Nur ein Seufzer in Ballettschuhen? - Für und wider Vincenzo Bellini


  • Aber lieber Joschi, solche "Einmischungen" sind mir doch mehr als willkommen, hier ist ja schließlich ein Ort des Austausches und der Diskussion, und da soll doch bitte jeder das schreiben, was er beizutragen hat, besonders wenn es so passend und hilfreich ist, wie in deinem Falle.


    Deine erste Empfehlung mit Baltsa/Gruberova klingt wirklich sehr verlockend, da habe ich sogar schon mal bei den Hörproben reingehört und es hat mir durchaus gefallen.


    Was allerdings die Sache mit den Romeo-Tenören betrifft, da bin ich schon weit weniger aufgeschlossen. Das liegt schon mal daran, dass ich insgesamt ein etwas gespaltenes Verhältnis zu dieser Stimmgattung habe und ich finde ganz einfach, dass eine größere Tenorrolle pro Oper reicht. ("Und die ist oft schon zuviel!" brummte der Bass ganz leise in seinen Bart.) :D


    Außerdem scheint mir die tiefe Frauenstimme insgesamt besser zu passen, gerade die Duette zwischen zwei Frauen waren meiner Meinung nach eine große Stärke von Bellini, denken wir nur an Norma. Ich finde, da hat ein Tenor nichts verloren, aber das ist natürlich nur meine persönliche Meinung. :D

    Oder kann sich hier jemand "Mira, o Norma..." mit Corelli oder delMonaco an der Seite der Callas vorstellen? Für diese Konstellation hätte Bellini doch wohl ganz anders komponiert. Und im Falle der Capuleti und Montecchi sehe ich das ganz ähnlich.



    Auch vom Bühnenalter her scheint mir eine Frauenstimme besser zu passen, Ich weiß ja nicht, wie alt Romeo tatsächlich war, aber ich habe vor meinem Auge immer einen sehr jungen Burschen, kaum dem Knabenalter entwachsen, auch wenn er schon der Anführer seiner Gang war. In früherer Zeit setzte die körperliche Reife doch meist etwas später ein und auch von daher gesehen wirkt eine (schlanke) Frau für mich glaubhafter als ein auf jugendlich getrimmter Tenor kurz vor dem Ruhestand. :D


    Aber jetzt genug mit der Tenorenschelte, die Armen wollen ja schließlich auch leben und singen, nur bitte halt nicht als Romeo. Es gibt ja schließlich genug andere schöne Rollen...


    findet zumindest


    Kurt

  • Hallo Kurt!


    Zitat

    Außerdem scheint mir die tiefe Frauenstimme insgesamt besser zu passen, gerade die Duette zwischen zwei Frauen waren meiner Meinung nach eine große Stärke von Bellini, denken wir nur an Norma. Ich finde, da hat ein Tenor nichts verloren, aber das ist natürlich nur meine persönliche Meinung.


    Stimme ich dir zu. Das findest du vor allem in dieser Oper, obwohl er es auch mit Tenören wunderbar konnte.
    Hier auf der CD ein Duett aus den Capuleti:

    Zum Dahinschmelzen.....


    Zitat

    Oder kann sich hier jemand "Mira, o Norma..." mit Corelli oder delMonaco an der Seite der Callas vorstellen? Für diese Konstellation hätte Bellini doch wohl ganz anders komponiert. Und im Falle der Capuleti und Montecchi sehe ich das ganz ähnlich.



    Auch vom Bühnenalter her scheint mir eine Frauenstimme besser zu passen, Ich weiß ja nicht, wie alt Romeo tatsächlich war, aber ich habe vor meinem Auge immer einen sehr jungen Burschen, kaum dem Knabenalter entwachsen, auch wenn er schon der Anführer seiner Gang war. In früherer Zeit setzte die körperliche Reife doch meist etwas später ein und auch von daher gesehen wirkt eine (schlanke) Frau für mich glaubhafter als ein auf jugendlich getrimmter Tenor kurz vor dem Ruhestand.


    Stimme ich dir ebenfalls zu, obwohl mich ein Counter auch reizen würde. Zwei in einem. Mann steht auf der Bühne, stimmlich noch eher zu Frau, auch wenn ich ernsthaft bezweifle, dass diese Rolle ein CT glaubhaft darzustellen im Stande ist. [Ein echter Kastrat wär da was :stumm:]


    Zitat

    Aber jetzt genug mit der Tenorenschelte, die Armen wollen ja schließlich auch leben und singen, nur bitte halt nicht als Romeo. Es gibt ja schließlich genug andere schöne Rollen...


    wie den Arturo und den Pollione und und und


    Ich würde dir aber von der EMI-Aufnahme eher abraten und zur Nuova Era-Aufnahme raten, da mir das langsame Grundtempo Mutis und die fehlenden Spitzentöne weniger gefallen. [und mit der Box lernst du auch noch die wunderbare Zaira mit einer Spitzenaufnahme kennen-einziger Nachteil: beides Liveaufnahmen]


    LG joschi

  • Zitat

    Original von Fairy Queen


    Lieber Kurt, das haben mir hier schon Etliche suggerieren wollen.... :pfeif: :angel:


    Aber bei mir stimmt es wirklich!!!! :D



    Zitat

    Original von Fairy Queen


    Ehe Du die ganze enthusiastische Ladung abbekommst, hier schonmal vorscihtig die Vorhut:
    Ah non giunge uman pensiero quel contento...... jubel jubel jubel :] :] :] :] :] :] :angel: :angel: :angel: :jubel: :jubel: :jubel:,
    dass hier ein waschechter und bekennender Bellini-Liebhaber und Sehnsuchts-Seelenverwandter auftaucht! Wo hast du dich bloss die letzten 1 1/2 Jahre verborgen, seit ich hier bin? ?


    Grazie, liebe Fairy Queen, aber Bellini, oder besser gesagt seine Musik, fungiert für mich schon lange als so eine Art Seelentröster, zumal ich solchen Jubel um meine Person eher nicht gewohnt bin, in letzter Zeit habe ich da eher die andere Seite kennengelernt, aber das würde hier und jetzt zu weit führen. :D


    Aber auch hier kommt Schubert ins Spiel: "Du holde Kunst,..."


    Und dass ich hier relativ wenig schreibe, hat einen ganz simplen Grund: Ich muss mich da schon etwas zurückhalten, denn wenn ich mal ins Schwafeln komme, dann finde ich keine Ende und dafür habe ich momentan weder die Zeit noch die Energie. Wird sich aber hoffentlich irgendwann mal wieder ändern.



    Zitat

    Original von Fairy Queen


    (...)
    Da wir ja hier nciht im leider brachiegenden Dcihterliebe-Thread sind,erlaube ich mir mal die ästheische Komponente aussen vor zu lassen und zu sagen, dass ich bei Zynikern fast immer eine enttäuschte Sehnsucht und ein Fass voll Frustration voraussetze.
    Die Angst vor Sentimentalität und die Furcht vor überbordenden Gefühlen schüttet nciht selten die Kinder mit dem Bade aus.
    Heine hat evtl Bellini sogar um seine romantisch- melancholische "Naivität"(seiner Ansicht nach war Bellini naiv) tief beneidet.


    Eben, Zyniker sind für mich im Grunde ihres Herzens unverbesserliche Romantiker, die sich nur nicht trauen, zu ihren Gefühlen und Sehnsüchten zu stehen und sich deshalb über im Grunde gleichgesinnte Seelen noch lustig machen, sie in Wahrheit aber gerade für das bewundern, was sie sich selbst nicht trauen.


    Aber jetzt genug mit der Küchenpsychologie, schließlich geht es ja momentan nicht um Heine, sondern um Bellini, und der hat sich getraut.Und wie! Seinen Musen sei Dank!


    Kurt

  • Zitat

    Eben, Zyniker sind für mich im Grunde ihres Herzens unverbesserliche Romantiker, die sich nur nicht trauen, zu ihren Gefühlen und Sehnsüchten zu stehen und sich deshalb über im Grunde gleichgesinnte Seelen noch lustig machen, sie in Wahrheit aber gerade für das bewundern, was sie sich selbst nicht trauen.


    Dazu passt: Zynismus ist der Beschützer der Romantik.


    Fiel mir grad so spontan ein... :] :pfeif:


    LG Joschi


  • Tja, dann muss ich dir leider die betrübliche Nachricht übermitteln, dass du bis jetzt eine der musikalisch schönsten Opern der Musikgeschichte versäumt hast...


    Ich kann mich noch dunkel daran erinnern, dass ich vor vielen Jahren beim Caruso vor einigen neu hereingekommenen Opernraritäten stand und eine Aufnahme in den Händen drehte und wendete. "Bellini" stand drauf, und "Montserrat Caballé". Es war ein Live-Mitschnitt aus New York zu ihrer besten Zeit. La straniera - nie gehört! Aber Bellini und Caballé kann ja nicht ganz verkehrt sein, und so wagte ich den Kauf. Beim Anhören zu Hause wurden die Ohren immer länger, das war unglaublich schöne Musik. Die beiden CDs okkupierten wenigstens zwei Wochen den Player. Die Geschichte mag ja heute schwer vermittelbar sein, aber die Musik ist derart toll, dass ich dennoch nicht verstehe, warum diese Oper nicht gelegentlich zu hören ist. Eine Hitparade von Anfang bis Ende!


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Liebe unverbesserliche Romantiker, die sich trauen,



    ich habe mich beim Ranking dummerweise selbst auf drei Favoriten beschränkt-was wahrlich schwieirg war. Joschi war da grosszügiger mit sich selbst......


    Auf Platz 4 käme jedenfalls La Sonnambula(natürlich mit Natalie Dessay und Juan Diego Florez-im März in der Met!!!!!!!!!!!)


    und danach die Frauen-Duette aus Norma und Bianca e Fernando sowie die zweite Fassung der Arie "Dopo l'oscuro nembo" aus Adelson e Salvini :faint: :faint: :angel: :jubel:


    Wobei wir beim Thema wären:


    Ene Besetzung des Romeo mit einem Tenor finde ich absolut unzulässig und zwar aus folgendem Grund:


    Die Capuleti sind die einzige Oper, in der Bellini die Tradition der Travestie-Rolle aufgreift und eine männliche Hauptrolle, den Romeo, von einer Frau singen lässt.
    Dafür hatte er m.E. so überzeugende werkimmanente Gründe, dass jede Änderung einer Vergewaltigung des Werkes gleichkommt.


    Kurt führt bereits die Jugend des Romeo und Bellinis Frauen-Duett-Kunst als Argumente an.


    Noch viel entscheidender finde ich die eklatanten Stimmkreuzungen des Liebespaares Romeo und Giulietta, die sogar im Finale darin gipfeln, dass Giulietta in manchen Passagen in der Tessitura unter Romeo singt.
    Da ich gerade zusammen mit Rosenkavalier dieses Finale einstudiere,erleben wir haut- klang- bzw. simmnah, was das bedeutet und hier einen Tenor statt eines hohen Mezzos einzusetzten, wäre ein Unding!


    Diese Stimmkreuzungen zeigen die Verschmelzung des Liebespaares bis in den tragischen Tod - man hört am Ende nciht mehr, wer da eigentlich was singt.


    Man hat hier das Gefühl, dass sich die beiden Hälften der platonischen Kugelwesen gefunden haben und mit einer einzigen Stimme beklagen, dass die ideale Liebe nur um den Preis des Todes zu haben ist.


    Ich finde diesen Coup von Bellini wirklich genial.



    Es gibt so herrlcihe Tenorrollen in den Purtiani, der Sonnambula, der Norma usw usw, dass es mit Sicherheit ein sehr bewusster Akt war, hier KEINEN Tenor zu wollen.



    Hier noch meine Lieblingsaufnahme mit Cover







    Wenn ich wieder zu Hause bin und Zugriff zu meinen Büchern habe, kommt noch eine serh interessante Bemerkung von Dominque Fernandez (den ich hin diesem Thread bereits paraphrasiert habe) zum Androgynen bei Bellini und dem Durchfallen der Capuleti bei den Komponistenkollegen wie etwa Berlioz.
    Ich kann da selbst nciht so ganz mit und würde das dann gerne mit euch diskutieren.



    Fairy Queen



    Lieber Theophilus, die Straniera ist schändlicherweise die einzige Oper, die ich noch nciht kenne- was sich schleunigst ändern muss :untertauch:



    Lieber Kurt


  • Hallo Theophilus!


    Jetzt gift ich mich noch mehr, dass ich eine Straniera (mit Scotto) letztens stehen gelassen hab und zur Beatrice di Tenda gegriffen hab...


    NG :D LG Joschi

  • Dann möchte ich doch einige Live-Mitschnitte aus den 1960er-Jahren von Bellini-Opern empfehlen, mit der kürzlichen verstorbenen Sopranistin Leyla Gencer.


    Eine ebenfalls empfehlenswerte Aufnahme sind "I Puritani", eine Live-Aufnahme aus dem Teatro Colon in Buenos Aires von 1961. Gencer ist eine exzellente Elvira und ihre Partner, darunter der kürzlich verstorbene Gianni Raimondi machen ihre Sache ebenfalls gut. Dirigent ist Argeo Quadri.


    Mit Gencer gibt es außerdem eine Aufnahme von "Beatrice di Tenda", der vorletzten und wie mir scheint vielleicht unbekanntesten Oper von V. Bellini. Angeblich soll sich Bellini während dieser Komposition mit seinem Librettisten Felice Romani endgültig zerstritten haben. Die Handlung ist ein wenig wie "Anna Bolena" von Donizetti, für die Romani ebenfalls das (allerdings eindeutig bessere) Libretto schrieb und erinnert auch ein wenig an Don Carlos (Schillers Dom Karlos. Agnese kann durchaus als Verwandte der Prinzessin von Eboli gesehen werden.)


    Musikalisch gibt es zumindest einige interessante Arien. Die Nummer vor der Aria di finale (zwischen den beiden Frauenfiguren, die durch den Einsatz des Tenors, von dem nur die Stimme zu hören ist, sozusagen ihre musikalische "Wende" nimmt, könnte Verdi gekannt. Das Ganze weist zumindest formal Parallelen zum "Il trovertore" (Beginn des Schlussaktes) auf.
    Die Partner sind hier eine interessante (Mezzo-)Sopranistin Antigone Sgourda sowie Mario Zanasi und eher uninteressante Juan Oncina, der allerdings zumindest nicht störend auffällt, Dirigent:
    Vittorio Gui, Entstehungszeit dieses Live-Mitschnittes 1964.


    Mit Gencer gibt es auch eine "Norma", die ähnlich wie "I Puritani" zeigt, dass Gencer keineswegs eine Callas-Imitatorin war, als die sie gerne abqualifiziert wird. Wieder ein Live-Mitschnitt aus dem Theater La Venice, entstanden um 1965. Partner sind der leider eher unbekannte Tenor Bruno Prevedi sowie Giulietta Simionato und Nicola Zaccaria, Dirigent: Gianandrea Gavazzeni.


    Herzliche Grüße
    Waltrada

    Il mare, il mare! Quale in rimirarlo
    Di glorie e di sublimi rapimenti
    Mi si affaccian ricordi! Il mare, il mare!
    Percè in suo grembo non trovai la tomba?



  • Lieber Theophilus,


    ich höre La straniera gerade zum ersten Mal in diesem Mitschnitt


    VINCENZO BELLINI (1801 - 1835)
    La Straniera


    Alaide : Renée Fleming
    Il Conte Arturo di Ravenstel : Gregory Kunde
    Il Barone di Valdeburgo : Gaétan Laperrière
    Osburgo : Paul Groves
    Isoletta : Ning Liang
    Prior of the Knights Hospitaller: Kevin Short
    Lord Montolino: Rafael Le Bron


    New York City Opera Orchestra an Chorus
    Leitung: Eve Queler
    New York, Carnegie Hall, 02.07.1993




    - und ich kann Dir ganz spontan nur recht geben: zum Hinschmelzen schön! Und für mich ganz persönlich geeignet, meinen geliebten Puritani den Bellinithron streitig zu machen. :jubel: :jubel: :jubel:


    Wer in operashare hieneinkommt: dort gibt es sowohl die Aufnahme EDIT: der straniera mit Renata Scotto als auch die mit Montserrat Caballe... :pfeif:



    LG, Elisabeth

  • Zitat

    Wer in operashare hieneinkommt: dort gibt es sowohl die Aufname mit Renata Scotto als auch die mit Montserrat Caballe... :pfeif:



    LG, Elisabeth


    Puritani oder Straniera?


    LG joschi

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Meine Lieben,


    Bei Bellini fallen mir Ranglisten noch schwerer als sonst - und meistens finde ich gerade die Oper unübertrefflich, die ich gerade höre. Aber wenn ich so denke, dann ist "La Sonnambula" mit Lina Pagliughi, Tagliavini und Siepi immer wieder zum Heulen schön (bis ich mich an Bernstein und die Callas mit derselben Oper erinnere, dann heule ich gleich weiter - da fehlen einfach die Worte...).


    LG


    Waldi

  • Noch einer der zugibt bei Bellini zu heulen



    Lieber Waldi, damit bist Du nun endgültig und definitiv in meiner Begeisterungsrangliste für seelenverwandte Taminos zusammen mit X und Y und Z - jedenfalls ganz ganz oben- angekommen :yes: :lips:


    Wisst ihr schon von der Sonnambula im März in der Met mit Natalie Dessay und Juan Diego Florez unter Evelino Pido?


    Die von Bernstein und Callas und für mich bisher trotz Eva Mei unschlagbar, aber das droht ihr den Rang abzulaufen.
    Eigentlich hängt nun alles von Elvino und Rodolfo ab......


    Wer kennt denn "Bianca und Ferrando"?


    Fairy Queen

  • Hi!


    Zitat

    Original von Fairy Queen
    ...
    Wer kennt denn "Bianca und Ferrando"?


    Fairy Queen


    Die Arie der Bianca hat in einer anderen Opern überlebt, als Cabaletta, die auf Normas "Casta diva" folgt.


    Herzliche Grüße
    Waltrada

    Il mare, il mare! Quale in rimirarlo
    Di glorie e di sublimi rapimenti
    Mi si affaccian ricordi! Il mare, il mare!
    Percè in suo grembo non trovai la tomba?

  • Liebe Fairy,


    BIANCA E FERRANDO kenne ich gar nicht, und manches andere von Bellini auch (noch) nicht (gut genug ), etwa ADELSON E SALVINI, LA STRANIERA oder BEATRICE DI TENDA, die ich zwar mit Sutherland und Pavarotti besitze, aber nur vor langer Zeit ein bis zweimal gehört habe. ZAIRA kenne ich nur aus dem Recycling von I CAPULETI E I MONTECCHI, und genau das ist der Grund, warum ich finde, dass Letztere mit gutem Grund hinter den allgemeinen Favoriten Bellinis zurück steht, wie ich in einem anderen Thread geschrieben habe.


    Ich habe sie auf Deine Bitte, das zu erklären, noch einmal angehört, und stehe dazu. Das Problem fängt natürlich mit dem Libretto an, dessen Autor sich so viel Mühe gab, nicht nur Shakespeare nachzuerzählen, dass er den Riesenfehler machte, auf die dramaturgisch entscheidende und emotional unverzichtbare Wurzel der ersten Begegnung der beiden Liebenden zu verzichten. Das später folgende, sehr schöne erste Liebesduett kann das nicht mehr kompensieren, da vorher viel zu viel Zeit mit leeren Behauptungsformeln und Erzählungen vergeudet wurde. Überhaupt gibt es in der Oper für meine Begriffe zu viele pauschale und beliebig übertragbare Affekte. Das ist kein Wunder bei nur drei Wochen Kompositionszeit und der Übernahme vieler Einfälle und Melodien aus einem ganz anderen Werk, und man kann Bellini nicht genug dafür bewundern, was er in dieser Rekordzeit zustande gebracht hat. Insofern ist das Kritik auf einem sehr hohen Niveau, das ich ihm auch in dieser Oper keineswegs absprechen will. Natürlich sind mindestens einige melodische Einfälle auch hier exquisit und im Wortsinne beseelt. Daneben gibt es aber auch einigen Leerlauf bzw. immer neue Anläufe, die oft, aber eben lange nicht immer zu einem voll befriedigenden Ziel führen, das die Durchänger rechtfertigt.


    Natürlich gibt es das bei Donizetti oder Verdi nicht weniger, aber es ruft auch keine Verwunderung hervor, wenn man die Werke von dessen Galeeren nicht auf dem Niveau der Meisterwerke ansiedelt.


    So ist es nicht von ungefähr, dass ich von Bellini vor allem die letzten Meisterwerke besser kenn, öfter höre und besonders liebe, nämlich in chronologischer und bezeichnenderweise auch aufsteigender Folge IL PIRATA, LA SONNAMBULA, NORMA und I PURITANI. Die Fortschritte, die Bellini in seinen letzten vier Werken jedesmal gemacht hat, sind enorm, und schon von daher ist es ewig schade, dass ihm nicht die Lebenszeit eines Verdi gegönnt war. Ich finde nämlich, er war erst richtig gut geworden, als er starb - und offenbar auch wählerischer und durchsetzungsfähiger bei der Auswahl seiner Libretti. Leider wird deren Bedeutung im Belcanto notorisch unterschätzt, weil wir es heute mit den reinen Affekten im Text nicht mehr so haben, während wir uns in der Musik danach sehnen - natürlich ohne zu berücksichtigen, dass das eine ohne das andere kaum zu haben ist.


    Man kann, ja muss Bellinis Musik lieben, finde ich (ihn selber wohl weniger). Man sollte das aber nicht kritiklos tun und in jedem Fall darauf achten, dass man sich mit ihm nicht überfüttert, denn dann wirkt sich die relative Gleichförmigkeit seiner Qualitäten trotz seiner unbestreitbar hinreißenden Einfälle leicht fatal aus.


    :hello: Jacques Rideamus

  • Tja, liebe Fairy, ich bin eben ein Zyniker mit Butterherz, der sich inzwischen geißeln möchte, weil er die "Puritani" und "Norma" nicht ebenso gelobt hat.
    Und das mit der Seelenverwandschaft war mir schon lang klar, auch ohne Bellini und Duca... Wenn man Dich singen hört, weiß man es eh! :yes:


    LG


    Waldi

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Lieber Jacques, diene Kritik der Capuleti hat mir bewusst gemacht, wie nebensächlich für mich bei Bellini die dramatische bzw dramaturgische Komponente ist. Kurt hat es in seinem ersten Beitrag auf den Punkt gebracht:
    Die relative Minderqualität seiner Libretti tut Bellinis Opern auch für mich keinen Abbruch.
    Eigentlich ist-erschreckenderweise- die Oper selbst mir schon fast egal, denn ich fiebere ohnehin nur den Melodien entgegen.
    Alles dazwischen und drumherum interessiert mich nur peripher oder gar nicht.
    Da mir das gerade erst durch Deinen Beitrag so richtig bewusst wird, bitte noch nicht mit voller Wucht drüber herfallen und mir noch ein bisschen Zeit zum Reflektieren lassen :D



    Lieber Waldi, mir war das auch ohne Bellini und Duca klar, denn schon wer so von seiner Ehefrau schreibt wie du, kann nur ein Seelenverwandter sein! :angel:
    Und ehe wir hier jetzt wegen unerlaubtem Tamino-Kuscheln gelöscht werden: liebe Mods, das ist nur Bellini schuld und ich bin jetzt brav :stumm:

  • Meine Erfahrungen mit Bellini halten sich noch in Grenzen. Das bisher Gehörte gefällt mir, ohne mich deswegen gleich in Begeisterung zu versetzen. I Puritani, Norma und auch I Capuleti haben sicher schöne Musik, aber berührt hat sie mich bis jetzt nicht.


    Im Frühjahr hatte ich ja die Gelegenheit I Capuleti im Wr. Konzerthaus in konzertanter Form zu sehen. Ja, das war schöne Musik, aber vor allem blieben mir die schönen Stimmen von Netrebko und besonders Garanca und Calleja in Erinnerung. Ich dachte damals noch, daß mit weniger großartigen Sängern mir dieser Abend vielleicht gar nicht so in Erinnerung bleiben würde. Denn obwohl die Musik sehr gefällig war, kam sie erst richtig mit diesen tollen Sängern zur Geltung. Jemand sagte mir, bei Bellini kann es schnell langweilig werden. Also auf die Sänger kommt es an.


    Vielleicht fehlt mir bei den Capuleti ja einfach auch noch der eine oder andere "Hit". Bei der Norma gibt es Casta Diva, bei den Puritani A te o cara. Bei den Capuleti kannte ich nichts.
    Wie gesagt, obwohl schöne Musik blieb von dieser vorerst nichts hängen.


    Trotzdem finde ich Bellini einen sehr interessanten Komponisten und von den drei großen Belcanto-Komponisten - Bellini, Donizetti, Rossini - gefällt er mir bislang am besten.


    Gregor

  • Hallo ,
    ich finde die Musik Bellinis kommt auf der Bühne am besten konzertant zur Geltung.
    Ich habe auf der Bühne Puritaner.Norma und Sonnambula gesehen.
    Immer in Top Besetzung,trotzdem haben für mich die konzertanten Aufführungen immer Vorrang.


    rita

  • Lieber Gregor- mir auch-endlich sind wir mal einer Meinung! :D


    Dass du aus den Capuleti als grosser Gesangs-Fan nciht die berühmte Arie der Giulietta "Eccomi... o quante volte" kennst, erstaunt mich. Sie ist auf sehr vielen Ariensamplern grosser Soprane drauf!


    Auch den Tebaldo hört man öfter und einige Arien des Romeo auf Mezzo-Alben. Für mich ist neben "O quante volte" aber die sterbeszene im Finale der absolute Wurf dieser Oper. Ich habe ja schon das Phänomen der Stimmenkreuzung in einem vorigen Posting beschrieben-dieses Duett mit vorangehendem Romeosolo ist für mich ein Geniestreich Bellinis.


    Ein ganz wichtiger Punkt , den Du anschneidest, sind natürlich die ausführenden Stimmen
    Bellini war einer der ausgeprägtesten Sängerkomponisten überhaupt ,hat seinen Sängern in die Kehle komponiert und hatte für jede seiner Hauptrollen ienen ganz bestimmten Sängertypus im Hinterkopf.
    Es ist also essentiell wichtig, wie die Rollen besetzt werden und welche Art von Stimme überhaupt bellinikompatibel ist.


    Darüber würde ich serh gerne diskutieren.


    Meines Erachtens braucht man als Sänger für Bellini fast dieselben Tugenden wie für Mozart, stellenweise sogar ein bisschen potenzierter.
    Ein noch gepflegteres Legato, einen noch längeren Atem für endlose Phrasen, eine noch schöner timbrierte Stimme für den reinen Wohlklang. Genausoviel Beweglichkeit für die Strette und Cabalette, als Sopran fast genausoviel Höhe (bis auf die f3 und g3, die es nicht bei Bellini, aber bei Mozart gibt), als Tenor noch viel mehr Höhe, als Mezzo mehr Beweglichkeit und eine serh lange Tessitura(Adalgisa!!!!) und als Bass ein bisschen mehr Cantabilität und etwas weniger "profondo".


    Alles Metallische, Bellende und Harte ist a priori tabu- eine Königin der Nacht oder Donna Anna gibt es bei Bellini nicht.


    Bel-Canto als Schöner Gesang erreicht m.E. in diesem Komponisten seinen Gipfelpunkt, denn wo allein die Melodielinie im Vordergrund steht, bestimmt deren Ausführung dann auch über Alles oder Nichts.


    F.Q.

  • Hallo Fairy,


    du bist halt nicht nur eine Bellini- sondern auch Stimmexpertin. Darum kann ich nicht so in die Materie eintauchen wie du ;)


    Die Arie der Giulietta kannte ich tatsächlich schon, aber die Highlights für mich waren die Soli des Romeo und das großartige Duett mit Tebaldo - vielleicht kommt da noch hinzu, daß ich Garanca und Calleja auch so gerne zuhöre ;)
    Auch die Arie des Tebaldo und das Duett Romeo und Julia zum Schluß gefielen mir sehr gut.
    Ein Mitschnitt von diesen Capuleti soll ja im Frühjahr 2009 auf CD erscheinen.


    Was heißt denn überhaupt 'endlich sind wir mal einer Meinung'? Ich hatte das Gefühl, wir hätten schon ein paar Gemeinsamkeiten, was unseren Geschmack betrifft.


    Gregor

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Zitat

    Original von Gregor
    Meine Erfahrungen mit Bellini halten sich noch in Grenzen. Das bisher Gehörte gefällt mir, ohne mich deswegen gleich in Begeisterung zu versetzen. I Puritani, Norma und auch I Capuleti haben sicher schöne Musik, aber berührt hat sie mich bis jetzt nicht.


    Ich halte das für völlig normal, die Geschmäcker, bzw die Wellenlängen sind eben von Mensch zu Mensch verschieden. Bei dem einen bringt Andrea Bocellis Stimme die Saiten zum Schwingen, den anderen schüttelt es da nur, der hört lieber alte verkratzte Schellacks von Caruso, bis ihm die Gänsehaut über den Rücken läuft, etc... Der Komponist, der alle gleichermaßen anspricht, wurde bisher nicht geboren und wird es wohl auch in Zukunft nicht.



    Zitat

    Original von Gregor
    Im Frühjahr hatte ich ja die Gelegenheit I Capuleti im Wr. Konzerthaus in konzertanter Form zu sehen. Ja, das war schöne Musik, aber vor allem blieben mir die schönen Stimmen von Netrebko und besonders Garanca und Calleja in Erinnerung. Ich dachte damals noch, daß mit weniger großartigen Sängern mir dieser Abend vielleicht gar nicht so in Erinnerung bleiben würde. Denn obwohl die Musik sehr gefällig war, kam sie erst richtig mit diesen tollen Sängern zur Geltung. Jemand sagte mir, bei Bellini kann es schnell langweilig werden. Also auf die Sänger kommt es an.


    Da stimme ich durchaus zu, nur möchte ich zu bedenken geben, dass selbst mich als ausgewiesenen Bellini-Liebhaber die Aufnahme mit Netrebko kalt gelassen hat. Auch wenn ich an ihr Duett aus Norma mit Elina Garanca aus Norma auf YouTube denke, dann rührt sich da einfach nichts bei mir. Die beiden sind wirklich schön anzusehen und haben angenehme Stimmen, aber tief rein geht da bei mir nichts, trotz der schönen Melodien. Ich behaupte, dass Bellinis Musik nicht nur gesungen, sondern von innen heraus beseelt werden muss. Und das ist etwas, das man nur sehr schwer oder gar nicht lernen kann, wenn man keinen Draht dazu hat.


    Wenn Bellinis Melodien ohne innere Anteilnahme als Gesangesetüden oder zur Stimmprotzerei heruntergesungen werden, dann sind sie in der Tat langweilig bis unerträglich, und hier liegt ein deutlicher Unterschied zu gewissen Melodien von Verdi, Mozart und Rossini.

    Bevor ich aber näher darauf eingehe, noch ein Zitat:


    Zitat

    Original von Gregor


    Vielleicht fehlt mir bei den Capuleti ja einfach auch noch der eine oder andere "Hit". Bei der Norma gibt es Casta Diva, bei den Puritani A te o cara. Bei den Capuleti kannte ich nichts.
    Wie gesagt, obwohl schöne Musik blieb von dieser vorerst nichts hängen.


    Dieser Mangel an "Hits" zeichnet meiner Meinung nach Bellini durchaus aus, und dadurch unterscheidet er sich wie schon erwähnt von Komponisten wie Rossini, Verdi oder Mozart, wobei das auf letzteren nur in eingeschränktem Maße zutrifft.


    Aber denken wir doch nur mal an "La Donna é mobile" aus Rigoletto: eine eingängige Melodie, dazu das typische "Umtata, Umtata", und schon haben wir einen Schlager, den zu damaliger Zeit die Spatzen von den Dächern pfiffen. Oder nehmen wir Rossinis Figaro-Arie. Um diese Melodien nachträllern zu können, muss man weder besonders musikalisch sein noch Gesang studiert haben. Und bei Mozart reicht es beim gemeinen Fußvolk immerhin oft noch für die ersten Takte: "Non piu andrai..., tatata tata tamtam..."


    Bei Bellini gibt es solche nahe dem Volksgesang angesiedelten Ohrwürmer kaum, der hat vorrangig für Profis, für studierte Sänger komponiert, und selbst von denen dürften einige z.B. bei "Casta Diva" schon ganz am Anfang Probleme bekommen. Bellini ist eben rein technisch schon nicht leicht zu singen, und wenn dann noch der Ausdruck dazukommen soll, dann wird es vollends kritisch.


    Ich bin mir im übrigen ziemlich sicher, dass Bellini durchaus auch eingängige Ohrwürmer hätte komponieren können, ich will aber nicht spekulieren, warum er es nicht getan hat. Vor allem will ich nicht Produzenten von Schlagerschnulzen auf dumme Gedanken bringen, die dann seine herrlichen Melodien abgespeckt und abgeflacht für seichte Liedchen verwursten. :D


    Zitat

    Original von Gregor
    Trotzdem finde ich Bellini einen sehr interessanten Komponisten und von den drei großen Belcanto-Komponisten - Bellini, Donizetti, Rossini - gefällt er mir bislang am besten.


    Gregor


    Also ich persönlich möchte da weder werten noch eine Rangordnung aufstellen, ich mag alle drei, jeden zu seiner Zeit. Was allerdings das Ausdrücken von Gefühlen via Musik und Gesang betrifft, ich denke da sollten meine Präferenzen klar sein. :D


    Kurt

  • Lieber Kurt, ich bin nicht sicher, ob ich dich richtig verstanden habe.
    Glaubst du, dass Bellini technisch schwieriger zu singen ist als Mozart, Rossini und Verdi oder dass einfach deren Melodien eingängiger und deshalb populärer sind als die von Bellini?


    Was den technischen Schwierigkeitsgrad angeht, denke ich gerade darüber nach, ob du Recht hast
    Es gibt von Bellini(ausser den "Liedern" und selbst da braucht man bereits ein ausgewachsenes Legato und eine sehr gute Atemstütze) nichts für Anfänger .
    Bei Mozart wird man da viel eher eher fündig, bei Verdi habe ich schon grosse Zweifel und bei Rossini ?(
    Wenn es aber um die grossen Werke und grossen Partien geht, stehen sich alle genannten Komponisten in nichts nach und wie schwierig das für den ein oder anderen Sänger ist, ist dann wirklich eine Frage der Affinität und der Stimmbeschaffenheit.


    Das Problem bei Bellini ist m.E. , dass er sowohl den ausgeprägtesten lyrischen Schmelz mit allen dazugehörenden Tugenden als auch eine sehr grosse Beweglcihkeit und Höhe fordert. Und zwar in fast allen Partien.


    Bei Rossini steht die Beweglichkeit der Stimme an noch höherer Stelle, dafür wird weniger Lyrisches verlangt und auch die Höhenexpansion ist abgesehen von den Tenören geringer.
    Bei Mozart gibt es insgesamt viel mehr Variationsbreite zwischen den verschiedenen Rollen und da ist z.B. zwischen einer Servilia oder Vitellia und einer Barbarina oder Contessa dann schon ein erheblicher Schwieirgkeits-Unterscheid zu verzeichnen.
    Bei Verdi kommt als Sine qua non oft noch die dramatische Kraft und Stamina(so etwas wie Stimm-Ausdauer) dazu, wobei dann aber meistens Abstriche an Höhe und Beweglichkeit gemacht werden.
    Ganz grob gesagt.


    Was da nun für wen schwieriger ist, ist die Frage.
    Für mich persönlich in der Rangfolge von leichter bis schwierger(wobei ich gar nichts leicht finde!!!!) wäre das so: Mozart, Bellini, Rossini, Verdi- aber das hängt neben dem Stimmfach auch sehr vom persönlichen Engagement ab.
    Und da sind wir bei dem Punkt, in dem ich mit Dir vollkommen übereinstimme: die emotionale Verbindung zu Bellinis Musik und dem Charakter der Rolle.


    Das ist wirklich eine Sache für sich und das "kalt lassen" was Du diesbezüglich mit Anna Netrebko erlebt hast, erlebe ich mit Joan Sutherland und in Teilen auch mit der Caballé, die ausgerechnet die meisten Bellins eingesungen haben.


    Ich glaube, man/frau braucht neben der notwendigen Gesangstechnik eine sehr spezifische Struktur, um sich mit Stimme und Person in diese Rollen einzufinden.
    Eine eingeborene sehnende Melancholie und etwas "Überirdisches" als Fond muss immer spürbar sein, sonst funktioniert es einfach nicht.


    Mir hat deshalb Mirella Freni so gut gefallen, weil sie eben diesen Engelsfond in der Stimme hat. Und Calleja hat den auch. Und Dessay und Eva Mei sowieso.


    Ich stelle mal die These auf , dass man Bellini eigentlich nicht lieben kann, wenn man ihn nciht mit den passenden Stimmen hört. Und dass viellciht soviele Menschen Bellini fade fidnen, weil es so wenig gute Aufführungen und Aufnahmen gibt.


    F.Q.

  • Zitat

    Original von Fairy Queen
    Lieber Kurt, ich bin nicht sicher, ob ich dich richtig verstanden habe.
    Glaubst du, dass Bellini technisch schwieriger zu singen ist als Mozart, Rossini und Verdi oder dass einfach deren Melodien eingängiger und deshalb populärer sind als die von Bellini?


    Eher letzteres, aber nicht allgemein, sondern nur auf bestimmte Stücke bezogen. Bestimmte Komponisten haben meiner Auffassung nach die Fähigkeit, bzw. die Bereitschaft, sehr "volksnahe" Stücke zu komponieren, also eine vergleichsweise einfache und eingängige Melodie, die leicht im Gedächtnis haften bleibt und sich auch von Menschen nachsingen oder pfeifen lässt, die keinen Gesang studiert haben. Solche Stücke erfüllen dann die Voraussetzung, zu Schlagern zu werden, eventuell sogar ins allgemeine Liedgut einzugehen. Wobei es ja auch durchaus den umgekehrten Fall gibt, dass Komponisten sich beim Volksliedgut bedienen und Melodien in ihre Werke einbauen.


    Bei Mozart habe ich die Einschränkung deswegen gemacht, weil seine Melodien sich zwar oft einfach anhören, aber keineswegs einfach zu singen oder zu spielen sind. Aber wenn mir mal die Lieder des Papageno nehmen, wird vielleicht deutlicher, was ich meine.
    Die waren ja auch Emanuel Schikaneder auf den Leib geschrieben und das war kein eigentlicher Opernsänger.


    Ich behaupte nun, dass Bellini durchaus auch in der Lage gewesen wäre, solche eingängigen Stücke zu schreiben, er es aus welchen Gründen auch immer aber nicht gemacht hat. Und viel hat da oft nicht gefehlt, ich erinnere noch mal an "qui la voce sua soave" aus "I Puritani".


    Dies betrifft wie gesagt nur bestimmte Stücke, ich wollte keinesfalls andeuten, dass Verdi oder gar Mozart "simpler" komponieren als Bellini.



    Zitat

    Original von Fairy Queen
    Was den technischen Schwierigkeitsgrad angeht, denke ich gerade darüber nach, ob du Recht hast
    Es gibt von Bellini(ausser den "Liedern" und selbst da braucht man bereits ein ausgewachsenes Legato und eine sehr gute Atemstütze) nichts für Anfänger .


    Eben, genau das meine ich. Selbst in manchen großen Opern von Verdi, Rossini oder Mozart, wie auch z.B. in den Werken von Lortzing finden sich Arien, die sich auch ausgewiesene Amateure zutrauen, bei Bellini ist das deutlich seltener der Fall, was zugegebenermaßen aber durchaus an der vergleichsweise geringen Anzahl seiner Werke liegen kann.





    Zitat

    Original von Fairy Queen
    (...)
    Das Problem bei Bellini ist m.E. , dass er sowohl den ausgeprägtesten lyrischen Schmelz mit allen dazugehörenden Tugenden als auch eine sehr grosse Beweglichkeit und Höhe fordert. Und zwar in fast allen Partien.


    Eben, Bellini erfordert trainierte, tragfähige, klangschöne, flexible Stimmen mit langem Atem und der Fähigkeit zu Kantilenen. Und das bezieht sich jetzt nur auf die rein technischen Anforderungen. Eine Verdi- oder Wagnerpartie lässt sich zur Not auch mit Forcieren und viel expressivem Ausdruck durchstehen, das kannst du bei Bellini vergessen. Gebrüllter Bellini ist tödlich. (Womit ich jetzt nicht sagen will, dass ich gebrüllten Verdi besonders toll finde, aber ich denke, du verstehst, worauf ich hinauswill.)


    Zitat

    Original von Fairy Queen
    Bei Rossini steht die Beweglichkeit der Stimme an noch höherer Stelle, dafür wird weniger Lyrisches verlangt und auch die Höhenexpansion ist abgesehen von den Tenören geringer.
    Bei Mozart gibt es insgesamt viel mehr Variationsbreite zwischen den verschiedenen Rollen und da ist z.B. zwischen einer Servilia oder Vitellia und einer Barbarina oder Contessa dann schon ein erheblicher Schwieirgkeits-Unterscheid zu verzeichnen.
    Bei Verdi kommt als Sine qua non oft noch die dramatische Kraft und Stamina(so etwas wie Stimm-Ausdauer) dazu, wobei dann aber meistens Abstriche an Höhe und Beweglichkeit gemacht werden.
    Ganz grob gesagt.


    Alles richtig, wobei sich bei Verdi ja schon der erste Hauch von verismo andeutet, sprich: der reine Schöngesang wird dem Ausdruck und der Glaubwürdigkeit der Darstellung "geopfert". Verdi wollte ja auch bekanntlich keine reinen Schönsänger für seine Partien, sondern singende Darsteller, die ihre Rolle auf der Bühne glaubhaft leben.



    (...)

    Zitat

    Original von Fairy Queen
    Ich stelle mal die These auf , dass man Bellini eigentlich nicht lieben kann, wenn man ihn nciht mit den passenden Stimmen hört. Und dass viellciht soviele Menschen Bellini fade fidnen, weil es so wenig gute Aufführungen und Aufnahmen gibt.
    F.Q.


    Ja, das sehe ich sehr ähnlich, wobei darin natürlich ein gewisses Dilemma liegt: Solange es so wenig angemessene Aufführungen gibt, hat das Publikum kaum Chancen, den "wahren" Bellini kennen und lieben zu lernen. Solange aber beim Publikum wenig Nachfrage nach diesem Komponisten besteht, ist auch für die Bühnen und die Sänger der Anreiz eher klein, sich mit ihm zu beschäftigen. Aber das kann ja auch wieder anders werden und derzeit habe ich durchaus den Eindruck, dass Bellini eher im Kommen ist, siehe eben die Aufführungen von "I Capuleti ed i Montecchi." Noch ist da nicht alle Hoffnung verloren.


    Kurt

  • Lieber Kurt,
    Natürlich nicht!!!!
    Wenn man Alfreds These von der hohen Bedeutung dieses Forums Glauben schenken darf, setzen wir hier sowieso jetzt DIE Bellini-Renaissance in Gang!!!!! :angel: :]



    Was Deine Sätze vom gebrüllten und forcierten Wagner und Verdi angeht: etwa 50 % aller von mir bis dato gehörten Aufführungen waren leider genau das. Und haben mir vieles verleidet.


    Dafür gibt es sehr viele zu differenzierende Gründe, die hier OT wären.


    Dass Bellini a priori nicht gebrüllt oder forciert werden kann, sondern gesungen werden MUSS,hat er mit Mozart gemeinsam. Für mich ist Mozart bereits ein Belcanto-Komponist und die allerbeste Vorbereitung auf Bellini.



    Apropos Bellini für "Anfänger" :



    Ich habe mir eben noch mal die didaktische Ricordi-Ausgabe mit allen "Canzone per voce e pianoforte" angesehen.
    Es gibt da schon viele Dinge, die deutlich weniger anspruchsvoll sind als seine Opernarien und im Gesangsunterricht ihren festen Platz haben können.


    Was allerdings unabdingbar bleibt, ist auch in den melodisch scheinbar leichtesten Stücken das extreme Legato und der gut trainierte Atem, weil es eben keine kurze Phrasen gibt.


    Und Bellini präferiert eindeutig einen einzigen Stimmtypus, nämlich den sehr Lyrisch sehr Beweglichen.
    Alle anderen gehen leider leer aus und müssen zu Verdi oder Wagner abwandern. :D


    Ich sehe dort allerdings auch nicht mehr Literatur für die von Dri angesprochenen Amateure und Anfänger als bei Bellini - da musst du mir mal auf die Sprünge helfen ?(


    F.Q.


    P.S. Anfänger in Lied-BEGLEITUNG sind bei Bellini dagegen haargenau richtig.......... :pfeif:

  • Liebe Fairy Queen,
    Zum Rest deines Posting gibt es wenig zu schreiben, da ich absolut mit dir übereinstimme, deshalb nur kurz noch dazu:



    Moment! Von Literatur habe ich kein Wort gesagt, nur davon, dass es mehr oder weniger begabte Sänger(nach Wahl auch in Anführungszeichen) gibt, die sich dazu berufen fühlen, die Werke großer Meister zu interpretieren. Und die greifen im Zweifelsfalle halt lieber zu "La Donna é mobile" und "Figaro, Figaro, Figaro..".


    Aber möglicherweise hat Bellini ja gerade deshalb die Latte so hoch gehängt, weil er verhindern wollte, dass jeder Pizzabäcker, jeder Gondoliere und wer sich sonst noch für einen zweiten Caruso halten mag, seine erhabenen Melodien durch die Gegend knödelt. :D


    Obwohl, andererseits... ich könnte mir das schon sehr romantisch vorstellen, so an einem lauen Abend in einer Gondel dahinzugleiten, die Holde im Arm und dann stimmt der Gondoliere mit klangschöner Stimme "A te, o cara" an. Und aus dem Hintergrund setzt dann der Chor ein: "Senza occaso quest'aurora "...


    Aber genug geträumt, die Realität ist dann wahrscheinlich doch etwas nüchterner. :D


    Kurt

  • Banner Trailer Gelbe Rose

  • Lieber Kurt, :hahahaha:
    Paul Potts und Helmmut Lotti haben sich bisher nciht getraut "A te o cara" zu vergewaltigen und selbst Andrea Bocelli schreckt bis auf weiteres zurück; ich hoffe, wir bringen sie nciht auf falsche Gedanken..... :faint:
    Wenn man dagegen "Nessun dorma" betrachtet.....du hast mal wieder vollkommen Recht! :yes:
    Ich sag's ja immer wieder : es gibt diesen kleinen aber feinen Unterscheid zwischen dem Signore Puccini und unserem Signore Bellini :angel:



    Zur Realisierung von unnüchternen Träumen biete ich mich gerne als virtuelle Beratungs-Holde an.
    Erstmal muss eine ordentliche Portion flüssiger Bellini her. Natürlich nur das Original aus Harries Bar. Damit ist das "nüchtern" schonmal ad acta.
    Dann soll sich die nichtvirtuelle Holde bitte erträumen, Du sängest eigenstimmig "A te o cara" (wenn sie das nicht kann, versenk sie sofort im Canale Grande, dann ist der Untauglcihkeitstest erbracht).
    In der Gondel kommt es dann ohnehin nur auf die Welt als Wille und Vorstellung an, der Rest ergibt sich von allein. Wenn nicht, siehe Untauglichkeitstest.
    Und den Chor nebst Bühnenbild nebst Theater liefert ungefragt die Stadt dazu.


    Ich komme eh nciht darüber hinweg, dass Bellini in Catania und nciht in Venezia geboren ist. Wie konnte sowas passieren? Dabei war er blond und blauäugig wie ein echter Venezianer . Und mindestens so dekadent und morbide.
    Da konnte irgendein Storch die Wegbeschreibung nciht lesen und hat sich in der Stiefelhimmelsrichtung geirrt. ?(


    F.Q.


  • Lieber Bernd!


    Ganz richtig!


    Verdi hat vielleicht, nach dem Impressario Merelli, in seinem "Oberto" noch Bellini und Donizetti drin, aber dann war seine Kompositiontechnik komplett anders.


    Ich liebe Bellini, wenn ich auch den Großteil noch in den alten Aufnahmen mit Maria Callas habe,


    nur soll man nicht sagen was wäre wenn! Es ist eben nicht!


    Liebe Grüße Peter aus Wien. :hello: :hello:

  • Eine Bellini-Aufnahme, die auf Melodram als LP mal erschienen war und lange Zeit nicht greifbar, gibt es seit kurzem zum Budget-Preis wieder auf dem Markt:



    Vincenzo Bellini (1801-1835)
    I Capuleti e I Montecchi

    2 CDs (Andromeda)
    Erscheinungstermin: 13.10.2008


    Aufnahme: 14.10.1958, live, New York
    Dirigent: Arnold Gamson
    Orchestra of the American Opera Society
    Chorus of the American Opera Society


    Capellio: Ezio Flagello
    Giulietta: Laurel Hurley
    Lorenzo: David Smith
    Romeo: Giulietta Simionato
    Tebaldo: Richard Cassilly


    Hörproben gibt es bei jpc!


    LG


    :hello:

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Bei unserem Werbepartner jpc gibt es exclusiv seit ein paar Tagen eine Bellini-CD, auf der nicht gesungen wird:



    Vincenzo Bellini (1801-1835)
    8 Symphonien


    Orchestra del Teatro Massimo di Palermo,
    Diego Dini Ciacci
    Label: Sony , DDD, 2008


    *** Exklusiv bei jpc ab 4.5.09


    LG


    :hello:

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Fiesco /Gast


    Ich zähle mich immer noch zu den Melodien Junkies, da komme was wolle, Bellini, Donizetti, Rossini usw. Es gibt ja genug von der Sorte Komponisten, aber speziell Bellini ist schon was wunderbares, die Puritaner wurden ja hier schon mehrfach herausgestellt, auch eine meiner liebsten von Bellini.


    Aber warum ich diesen Thread nochmals reaktiviere ist der Tatsache geschuldet, das ich gerade gestern I Capuleti e i Montecchi
    gehört habe in dieser Aufnahme:



    Sie wurde ja von Fairy Queen schon gezeigt, von den neueren Aufnahmen ist sie für mich das Highlight, trotz Lamore/Hong, Netrebko/ Garanča, Baltsa/Gruberova, die Stimme der Kasarova hat für mich den herben Charme der die Partie des Romeo wunderbar auszudrücken weiß, und Eva Mei ist hier die perfekte Ergänzung mit ihrem, ich möchte fast sagen mädchenhaft klingenden Sopran, in der großen Arie fast schüchtern. Der Tebaldo wird in der Lyrik oft als ungestüm bezeichnet, bei Bellini ist das nicht ganz so, er erscheint mir eher etwas soft, was gut zu Ramon Vargas Stimme (stimmlichen Mitteln) passt.


    Aber was die GA noch interessant macht, als Anhang wird hier auf der dritten CD der Schluss von Vaccais Giulietta e Romeo dargeboten, den die Malibran damals, weil sie mit Bellinis Schluss nicht ganz einverstanden war(überhaupt fand sie das Bellini für den Romeo zuwenig virtuos geschrieben habe, um ihre stimmlichen Mittel hervorzuheben ) in den Aufführungen gesungen hat, danach war das für viele Jahre gang und gäbe, heute undenkbar.
    Auch die Cavatina Romeos in der Ornamentik Rossinis gibt es als Anhang.
    Ich empfehle sie sehr! :)


    LG Fiesco

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose