Leonard Bernstein (25. August 1918 - 14. Oktober 1990)

  • Hallo Liebestraum,
    von der Farbenlehre über die Mozart-Oper zu - wem jetzt eigentlich: Bernstein, dem Fachidioten, oder zu Karajan, dem Beschützer Apolls...?
    Nicht böse sein wegen der Ironie, aber Deine Wortklaubereien lösen sie aus.


    Bernstein war ein umfassend gebildeter Mensch, daß er sich in seinen Arbeiten vor allem mit Musik befaßte, ist wohl logisch. Im Bereich der Musik jedoch war er ein Universalist wie nur wenige andere.


    Und wenn er keine Mozart-Oper aufgenommen hat - na und? Vielleicht haben ihn Mozarts Opern nicht so wahnsinnig interessiert. Es soll auch andere Menschen geben, die so denken und noch nicht in die Irrenanstalt eingeliefert worden sind.


    Abgesehen davon übergeht Dein Argument die Tatsache, daß Karajan von Beginn an mit der Oper verbunden war, während Bernstein von Anfang an eher als Konzertdirigent tätig war. Das mag auch mit unterschiedlichen Wertigkeiten zusammenhängen: In Europa hat(te damals) der Operndirigent einen unvergleichlich höheren Stellenwert als in den USA und auch in Rußland, wo Karrieren (zum Teil bis heute) nur über Konzerte stattfanden.


    Wenn Du Dir das Repertoire russischer und amerikanischer Spitzendirigenten der Bernstein/Karajan-Generation anschaust, wirst Du fast immer ein relativ kleines Opernrepertoire finden, das auf die Stücke beschränkt ist, die sie halt unbedingt machen wollten.


    :hello:

    ...

  • Aus persönlichem Interesse, weil ich beide Musiker so sehr schätze:


    Haben sich Bernstein und Paul Sacher mal kennengelernt?


    Beide waren außerordentlich vielseitig interessierte und tätige Musiker.

  • Hallo Edwin,


    ich wollte mit meinen Äußerungen weder Bernstein niedriger und Karajan höher stellen.


    Was mich stört, ist der von dir benutzte Begriff eines "universellen" Menschen, denn das waren weder Bernstein noch Karajan.


    Herzliche Grüße
    von LT :hello:

  • Ich habe schon oben darauf hingewiesen, dass Edwin Bernstein als


    UNIVERSELLEN MUSIKER


    bezeichnete. Nicht als universellen Menschen (wobei "universeller Mensch" besser durch Universalgenie/-gelehrter ersetzt werden sollte). Dieser Typ Mensch ist, sofern er je existierte, schon seit mehreren Jahrhunderten nicht mehr vorhanden. Zur Definition des universellen Musikers, siehe oben.

    Früher rasierte man sich wenn man Beethoven hören wollte. Heute hört man Beethoven wenn man sich rasiert. (Peter Bamm)

  • Laß es, Georg, das ist eine Erfahrung, die ich mit bekennenden Karajanitern immer wieder gemacht habe: Die musikalische Universalität Bernsteins sitzt ihnen wie ein Stachel im Fleisch, da sie sie als Faktum akzeptieren müssen und nicht einmal mit dem Hinweis auf einen persönlichen Geschmack wegdiskutieren können.
    :hello:

    ...

  • Ich hake jetzt eh nicht mehr nach, Edwin.


    Irgendwie dreht sich die ganze Diskussion um Wortklaubereien und bewusstes Falschverstehen, den anders ist das nicht zu erklären.


    Obwohl vielleicht hat ja die PISA-Studie doch recht. :no: Muss ich jetzt auch noch Finnisch lernen um über Bernstein zu diskutieren??? :hahahaha:

    Früher rasierte man sich wenn man Beethoven hören wollte. Heute hört man Beethoven wenn man sich rasiert. (Peter Bamm)

  • Hallo Georgius,


    ja ein universeller Musiker war Bernstein durchaus, aber eben kein universeller Mensch wie da Vinci und Goethe.


    In diesem Sinne war beispielsweise auch Richard Strauss ein universeller Musiker.



    Herzliche Grüße
    von LT :hello:

  • Zitat

    Original von Liebestraum
    ja ein universeller Musiker war Bernstein durchaus, aber eben kein universeller Mensch wie da Vinci und Goethe.


    Nun gilt ja Goethe gemeinhin auch als "der letzt Universalgelehrte" oder wer sollte das nach Goethe noch sein?


    Aber Finnisch konnte Goethe auch nicht :D

  • Hallo ThomasBernhard,

    Zitat

    Nun gilt ja Goethe gemeinhin auch als "der letzt Universalgelehrte" oder wer sollte das nach Goethe noch sein?


    wenn Du mich so fragst: Hanns Henny Jahnn - allerdings geht er weniger empirisch vor als Goethe, dürfte mit diesem aber an umfassender Bildung und Beschäftigung mit den unterschiedlichsten auch nicht-literarischen Themen gleichziehen.


    ***


    Hallo Liebestraum,
    es wird mit der Zeit ermüdend - aber erstens hat den "universellen Menschen" niemand behauptet außer Dir, und zwar nur, um ihn in Hinblick auf Bernstein verneinen zu können, zweitens sind mir die musikdidaktischen Arbeiten sowie die musikphilosophischen Schriften von Strauss zumindest mir bisher nicht untergekommen.
    Aber ich denke, daß diese Diskussion ohnedies längst die Lächerlichkeit streift - es sieht jeder, worauf das hinauslaufen soll. Und ich denke, es ist Zeit, dieses Thema abzuschließen.


    :hello:

    ...

  • Hallo Thomas Bernhard


    ist doch völlig egal, wer das heute noch ein universeller Mensch ist, fakt ist: Karajan und Bernstein waren keine.



    Herzliche Grüße
    von LT :hello:

  • Tamino Beethoven_Moedling Banner
  • Hallo Edwin,


    ich habe deine Definition eines universellen Musikers nur auf andere Komponisten angewendet, so auf Richard Strauss.


    Auch wenn dir die Musikschriften von Richard Strauss noch nicht untergekommen sind, es gibt sie! Allein der Briefwechsel Strauss-Hofmannsthal ist heute noch immer lesenswert.



    Herzliche Grüße
    von LT :hello:

  • Hallo Liebestraum,
    ich geb's auf. Wer den genannten Briefwechsel kennt, weiß um die stilistischen und philosophischen Finessen Strauss' ;) . Aber zur Hälfte hast Du recht: Die Hofmannsthal-Briefe sind tatsächlich stilistische Kunstwerke. Und obendrein für den Briefpartner von ähnlichem didaktischem Wert wie Bernsteins Arbeit mit Jugendlichen für deren frühe Musikerziehung.
    :hello:

    ...

  • Hallo Edwin,


    warum aufgeben? Es ist doch nur recht und billig, deine Definition vom universellen Musiker auch auf andere anzuwenden.


    Oder gilt das nur für Bernstein? Das kann doch nicht sein!


    Wo bleiben da Carl Maria von Weber, Richard Wagner, Hector Berlioz, Richard Strauss u.a.?



    Herzliche Grüße
    von LT :hello:

  • Zitat Liebstraum

    Zitat

    In diesem Sinne war beispielsweise auch Richard Strauss ein universeller Musiker


    Spätestens bei dieser Einlassung sollte leiser Protest erfolgen... dieses Rechthaberei um jeden Preis, ich weiss nicht... Vielleicht wieder mal zum Thema zurück...? Wär doch was...

  • Hallo Alviano,


    doch diese Einlassung ist hier richtig angebracht: sie soll belegen, dass eben nicht nur Bernstein ein universeller Musiker war. Mit dieser Feststellung habe ich auch wieder den Bogen zu Bernstein gezogen, dem dieser Thread ja gewidmet ist!



    Herzliche Grüße
    von LT :hello:

  • Hallo Liebestraum,

    Zitat

    sie soll belegen, dass eben nicht nur Bernstein ein universeller Musiker war.


    Und das hat jemand behauptet? Sei mir nicht böse, aber Du verrennst Dich jetzt wirklich.


    Und um diese absurde und unerquickliche Diskussion endlich zu beenden, hier eine Kurzfassung:
    Ich: Bernstein war ein universeller Musiker.
    Liebestraum: Falsch. Bernstein war kein universeller Mensch.
    Georg, Ich: "Universeller Mensch" hat nie jemand behauptet, es war von "universellem Musiker" die Rede.
    Liebestraum: Auch andere Musiker waren in ihrem Metier universell.


    Damit schaffst Du es, jedes Mal eine Behauptung aufzustellen, die nie jemand anderer als Du aufgestellt hat, um sie gegen Bernstein gekehrt zu falsifizieren. Ich hoffe, Du bekommst dafür wenigstens den Karajan-Orden für besondere Tapferkeit vor dem unerreichbaren Feindbild.


    Womit ich diese Unsinns-Diskussion meinerseits beende.


    :hello:

    ...

  • Zitat

    Original von Edwin Baumgartner


    Womit ich diese Unsinns-Diskussion meinerseits beende.


    Wobei ich das ganze gerne noch einmal meinerseits unterstreichen möchte. Für mich war Bernstein gar der universelle Musiker des 20. Jahrhunderts. Komponist höchst unterschiedlicher Werke, als Dirigent einer der überragenden Interpreten, dessen Antrieb und damit verbundenen Fehlleistungen Edwin wunderbar beschrieben hat. Als Pianist hervorragend, doch auch hier mit offenen Flanken, die Grund zum Angriff bieten können. Offen und inspirierend für die amerikanische Kunst- und Unterhaltungsmusik wie das Musical oder - was mich besonders freut - den Jazz. Gerade letzteres mit einem Verständnis und einem Durchdringen, wie es keinem zweiten aus der Klassik kommenden Musiker geglückt ist. Als Vermittler sowohl mit seinen Young People's Concerts und seiner TV-Sendung Omnibus ein Vorreiter und bis heute gültiger Fixstern in der musikalischen Bildung. Nehme ich dazu noch sein gewaltiges Charisma, seine umfassende humanistische und philosophische Bildung, seine politische Moral und erkenne die dunklen Seiten einer derart schillernden Figur an, so bleibt für mich unter dem Strich eine Jahrhundertgestalt.


    Gruß
    B.

  • Zitat

    Original von Barbirolli
    Für mich war Bernstein gar der universelle Musiker des 20. Jahrhunderts.


    Deshalb mein Frage nach Paul Sacher. Der stand zwar nie im Rampenlicht, hat auch keinen Lebenstil a la Bernstein geführt (nicht negativ gemeint), war aber mindestens ebenso universell (als Dirigent wohl schwächer).


    Er vergab viele Kompositionsaufräge an befreundete Komponisten wie Béla Bartók, Igor Strawinsky, Anton Webern und Alfredo Casella und förderte dadurch die zeitgenössische Musik. Er gründete eine Stiftung, die heute den Nachlass von Komponisten wie Igor Strawinsky und Anton Webern betreut.


    Sacher gründete das Basler Kammerorchester (BKO) und das Collegium Musicum Zürich (CMZ) und leitete als Dirigent auch viele Uraufführungen der von ihm geförderten Werke. 1933 gründete er die Schola Cantorum Basiliensis und war damit einer der Väter der HIP-Bewegung..


    (obige Angaben aus Wikipedia)


    Deshalb interessiert es mich, ob die beiden sich mal getroffen oder eine Korrespondenz gepflegt haben.

  • Meines Wissens nach gab es zwischen Sacher und Bernstein keinen Kontakt - zumindest keinen, der eine wechselseitige Prägung hervorgerufen hätte.
    Die Frage ist berechtigt, da ja sowohl Sacher als auch Bernstein zu den großen Anregern für die zeitgenössische Musik gehörten. Allerdings war Bernstein im Wesentlichen der Anreger für eine neoklasszistisch-amerikanisch geprägte Schule, während Sacher wohl internationaler und stilistisch umfassender seine Aufträge erteilte.
    :hello:

    ...

  • Bei der Lektüre des Wikipedia-Artikels zu Paul Sacher stieß ich auf diese Website, welche den Schweizern Mäzen und Dirigenten in nicht ganz so positivem Licht erscheinen lässt. Sacher scheint sich ebenfalls vor allem auf die Förderung der neoklassischen Moderne konzentriert zu haben:


    "http://www.christoph-keller.ch/print/printsacherd.html"

    "Mache es besser! (...) soll ein bloßes Stichblatt sein, die Stöße des Kunstrichters abglitschen zu lassen."


    (Gotthold Ephraim Lessing: Der Rezensent braucht nicht besser machen zu können, was er tadelt)

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  • Zitat

    Sacher scheint sich ebenfalls vor allem auf die Förderung der neoklassischen Moderne konzentriert zu haben:


    Schon, aber er hat einige echte Geniestreiche zu verantworten und hat auch - nun, vielleicht nicht die Avantgarde, aber doch auch mutigere Komponisten gefördert.
    Was Bernstein zeitlebens gewurmt hat, daß unter den von ihm in Auftrag gegebenen Werken eben nicht die große, weltweit anerkannte amerikanische Symphonie war.
    Bernsteins Vorbild war natürlich nicht Sacher, sondern Koussevitzky. Bernstein hoffte, er könne aus New York ein Boston mit US-Schwerpunkt machen. Was nicht gelingen konnte, denn einen Komponisten von der Größe etwa eines Strawinskij hatten die USA eben nicht. Und auch Bernsteins Flut von Aufträgen konnte das nicht erzwingen.
    :hello:

    ...

  • Zitat

    Original von Edwin Baumgartner
    Was Bernstein zeitlebens gewurmt hat, daß unter den von ihm in Auftrag gegebenen Werken eben nicht die große, weltweit anerkannte amerikanische Symphonie war.


    Hat Bernstein deswegen vielleicht versucht, selbst diese "große amerikanische Symphonie" zu schreiben?


    :hello:


    GiselherHH

    "Mache es besser! (...) soll ein bloßes Stichblatt sein, die Stöße des Kunstrichters abglitschen zu lassen."


    (Gotthold Ephraim Lessing: Der Rezensent braucht nicht besser machen zu können, was er tadelt)

  • Hallo Giselher,
    Bernstein hatte seltsamerweise als Symphoniker keine so großen Ambitionen. "Jeremiah" ist im Grund ein begabtes Frühwerk, "Age of Anxiety" ist ein seltsamer Zwitter aus Klavierkonzert, symphonischer Dichtung und Symphonie, "Kaddish" ist eigentlich keine Symphonie, sondern eine Kantate - und eher Bernsteins persönliche Auseinandersetzung mit Gott (und seinem eigenen Vater) auf der Basis des Judentums als eine Nationalsymphonie.
    Damit war sein symphonisches Schaffen weitgehend abgeschlossen. Was folgte, waren Orchesterstücke ohne symphonischen Anspruch. Ihn stellen erst erst die "Jubliee Games" wieder. Aber Bernstein war klug genug, bei diesem aus mehreren (für das Endergebnis mehr oder weniger wesentlich bearbeiteten) Stücken zusammengestellte Werk den Titel "Symphonie" zu vermeiden. Immerhin hatte Bernstein durch seine Dirigententätigkeit vor Augen und Ohren, was symphonischer Anspruch bedeutet, und er war als Komponist selbstkritisch genug, daß er wußte, wann er diesem Anspruch gerecht wird und wann nicht.


    Bernsteins wirklicher Traum, dem nahezu seine gesamte Kompositionstätigkeit untergeordnet war, war die Schaffung einer amerikanischen Oper.
    Seiner Meinung nach gab es zwar amerikanische Komponisten, die Opern schrieben, aber diese Opern waren nicht amerikanische Opern, sondern italienische Opern bestenfalls mit amerikanischen Inhalten (Menotti, Barber, Ward, Floyd) oder Opern der europäischen Neu(er)en Musik, nur von Amerikanern komponiert (Beeson, Sessions, Eaton).
    Seiner Meinung nach gab es nur zwei Ausnahmen, die beide den Rang genialen Scheiterns hatten: "Porgy and Bess" von Gershwin und "Regina" von Marc Blitzstein.
    "Porgy and Bess" hielt Bernstein für ein Meisterwerk - aber eben keine Oper, weil aus zu disparaten Elementen zusammengesetzt, sozusgen geniales Stückwerk. Bei "Regina" sah er ähnliche Fehler, außerdem gab es vom Komponisten keine endgültige Fassung (die konnte erst John Mauceri für die Decca-Einspielung erstellen), es handelte sich also auch bei "Regina" um Stückwerk - und noch dazu um nicht einmal wirklich geniales, denn über weite Strecken ist diese "Regina" einfach trocken und kommt nicht vom Fleck.


    Bernsteins Vision der amerikanischen Oper wich außerdem von der oft handfesten Dramatik, die seine Landsleute der Opernbühne verordneten, ab und war eher das, was im angloamerikanischen Raum als "sophisticated" bezeichnet wird: Musikalisch eine intellektuelle Überhöhung von Jazz und Musical, in der Handlung auf der Basis des Familiendramas, das für das amerikanische Drama beherrschend ist.


    Pläne gab es für "Lolita" und "Endstation Sehnsucht", das musikalische Material einer Oper (es ist nicht klar, welcher der beiden oder eventuell einer dritten) wurde zu "Songfest" usw. usf.


    Erst mit "Quiet Place" realisierte Bernstein seinen Traum vollinhaltlich: Intellektuell verfeinerter Jazz, der durch zwölftönige Verfahren verfremdet wird, dazu (ebenfalls in die zwölftönige Harmonik eingepaßte) Musicalelemente, die Melodik abgeleitet aus dem Tonfall der amerikanischen Umgangssprache, dazu eine Handlung, die menschliche Grundprobleme in einer quasi beispielhaften amerikanische Familie konzentriert. Es zählt zu Bernsteins schmerzlichsten Erfahrungen, daß diese sehr intelligente Oper, die sicherlich Schwächen hat, nichts desto weniger aber eine beachtliche leistung darstellt, in den USA mit Bomben und Granaten durchgefallen ist, in einer verbesserten Zweitversion an der Scala nocheinmal durchgefallen ist und in der Wiener Staatsoper - obwohl Bernstein selbst dirigierte - über einen Achtungserfolg nicht hinauskam. Das Publikum hatte etwas Schmissiges erwartet und war enttäuscht, ein relativ herbes Stück vorgesetzt zu bekommen, von dem kaum eine Melodie im Ohr blieb.


    Mit dieser Sehnsucht nach der amerikanischen Oper hat übrigens auch Bernsteins eigene Einspielung der "West Side Story" zu tun, die versucht, die vokal opernhaften Elemente und den motivisch akribisch durchgearbeiteten Orchestersatz zu betonen, und auch Bernsteins "Candide"-Einspielung sowie seine unzähligen Versionen dieses Srücks gehen in die Richtung, aus einem Musical und einer "American Operetta" durch die Aufführung eine "American Opera" zu machen.


    :hello:

    ...

  • Am 24. August 2008 im Deutschen Fernsehen - 1festival:


    Leonard Bernstein zum 90. Geburtstag


    Zitat

    Er war ein musikalisches Universalgenie: Leonard Bernstein, der am 25. August 90 Jahre alt geworden wäre, arbeitete als Pianist, Komponist von Bühnen-, Film- und sinfonischen Werken, war einer der großen Dirigenten des 20. Jahrhunderts und ein begeisternder Pädagoge.


    Mit einer Verfilmung seines ersten Musicals "On the town" und drei Konzertmitschnitten ehrt EinsFestival den Künstler, der am 14. Oktober 1990 starb. Sein Nachlass: unter anderem Meisterwerke wie die „West Side Story“, Gesamtaufnahmen von Mahlers Sinfonien und Aufzeichnungen seiner Vorlesungen in Harvard.


    Sendungen dieser Reihe:


    * On the Town - Heut' gehn wir bummeln
    24.08.2008, 13:15 Uhr


    * Leonard Bernstein spielt George Gershwin
    24.08.2008, 20:15 Uhr


    * Leonard Bernstein dirigiert The Stars and Stripes forever
    24.08.2008, 20:30 Uhr


    * Leonard Bernstein dirigiert Sibelius Sinfonie Nr. 5 op. 82
    24.08.2008, 20:35 Uhr


    LG


    :hello:

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Original von Barbirolli


    Für mich war Bernstein gar der universelle Musiker des 20. Jahrhunderts. Komponist höchst unterschiedlicher Werke, als Dirigent einer der überragenden Interpreten, dessen Antrieb und damit verbundenen Fehlleistungen Edwin wunderbar beschrieben hat. Als Pianist hervorragend, doch auch hier mit offenen Flanken, die Grund zum Angriff bieten können.



    Volle Zustimmung meinerseits. Um es auf den Punkt zu bringen: Für mich war Bernstein - wir gedenken am heutigen 25. August 2008 seines 90. Geburtstags - der Liszt des 20. Jahrhunderts!


    Beide waren zu ihrer Lebenszeit gewissermaßen Weltmeister im "musikalischen Triathlon" aus (A) Komponist, (B) Dirigent und (C) Pianist. Wer sollte ihnen darin gleichgekommen sein?


    (A) Liszts etwa gleichaltrige Pianistenkollegen waren entweder keine bedeutenden Tonschöpfer (wie z.B. Kalkbrenner, Hertz, Moscheles) oder aber keine Dirigenten von Rang (wie Chopin oder Berlioz). Franz Liszt wies der Klaviermusik die Richtung in eine neue Dimension und schenkte der Symphonik eine neue Gattung.
    Bernstein hat mit der "West Side Story" das nach Gershwin bis heute wichtigste Musikwerk eines US-Amerikaners geschrieben, das ihn ganz nebenbei steinreich machte. Leider ist ihm nach diesem Wurf nichts Vergleichbares mehr geglückt, was sich freilich auch schon bei etlichen Komponisten des 19. Jahrhunderts - bestes Bsp. vielleicht C.M. von Weber - so verhielt.


    (B) Bernsteins beste "Disziplin" scheint mir das Dirigieren gewesen zu sein. Von ihm gibt es dabei fast nie Mittelmaß. Alles wirkt vital und - gerade bei Mahler - elementar. Natürlich lag ihm Beethoven mehr als Haydn, und Mahler mehr als etwa Reger. Faustformel: Je mehr Expressivität, je mehr Extreme in Form und/oder Dynamik, desto bessere Voraussetzungen fand Lennies Charakter für ein kongeniales Dirigat. Meine persönliche Lieblingsaufnahme von ihm überhaupt ist Rachmaninows "Paganini-Rhapsodie" mit Gary Graffman als Solisten - aus meiner Sicht DIE Referenz dieses gewaltigen Konzertstücks. Hier laufen die New Yorker, Bernsteins sonst nicht immer in allen Belangen überzeugendes Stammorchester, zu absoluter Weltklasse auf. Das ist SEINE Leistung.
    Liszt, von dem wir bedauerlicherweise keine Tonträger besitzen, hat einen nicht geringen Teil seiner Meriten als Dirigent sich durch seine Förderung noch wenig bekannter Komponisten wie Smetana, Saint-Saens und natürlich Wagner erworben. Was wäre aus Wagner ohne Liszts nachhaltiges selbstloses Engagement (inkl. Uraufführungen mehrerer Opern) geworden?! Als Dirigent ist Liszt dennoch sicher am schwersten einschätzbar.


    (C) Liszt als Pianist hingegen bedarf keiner Erläuterung. Er ließ all seine Zeitgenossen um Längen hinter sich, viele Zuhörer gerieten durch sein Spiel in einen tranceartigen Zustand. Beethoven lernte man in Paris, das bis dahin Mozart huldigte, verstehen erst durch Liszts Interpretation der Klaviersonaten.
    Bernstein hat einige Aufnahmen als Pianist gemacht, besonders von mir geschätzt wird Gershwins "Rhapsody in Blue", wohl ebenfalls Referenz-Niveau, weil wirklich alles stimmig ist und "uramerikanisch" klingt. Alles in allem wage ich zu behaupten, dass sein Rang als Pianist hinter dem auf kompositorischem Gebiet kaum zurücksteht.



    Als vierte Disziplin könnte man eigentlich die musikalische Pädagogik hinzufügen. Andere mögen einwenden, dass sie bei Liszt wie Bernstein im Wesentlichen nur die Weitergabe von Wissen und Erfahrung aus der eigenen Interpretation war - im Gegensatz zur akademisch-theoretischen Musiklehre.
    Wie auch immer: Beide Genannten gingen als Musikpädagogen durch grundlegende Leistungen in die Musikgeschichte ein: Während der
    Burgenländer als alter Mann in Weimar die größten pianistischen Nachwuchstalente seiner Zeit um sich versammelte und oft entscheidend beeinflusst haben soll, sind es beim heutigen Geburtstagskind aus Massachusetts vor allem die "Young People's Concerts" gewesen, die eine halbe Generation junger US-Amerikaner via Fernsehbildschirm der Klassischen Musik näherbrachte (isg. 53 Konzerte von 1958-1972).
    Helmuth Rilling verneinte übrigens vor einigen Jahren, als ich ihn zu interviewen die Ehre hatte, die Frage, ob Bernsteins "Y.P.C." das Vorbild für seine Gesprächskonzerte waren.



    Die fünfte "Disziplin" des Verführers und Eroberers der Herzen - in beiden Fällen soll es reihenweise Ohnmachtszustände gegeben haben, wobei eine Story wie die von Liszts Lola Montez mir bei Bernstein noch nicht zu Ohren gekommen ist - sei nur scherzhalber erwähnt. Die zwei Männer müssen über ein außergewöhnliches Maß an Charme und Charisma verfügt haben.



    Na denn, Happy birthday zum 90., Mister Bernstein!

  • Lieber PianoForte,
    prinzipiell stimme ich Dir in allen Punkten zu - nur in einem nicht, nämlich:

    Zitat

    Bernstein hat mit der "West Side Story" das nach Gershwin bis heute wichtigste Musikwerk eines US-Amerikaners geschrieben, das ihn ganz nebenbei steinreich machte. Leider ist ihm nach diesem Wurf nichts Vergleichbares mehr geglückt,


    Dazu muß man sich vor Augen halten, daß Bernstein mit der "West Side Story" das Kapitel Musical für sich als abgeschlossen betrachtete. "1600 Pennsylvania Avenue" komponierte er nur nach endlos langen Zureden, weil man ihm den Floh ins Ohr setzte, das gespann Lerner and Lennie könne den meilenstein des US-Unterhaltungstheaters zusammenbringen. Bernstein war aber über das "normale" Musical weit hinaus, schrieb eine ziemlich komplexe Partitur, und der Flop war fertig.


    Hätte er "1600" nicht komponiert, wäre der Blick auf sein Werk etwas klarer: Bernstein hatte sich nach "West Side Story" vom Unterhaltungstheater abgewendet, weshalb er auch gar nicht mehr am Serienerfolg interessiert war. Etwas Vergleichbares ist ihm daher schon deshalb nicht mehr gelungen, weil er es auch gar nicht angestrebt hat. Es gibt allerdings zahlreiche Werke nach der "West Side Story", die ähnlich dicht und sogar dichter gearbeitet sind und deren Qualität mindestens so hoch ist wie die der "West Side Story" - nur sind sie eben nicht Musical, sondern Orchesterwek, szenische Mischform und, in einem Fall, Oper.


    :hello:

    ...

  • Ich stimme auch in vielen Punkten zu, aber nicht in allen. V.a. als Dirigent ward nicht alles zu Gold, was er da anfasste. Auch teile ich die Ansicht nicht, Beethoven hätte ihm mehr als Haydn gelegen. Gerade sein Haydn-Dirigat zeigt, daß Bernstein weitab des Klischees vom reinen Emphase-Dirigenten agierte. Seine Einspielung z.B. der 88. mit den Wienern zeigt einen kultivierten, frischen Ton, der kaum zu Extremen neigt. Ein, wenn ich das so sagen darf, humaner Haydn.
    Gerade dort, wo die Musik Gefahr läuft, überemotional dargeboten zu werden, da bleibt Bernsteins Sichtweise nicht immer ohne Zweifel (Sibelius, Tschaikowski) - dennoch Interpretationen außerordentlichen Ranges. Es gibt auch Dirigate mit denen ich weniger anfangen kann, z.B. seinen Brahms mit den Wienern, insbesondere die 3. oder noch ärger, Schumanns 1. mit den Israelis. Das ist, v.a. zu Beginn des Werks, kein Schumann, sondern eher Wagner. Meines Erachtens völlig verfehlt.


    Ich will bei einem meiner absoluten Lieblinge der Musikgeschichte natürlich nicht mit Negativkritik enden, sondern mich PianoFortes lobenden Worten anschließen. Das Phänomen Bernstein war mehr als nur ein Komponist und Dirigent und Pianist. Bernstein war die Verkörperung der Leidenschaft an und mit der Musik - ein Genie unter der Sonne, das ich leider nicht mehr im Konzertsaal erleben durfte.


    :hello:
    Wulf

  • Zitat

    Original von Edwin Baumgartner
    Laß es, Georg, das ist eine Erfahrung, die ich mit bekennenden Karajanitern immer wieder gemacht habe: Die musikalische Universalität Bernsteins sitzt ihnen wie ein Stachel im Fleisch, da sie sie als Faktum akzeptieren müssen und nicht einmal mit dem Hinweis auf einen persönlichen Geschmack wegdiskutieren können.
    :hello:


    Lieber Edwin!


    Das ist zwar nicht an mich gerichtet, was Du da gschrieben hast, aber


    Karajan hat gemeint, dass er nach dem Verlassen der WSO einen "müden Ackergaul" zurückgelassen hat,


    jedoch hat Leonard Bernstein dann mit dem "Rosenkavalier" in der Schenk Inszenierung, dann die "Hohe Schule" bewiesen.


    Das haben schon manche Dirigenten gemeint, Gustav Mahler, Clemens Krauss, Karl Böhm....


    Liebe Grüße Peter aus Wien. :hello: :hello:

  • Bernstein wurde 90. und keinen hat's interessiert?
    Es passt nirgendwo richtig hin, deshalb ein eigenes Thema:


    Nun war ich einige Zeit nur passiv bei Tamino und habe ein pünktliches Geburtstagsposting verpasst. Bei meiner Vorstellung im Februar 2007 war der 90. Lennys noch 18 Monate entfernt. Jetzt ist er gute acht Woche rum und nix ist passiert.
    Schade eigentlich. Ich bin gespannt, was ich zehn Jahren zum 100sten erlebe.


    Immerhin: alte Videos werden nach und nach auf DVD wiederveröffentlicht. Eine tolle Sache und längst überfällig.


    Wo aber bleibt die erneute VÖ des Rosenkavaliers?
    Das darf doch nicht wahr sein, dass es diese Aufnahme seit Jahren nicht zu kaufen gibt!


    Warum gab es Haydn und Sibelius als "Intégrale" von Sony Frankreich, aber nicht hier?


    Ich hätte mit etwas größerer Aufmerksamkeit gerade bei der DGG gerechnet.


    Any comments from fellow Lenny-Lovers?


    Beste Grüße
    Accuphan

    „In sanfter Extase“ - Richard Strauss (Alpensinfonie, Ziffer 135)

  • Lieber Accuphan!


    In Österreich ORF, aber ich glaube auch in 3sat, wurde anlässlich des 90. Geburtstag von Lennie Bernstein,


    "Die Schöpfung" aus der Basilika Ottobeuren gesandt (mit Judith Blegen, Lucia Popp, Thomas Moser, Kurt Moll und Kurt Ollmann).


    Das war im Februar 2008.


    Leider was Anderes, wie "seinen" "Rosenkavalier" aus der Wiener Staatsoper in der Otto Schenk Inszenierung nicht,


    von West Side Story nicht zu reden.


    Also hast zum Großteil Recht.


    Liebe Grüße sendet Dir Peter aus Wien. :hello: :hello:

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