• Lieber Waldi, liebe Kegelfreunde,


    es freut mich, dass Dir die Einspielung gefällt. Ich kann mich daran erinnern, dass ich sie als Kind heimlich gehört habe und wundervoll fand. (Ich durfte nicht an den Plattenspieler.) Erst das Posting von Liebestraum hat mich wieder an diese LP erinnert. Da das Postingbild von Liebestraum nicht mehr vorhanden ist, hier noch einmal das Cover der LP.




    LG


    Maggie

  • Lieber Herbert,
    danke für das Stichwort "Oper" im Zusammenhang mit Herbert Kegel. Da muß ich doch gleich auch meine "Carmen" vorstellen, eine der vielen deutschsprachigen Opern-Aufnahmen der "Eterna" mit Kegel:



    Aufnahme: Jan. / März, 1960, Studio
    Spieldauer: 143'45
    Dirigent: Herbert Kegel
    Rundfunk-Symphonie-Orchester Leipzig
    Rundfunkchor Leipzig, Kinderchor des Leipziger Rundfunks
    Chorleitung: Dietrich Knothe


    Carmen: Sona Cervena
    Dancaïre: Günter Leib
    Don José: Rolf Apreck
    Escamillo: Robert Lauhöfer
    Frasquita: Ursula Engert
    Mercédès: Sigrid Kehl
    Micaëla: Maria Croonen
    Moralès: Bruno Aderhold
    Remendado: Harald Neukirch
    Zuniga: Wilhelm Klemm


    LG


    Harald


    PS: Bevor jetzt alle wieder drüber herfallen: Dies ist eine Aufnahme aus der "Deutschen Demokratischen Republik"!!!

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Durch das, was ich hier in den letzten Wochen gelesen habe, aufmerksam geworden, habe ich mich inzwischen für Kegels Interpretationen des "Parsifal" und der "Gurrelieder" begeistert und mache weitere Entdeckungen. Heute traf dies ein:



    Ich bin kein Hindemith-Freund; seine Baukasten-Polyphonie läßt mich eigentlich kalt und auch für seinen musikalischen Humor kann ich mich bislang nicht so recht erwärmen. Jetzt aber höre ich nach und nach die Orchesterwerke auf dieser Doppel-CD und höre Musiker, die ganz offensichtlich meine Distanz nicht teilen, sondern mit und Lust und Leidenschaft ans Werk gehen, und mir scheint, daß hinter dieser Musik, die ich verdächtige, manchmal allzusehr ins Unverbindlich-Harmlose abzugleiten, doch mehr zu stecken scheint: Wenn etwa hinter freundlich tirilierenden Holzbläsern plötzlich ein fahler Streicherklang sich entfaltet - im Schlußsatz der Symphonie in Es, die ich gerade gehört habe - und ein merkwürdig melancholischer Schein hörbar ist, dann merke ich zu meiner Verwunderung, daß ich anfange, mich für einen Komponisten zu begeistern, den ich bislang möglicherweise unterschätzt habe.


    Herbert Kegels Kunst scheint mir darin zu bestehen, daß er selbst kühle Musik (sein Hindemith hört sich ganz und gar nicht kühl an!) zum Glühen bringen kann, mit einer Leidenschaft und Überzeugung, die einzig der Sache selbst gilt und in ihr aufgeht, fernab jeder Art von Selbstdarstellung.


    Diese Hindemith-Einspielung empfehle ich wärmstens besonders denjenigen Musikfreunden, denen der Komponist bislang fremd blieb - wie mir.

  • Zum Glück gibt es ja die Kegel-Box, auf die schon mehrfach hingewiesen wurde.


    Mein Favorit ist darin auch Moses und Aron, m.E. die mit Abstand beste Aufnahme des Werkes, wegen des exakten Dirigats, aber auch wegen des überirdisch guten Rundfunkchors Leipzig. Daneben ist auch überragend. In dieser Musik zahlt es sich besonders aus, wenn die Sänger Muttersprachler sind und nicht Multikulti! Man versteht jedes Wort und so entsteht eine Produktion aus einem Guss.


    Großartig ist auch Kegels Aufnahme der C-dur Messe von Beethoven (gibt's die eigentlich schon auf CD?), ich mag auch seinen recht langsamen Wozzeck sehr gern (mit Theo Adam in der Titelrolle).


    Gruß aus Frankfurt
    Dieter

  • Vor allem "Nobilissima Visione" und die Sinfonie in Es sind meiner Meinung nach von keinem anderen Dirigenten mit dieser Glut erfüllt worden. Bei keinem klingt Hindemith dermaßen nach Ausdrucksmusik wie bei Kegel. Wer sich nur ansatzweise glaubt, für Hindemith begeistern zu können, sollte es wirklich mit diesen Aufnahmen versuchen.
    :hello:

    ...

  • Hallo,


    Ich habe soweit ich es im Blick habe nur eine Kegel-Aufnahme, dafür aber eine ganz großartige:



    Eine ganz tolle Oper, in einer sehr überzeugenden Einspielung (kenne zwar keine andere, aber ich finde sie schon sehr dem Werk angemessen!)
    Für den Preis unbedingt kaufen!!!


    LG
    Raphael

  • Zitat

    Original von Edwin Baumgartner
    Bei keinem klingt Hindemith dermaßen nach Ausdrucksmusik wie bei Kegel.


    Und genau das scheint mir das Rühmenswerte bei Kegel zu sein, daß er das schafft, nicht nur bei Hindemith: Vor kurzem habe ich Weberns 5 Orchesterstücke op. 10 mit Kegel gehört (aus der o. a. Box) - in einem absolut ruhigen Raum und völlig ungestört - und hatte das Gefühl, daneben müsse es nichts anderes mehr geben, mehr gibt es nicht - kann hier nur ansatzweise auf das Glück und die Berührung und Intimität hinweisen, die ich dabei empfunden habe - unbeschreiblich: --- "schön"!

  • Was Kegel mit Strawinsky anstellt, verdient gerühmt zu werden; ich habe jetzt entdeckt:


    Jeu de cartes
    Rundfunk-Sinfonie-Orchester Leipzig



    Außerdem auf der CD: Le Sacre du Printemps mit der Staatskapelle Dresden (Otmar Suitner).



    Pulcinella-Suite (Neufassung von 1949)
    Gesang der Nachtigal, Symphonisches Poem
    Capriccio für KLavier und Orchester (Neufassung von 1949)
    Dresdner Philharmonie, Peter Rösel, Klavier


    Kegel entwickelt in diesen Einspielungen ein feines Gefühl für den spezifischen und diffizilen Rhythmus, mit vielen Finessen in den Details, immer hoch gespannt, energisch, konzentriert,transparent, klar konturiert: "antiromantisch", also ohne jeden Weichzeichner, in einem Wort: beglückend!!


    Obwohl ich Strawinskys Eigeninterpretationen sehr schätze, wegen des ganz besonderen, schwer zu beschreibenden harten und unerbittlichen Tons - lasse ich mich gern von Kegels feiner und klarer Art bezwingen.


    Für Strawinsky-Anhänger sind diese Einspielungen ein Muß, das steht für mich fest, auch für alle anderen sind sie allerwärmstens zu empfehlen!


    Auch die Klangqualität: bestens.

  • Hallo,
    das ich hier einen Thread finde, in dem auch andere ähnlich begeistert von Kegel sind, wie ich, ist ja toll! Ob nun 2.Wiener Schule, Brittens War Reqiuem, Mahler oder Kochan - Kegel war hier auch für mich die Entdeckung, da bei ihm, jedenfalls in diesen, mir bereits bekannten Aufnahmen, analytisch durchdachte Transparenz und Power sich auf das Glückliste verbinden. Aber vor allem beim Spätwerk Hindemiths kenne ich mit goßem Abstand keine bessere Interpretation. Deswegen sei hier ergänzend noch auf diese CD verwiesen, die ich noch in einer Ars Vivendi -Ausgabe(von 1990) habe; es sind aber dieselben Aufnahmen:



    Danke auch für eure weiteren Empfehlungen,


    Matthias

  • Auch diese Aufnahme mit Herbert Kegel (und der Dresdner Philharmonie) ist ganz vorzüglich, ich habe sie erst eben kennengelernt:



    - Concertante Musik für Orchester op. 10 (1937)
    - Orchestervariationen über ein Thema von Paganini op. 26 (1947)
    - Zweites Konzert für Klavier und Orchester (in variablen Metren) op. 42 (1952)


    Ebenso wie bei Hindemith und Strawinsky findet Kegel zu einfühlsamen und lebendigen Lesarten. Die Kompositionen selbst sind vor allem rhythmisch aufgeladen und konstruiert, gelegentlich jazzartig, auch an Hindemith, Strawinsky und Bartók erinnernd, mit energischen Puls, heftig wuselnd, aber immer mit einer besonderen Leichtigkeit und Frische (keine "Barbaro"-Härte) - ich find's recht ansprechend.


    Das Klavierkonzert (mit der Solistin Gerty Herzog, der Ehefrau Blachers) soll laut Booklet mit dem Verfahren der "variablen Metren" Schönbergs Reihentechnik auf den Rhythmus übertragen. Herauszuhören vermag ich dies nicht; ich höre spannende perkussiv-energiegeladene Musik, übrigens ziemlich antivirtuos: Der Klavierpart ist überwiegend einstimmig gehalten.


    Ein weiteres Kleinod aus der reichen Kegel-Diskographie!

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  • Hallo Gurnemanz,


    Kegel hat auch noch Blachers Oratorium "Der Großinquisitor" eingespielt, ebenfalls mit der Dresdner Philharmonie und dem wie gewohnt unter seiner Leitung ausgezeichneten Rundfunkchor Leipzig.



    Das 1942-43 geschriebene Oratorium nach einer Dostojewski-Bearbeitung von Blacher selbst und Leo Borchard hat deutlichen Zeitbezug: Aus dem Text:"..tags zuvor ... an die hundert Ketzer durch den Kardinal Großinquisitor ad majorem gloriam Dei verbrannt wurden." - da ist die durchgehend gute Textverständlichkeit des Chores schon wichtig, so wie sie hier gelungen ist.
    Blacher war gerade vorher in das Lexikon der "Juden in der Musik" aufgenommen werden, nachdem die jüdische Herkunft des Staatenlosen lange übersehen worden war, und schrieb das Werk auf dem Gut der Eltern seines Schülers Gottfried von Einem, der später von Israel ausgezeichnet wurde, weil er mehreren Juden das Überleben ermöglich hat.
    Die Instrumentierung ist teilweise eher karg, durchgehend eher einfach, auf Transparenz und Textverstänlichkeit ausgerichtet und von jeder Schönberg- Beeinflussung noch völlig frei, harmonisch tonal, aber metrisch schon häufig ungerade und rhythmisch prägnant, obwohl er seine variable Metrik erst später entwickelt. Das Bedrohliche der Zeit wie des Texts wird musikalisch gut vermittelt. Musikalisch insgesamt sicher nicht Blachers überzeugenstes Werk, aber schon interessant und Kegel holt heraus, was herauszuholen ist.


    :hello: Matthias

  • Zitat

    Original von Matthias Oberg
    Kegel hat auch noch Blachers Oratorium "Der Großinquisitor" eingespielt, ebenfalls mit der Dresdner Philharmonie und dem wie gewohnt unter seiner Leitung ausgezeichneten Rundfunkchor Leipzig.


    Hallo Matthias,


    danke für den Hinweis, obwohl Dostojewskij-Freund, kenne ich dieses Werk noch nicht.


    Was Kegel angeht, bin ich in der letzten Zeit recht fündig geworden und werde hier weiter nach und nach meine Entdeckungen vorstellen. Dieser bedeutende und unterschätzte Dirigent gehört für mich zu den Interpreten, auf die ich erst durch Tamino richtig aufmerksam geworden bin. Wie Edwin einmal geschrieben hat, wird man bei ihm auf der Suche nach Aufnahmen von Werken des 20. Jahrhunderts fast nie enttäuscht. Das kann ich bis jetzt nur bestätigen.

  • Hallo Gurnemanz und Loge,


    da die CD nun schon mehrfach im Forum positiv erwähnt wurde, habe ich sie nun endlich bestellt.
    Auch im Zusammenhang mit Andrei Eshpai, der in seiner Sinfonie Nr.5 einen elementaren Abschnitt voll aus Blachers Paganini-Variationen zitiert, wurde die CD von Holger Sambale abgebildet.


    Genauso gespannt auf die mir noch unbekannten Blacher-Werke Concertante Musik und KK Nr.2 bin ich gespannt, wie er die Paganini-Variationen im Vergleich zu mener CD mit Solti mit den WPO meistert.


    Mit Herbert Kegel hatte ich bisher wenig Erfahrung machen können.
    :] Ich denke das wird ein guter Einstieg.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Zitat

    Original von teleton
    [...] bin ich gespannt, wie er die Paganini-Variationen im Vergleich zu mener CD mit Solti mit den WPO meistert.


    Hallo teleton,


    und ich bin gespannt auf Deinen Vergleich Solti - Kegel...

  • Liebe Kegel-Freunde,


    mittlerweile konnte ich mir noch Kegels Einspielung der 7. Symphonie "Frühlings-Symphonie" von Mikis Theodorakis zu Texten von Yannis Ritsos und Yorgos Kouloukis aneignen.
    Die CD ist eine Live-Aufnahme von 1987 mit der Dresdner Philharmonie, dem Radio-Chor-, sowie Radiokinderchor Prag, dem Chor der Staatlichen Philharmonie Litauens und als Solisten: Kari Lövaas (Sopran), Violetta Madjarova (Alt), Sergej Lavinas (Tenor) und Gunther Emmerlich (Bass).



    Leider sind die meisten Aufnahmen von Werken von Theodorakis auch unter eigener Leitung unter deutlich suboptimalen Bedingungen entstanden, häufig mit drittklassigen Orchestern, leiernden Chören und GesangssolistInnen, die nicht sehr gut aufeinander abgestimmt waren.
    Da ist es eine Wohltat, eins seiner Werke einmal vorbildlich eingespielt hören zu können.
    Die Balance zwischen den SolistInnen, den Chören und dem Orchester ist ausgezeichnet. Wie beim War Requiem oder den Gurre-Liedern finde ich Kegel gerade bei groß angelegten Werken mit Chören und Gesangssolisten kaum zu übertreffen.


    :hello: Matthias

  • Hallo Matthias,


    vielen Dank für den Hinweis auf die Theodorakis-Einspielung. Kommt auf die Liste.


    Heute ist übrigens die von Dir oben erwähnte Kegel-Einspielung der Orchesterwerke "Die Harmonie der Welt" und "Pittsburgh-Symphony" (Hindemith) eingetroffen. Soeben gehört - und es bestätigt alles, was es von Kegel und Hindemith zu preisen gibt: Eine packende und im schönsten Sinne aufbauende und kräftigende Musik - gerade so, wie's Kegel und die Dresdner Philharmonie hier vorführen. Klasse!!

  • Daß Kegel sich auch auf Gustav Mahler versteht, darauf wurde hier im Forum schon mehrfach verwiesen. Gestern hörte ich seine (auch schon von Edwin Baumgartner und petemonova) gelobte Einspielung der 4. Symphonie:



    Herbert Kegel, Rundfunk-Sinfonieorchester Leipzig, Celestina Casapietra, Sopran (aufg. 1977/78)


    Eine Aufnahme, bei der für mich alles, aber auch wirklich alles stimmt: Kegel trifft den Ton, die besondere Naivität Mahlers, die eigentlich keine Naivität ist (oder doch? gerade diese Ungewißheit und Widersprüchlichkeit, das ist der "Ton", die oft beschworene "Gebrochenheit" Mahlers): vielleicht die unstillbare Sehnsucht des erwachsenen Menschen, sich wieder in ein Kind zurückwandeln zu können.


    Als ich gestern die bombastische Steigerung am Ende des 3. Satzes ("Ruhevoll") hörte, mit dem sanften Ausklingen danach - da spürte ich ein Glücksgefühl, wie ich es beim Musikhören nicht so oft erlebe (die Stelle wird oft "verhunzt"). Und wenn am Ende die Sopranstimme anhebt, die "himmlischen Freuden" zu besingen, dann habe ich nicht den Eindruck, daß eine Frau singt - es scheint eine Knabenstimme zu sein, das "Kind", das nun endlich sprechen kann (Edwin: "eine 'gefälschte' Kinderstimme" - natürlich singt kein Knabe, sondern die erwachsene Sopranistin Celestina Casapietra, mit Kegel verheiratet).


    Wer die große Kunst dieses so unterschätzten Meisters würdigen möchte, sollte an dieser Aufnahme nicht vorübergehen. Wie Kegel Mahler versteht, wirklich versteht (auch seine Einspielung der Ersten finde ich grandios) - das kann nicht hoch genug gepriesen werden.


    Jetzt habe ich schon so viele großartige Kegel-Aufnahmen kennengelernt - da scheint mir die Behauptung nicht zu verwegen zu sein, daß es sich hier in der Tat um eine der großen Musiker-Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts handelt.


    Es gibt ein (2003 erschienenes, doch offensichtlich bereits vergriffenes) Buch über ihn: Helga Kuschmitz: Legende ohne Tabu - Herbert Kegel: Ein Dirigentenleben im 20. Jahrhundert (Verlag E. Reinhold). Frage in die Runde: Kennt das jemand? Empfehlenswert? Wenn ja: erhältlich?

  • Gurnemanz' Plädoyer für Kegel als Mahler-Dirigent kann ich mich nur anschließen. Allerdings habe ich die 4. noch nicht gehört, sondern beziehe mich auf seine Einspielung der 1. Symphonie, die aktuell zu einem Spottpreis auf dem Markt ist:



    Herbert Kegel dirigiert hier die Dresdner Philharmonie und führt das Orchester zu einer wundervoll ausgewogenen, für mein Empfinden in jeder Hinsicht überaus gelungenen Interpretation, in der einfach alles stimmt: allein der »Naturlaut« zu Beginn des ersten Satzes, dieses mit an der Grenze des Hörbaren sich artikulierenden Streicherflageoletts Anheben der Musiik aus dem Nichts ist unglaublich einfühlsam und fast bestürzend ausgespielt. Sehr gut gefällt mir, daß Kegel die monumentalen Steigerungen im Kopf- und insbesondere im Schlußsatz davor bewahrt, ins Pompöse oder Kitschige abzugleiten - alles wirkt logisch entwickelt, klar durchleuchtet, dabei jedoch nicht gefühlsarm oder übermäßig abgeklärt.
    Der Höhepunkt ist für mich dann allerdings Kegels Interpretation des 3. Satzes: keine Überzeichnung des Sarkastisch-Ironischen, sondern eine gespenstische melancholische Ironie wird evoziert. Ich mußte den Satz nach Ende der Symphonie noch dreimal wiederholen...


    Klasse!


    Viele Grüße,
    Medard

  • Lieber Gurnemanz,

    Zitat

    Es gibt ein (2003 erschienenes, doch offensichtlich bereits vergriffenes) Buch über ihn: Helga Kuschmitz: Legende ohne Tabu - Herbert Kegel: Ein Dirigentenleben im 20. Jahrhundert (Verlag E. Reinhold). Frage in die Runde: Kennt das jemand? Empfehlenswert?


    Mit Einschränkungen. Das Buch ist leider ziemlich auf den Knien geschrieben. Ich habe mit Helga Kuschmitz längere Zeit telefoniert, deshalb weiß ich, welch genaue Kenntnisse sie über Kegels Leben hat. Sie hat jedoch nicht alle Informationen verwertet, weil sie der Meinung ist, die Öffentlichkeit brauche nicht alles zu wissen. Sie hat einige weniger sympathische Züge also ausgeblendet. Das ist eine Vorgangsweise, die mir nicht unbedingt sympathisch ist, allerdings ist dieses Buch die einzige umfangreichere Quelle zu Kegels Leben.
    :hello:

    ...

  • Zitat

    Original von Klawirr
    Der Höhepunkt ist für mich dann allerdings Kegels Interpretation des 3. Satzes: keine Überzeichnung des Sarkastisch-Ironischen, sondern eine gespenstische melancholische Ironie wird evoziert.


    Lieber Medard,


    Deiner schönen, einfühlsamen Erläuterung - soeben habe ich diese Einspielung wieder gehört und bin wieder schwer beeindruckt von der Größe des Werks und der Interpretation - habe ich nicht viel hinzuzufügen. Vielleicht noch Kegels Kunst, Themen, wenn sie wieder auftreten, in ein ganz neues Licht zu setzen (Beispiel: die Reprise im 2. Satz!), wodurch ein großer organischer Prozeß hörbar wird, über die Sätze hinweg.


    So abgrundtief traurig wie hier habe ich den Trauermarsch noch nie gehört: im ersten Teil fast nur schleppende, düstere Stimmungen, nach dem sehnsüchtig-tröstlichen Mittelteil die Wiederaufnahme des Marsches jetzt viel schmerzlich-verzweifelter... So sinnfällig ist mir die erschreckende, laute Einleitung des Finalsatzes (bei dem einleitenden Beckenschlag zucke ich regelmäßig zusammen, ich spüre jedes Mal Angst vor dieser Stelle!) noch nie gewesen wie hier.


    Eine wahrhaft eindringliche Aufnahme!

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  • Zitat

    Original von Edwin Baumgartner
    Helga Kuschmitz [...] hat jedoch nicht alle Informationen verwertet, weil sie der Meinung ist, die Öffentlichkeit brauche nicht alles zu wissen. Sie hat einige weniger sympathische Züge also ausgeblendet. Das ist eine Vorgangsweise, die mir nicht unbedingt sympathisch ist [...]


    Lieber Edwin,


    vielen Dank für Deine Auskunft, ich nehme es etwas gemischt auf: Auch wenn der Öffentlichkeit vielleicht wesentliche Details zum Verständnis des Künstlers vorenthalten werden, kann ich das Dilemma verstehen, wenn ein ihm Nahestehender (wie offensichtlich Frau Kuschmitz) Bedürfnisse nach Klatsch nicht bedienen möchte. Jedenfalls wenn es um intime persönliche Details gehen sollte.


    Wenn allerdings Informationen zurückgehalten würden, die die politische Einstellung und Kegels Verhalten in der DDR - auch und gerade wenn sie problematisch sein sollten -, dann fände ich das bedauerlich. Über Kegels Auftreten in der DDR weiß ich im Wesentlichen nur, was ich hier im Forum bislang gelesen habe - gibt es weiter Wesentliches und Wissenswertes? Die saubere Grenzziehung zwischen öffentlich und privat freilich dürfte nicht immer einfach sein.


    Nun werde ich weiter versuchen, trotz der Einschränkungen, das Buch zu bekommen - unzensiert bleiben uns immerhin die Aufnahmen Kegels, und das ist für mich momentan das, was wichtig und kostbar ist.

  • Zitat

    Original von Gurnemanz


    Hallo teleton,


    und ich bin gespannt auf Deinen Vergleich Solti - Kegel...


    Hallo Gurnemanz,


    ich habe die Blacher-CD mit Kegel jetzt erhalten und mit großer Begeisterung gehört.
    Kegel scheint ein hervorragender Dirigent zu sein, der Szell-typisch äußerste Präzision mit Hochspannung vereinen zu weis.


    Die Blacher: Paganini-Variationen (1947) mit Solti / WPO (Decca) sind TOP eingespielt, sodaß man kaum gluben könnte wo man hier noch eine Verbesserung erzielen könnte.
    Meine Überraschung bei Kegel war umso größer, als erstens die Tontechnik (analog) voll präsent rüberkommt und zweitens am laufenden Band Strukturen präzisie hörbar gemacht werden, die das Werk auseinandernehmen und vollkommen hörbar machen. Dabei interpretiert Kegel mit der Dresdener PH das Werk mit Hochspannung und läßt keine Stelle aus es mit Saft und Kraft darzubieten - einfach Meisterhaft.
    Sehr schön auch, dass die 16 Variationen bei Kegel in einzelne Tracks eingeteilt sind.
    Die Variation 15 ( :D auf die man schon wartet), ist der Ausschnitt, den Eshpai in seiner Sinf.Nr.5 zitiert. Kegel auch hier Superklasse und die Var.16 fetzt zum Schluß, dass es eine Wonne ist.


    Auch die beiden anderen Werke mit Blacher auf der CD - und mit Kegel - sind famos.
    :hello: Eine äußerst lohnende CD mit Musik des 20.Jhd., die es mal wirklich in sich hat !
    :yes: Das ist wirklich echte Musik des 20.Jahrhd. - ;) viele Wissen worauf ich anspiele !



    Berlin Classics, 1982, ADD

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Hallo,


    wer weiß was über Herbert Kegel als Bruckner-Dirigenten? Es gibt eine Achte, die ich mir über den Marketplace gerade bestellt habe, weil sie ziemlich günstig angeboten wurde.
    Edwin schrieb mal irgendwo etwas von einer Bruckner Vier unter Kegel. War das ein Livemitschnitt oder eine Studio-Aufnahme? Ich habe jedenfalls nirgends eine Bezugsquelle gefunden...
    Auch von der Dritten soll es eine Aufnahme geben.


    Die Blacher-CD mit den Orchesterwerken habe ich mir heute auch bestellt, da bin ich ebenfalls sehr gespannt!



    LG, Peter.

  • Hallo Peter,
    Kegel ist bei Bruckner ziemlich interessant: Flott unterwegs in früheren Jahren, relativ breite Tempi später, immer energiegeladen und glühend im Ausdruck. Die meisten Aufnahmen davon gibt es in Japan, einfach bei http://www.hmv.co.jp nachsehen.
    :hello:

    ...

  • von kegel gibt es aufnahmen der symphonien 3-9. aber keine ahnung, ob die noch alle verfügbar sind (momentan wohl eher nicht).


    ich persönlich habe eine vierte (live 21-09-1971, rso leipzig, 69 min.). die aufnahme ist mittelmäßig, würde ich meinen (habe sie aber schon ein weilchen nicht mehr gehört).
    kegels interpretation ist ganz gut, eher auf der langsamen seite, aber doch zupackend. ich war überrascht: nach seinem recht analytischen parsifal habe ich auch bruckner in diese richtung erwartet. jedoch läßt der bei bruckner erstaunlich viel pathos zu, spielt ihn eher "jenseitig". leider offenbart das orchester bei dieser vierten so manche schwäche. es ist dies eine aufnahme, die man haben kann, aber sicher nicht unbedingt haben muss.


    greetings, uhlmann

  • Nach so viel Symphonik möchte ich hier an dieser Stelle auf eine Operneinspielung aus Kegels Zeit beim Leipziger Rundfunk aufmerksam machen, die jetzt bei Walhall neu herausgekommen ist (Ommer ist sie nicht bekannt, also scheint sie vorher noch nicht veröffentlicht worden zu sein):



    Richard Strauss (1864-1949)
    Ariadne auf Naxos


    (2 CDs)
    Erscheinungstermin: 21.5.2008

    Brünnhild Friedland, Kurt Schüffler, Christa Maria Ziese, Hans Wocke, Jutta Vulpius,
    RSO Leipzig,
    Dirigent: Herbert Kegel
    Label: Walhall , ADD/m, 1954


    Bei jpc gibt es Hörproben davon.


    LG

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)


  • Herbert Kegel (* 29. Juli 1920 in Großzschachwitz (bei Dresden); † 20. November 1990 in Dresden)
    war ein deutscher Dirigent und gehörte neben Kurt Masur zu den wichtigsten Orchesterleitern der DDR.


    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...

  • Sehr empfehlenswert ist auch das:



    Eine unerreichte Aufnahme, die mich gerade wieder ein paar Tage begleitet hat. Und: die Carmina Burana sind nicht einmal der beste Teil dieser Trilogie. Als ich das erste Mal "Catulli Carmina" und Trionfo di Afrodite" gehört habe, war ich elektrisiert. "Odi et amo" habe ich ein paar Mal gesungen, von den Noten nicht schwer, aber von der Dynamik.

    Canada is the US running by the Swiss (Richard Ford)

  • Mehrfach ist auf Kegels Orff-Einspielungen hingewiesen worden. Die herausragende "Carmina burana" - Aufnahme ist jedoch nicht seine mittlere (aus den "Trifoni") oder späte, sondern jene von 1959, die weder er noch sonst jemand wieder übertroffen hat.

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