SAINT-SAENS: Samson et Dalila - Erotik und Ethos

  • Meine Lieben,


    Vielleicht täusche ich mich, doch zu meiner Verwunderung finde ich von Camille Saint-Saens (1835-1921) im Forum viele Werke besprochen, doch kaum jenes, das ich stets für sein bekanntestes gehalten habe. Die Musik der 1877 in Weimar uraufgeführten Oper "Samson et Dalila" (Franz Liszt gebührt ewiger Dank dafür) ist sozusagen in musikalischen Farben glühender Makart versetzt mit Delacroix. Vermutlich kennen doch viele nur die Arie der Dalila "Mon coeur s'ouvre à ta voix" und eventuell noch das Bacchanale, aber nicht das ganze Werk, das aber auch gegenwärtig immer wieder eingespielt wird. Bei den neueren Aufnahmen soll José Cura als Samson sehr gut sein, leider kenne ich diese Aufnahme aber noch nicht.


    Eher für Nischenliebhaber geeignet ist die Aufführung in Italienisch mit Ramón Vinay und Ebe Stignani, auf die ich im Übersetzungsthread hingewiesen habe.


    Mein Favorit, zumindest derzeit, ist aber der von MYTO publizierte Live-Mitschnitt einer MET-Aufführung im April 1958.



    Der Dirigent, Fausto Cleva, trägt anfangs zwar etwas dick auf, findet aber bald zu einer sehr geschlossenen, sehr dramatischen und packenden Deutung, der die Besetzung ausgezeichnet entspricht. Ob es gleich gute Dalilas wie Rise Stevens (geb.1913) gibt (die zwar Herbert insbesondere auch als Carmen ein Begriff ist, sonst aber nur wenigen), kann ich vermuten (wenn ich die Stignani höre, dann ist nicht so viel Unterschied), aber bessere wohl kaum und schwerlich findet sich eine Stimme, die Verführung so unmittelbar suggeriert. Mario del Monaco ist für den Samson natürlich der richtige Typ, nach anfänglicher Unsicherheit (da "brüllt" er ein ein wenig) findet er zu einer betörenden Leistung, bei der Kraft und Farbe genau stimmen. Ein Vollgenuß sind auch die Bässe, allen voran Giorgio Tozzi als alter Hebräer.
    Die Tonqualität könnte für 1958 etwas besser sein, an ein paar Stellen ist sie recht beeinträchtigt, aber summa summarum doch recht ordentlich.


    Wie ist Eure Meinung zu dieser Oper und welche Einspielungen bevorzugt Ihr?


    LG


    Waldi

  • Lieber Waldi, ich muss zu meiner grossen Schande gestehen, dass ich diese Oper nciht kenne.
    Allerdings kenne ich zwei der schönsten Arien, die je für eine Mezzo-Stimme geschrieben wurden:
    Neben dem von Dir genannten "Mon coeur s'ouvre à ta voix" noch das mindestens ebenso herrliche "Amour viens aider ma faiblesse".
    Dein Thread Titel trifft in diesem beiden Stücken genau den Punkt.
    Erotischeren Gesang kann es kaum geben.
    Ich erinnere mich an mein erstes bewusstes Hören dieser Arien in einem szenischen Gesangskurs, wo eine junge Studentin diese Stücke barfuss mit aufgelöstem Haar sang- das war absolut umwerfend für das Publikum, auch wenn die Stimme noch weit von der "Mezzo-Reife" entfernt war. Makart als Vergleichspunkt passt da wunderbar! :yes:


    Aber leider ist das bereits Alles, was ich kenne...... und eine Aufnahme habe ich natürlich auch nicht..; :untertauch:
    In meiner Umgebung steht diese Oper auch nie auf dem Spileplan, Vielleciht gibt es dafür spezielle Gründe?


    Ich mag Saint-Saëns übrigens als Komponisten sehr gerne, auch wenn er oft etwas von oben herab abgetan wird. Er hat u.A. auch sehr sehr schöne Lieder komponiert.

  • Ich habe da eine blendende Gesamtaufnahme:


    Samson et Dalila


    mit


    Dalila - Jeanne Madeira,
    Samson - Mario del Monaco,
    Der Großpriesetr des Dagon - Lino Puglisi,
    Abimélech - Plinio Clabassi,
    Ein hebräischer Greis - Igino Riccò,
    Ein Bote der Philister - Attilio Flauto


    in französischer Sprache,


    Orchester und Chor des Tetro San Carlo di Napoli,


    Dirirgent: Farncesco Molinari-Pradelli.


    Aufegeommen am 5.4.1959.



    Melodram 030 (3)


    Jeanne Madeira ist eine packende Dalila und Mario del Monaco ein kraftvoller Samson.


    Ich liebe diese Mitschnitte, da ist nicht immer alles so perfekt, wie im Studio, dafür originaler.


    Liebe Grüße Peter aus Wien.

  • Lieber Waldi,


    danke dafür, dass Du noch die Fahne der französischen Oper hoch hältst, die laut meinen Neujahrsvorsätzen ich dieses Jahr etwas mehr beachtet werden sollte. Mea culpa.


    Meine Eindrücke von dieser Oper sind zwiespältig. Fairy hat schon die Höhepunkte genannt, aber für meinen Geschmack gibt es darum herum leider auch viel Leerlauf. Saint-Saens war m. E. ein großartiger Komponist, aber nicht unbedingt ein begnadeter Dramatiker. Das wird besonders deutlich in der DVD aus San Francisco unter Julius Rudel mit Placido Domingo, Shirley Verrett und Wolfgang Brendel, die mich trotz guter musikalischer Leistungen seinerzeit nur schwer wach halten konnte.


    Es gibt aber auch bessere Einspielungen, und meine Lieblingsaufnahme habe ich schon einmal in dem Thread über Christa Ludwig genannt, da sie einfach eine fantastische Dalila singt:



    Auch James King und Bernd Weikl ziehen sich da mit mehr als Anstand aus der Affäre, deren Qualität neben Christa Ludwig vor allem Giuseppe Patané am Pult des Münchener Rundfunkorchesters zu verdanken ist. Leider ist sie derzeit gestrichen, aber für schlappe € 13,00 noch am Marketplace zu bekommen. Sie lohnt sich wirklich, wenn man diese Oper mag, und ist vielleicht die beste Art, sie mit halbwegs zeitgemäßem Klang kennen zu lernen.


    :hello: Jacques Rideamus

  • @FQ
    hallo,das ist eine wunderbare Oper.Ich habe diese hier des öfteren gesehen.


    Es gibt noch eine sehr schöne DVD mit Domingo und Borodina aus NY.
    Kann ich nur empfehlen!


    ausserdem eine CD mit Cura und Borodin aunter C.Davis.


    In Bologna singt Cura jetzt den Samson.


    Ich komme gleich ins schwärmen wenn über diese Oper diskutiert wird.
    Die Schwierigkeit für die Bühne ist,dass nur wenig Tenöre diese rolle singen.


    Grüsse Rita

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  • Vielen Dank für die Threaderöffnung an Waldi! "Samson et Dalila" gehört zu meinen Lieblingsopern aus dem französischen 19. Jahrhundert. Sie ist fast durchgehend sehr inspiriert, und zwar nicht nur melodisch, sondern auch in puncto Instrumentation und Klangfarbe. Besonders reizvoll finde ich den Kontrast zwischen dem raffinierten, sinnlichen Orientalismus vor allem des zweiten Aktes und der religiösen Seite des Werkes, die man nicht vergessen sollte: großartig die oratorischen Chorszenen, besonders eindrucksvoll zu Beginn des ersten Aktes mit den Klagen der Hebräer, aber auch wieder im dritten Akt (das Werk war zunächst als Oratorium geplant - interessant auch der Rückgriff auf barocke Formen). Es gibt ein paar dramaturgische Schwächen, auch der coup de théâtre am Schluss (Einsturz des Tempels) ist kompositorisch eher schwach umgesetzt. Aber das ändert nichts am Rang der Oper.


    Grandios natürlich die großen Szenen der Dalila - zu den beiden von Fairy genannten wäre noch Printemps qui commence aus dem ersten Akt hinzuzufügen. Dalilas Mon cœur s'ouvre à ta voix aus dem zweiten Akt wurde von dem Wiener Musikkritiker Julius Korngold bewundernd, aber leicht maliziös als "Himbeercrème in Des-dur" bezeichnet... Das Bacchanale im dritten Akt ist ein orientalisierendes Effektstück, überaus mitreißend, ohne in Banalität abzugleiten.


    Es lohnt sich unbedingt, die ganze Oper kennenzulernen! Ich habe das Werk nur einmal auf der Bühne gesehen, 1995 in Frankfurt, dirigiert von Sylvain Cambreling und in einer schwer kontroversen Inszenierung. Es steht in der Tat sehr selten auf den Spielplänen - keine Ahnung, warum.



    Ich kenne zwei Aufnahmen - die "klassische" dürfte wohl die 1963 eingespielte unter Georges Prêtre sein: mit der fantastischen Rita Gorr, dem wie immer gleichzeitig beeindruckenden und problematischen Jon Vickers sowie dem vorzüglichen Ernest Blanc als Oberpriester der Philister:





    Nicht ganz diesen Rang erreicht die gleichwohl schöne Aufnahme unter Myung-Whun Chung. Waltraud Meier und Placido Domingo sind beide nicht hundertprozentig heimisch im französischen Fach - ich finde sie trotzdem vorzüglich:





    (Auf Italienisch kann ich mir das Werk nun überhaupt nicht vorstellen... :D)



    Viele Grüße


    Bernd

  • Liebe Rita!


    Ja wo sind die Tenöre die den Samson singen können?


    Bei der Dalila denke ich entweder an Agnes Baltsa oder, die leider nicht mehr singende, Brigitte Fassbaender.


    Ansonsten fällt mir auch außer Cura als Samson niemand ein, aber der singt in Wien leider wenig,


    weiß nicht warum, eigentlich?



    Liebe Grüße und Handküsse sendet Dir Peter.

  • Aber wir Berliner freuen uns schon jetzt auf die Spielzeit 09/010
    da singt Cura hier Otello und SAMSON.


    Ja wo sind die Tenöre?
    Wir hatten hier immer Atlantov,und der war gut.


    Grüsse aus Berlin
    Rita

  • Die Jose-Cura-Aufnahme wird bei jpc gerade für 'nen Appel und 'n Ei versilbert - ich habe 1999 ein Vermögen ausgeben müssen:



    Camille Saint-Saens (1835-1921)
    Samson & Dalila



    Cura, Borodina, Lafont, Lloyd, Silins,
    London SO & Chorus,
    Colin Davis
    Erato , DDD, 98


    Wahrscheinlich wurde die auf Raten aufgeommen, am Stück schaftt der Cura das nicht (als Fußballer würde es heißen: Er hat nur Luft für eine Halbzeit).


    LG

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Andreas Ommer hat, glaube ich, rund 65 Gesamtaufnahmen von "Samson & Dalila" gelistet - hier mal eine meiner Favoriten (in deutscher Sprache - auch auf die Gefahr hin, daß ich das Schicksal meines Freundes "Knusperhexe" teilen müßte):



    Aufnahme: 8.10.1948, live, konz., München
    Dirigent: Hans Altmann
    Symphonie-Orchester des Bayerischen Rundfunks
    Chor des Bayerischen Rundfunks
    Abimélech: Max Proebstl
    Dalila: Res Fischer
    Le Grand Prêtre de Dragon: Fred Destal
    Samson: Franz Fehringer
    Un messager Philistin: Kurt Messerschmidt
    Un vieil hébreu: Maximilian Eibl


    LG

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

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  • Zitat

    Original von rita
    @Peter
    Unsere Dalida war immer Marijana Liposec.


    Rita


    ist vielleicht Marijana Lipovsek gemeint?


    ?( ?( ?(


    (Nur weil ich die Andere nciht kenne, Jene aber sehr berühmt ist.)
    :untertauch:


    Gruß pt_concours

    Hören, hören und nochmals hören: sich vertraut machen, lieben, schätzen.
    Keine Gefahr der Langeweile, im Gegensatz zu dem, was viele glauben, sondern vielmehr Seelenfrieden.
    Das ist mein bescheidener Rat. (S. Richter, 1978)

  • Ja, dieser wunderbare Schmachtfetzen gehört auch zu meinen Lieblingsopern. Allerdings gibt es wohl keine Oper, die so zwingend nach französischer Sprache verlangt, wie diese (Carmen wohl noch am ehesten): das liegt vor allem an den geradezu aberwitzig aufgesetzten Orientalismen, die so schwülstig daherkommen, dass italienisch viel zu scharf und deutsch völlig ungeschlacht daherkommt. "Coeur" kann nur durch schauerlicheste Vokaldehnung zu "Herz" (pardon: Hee-ee-eerz) werden.


    Meine Tipps:


    CD:
    Cura/Borodina - Davies (Erato)
    Domingo/Obraszova - Barenboim (DG)
    Vickers/Gorr - Pretre (EMI)


    DVD:
    Domingo/Borodina - Levine (DG)

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  • Zitat

    Original von rita
    @Peter
    Unsere Dalida war immer Marijana Liposec.


    Rita


    Ich habe Marijana Lipovsek in der Produktion der Bregenzer Festspiele erlebt (der - zu Unrecht - beinahe vergessene Carlo Cossutta war als Ersatz für den ursprünglich geplanten Wladimir Atlantow ein sehr guter Samson) und war von der Erotik der Stimme begeistert (bei aller Vorliebe für rubenshafte Frauen hat sie mir als Figur aber weniger gut gefallen). Von dieser Produktion gibt es auch eine CD (wenn sie noch im Handel ist), die ich mit ruhigem Gewissen zum Kauf empfehlen kann.


    Aus der Generation der jüngeren Sängerinnen wünsche ich mir optisch wie akkustisch in ein paar Jahren die an der Wiener Staatsoper singende Elisabeth Kulman als Dalila (die übrigens gestern im Wiener Konzerthaus einen hervorragenden Liederabend mit Liedern von Gustav Mahler mit ungewöhnlicher Begleitung - Violine, Cello, Kontrabass, Akordeon - gesungen hat; war von den Wienern jemand dabei ?), deren Ausstrahlung und Timbre meine Vorstellungen dieser Rolle annähernd ideal erfüllt.


    viele Grüße aus Wien
    Michael 2