Ferdinand Ries - Wer kennt den schon? - ein Beethoven Epigone

  • Ich enthalte mich einer Empfehlung, weil ich ALLE Sinfonien für hörenswert halte. Mein persönlicher Einstieg war die Sinfonie Nr 5 (gekoppelt mit der Nr 3 - die andern waren noch nicht auf CD erschienen, ja vielleicht noch gar nicht geplant ?)
    , und als ich sie das erste Mal einem Bekannten vorführte - beide waren wir schon leicht illuminiert (vornehmer Ausdruck für alkoholisiert) - da konnten wir uns vor Lachen kaum halten.
    Der Grund war die Reminiszenz an Beethovens 5.
    Ries schafft das - ohne ein Thema wirklich zu zitieren.
    Dennoch - "Das Klopfen des Schicksals" ist - wenn auch anders verarbeiten - nicht zu überhören - und wirkt - wenn man es so hören will - sogar ein wenig parodistisch.....
    Aber ABSOLUT gesehen ist dieser Kopfsatz eine reine Freude für jeden Beethoven-Liebhaber......


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Ries hat es geschafft, mich als Sinfoniker manchmal mehr zu beeindrucken als Beethoven. Vielleicht liegt es daran, dass die Sinfonien von Ries unverbrauchter als die Beethovens wirken und tatsächlich auch mögliche Spielweisen von Beethovens Stil anbieten, die man so erhofft aber nicht erwartet hätte. Ich gehe sogar soweit zu behaupten, dass Ries tatsächlich einer der größten Sinfoniker des beginnenden 19. Jhds war und die Sinfonie No. 6 von ihm zum Beispiel (und die anderen könnte ich auch gleich anfügen, vielleicht mit Abstrichen die No. 8, die er wohl zu Recht nicht veröffentlicht hat) meines erachtens eines der Gipfelwerke der 1820er ist. Als hätten Beethoven und Haydn einen hochbegabten Sohn mit eigenem Kopf gezeugt.


    Ries Sinfonien sollten auf einer Ebene mit denen Beethovens im Konzertsaal aufgeführt werden. Selbst oberflächlichen Liebhabern der Klassik dürften sie sehr zusagen. An dieser Stelle frage ich mich immer, wie über Ries' Sinfonien gesprochen werden würde, wenn man sie als Werke Beethovens verkauft werden würden (ein gewisser Herr Witt hatte deswegen eine nicht unbeachtliche Reputation erhalten - die bekannte "Jenaer" Sinfonie ex C).


    Für Alfred noch der Hinweis, dass im Herbst 07 die sehr rührige Kölner Akademie zwei Ouvertüren, ein Violinkonzert und ein Doppelkonzert für zwei Hörner eingespielt hat und dieses wohl im Laufe des Jahres auf cpo veröffentlicht werden sollte.


    Und ich höre mir jetzt gleich mal wieder ein paar Ries Sinfonien an!

    HERNEN

  • Dieser Tage bei 2001:


    Beethoven/Ries Clarinet Trios bei Brilliant mitgenommen.


    Beethoven Op. 38 (eigene Transskr. von Op. 20)
    Op. 11, Gassenhauer Trio
    Ries Op. 28 Trio
    Op. 169 Sonate für Klarinette und Piano
    Op. 29 "


    also offenbar Werke aus verschiedenen Epochen. Ich habe nicht herausfinden können z. B bei Klassika, wann was komponiert wurde, da es Op. und WoO Verzeichnisse gibt.


    Nach dem Hören:
    Diese wenigen Beispiele an Kammermusik können keinen Eindruck vermitteln, wenn man sonst von Ries nichts kennt. Dennoch habe ich bei anderen Komponisten schon erfahren, daß Kammermusik eine andere "Spielwiese" ist, intensiver, ambitionierter.


    Die beiden Beethovenstücke gehören nicht zu meinen Favoriten, aber sie haben für mich einen viel stärkeren Charakter.


    Angenommen, Op. 28 und 29 wurden in jüngeren Jahren, Op. 169 spät geschrieben, erkenne ich keine Entwicklung.
    Die Themen berühren mich nicht, ausgenommen vielleicht der 3. Satz von Op. 28. Die Verarbeitung der Themen ist, da ich versuche immer konzentriert zuzuhören, also keine "Hintergrundsmusik" laufen habe, auch überhaupt nicht spannend gemacht.
    Also eher eine Enttäuschung.Macht nicht Appetit, sich z. B. die Sinfonien zu kaufen und dann nur zu stapeln.
    Sicher auch ein Fehler, im Anschluß D 959 von Schubert anzuhören, weil das heute hier in einem Konzert gespielt wird.
    Die Zeitgenossen von Beethoven und Schubert haben es damals nicht leicht gehabt, aber heute offenbar auch nicht.


    Lieben Gruß aus Bonn :untertauch:

    Was Du nicht willst, das man Dir tu, das füg auch keinem andern zu


  • Wer spielt denn, und auf welcher Art Gerät?

  • Hi,


    es dürfte sich um diese Ausgabe handeln.


    :hello:

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Genau die!
    In Klassika wird mit dem gleichen Programm für eine andere CD geworben, ich glaube von dem Label, welches Ries produziert.
    Also sind die Klarinettenstücke gar nicht so marginal.


    Lieben Gruß aus Bonn :hello:

    Was Du nicht willst, das man Dir tu, das füg auch keinem andern zu

  • Hallo miguel. Ich habe Deine Frage erst jetzt gesehen.


    Es spielen Ries: Vlad Weverbergh - Klarinette
    Jadranka Gasparovic, Cello
    Vasily Ilisavsky, Piano.


    Beethoven: wie oben, aber Benjamin Glorieux, Cello.


    Lieben Gruß aus Bonn :hello:

    Was Du nicht willst, das man Dir tu, das füg auch keinem andern zu

  • Zitat

    Original von Norbert
    Trotzdem lege ich weiterhin die Sinfonien Nr. 4 und 6 ans Herz. Bei der 4. hört man einige Anleihen an Beethoven, aber den (imo geglückten) Versuch,eine eigene Tonsprache zu entwickeln. In einer zeitgenössischen Kritik heißt es, das Werk "verräth den Meister im Schüler und im Schüler den Meister".


    Die Vierte gefällt mir bis jetzt wirklich ausnehmend gut: Besonders die bald gruselige Einleitung und die versöhnliche pastorale Horn-Stelle, welche dann auch im Kopfsatz wiederkehrt. Das Cellosolo im zweiten Satz gefällt mir ebenso, wie das stark an Beethoven erinnernde Scherzo. Und höre ich da nicht sehr verstekct das "Freude"-Thema im Finalsatz...?


    Zitat

    Die 6. kann man als Abgrenzung von Beethoven verstehen, denn die Satzreihenfolge lautet 1. Larghetto con moto - Allegro, 2. Menuetto. Moderato, 3. Larghetto con moto und 4. Finale. Allegro con brio.
    Zum Finale schreibt Ries: "Ich habe... zum Finale Türkische Musik gesetzt, deren Effekt ganz außerordentlich ist."


    Die Sechste - besonders das alla turca finde ich ziemlich bescheuert [muß wohl an der Nr. liegen...]. Das konnte ja sogar Süßmayr besser... :rolleyes: Und das allgemeine Uff-Ta-Ta á la Verdi im Finale muß auch nicht sein. Mal schaun, ob ich mir #7 und #8 noch antun werde. Komponisten dieser Zeit werden mit zunehmendem Alter meistens irgendwie schlechter... so würde ich z.B. Carl Maria von Weber [ob nun Mozarts Cousin oder nicht] die Erfindung der Operette in die Schuhe schieben - und ihm das niemals verzeihen. Aber bis zu Ries' Fünfter gehe ich ruhigen Gewissens mit!


    Jedenfalls wäre es an der Zeit, die Sinfonien einmal richtig, also HIP, einzuspielen. Ebenso die Klavierkonzerte. Wobei ich anmerken möchte, daß ich die Einspielungen von Griffith mit dem ZKO sogar recht erträglich finde.


    :hello:


    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Hallo!


    Ich bin ganz erstaunt, daß die Klavierquartette noch nicht erwähnt wurden:



    Werke und Interpretation sind phänomenal - einer meiner allerbesten Käufe 2008 im Breich Kammermusik (und da war etliches...)! :jubel::jubel::jubel::jubel:


    Zum Vergleich mit Beethoven: Der kann mit seinen Klavierquartetten im direkten Vergleich einpacken, es lebe der Epigone! :yes:



    Ich würde gerne EINE cpo-CD mit Ries-Symphonien auf meine Wunschliste setzen. Aus dem hier und in anderen threads geschriebenen werde ich aber beim besten Willen nicht schlau, welche der viere das denn am besten sein soll.
    Also habe ich nun die Gesamtaufnahme auf die Wunschliste geschrieben. Grrrr...


    Viele Grüße,
    Pius.


    EDIT: Sollte der thread nicht lieber ins Komponisten-Unterforum?

  • Zitat

    Original von Ulli
    Komponisten dieser Zeit werden mit zunehmendem Alter meistens irgendwie schlechter...


    Die vier großen (Zeitspanne Haydn-Schubert) aber gerade umgekehrt... seltsam ?(

    "Das Große an der Musik von Richard Strauss ist, daß sie ein Argument darstellt und untermauert, das über alle Dogmen der Kunst - alle Fragen von Stil und Geschmack und Idiom -, über alle nichtigen, unfruchtbaren Voreingenommenheiten des Chronisten hinausgeht.Sie bietet uns das Beispiel eines Menschen, der seine eigene Zeit bereichert, indem er keiner angehört." - Glenn Gould

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  • :hahahaha: :hahahaha: :hahahaha:


    Entschuldigt diesen Zwischenruf, aber mir ist grade was verblüffendes passiert:
    Eben schaltete ich Radio Swiss Classic ein - es ertönte ein mir unbekanntes Klaiverkonzert in Mendelssohn-Nähe, welches mich - insbesondere in seinem heiter-fildelen Schlusssatz packte...
    Während ich also dem Konzert lauschte, wühlte ich bei Tamino herum...unter anderem in diesem Thread.


    Es war das Klavierkonzert in As-Dur von Ferdinand Ries...in der von Ulli so ungeliebten Aufnahme mit dem Hinterhuber! ;)


    Zufälle gibts...


    LG
    Raphael

  • Zitat

    Original von Pius
    Ich bin ganz erstaunt, daß die Klavierquartette noch nicht erwähnt wurden:



    Werke und Interpretation sind phänomenal - einer meiner allerbesten Käufe 2008 im Breich Kammermusik (und da war etliches...)! :jubel::jubel::jubel::jubel:


    Hab ich auch, seit sie rausgekommen ist und bin auch sehr zufrieden mit! :)


    Zitat

    Ich würde gerne EINE cpo-CD mit Ries-Symphonien auf meine Wunschliste setzen. Aus dem hier und in anderen threads geschriebenen werde ich aber beim besten Willen nicht schlau, welche der viere das denn am besten sein soll.
    Also habe ich nun die Gesamtaufnahme auf die Wunschliste geschrieben. Grrrr...


    Sollte es eine sein, dann würd ich diese nehmen



    aber bei dem Preis kann man gleich alle nehmen :D
    (hab mir die damals alle einzeln gekauft und doch deutlich mehr gezahlt als Du jetzt dann blechen würdest - dafür durfte ich auch schon eher hören :P )


    :hello:
    Stefan

    Viva la libertà!

  • Zitat

    Original von rappy


    Die vier großen (Zeitspanne Haydn-Schubert) aber gerade umgekehrt... seltsam ?(


    Wieso seltsam? Deshalb sind sie ja auch groß.


    :lips:


    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Vielleicht liegt es ja nur daran.. 8o

    "Das Große an der Musik von Richard Strauss ist, daß sie ein Argument darstellt und untermauert, das über alle Dogmen der Kunst - alle Fragen von Stil und Geschmack und Idiom -, über alle nichtigen, unfruchtbaren Voreingenommenheiten des Chronisten hinausgeht.Sie bietet uns das Beispiel eines Menschen, der seine eigene Zeit bereichert, indem er keiner angehört." - Glenn Gould


  • Beethoven war ungefähr 14, als er die Klavierquartette schrieb...


    Ich war von den Cheng-Lo-Sonaten vergleichweise enttäuscht, eine CD mit Streich-Quartetten gefiel mir wesentlich besser, die muß ich aber nochmal ausführlicher hören. Von den Sinfonien habe ich neulich 3+5 gekauft, kann ich aber noch nichts dazu sagen.



    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Mittlerweile habe ich auch die beiden Quartette gehört und die Hörbeispiele haben nicht zuviel versprochen.


    op.13 f-moll


    Eiin heftiger Ausbruch kurz unterbrochen von einem ruhigeren Kontrast gleich am Anfang im 1.Satz folgt ein wunderschön lyrisches Thema vom Klavier vorgetragen...was für eine Inspiration! Stilistisch könnte das m.M. nach ebenso aus Mozarts Spätzeit stammen, das subtil zerbrechlich, wehmütige an dieser Melodie erinnert mich stark an die molligen Abgründe Mozarts.
    Ries setzt darauffolgend öfters auf ausgewogenes Kontrastverhältnis zwischen Ausbrüchen und lyrischeren Abschnitten - das Seitenthema ist wohl mehr seiner Entstehungszeit als das eher spätklassizistisch klingende Hauptthema verbunden.


    Der 2.Satz ein Andantino, soweit ich das vernehmen kann in F-Dur eher zurückhaltend und introverdiert, die Themen (das Seitenthema wieder in moll) schliessen den Gedanken nicht vollkommen ab bevor nach einer kurzen Pause das darauffolgende beginnt, im Verlauf werden diese varriiert - insgesamt ebenso einen starken Anklang an die Spätklassik rauszuhören. Dieser Satz gefällt mir aber am wenigsten.


    Der 3.Satz eröffnet mit einem eher beschwingten Thema des Klaviers in f-moll, es entwickelt sich darausfolgend eine Abwechslung zwischen den Instrumenten und dem schnellen Wechselspiel der Dur/Moll-Stimmungen.
    Darauf folgt eine sog. Fughette - bei der Coda am Ende werden nochmal alle Emotionen und gänzliche Leidenschaft reingepackt und führt somit zu einem energischen, kraftvollen Ende.


    op.17 Es-Dur


    Hier klingt Ries schon romantischer, der 1.Satz erinnert mich schon mehr an die Kammermusik Mendelssohns, auch Beethoven tritt stellenweise sehr deutlich hervor, vor allem im Seitenthema oder dem späteren Motifwechsel zwischen dem solistischen Klavier und den Streichern, im booklet steht dazu
    "Wenn wir nach Elementen suchen von dem das Klavierquartett op.17 beeinflußt wurde, müssen wir uns mit 2 Werken von Ludwig van Beethoven befassen: mit dem Erzherzog-Trio und dem Tripelkonzert. Gleichwohl zitiert Ries nicht wörtlich, viel mehr findet er seine eigene Stimme"


    Der 2.Satz beginnt soweit ich das heraushören kann in as-moll mit einer solistischen Figuration des Klaviers dessen sich dann die Streicherinstrumente getragen in melancholisch gehaltener Trauerstimmung hinzugesellen. Darauf folgt ein Thema in Dur das hier wohl den eher tröstenden Charakter einnehmen soll, im weiteren Verlauf ebenso immer mehr an Melancholie gewinnt (kurze Abstecher nach Moll) um schließlich wieder durch eine relativ kurze Überleitung zum Anfangsthema zurückzukehren. Gesamteinheitlich ist hier wieder mehr die spätklassische Form vertreten.


    Der 3.Satz zum eindeutigen Kontrast des zuvorgehenden Themas sehr spritzig, rythmisch und heiter - ich kenn mich ja nicht so mit den Namen der Rythmen aus, der von den Streichern anfänglich begleitete Pizzicato-Rythmus würde ich wohl am ehesten als Polka einstufen (?) klingt aber eindeutig nach einem ländlerischen Tanz von Schubert, so wie ich meine der Schubert Franz sein Geiste überhaupt stark in diesem Satz gefunden werden kann. Ein toller Satz der wirklich Freude zum anhören bereitet - Schubert-Fans sei dieser wärmstens empfohlen! Kurze rythmische Moll-Passagen kontrastieren zur sonst allgemeinen positiven, tänzerischen Grundstimmung, die Durchführung mag ich auch besonders und die Überleitungen sehr effektvoll und gekonnt...allgemein hört man hier wie begnadet Ries eigentlich komponieren konnte.


    Alles in Allem ist diese Musik für mich die große Entdeckung des Jahres. Schade das im booklet nicht angegeben wurde wann genau Ries diese Werke geschrieben hat um ungefähr eine zeitliche Orientierung zu haben inwieweit er von diesem oder jenem Werk auch beeinflußt werden konnte.
    Diese Quartette sind für sich schon stilistisch sehr vielseitig wie ich finde und
    großteils auf sehr hohem Niveau - hier braucht er sich wie ich finde vor keinem großen Namen verstecken. Es ist ein Jammer das diese Werke nicht populärer sind - zum. von mir gibts schon mal ein
    :jubel::jubel::jubel:


    lg
    Thomas

    „Eine Erkenntnis von heute kann die Tochter eines Irrtums von gestern sein.” (Marie von Ebner-Eschenbach)

  • Zitat

    Original von Pius
    Ich würde gerne EINE cpo-CD mit Ries-Symphonien auf meine Wunschliste setzen. Aus dem hier und in anderen threads geschriebenen werde ich aber beim besten Willen nicht schlau, welche der viere das denn am besten sein soll.
    Also habe ich nun die Gesamtaufnahme auf die Wunschliste geschrieben. Grrrr...


    Ein Durchhören der entliehenen Gesamtaufnahme hat mich da auch nicht weitergebracht.
    Als die besten Symphonien habe ich für mich die Nummern 2, 5 und 7 ausmachen können - natürlich auf drei verschiedenen CDs. Dummerweise finde ich, die CD mit Nr. 4 und Nr. 6 ist irgendwie die gelungenste - somit brauche ich dann doch bereits alle vier CDs, obwohl ich auf die Symphonien Nr. 1 und Nr. 3 sehr gut verzichten könnte, diese beiden fand ich eher enttäuschend (die frühen Symphonien von Schubert, Nr. 1-4, gefallen mir allerdings auch nicht, den Stil finde ich vergleichbar).


    Viele Grüße,
    Pius.

  • Hallo allerseits,
    Da ich immer ein offenes Ohr für neue (und für mich unbekanntere Komponisten) habe, und angeregt durch diesen Thread habe ich mir dann auch folgende CD's gekauft.





    Als erstes hörte ich die Klavierquartette. Die finde ich als qualitativ und mit abstand die beste CD. Iddeenreich, genial komponiert, passt alles, habe nicht das Gefühl, das schon mal gehört zu haben. Ich bin begeistert.


    Das Klavierkonzert op 55, gefällt mir auf Anhieb nicht. Den Klavierpart finde ich langweilig, klingt alles romantisch, kommt IMO nie in die Nähe eines Beethoven oder Brahms, nicht mal Schuman.


    Die Sinfonien sind nach einmaligen Hören schon OK. Klingt nach Beethoven, kommt aber IMO nie an eine Sinfonie (Vielleicht 1& 2) heran. Ich werde sie mir noch mehrmals anhören und mich später dazu noch äußern, aber ich habe jetzt schon das Gefühl daß seine Kammermusik bei mir besser ankommt. Wie sind seine Cellosonaten und Klaviertrios, kennt die jemand?


    gruß
    roman

  • Zitat

    Wie sind seine Cellosonaten und Klaviertrios, kennt die jemand?


    Es nützt Dir leider nichts, wenn ich sie kenne.
    Ich bin eher ein Kenner in Sachen Oper, Sinfonie und Konzert, als in Sachen Kammermusik (wenngleich ich gerade in den letzten 3 Jahren - nach einem Tamino Preisrätsel - diesem Genre verstärkt Beachtung schenke)
    Aber der Hauptgrund, warum ich Dir nicht raten kann, liegt eher darin, daß Du schon die Sinfonien als "Ok" (aber offensichtlich nicht mehr) einstufst, während ich sie als "begeisternd" einstufe


    Jedoch erinnere ich mich, daß ich beim ersten Mal, als ich eine Sinfonie von Ries hörte, sogar unangenehm berührt war. Die Nähe zu Beethoven empfand ich als aufgesetzt - und sogar peinlich - die Stellen wo er das Vorbild verließ - fielen mir anfangs hingegen gar nicht auf - so sehr war ich damit beschäftigt, Ries als Plagiator zu entlarven - was mir letztlich nicht gelang.
    Erst nach einem halben Jahr, als ich einiges erneut hörte - entdeckte ich, welches Potential in den Werken steckte.


    Interessant ist, daß jeder, der diese Werke positiv beurteilt, sofort ergänzt, sie kämen SELBSTVERSTÄNDLICH NICHT an Beethoven heran (welche Blamage für die Musikwissenschaft, wenn das so wäre !!!)
    Ich will darüber nicht diskutieren und behaupte lediglich, daß von allen Beethoven Zeitgenossen und Epigonen, Ferdinand Ries mit Abstand der beeindruckendste, interessanteste und fruchtbarste war. Er sollte mit anderen Beethoven-Zeitgenossen verglichen verden.


    Hier die Links zu weiteren Riese Threads


    (Noch nicht im Thread Directory - wird noch heute ausgebessert)



    Ferdinand RIES - Aus dem Schatten Beethovens - Die Streichquartette
    Ferdinand Ries: Sinfonie Nr 5 in d-moll op 112 -Epigonales Meisterwerk ?
    Doch kein Schüler von Beethoven? Ferdinand Ries [1784-1838] - seine Klavierkonzerte
    Der Lieblingsschüler von Beethoven - Ferdinand Ries und seine Klaviersonaten
    Ferdinand Ries: Sinfonie Nr 1 in D-dur op 23 - Phänomenaler Einstieg in die Welt der Symphonie !!
    Ferdinand Ries: Sinfonie WoO 30 in Es-Dur - die "Achte" mit Vorbehalt


    und


    sehr nahe am Thema:


    Beethoven - welchen Einfluß hatte er auf zeitgenössische und nachgeborene Komponisten ?



    Viel Spaß
    beim Stöbern und ergänzen


    wünscht Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Lieber Alfred,


    vielen Dank für Deine Einschätzung und für die Threadliste.


    Vielleicht hätte ich noch nichts über die Sinfonien sagen sollen, nach einmaligen Hören, sie als OK einzustufen, es war halt einen Ersteindruck, nachdem ich von seinen Klavierquartetten gleich begeistert war.


    Ich habe seine Sinfonien im Auto gehört. Vielleicht nicht der allerbeste Ort und Zeitpunkt neue Musik kennenzulernen. Ich höre gerade jetzt seine Fünfte, und muß gestehen, die gefällt mir jetzt schon wesentlich besser. Und ich bin mir sicher, daß ich auch den Weg zu seinen anderen Sinfonien finde.


    Ich jedenfalls, brauche immer etwas Zeit, mich mit einem Werk auseinanderzusetzen. Beethoven’s Sinfonien kennt man in- und auswendig, hundertemale gehört, und noch immer sind sie spannend, interessant und vor allem sehr gefällig. Diese Musik ist im Ohr, man kennt sie, da hat (für mich) jeder unbekannte Zeitgenosse es schwer, dem Meister das Wasser zu reichen.


    Dafür liebe ich TAMINO, daß ich noch so viele musikalische Schätze ausgraben kann.


    Viele Grüße
    Roman

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  • Zitat

    Original von Alfred_Schmidt
    Interessant ist, daß jeder, der diese Werke positiv beurteilt, sofort ergänzt, sie kämen SELBSTVERSTÄNDLICH NICHT an Beethoven heran (welche Blamage für die Musikwissenschaft, wenn das so wäre !!!)


    Hallo Alfred,


    ein Umstand, den ich auch befremdlich finde. Als ob der Autor aus lauter Angst vor Seriositätsverlust beim Posten noch schnell ergänzen muss, was jeder hören will - man könnte ja eines vernebelten Verstands bezichtigt werden, fände man ausschließlich begeisternde Worte ohne die alles relativierende Schubalde zu bemühen.
    Vielleicht nehmen wir aber auch instinktiv bei Werken, die wir nicht kennen, Lobhudeleien mit anschließender Postionierung in dem "Hierachiebaum" für voller als bloßer Lobhudelei. Insofern könnte das Anfügen einer solchen Kategorisierung "reicht an Beethoven aber nicht heran" gerade als Appetizer gedacht sein, der dem Ries oder wen auch immer-Neuling ein Anreiz sein soll.
    Dennoch: wenn es auch richtig sein mag, das Wort "selbstverständlich" stösst mir - es sei denn der Autor meint es ironisch (was nicht immer leicht rauszulesen) - meist sauer auf.


    Ich weiß, Du wolltest es nicht diskutieren, aber das ist etwas, das ich schon längst mal geschrieben haben wollte.


    :hello:
    Wulf


    P.S. Ich habe mal etwas Kammermusik gehört und war sehr angetan, die Symphonien-Schnipsel sagen mir weniger zu.

  • Um mal etwas frischen Wind (aus einer etwas anderen Richtung) in diesem Thread zu bringen mal eine recht spontane Einschätzung von mir - man könnte es auch als Frage bezeichnen:


    Ich habe nun seit einiger (eher noch kurzer) Zeit angefangen mich ein wenig in die Ries'schen Symphonien einzuhören. Dabei fiel ich zwar nicht aus allen Wolken, war aber doch sofort sehr erstaunt, dass (wie ich vorher schon wusste) Ries hier im Forum viel der Frage "Beethoven Epigone ja/nein?" ausgesetzt ist - ich hingegen auf meinen ersten Eindruck hin und bis jetzt überall eher mehr Schubert, Schubert, Schubert höre....?


    Sicher, Schubert war wiederum Beethoven Verehrer, insbesondere was die Symphonien angeht (und darüber hinaus kenne ich Schuberts Symphonien nicht so gut, um irgendwelchen direkten Ähnlichkeiten aufzeigen zu können, aber es geht mir allein um den gesamt Gestus der Musik), aber trotzdem wird ja wohl kaum jemand behaupten wollen, Schuberts Symphonien klängen wie die Beethoven'schen. Folglich würde ich WENN überhaupt den Ries spontan als einen Schubert, denn als einen Beethoven Epigonen bezeichnen wollen.


    Aber als erstes respektiere ich seine Musik sehr und halte mich mit dem Begriff Epigone also gleich mal sehr zurück. Zumindets steckt so viel eigenes drin, dass er es allemal wert ist als größerer Komponist anerkannt zu werden. Ich bin inzwischen fest bei Mozart und seinen Zeitgenossen beheimatet, also auf den ersten ungenauen Blick über meinen liebsten Horizont hinaus fesselt mich der Gestus von Ries' Musik ähnlich stark wie der, der Beethoven'schen und Schubert'schen Symphonien. Ich denke nicht deswegen gleich daran ihn auch mit den beiden auf eine Ebene zu stellen - aber seine Musik gefällt mir sehr.


    Während ich diese Zeilen schreibe dünkelt mir spätestens, dass Ries natürlich stets mit Beethoven zu tun hatte und es nach allem, was wir wissen und hier im THread gesagt wurde es logisch erscheint ihn als Beethoven Epigonen bezeichnen zu wollen - doch wie gesagt REIN MUSIKALISCH gesehen fällt mir immer erst die Ähnlichkeit zu Schubert auf - und dann, etwas seltener, auch zu Beethoven. Es würde mich also sehr interessieren, ob etwas darüber bekannt ist ob Ries Schubert ebenfalls (persönlich?) kannte, bzw. dessen Symphonien?


    Und natürlich die Frage an euch, ob ich mit dieser Einschätzung eher alleine dastehe (was dieser Thread bislang vermuten lässt) und wenn ja (oder nein) aus welchen Gründen? Wie gesagt: Ich beziehe mich wirklich vornehmlich auf den rein musikalischen Höreindruck (ohne Noten oder Wissen des "Drum-Herums")


    Ich bin gespannt


    :hello:


    Peter

  • Lieber Peter.


    Hier die Antwort auf Dein Statment:


    Zitat

    ich hingegen auf meinen ersten Eindruck hin und bis jetzt überall eher mehr Schubert, Schubert, Schubert höre....?


    Du liegst ganz richtig.
    Und natürlich haben es zu gegebener Zeit auch schon andere Forianer bemerkt. Aber man hörte auch nioch ganz andere Komponisten:


    Ulli schrieb über ein Ries Klavierkonzert:


    Zitat

    Das As-Dur-Konzert von 1826 erinnert mich stark an Felix Mendelssohn-Bartholdys As-Dur-Konzert für zwei Klaviere - von einem Beethoven ist hier nicht die geringste Spur...



    Klingsor, ebenso über ein Klavierkonzert


    Zitat

    und es bestätigt Alfred: Beethoven-anklänge, ernster beginn, dann 'leichtere, gefälligere weiterführung, anklänge an hummel, field und - man höre und staune: CHOPIN ...


    Ein gewisser Alfred Schmidt schrieb 2008


    Zitat

    Wieder scheint ein Stück Schubert durchzuschimmern - ich sage bewusst "scheint", denn wahrscheinlich ist diese "Ähnilichkeit" lediglich der Zeit der Entstehung zuzuschreiben, und eventuell auch noch der Tatsache, daß auch Schubert versucht hat Beethovens Tonsprache nahezukommen. In beiden Fällen bei - Schubert UND bei Ries ist etwas durchaus individuelles dabei herausgekommen - sie waren also eher VERHINDERTE Epigonen, deren Genie sich - wahrscheinlich sogar ungewollt - vom Vorbild löste.



    und Ulli meint:


    Zitat

    In der Tat klingt das Thema zunächst nach Haydn - die Wiederaufnahme durch die Clarinette dann aber eindeutig nach Schubert.


    Alfred Schmidt:


    Zitat

    Man wird zwar stets an Beethoven erinnert - im zweiten Satz, dem Trauermarsch gelegentlich auch ans Schuberts Große C-dur Symphonie - die allerdings erst ca 15 Jahre später geschrieben wurde..........


    und Rolo Betman;


    Zitat

    In den ersten beiden Sätzen meine ich sogar mehr Schubert als Beethoven herauszuhören, und das ist sicher keine Schande.


    Man könnte - so man wollte - zum Ergebnis kommen, daß Ries eignetlich seine eigene Tonsprache tatte, jedoch jeder Hörer etwas spezielles heraushörte - Komponisten die Zeitgenossen von Ries waren.


    Da man irgendwie erklären muß oder zumindest will, warum er so lange von der Musikwelt nicht beachtet wurde, bemüht sich jeder Schreiber pflichtschuldigst zu versichern, daß er an die "Vorbilder" "natürlich" nicht heranreiche. Wie gesagt das "Vorbild Schubert" kam erst NACH Ries.
    Beide hatten jedoch Beethoven als erklärtes Vorbild, bzw Idol...


    In der Zwischenzeit (Juli 2009) ist eine weitere Neuaufnahme bei cpo erschienen, das Violinkonzert op 24.
    Ich besitze die Aufnahme noch nicht, da ich sie erst soeben im Zuge der Recherchen für meine Antwort entdeckt habe. Hier kann mann getrost sagen: sieht den Wald vor lauter Bäumen nicht ....



    Die Sinfonien von Ries gibt es jetzt übrigens als Gesamtausgabe um 29. 90 Euro - Um diesen Preis (und nicht nur !!) ein MUSS !!



    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Ferdinand Ries habe ich zuerst in diesem Forum entdeckt - eine Entdeckung, die mir bis heute sehr viel Freude bereitet!!!


    Und immer wieder muss man sich fragen: warum werden manche Werke und manche Komponisten in Vergessenheit geraten?


    Warum? - könnte man mit Schumann fragen - der zum Glück nicht in Vergessenheit geraten ist.


    Vielleicht auch deshalb, weil sie - wohl ungemerkt - schon etwas anderes vertreten als das eben Bekannte?


    :hello: KP

  • Ries hab ich auch erst über das Forum wahrgenommen und mir direkt die ganze Box gekauft.



    Ich bin immer froh, wenn ich auf so tolle Komponisten stoße.
    Allerdings empfinde ich keinesfalls als einen Epigonen von irgendwem.
    Die größte Nähe hat er - wenn überhaupt - zu Schubert, in seiner Musiksprache gibt es nicht dieses "brutale" wie bei Beethoven.



    Ich habe an den Symphonien jedenfalls sehr viel Freude.
    Und ich denke in den nächsten Monaten werde ich mir auch mal die anderen CD's bei CPO zulegen, denn seine Kammermusik kenne ich noch gar nicht.


    Bei den Klavierkonzerten hoffe ich allerdings auf eine HIP Einspielung :pfeif:

  • Die Schubert-Nähe (die mir nicht so ausdrücklich aufgefallen ist, ich habe meine Ries-CDs aber auch noch nicht so oft gehört), kann m.E. aber kaum ein direkter Einfluß sein. Wie Alfred oben schon schrieb, wurden die entsprechenden Werke teils geschrieben, lange bevor Ries etwas von Schubert kennen konnte. Es dürfte sich eher um die Gemeinsamkeit des Vorbilds Beethoven (oder eben auch Mozarts und Haydns) handeln und eben allgemeine klassizistisch-frühromantische Stilelemente.


    (Wie Chopin klingt Beethoven manchmal schon, wie auch Hummel und Weber, denn von den letztgenannten kommt Chopin her)


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Das Interessante an dieser Tatsache scheint zu sein: Komponisten der Beethoven-Aera, welche Beethoven zum Vorbild hatten, klangen wie Schubert (dieser sich selbst einschließend :D ). Offenbar (in Bezug auf den Thread 'Was erwartet ihr von einer Beethoven-Sinfonie?') hörten die Zeitgenossen Beethoven anders als wir heute...


    :hello:


    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Zitat

    Original von Ulli
    Das Interessante an dieser Tatsache scheint zu sein: Komponisten der Beethoven-Aera, welche Beethoven zum Vorbild hatten, klangen wie Schubert (dieser sich selbst einschließend :D ). Offenbar (in Bezug auf den Thread 'Was erwartet ihr von einer Beethoven-Sinfonie?') hörten die Zeitgenossen Beethoven anders als wir heute...


    Das MUSS ja so sein: Jede Gesamtaufnahme der Beethovenschen Symphonien braucht ja ihre Berechtigung, auch die 996. die gestern erschienen ist - folglich musste jedes Mal ein bischen anders gespielt und dirigiert werden. Und wenn man "ein Bischen" mit 996 multipliziert dann wird daraus natürlich "doch schon ziemlich anders". Und wenn wir Beethoven heute so anders spielen müssen wir ihn folglich auch anders hören :D


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    Um zum seriösen Teil zu kommen:


    Vielen Dank Alfred für deine Antwort. Mir war natürlich klar, dass ich nicht ein neues Fass aufgemacht habe mit meinem spontanen Eindruck dass ich bei Ries auch Schubert raushöre, und auch mir selber fielen noch Anklänge an andere Komponisten auf. Aber zum einen Muss ich gestehen, dass ich kaum alles über Ries gelesen hab hier im Forum (deswegen danke für deine gesammelten Auszüge) - und zum anderen ist es jedoch so, dass wenn man nicht alles gelesen hat hier im Forum den Eindruck hat, Ries werde allgemein als Beethoven-Epigone behandelt (im Wesentlichen). Das schien mir nur nicht ganz ausreichend, bzw. etwas abwertend, also wollte ich nochmal konkrete Meinungen einholen.


    :hello:


    Peter

  • Zitat

    Original von Peter Pasdzierny


    Das MUSS ja so sein: Jede Gesamtaufnahme der Beethovenschen Symphonien braucht ja ihre Berechtigung, auch die 996. die gestern erschienen ist - folglich musste jedes Mal ein bischen anders gespielt und dirigiert werden. Und wenn man "ein Bischen" mit 996 multipliziert dann wird daraus natürlich "doch schon ziemlich anders". Und wenn wir Beethoven heute so anders spielen müssen wir ihn folglich auch anders hören :D


    Da verwechselst Du jetzt aber Kartoffeln mit Bananen oder Krach mit Musik oder Liebe mit Sex...


    Die 996te Einspielung einer Beethovensinfonie und deren Klangbild hat nichts damit zu tun, daß alle (unterstellten) Beethovenepigonen eher nach Schubert klingen. Ich wollte damit zum Ausdruck bringen, daß eben die Komponisten von 1820ff. aus dem Schaffen Beethovens ganz offenbar eine völlig andere Essenz zogen als das, was wir heute als 'typisch Beethoven' bezeichnen. Voraussetzung für diese These ist, daß Schubert und Ries (auch dieser seltsame Fesca) Beethoven zum Vorbild hatten und ihm nachstrebten.


    Recht gut getroffen (nach heutiger Ansicht) hat Beethovens Stil der liebe Louis Spohr aus Kassel in seiner 'historischen Sinfonie', in welcher er ein Scherzo im Stile Beethovens komponiert, wohingegen die Assoziationen in den Sätzen 1 (Bach-Händel-Ära) und 2 (Mozart-Haydn-Ära) für mich eher als fragwürdig klingen... zumidest klingt das alles eher nach einer Stokowskibearbeitung :D


    Ebenso wie der einvernehmlich festgestellte Beethoven-Schubert-Effekt gibt es auch den Mozart-keine-Ahnung-Effekt bei Clementi: Er komponierte u.a. ein Preludio alla Mozart (für Klavier, musical characteristics op. 19), welches für meinen Geschmack nach allem klingt; nach einem jedoch bestimmt nicht: nach Mozart. Also gibt es wohl auch in diesem Fall eine völlig unterschiedliche Auffasung von dem, was kurz nach dem Ableben des Komponisten nach ihm klang bzw. dafür gehalten wurde und was wir heute von den jeweiligen Komponisten erwarten. Nicht umsonst wurden ja etliche Werke diversen bekannten Komponisten unterschoben - heute sind wir schlauer und würden diese Werke auch beim erstmaligen Hören niemals den Komponisten zuordnen (wohingegen diverse Onlinetests auch wiederum Ernüchterung brachten und zeigten, wie schwer z.B. die Zuordnung eines StrQ-Satzes zu Mozart oder Haydn ist).


    :hello:


    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Zitat

    Original von Ulli
    Die 996te Einspielung einer Beethovensinfonie und deren Klangbild hat nichts damit zu tun, daß alle (unterstellten) Beethovenepigonen eher nach Schubert klingen. Ich wollte damit zum Ausdruck bringen, daß eben die Komponisten von 1820ff. aus dem Schaffen Beethovens ganz offenbar eine völlig andere Essenz zogen als das, was wir heute als 'typisch Beethoven' bezeichnen. Voraussetzung für diese These ist, daß Schubert und Ries (auch dieser seltsame Fesca) Beethoven zum Vorbild hatten und ihm nachtrebten.


    Ebenso wie der einvernehmlich festgestellte Beethoven-Schubert-Effekt


    Gar nicht einvernehmlich! Ich stimme dem nicht zu. Für micht klingt Onslow überhaupt nicht nach Schubert und Ries auch nicht sehr. Beide sind m.E. melodisch kaum mit Schubert zu vergleichen. Onslow scheint mir melodisch eher schwach zu sein, was er mit obsessiver thematischer Arbeit und teils Kontrapunkt auszugleichen sucht, was Schubert völlig ferne liegt. Ries habe ich nicht recht präsent, aber in einem Booklet zu den Quartetten wurde zu recht auf die Orientierung an einigen konkreten Beethovenwerken hingewiesen und wie Schubert klingt es für mich gar nicht.


    Wobei ich gerne zugebe, die noch ausgiebiger hören zu müssen. Man muß m.E. auch unterscheiden zwischen dem "klassizisistischen Schubert" und dem "Schubert-Schubert". Die ersten 5 oder 6 Sinfonien, auch weitgehend das Forellenquintett, frühe Quartette und Sonaten sind in einem lockeren, klassizistischen Stil geschrieben, der zwar auch dem frühen Beethoven nicht unähnlich ist, aber immer viel breiter, weniger dicht usw. als Haydn, Mozart, Beethoven meistens sind. Der spätere Schubert ist dann noch breiter angelegt, aber eben abgründiger, harmonisch waghalsig usw.


    Ich wäre jedenfalls, abgesehen von persönlichen Eindrücken, sehr vorsichtig, aufgrund ein paar ausgewählter Werke zu schließen, daß Zeitgenossen aus Beethoven etwas ableiteten, was für uns wie Schubert klingt und daher Beethovens Musik wesentlich anders wahrnahmen als wir heute.
    Jedenfalls müßte man das mal an konkreten Sätzen oder Stellen durchgehen. (Ich habe bei den Sinfonien allerdings nur 3+5, dann eine Folge der Quartette, die Klavierquartette und die Cellosonaten.)


    Zitat


    niemals den Komponisten zuordnen (wohingegen diverse Onlinetests auch wiederum Ernüchterung brachten und zeigten, wie schwer z.B. die Zuordnung eines StrQ-Satzes zu Mozart oder Haydn ist).


    Was aber teils auch daran lag, daß langsame Sätze viel zu schnell und einige schnelle (Meneutte) zu langsam abgespielt wurden.


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

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