil es mich wirklich umgehauen hat.
    Dann musste ich dummerweise bis 2004 warten, bis ich die CD zufällig gebraucht bei ebay fand.
    Jedenfalls ist es absolut faszinierend und anrührend komponiert.
    Wenn man ein Stück gehört hat, fühlt es sich an, als ob man eine bewegende Geschichte erzählt bekommen hat, oder einen fesselnden Film gesehen hat.
    Von "La stravaganza" kann ich das bisher eher nicht behaupten.


    Ich möchte jetzt nicht Vivaldi mit dem in der Musikgeschichte viel späteren Mozart vergleichen, sondern habe dieses Beispiel mit dem Klarinettenkonzert nur gewählt, weil es ebenfalls eine Musik mit (oberflächlich betrachtet) einfacher Harmonik ist, von der ich ausgehen kann, dass sie Dir bekannt ist.
    Man kann hierbei m.E. sehen, dass es auch möglich ist, eine fesselnde, bezaubernde und faszinierende Musik zu schreiben, ohne mit vielen Dissonanzen und Trugschlüssen zu arbeiten - sofern man W.A. Mozart heisst, aber andere Komponisten haben das auch hinbekommen, unter anderem auch Vivaldi selbst.


    Wenn man jetzt aber etwas im italienischen Stil von Händel oder gar Bach nimmt, dann wird man mir wohl kaum widersprechen können, dass bei diesen Barockkomponisten in einem Takt durchschnittlich gesehen mehr geschieht, in verschiedener Hinsicht.
    Deren Musik ist dichter und ja, sicherlich auch kühner.
    Aber die Kühnheiten muss man gekonnt und elegant einbringen, nicht plump, denn sonst wäre es einfach nur "schlecht arrangiert", was man diesen Herren ganz sicher nicht vorwerfen kann.
    Ausserdem sind sie kühne harmonische Wendungen bei einem Meisterkomponisten niemals zum hübschen Selbstzweck da.
    Wer selbst komponiert und arrangiert, wird wissen, was ich jetzt meine.
    Ich kenne so manche Arrangements von "Es ist ein Ros entsprungen" mit Jazz-Harmonien und sonstigen Zutaten, die ich einfach nur furchtbar finde. Da sage ich immer, " da hat sich wieder so ein Arrangeur dran verbrochen".
    Den Satz von Praetorius kann man nicht verbessern, nur verschlimmbessern.


    Bach hat ja Einiges von Vivaldi sehr geschätzt und sogar für vier Cembali arrangiert.
    Wenn man jetzt aber alles von Vivaldi ausgräbt und aufnimmt, dann werden m.E. auch Sachen dabei sein, die eben etwas einfacher ausfallen.
    Ich denke, dass wir das hier ganz ähnlich sehen.


    Zu Pinnock:


    Mit "brav" wollte ich den guten Mann ja keineswegs beschimpfen.
    Für mich ist "elitär" auch kein Schimpfwort, solange ich nicht an gewisse "Eliten" aus Politik und Wirtschaft denke, die vor allem ihre Klientel bedienen und in ihre Taschen wirtschaften und Klassik nur von gesellschaftlichen Verpflichtungen im Bayreuther Blitzlichtgewitter kennen.
    Wenn es um klassische Musik im Allgemeinen geht, so habe ich mich ja hier im Forum mehr oder weniger als Freund des elitären Elfenbeinturms und Feind der Populärklassik geoutet und entsprechend unbeliebt gemacht...


    Zu Pinnocks Einspielung der Jahreszeiten erwähnte ich lobend


    Zitat

    hier kann ich übrigens... auch den solide und klassizistisch aufspielenden Pinnock gut ertragen, ja sogar mit Genuss wegen der angenehmen Klanglichkeit hören.


    obwohl ich hier - wie auch schon öfter gesagt- Harnoncourts Einspielung am liebsten höre, unter anderem weil er trotz seiner HIP-Erkenntnisse und Spielweisen (die Pinnock ja auch milder verwendet) von seiner Persönlichkeit her ein tief in der expressiven Romantik verwurzelter Musiker ist, der behauptet, dass Musik an sich eine romantische Kunst sei (siehe auch hier bei Tamino)
    Dem stimme ich zu und höre da auch mehr sowohl "verträumt Romantisches" als auch "Wild-Romantisches" als bei Pinnock.



    Zitat


    Original von Alfred
    ...müsste ich EINEN Barockkomponisten wählen so wäre Vivaldi mit Sicherheit der Komponist meiner Wahl.


    Nun, da werden wir uns nicht einigen können, weil ich da ganz sicher J.S.Bach wählen würde.
    Aber ich denke zu verstehen, warum Du den Vivaldi so magst und kann auch Vieles davon bei entsprechenden Stücken gut nachvollziehen; wesentlich besser jedenfalls, als wenn jemand den durchaus hörenswerten Lully ernsthaft Meister Bach vorzieht und in einem Internetforum die abwegige und schlichtweg falsche Behauptung ungestraft aufstellte, dass man nach einer Bachkantate eigentlich alle gehört habe (genau das Gegenteil ist nämlich der Fall)


    Zum Glück müssen wir beide ja nicht wählen, sondern können uns an Beidem erfreuen. :)


    :hello:
    Glockenton



    @ Johannes Roehl:
    Keine schlechter Vergleich....aber das Verhältnis Vivaldi - Bach ist für meinen Geschmack nicht so verschieden, weil ich den Vivaldi ja auch mag, manches auch liebe.


    Bei Belcanto vs. Wagner zöge ich indes immer Wagner vor, immer und immer wieder. :stumm:

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

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  • Zitat

    Original von Glockenton
    Dann bin ich hier wohl der Einzige, der manche Sachen von Vivaldi relativ langweilig findet, egal ob es nun feurig gespielt wird oder betulich.


    Hallo,


    Warum bist du da der Einzige? Ich finde auch manches von Vivaldi langweilig und würde ebenso J.S.Bach um ein Vielfaches vorziehn.
    Aber es gibt doch ein paar Sachen die ich zwischendurch recht gern höre.
    Ich hoffe ja doch das man in meinem zuvorgehenden Beitrag eine differenzierte Betrachtungsweise herauslesen kann, zumindest war das meine Intention.


    JR meint wohl mit den "4 Violinen" eines der Konzerte von "L´Estro Armonico" op. 3 die Bach wohl nicht grundlos herangezogen hat. Hier handelt es sich um 12 Konzerte die eher kammermusikalisch besetzt sind und wohl sicher zu Vivaldis anspruchsvollsten, originellsten Konzerten gehört, sich auch merkbar voneinander unterscheiden und stilistisch dem üblichen Vivaldi-Konzert kaum ähnelt.


    Und falls du es noch nicht kennen solltest, würde ich dir den Tip geben mal in seine geistlichen Werke hineinzuhören, hier gefällt er mir meist besser als in den Meisten seiner Violinkonzerte. Vielleicht hast du als Harnoncourt-Fan seine "Gloria"-Interpretation schon, ansonsten wären noch zB hörenswert...



    oder das erst unlängst bestellte RV 807 "Dixit Dominus" das mir auch ziemlich gut gefällt ist und zudem auch recht abwechslungsreich ist.


    Mag sein das Vivaldi bei der breiten Klassikhörerschichte etwas überschätzt ist (oder manch Andere Zeitgenossen unterschätzt - wie man es betrachtet) aber überschätzt zu sein soll ja nicht gleichzeitig heissen das es nicht trotzdem hörenswert ist, auch wenn mit diesem Wort meist immer negative Assoziationen verbunden werden und oftmals im Unterbewußtsein Blokaden hervorruft. ;)


    :hello:
    Thomas

    „Eine Erkenntnis von heute kann die Tochter eines Irrtums von gestern sein.” (Marie von Ebner-Eschenbach)

  • Hallo âme,


    danke für die Tips.
    Die erwähnten Aufnahmen habe ich noch nicht.
    Beim kurzen ´Reinhören übers Netz fand ich jetzt die CD mit dem Gloria interessanter, sowohl die Komposition als auch die Ausführung.
    Ich habe früher schon oft über einen Kauf wegen NH nachgedacht, fand aber immer in den durch finanzielle Grenzen hervorgerufenen Eintscheidungssituationen andere Werke doch noch interessanter, selbst wenn sie nicht von diesem Interpreten dirigiert wurden.


    Und wenn ich nur diesen Anfang des Gloria höre......nun ja, ich erspare mir weitere Bewertungen, die auf harmonisch-kontrapunktischen Überlegungen beruhen, denn wer will das schon wissen und hören :D ?


    Eines weiss ich jedenfalls:
    Sollte mich jemals irgendeiner zwingen, "klassische" Musik von CDs zu transkribieren ( was ja die gehörmässige harmonische Analyse voraussetzt), und ich dürfte mir den Komponisten aussuchen, dann würde ich wohl Vivaldi auswählen, weil ich, wie jeder Mensch, von Natur aus mir eher den bequemeren Weg aussuche.


    Das soll nun nicht heissen, dass die Musik deswegen schlecht oder langweilig sei.


    Mir ist auch klar, dass man sich mit seinen Erwartungshaltungen auf jeden Komponisten mit seinen stilistischen Eigenschaften einstellen muss und diese dann sozusagen als sein Markenzeichen sehr schätzen kann.
    Sobald man verstanden hat, dass es keinen Sinn macht, bei A vor allem nach Dingen zu suchen, die man bei B so sehr liebt, dann ist das nach meiner Erfahrung einem positiven Hörerlebnis sehr zuträglich; eine Erfahrung die ich auch bei romantischen Komponisten oft gemacht habe.


    Ab und zu schadet es ja auch nicht, wenn man sich solche Binsenweisheiten wieder bewusst macht.


    :hello:
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Soviel mich oft von Alfred trennt, in manchen Punkten stimmen wir doch voll und ganz überein. Dazu gehört unsere Wertschätzung für Antonio Vivaldi:

    Längst sind die Tage gezählt wo jemand noch unwidersprochen behaupten konnte, Vivaldi sei überschätzt, er habe lediglich ein Konzert geschrieben - das aber 400 mal (Stravinsky, frei aus dem Gedächtnis zitiert). Die neuesten Interpreten, seien es nun Il giardino armonica oder Fabio Bond mit Europa galante, Giulio Carmignola oder The English Concert, sie alle zeigen, wieviel Individualität, Temperament, aber auch und Einfallsreichtum und Abwechslung und den Konzerten steckt.


    :jubel::jubel::jubel:


    Auch das folgende könnte ich geschrieben haben (den Bereich der Oper ausgeklammert):

    müsste ich EINEN Barockkomponisten wählen so wäre Vivaldi mit Sicherheit der Komponist meiner Wahl.


    Nachdem ich vor einiger Zeit an anderer Stelle heftig gegen die Aussage protestiert habe, dass die "Vier Jahreszeiten" qualitativ deutlich über all den anderen Instrumentalwerken Vivaldis stünden, wollte ich eigentlich einen Thread mit dem Titel "Die anderen Meisterwerke des Antonio Vivaldi" erstellen. Aber ich habe dann diesen hier gefunden, den Alfred schon 2004 (!) begonnen hat, wohl mit genau meiner Intention: um auf die vielen unbekannteren Meisterwerke Vivaldis hinzuweisen, die sich - jedenfalls meiner Meinung nach - gegenüber den "Quattro Stagioni" nicht zu verstecken brauchen. Einiges wurde schon genannt, was auch ich angeführt hätte, zum Beispiel die späten Violinkonzerte in den mustergültigen Einspielungen von Carmignola und Marcon. Inzwischen sind aber viele weitere Aufnahmen erschienen, und zahlreiche Werke sind überhaupt zum ersten Mal eingespielt worden, man denke etwa an das monumentale Projekt des Labels Naïve, die "Tesori del Piemonte" komplett auf über 100 CD zu veröffentlichen. Es sollte also neben den bereits genannten Werken und Aufnahmen inzwischen ausreichenden Stoff für weitere Belege geben, warum das Motto dieses Threads zu Recht gewählt wurde: Vivat Vivaldi ! - Vivaldi Plus Ultra !


    Ich beginne mit den Concerti RV 392-397, die Vivaldi für ein ganz besonderes Instrument geschrieben hat: die Viola d'amore. „Es ist eine besondere Art der Geigen, die, sonderlich bey der Abendstille, recht lieblich klinget“, schrieb Leopold Mozart über dieses Instrument. Nun, ich finde diese "Liebesgeige" (oder besser: "Liebesbratsche") klingt nicht nur lieblich, sondern durch die stählernen Resonanzsaiten manchmal auch etwas hart und schroff; auf jeden Fall ist der Klang einzigartig und höchst interessant. Und die wunderbaren Concerti, die Vivaldi dafür geschrieben hat, kann man auch tagsüber genießen. Mir fällt es schwer, einen Favoriten unter den sechsen zu nennen, sie sind alle schön, insbesondere die langsamen Mittelsätze sind zum Dahinschmelzen.


    Erstaunlicherweise scheint es nicht allzu viele Einspielungen dieser Concerti zu geben. Ich habe sie kennengelernt in einer alten Analog-Aufnahme mit den Solisti Veneti von 1973, die mir ehemals sehr gut gefiel. Nachdem ich die neuere Aufnahme mit Biondi und Europa galante gehört habe, kann ich der anderen allerdings nichts mehr viel abgewinnen. Die beiden Aufnahmen sind ein gutes Beispiel für die eingangs von Alfred geschilderten Unterschiede: Hier die auf modernen Instrumenten spielenden "Venezianischen Solisten" mit silbrigem Schönklang und einem eher verwaschenen, diffusen Klangbild, während Europa galante, auf historischen Instrumenten spielend, gar nicht so galant, weil deutlich schneller, dynamischer, packender und schroffer spielt, unterstützt durch ein wesentlich transparenteres und direkteres Klangbild. Das eine oder andere Largo könnte vielleicht etwas langsamer dargeboten werden, ansonsten lassen diese Aufnahmen nichts zu wünschen übrig. Des weiteren enthält die CD auch noch die anderen beiden Instrumentalwerke, die Vivaldi für die Viola d'amore geschrieben hat: das Concerto da camera RV 94 und als Zugabe auch noch das schon auf einer anderen CD veröffentlichte späte Doppelkonzert RV 540 für Viola d'amore und Laute. Auch diese beiden sind Meisterwerke!



    Ansonsten gibt es noch (mir unbekannte) Aufnahmen mit den I Musici, mit dem Orchestra of the Age of Enlightenment (Catherine Mackintosh) sowie mit Rachel Barton Pine und Ars Antigua, und das ist es dann auch schon, wenn ich nichts übersehen habe.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Zuerst wüßte ich gerne, was Strawinsky wirklich genau gesagt hat. Wenn er überspitzt formuliert hat, dass Vivaldi eine große Menge sehr ähnlicher Concerti über einen längeren Zeitraum ohne größere stilistische Entwicklung geschrieben hat, scheint mir das zutreffend. Das hat grundsätzlich mit Wertung gar nix zu tun.


    Die neuesten Interpreten zeigen vor allem, wieviel Individualität, Temperament und Abwechslungsbedürfnis sie selbst haben. Dass dadurch die Concerti plötzlich ganz unterschiedlich klingen sagt schon deshalb nichts über die Concerti, da ja ein und dasselbe Concerto plötzlich ganz unterschiedlich klingt, was ja kein Argument dagegen sein kann, dass die verschiedenen Concerti recht ähnlich sind.


    An diesen Beitrag musste ich denken, als ich gerade in einem Booklet zu einer Aufnahme von Fagott-Konzerten folgende Aussage des Solisten Milan Turković las:


    Wirft man einen oberflächlichen Blick auf Vivaldis Partituren, zumal aus dem Blickwinkel unseres auf romantischen Traditionen fußenden Musikverständnisses, so erscheinen sie ziemlich rasterartig, ja fast schablonenhaft. Werden sie noch dazu im spätromantischen Sinn, also möglichst „texttreu“ (ohne Freiheiten und Verzierungen) interpretiert, so klingen sie motorisch und gleichförmig. Folgt man jedoch den überlieferten Spielpraktiken des 18. Jahrhunderts, wonach – vereinfacht gesagt – der Interpret durch spontanes Hinzufügen von agogischen und improvisatorischen Freiheiten quasi am Kompositionsprozess teilnimmt, so ändert sich das Vivaldische Klangbild drastisch. Und dies geschieht mit modernem Instrumentarium genauso wie bei der Wahl historischer Instrumente. Die Musik federt und „swingt“ […]

    Man könnte also sagen, dass die Abwechslung durch die Individualität der ausführenden Musiker in gewisser Weise der Komposition schon eingeschrieben ist.


    Das, was Turković hier als Federn und "Swingen" bezeichnet, ist wohl der Grund, warum ich Vivaldi allen anderen Barock-Komponisten vorziehe - wenn er gut interpretiert wird!

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.


  • Angeregt durch diesen Artikel wurde ich auf die Aufnahme von Rachel Barton Pine aufmerksam. Sie hat mich bereits durch Ihre Aufnahme des Violinkonzerte von Franz Clement für sich eingenommen. Wenn ich den Beginn des 1. Satzes von Vivaldis Konzert RV 392 via jpc Soundsample anhöre, so komme ich zu dem Schluss, dass ich diese Aufnahme (erschienen Herbst 2015 auf CEDILLE) haben sollte.
    Ganz allgemein möchte ich sagen, daß Vivaldi einer jener Komponisten ist, die mehr oder weniger uneingeschränkt von HIP profitiert haben - und das hat sich ja in der Verbreitung seiner Werke signifikant ausgewirkt.

    Mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



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