"Das wohltemperierte Clavier" auf Cembalo und Clavichord

  • Zitat

    Original von Melot1967


    Weißt du ungefähr, von wann die Aufnahmen sind oder welche früher und welche später entstanden?


    Zufällig (mal in einem Konvolut auf Ebay erworben) besitze ich den 2. Band in der Clavichord-Aufnahme mit Kirkpatrick. Er stammt von 1967, der 1. von 1959. Die Cembalo-Aufnahmen, ebenfalls bei Archiv entstanden in derselben Zeit. Sie sind z. Zt. anscheinend nicht erhältlich. Eine 8-CD-Box enthält nur Suiten, Konzerte etc.


    Ich habe nie ein Clavichord live gehört, aber auf Tonträgern funktioniert es m.E. sehr schlecht. Zuerst fand ich o.g. CD so furchtbar, dass ich sie gleich wieder loswerden wollte. Ich habe sie dann als Kuriosität behalten und wenn ich jetzt gerade wieder hineinhöre, so ist der Klang zwar erträglich, aber er gefällt mir immer noch weniger als Cembalos und die von Kirkpatrick u.a. eloquent gerühmten besonderen Qualitäten des Clavichords höre ich einfach nicht. Vielleicht gehen sie bei Aufnahmen verloren.


    :hello:


    JR


    PS: Mit den Klangbeispielen im Netz kannst Du das nicht überprüfen. Die sind auch bei guten Cemablo-Aufnahmen häufig furchtbar (ich hätte die im anderen Thread besprochene Hamburg 1734 mit Staier deswegen beinahe nicht gekauft).
    Man muß relativ leise abspielen, weil sonst die Nebengeräusche zu sehr hörbar werden. Dennoch empfinde ich den Klang häufig als unausgeglichen und holprig. Also von mir keine Empfehlung, auch wenn Kirkpatrick sicher auf seine Art sehr gut ist. Da es nur die Goldbergvariationen, an denen ich z Zt gar kein Interesse habe, einzeln gibt, werde ich aber wohl erstmal darauf verzichten zu sehen, was er auf einem richtigen Cembalo anstellt.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Hallo JR, mir ging es genau wie dir. Ich konnte den Klang (das linde Gezupfe) nicht ausstehen, mir ist aber nicht entgangen, wie gut das Spiel ist. Ich bin nur jetzt wieder neugierig geworden; vor allem nachdem ich mir die Rezension(en) bei Amazon durchgelesen habe, in der es heißt, man sollte es nicht zu laut abspielen, werde ich's wieder mal probieren.


    P.S.: Hab's grad ausprobiert; habe mir wohl was vorgemacht. Vielleicht ein anderes Mal ...


    Gibt es das Werk auch mit Gitarren-Quartett? :pfeif:

    Bitte bedenken Sie, dass lautes Husten - auch zwischen den Stücken - die Konzentration der Künstler wie auch den Genuss der Zuhörer beeinträchtigt und sich durch den Filter eines Taschentuchs o. ä. erheblich dämpfen lässt.

  • Zitat

    Original von Hildebrandt
    Und noch ein Aber: Das Cembalo ist nach Werckmeister III gestimmt.
    Das halte ich für eine merkwürdige Maßnahme. Wenn man sich schon nicht auf die letzten Ergebnisse der Schnörkeforschung einlässt, nach der Bach sein Stimmungsprinzip in den kalligraphischen Verzierungen des WTK-Titelblatts versteckt hat, sollte man doch wenigstens die überlieferten, damalig moderneren Stimmungen in Betracht ziehen.


    Das finde ich hochinteressant! Kannst du das zur "Schnörkelforschung" etwas näher ausführen?


    Soweit ich das - nur aus Sekundärquellen - weiß, kommt neben Werckmeister III vor allem die Temperatur nach dem Bach-Schüler Kirnberger III in Betracht. Nach wie vor kann auch eine gleichstufige Temperatur in Frage kommen, schließlich wird sie bereits 1706 von Neidhard vorgeschlagen und auch von Werkmeister als mögliche Stimmung bereits erwähnt. Außerdem habe ich von einer Silbermannschen Temperierung gelesen, allerdings soll angeblich Silbermann gerade wegen seiner Stimmung nicht zu den bevorzugten Orgelbauern Bachs gehört haben (die Quelle dazu fällt mir gerade nicht mehr ein).


    Mich würde da interessieren, welche überlieferten, damalig modernen Simmungen Du meinst.


    Vor allem interessiert mich aber die klangliche Konsequenz. Hört man wirklich deutliche Unterschiede beim WTK je nachdem, ob z.B. nach Werkmeister III, Kirnberger III oder gleichstufig temperiert wurde? Oder braucht man dazu ein äußerst geschultes Ohr, und das ganze ist nur musikhistorisch interessant?


    Beste Grüße


    Manuel García

  • Zitat

    Original von Melot1967
    Ich bin zwar kein Spezialist, aber ich kenne eine fantastische Aufnahme von WTK I+II mit Ralph Kirkpatrick. Ich könnte mir vorstellen, dass es mit Clavichord keine bessere als diese gibt. Sie dürfte ca. Anfang oder Mitte der Fünfzigerjahre entstanden sein.


    Hallo Melot,


    die Aufnahmen des WTK II besitze ich als Schallplatten auch schon seit ca. 1960, und ich liebe sie sehr. Das hier eingesetzte Clavichord hat einen ziemlich cembaloähnlichen Klang. Durch die Aufnahme kommt aber der intime, leise Klang eines Clavichords nicht mehr durch, es ist also fast wie ein elektronisch verstärktes Clavicord. Oder wie ein Cembalo, das zusätzlich über erhebliche dynamische Fähigkeiten verfügt. Letztere werden allerdings durch Kirkpatriks Spiel etwas "eingeebnet", er spielt sehr nüchtern (einige böse Stimmen bemühen dazu den Ausdruck Nähmaschinenstil).


    Zusätzlich habe ich noch Aufnahmen von Gould am Klavier und Jacottet am Cembalo. So verschieden die drei sind, ich liebe sie alle und brauche mit mir selbst keinen Kampf auszufechten, welche nun die Nr. 1 ist.


    Beste Grüße


    Manuel García

  • Zitat

    Original von Melot1967


    Der Kasten ist ein Christian Zell von 1728, die Aufnahme entstand September 1988 und März 1989 im Museum für Kunst und Gewerbe in Hamburg. Jetzt habe ich große Lust bekommen ...



    Merci für die Ergänzung. Es steht ja sogar auf der Rückseite der CD-Box, wie ich festgestellt habe - da war das verschwundene Booklet gar nicht notwendig.


    Mein Resumé zur van Asperen-Aufnahme, nachdem ich mir gestern das WTK I angehört habe: Das Instrument klingt wunderbar, ist auch sehr schön aufgenommen. Für die Präludien gilt das, was oben Miguel als Kennzeichen vieler WTK-Cembalo-Aufnahmen benannt hat: etwas zu kontrolliert, zu respektvoll, zu wenig spielerisch. Aus der Reihe fallen nur das rasend schnelle c-moll-Stück (ich mag's, wenn das so gespielt wird) und das temperamentvolle G-dur-Präludium. Die Fugen gefallen mir bei van Asperen sehr gut, wobei der Gestaltungsspielraum hier ja nicht so groß ist. Bei den ganz gewichtigen Stücken (z.B. cis, f, fis) ist eine Tendenz zur Schwere und zu langsamen Tempi nicht zu überhören, was mich aber nicht stört.


    Das WTK II muss - wie so oft - jetzt erstmal warten. ;)



    Viele Grüße


    Bernd

  • Guten Tag


    Zitat

    Original von miguel54
    Das WTC (ich bestehe auf dem "C" in all seiner Vieldeutigkeit der Bach-Zeit!) ..... sehr schön formuliert, der Thread-Titel :D!


    8):pfeif:


    Zitat

    Levin ist mit z.Zt. der liebste, zum einen weil er durch die (ausführlich diskutierte) Instrumentenwahl viel Abwechslung bringt, frische aber nicht gehetzte Tempi wählt und jedes Stück neu angeht, ohne in Routine zu verfallen. Für mich der originellste Beitrag zum Thema WTC in den letzten 10 Jahren.


    Von Levin besitze ich nur das WTC II, schätze ebenfalls den abwechselten Einsatz verschiedener Tasteninstrumente. Das Präludium D-Dur z.B. ist mir ganz als Orgelstück im Ohr.


    Gruß :hello:


    der Kurpfalz


    Bernhard

  • Ich gehe mal davon aus, dass die Präludien eben ausformulierte Musterbeispiele für Improvisationen sind, also würde ich mir wünschen, dass sie mit einem gewissen Maß an improvisatorischen geist daherkommen.


    Insofern bin ich sehr angetan von Hildebrandts Bericht über die Dantone-Aufnahme ...

  • Guten Tag


    Bachs WTC liegt ja in einer schönen


    Reinschrift von 1722 vor :angel:



    Bach hat aber das Manuskript des "WTC" in Laufe seines Lebens mehrfach überarbeitet. Welche Fassungen werden in der Regel eingespielt, die von 1722 oder sieht man die letzte Version als entgültigen Fassung an ?



    Gruß :hello:


    aus der Kurpfalz


    Bernhard

  • Zitat

    Original von Manuel García
    Das finde ich hochinteressant! Kannst du das zur "Schnörkelforschung" etwas näher ausführen?


    2005 veröffentlichte Bradley Lehman den Artikel "Bach's extraordinary temperament: our Rosetta Stone" in "Early Music".
    Darin deutete er die kalligraphischen Schnörkel oberhalb des Titels auf Bachs Reinschriftexemplar, das Bernhard dankenswerterweise oben schon abgebildet hat, als Stimmanweisung für das WTC. Schaut man genauer hin, erkennt man, dass jede Schleife und jeder Kringel eine bestimmte Gestalt hat, die den anderen nicht immer gleichen.
    Was man zunächst für einen Aprilscherz halten konnte, erwies sich als logisch haltbar und musikalisch sinnvoll.
    Man kann u. a. den Artikel auf Bradleys Homepage (larips.com) nachlesen.


    Zitat

    Soweit ich das - nur aus Sekundärquellen - weiß, kommt neben Werckmeister III vor allem die Temperatur nach dem Bach-Schüler Kirnberger III in Betracht. Nach wie vor kann auch eine gleichstufige Temperatur in Frage kommen, schließlich wird sie bereits 1706 von Neidhard vorgeschlagen und auch von Werkmeister als mögliche Stimmung bereits erwähnt.


    Neidhardts Stimmungen sind nicht gleichstufig, sondern höchst kompliziert von der mitteltönigen abgeleitet, wobei Neidhardt IV (?) so nahe ans gleichschwebende Modell gerät, dass die Unterschiede kaum noch auszumachen sind.


    Zitat

    Außerdem habe ich von einer Silbermannschen Temperierung gelesen, allerdings soll angeblich Silbermann gerade wegen seiner Stimmung nicht zu den bevorzugten Orgelbauern Bachs gehört haben (die Quelle dazu fällt mir gerade nicht mehr ein).


    Vor allem auch die Neidhardt-Experimente. Allerdings hegte bestimmt nicht nur ich schon immer den Verdacht, dass Bach, beschlagen in Theorie und Praxis aller möglichen musikalischen Teildisziplinen, seinen eigenen Stiefel stimmte.


    [quote]Vor allem interessiert mich aber die klangliche Konsequenz. Hört man wirklich deutliche Unterschiede beim WTK je nachdem, ob z.B. nach Werkmeister III, Kirnberger III oder gleichstufig temperiert wurde? Oder braucht man dazu ein äußerst geschultes Ohr, und das ganze ist nur musikhistorisch interessant?


    Wenn man sich lange genug hineingehört hat, am besten noch besonders wirksame Stellen auswählt und obendrein sogar noch Vergleiche anstellen kann, sind die Unterschiede deutlich. Im Verlauf eines Konzertes merkt man wohl nicht allzu viel davon. (Am alerbesten eine Oktave auf dem Cembalo selbst stimmen und die Intervalle hören und vergleichen.)

  • Kaum 22 Jahre nach dem ersten Teil kam dann das



    Das Krokodil brauchte allerdings nur ein paar Tage. :D


    Das WTC II ist lange nicht so bekannt und beliebt wie der erste Teil, was ich schade finde. Vielleicht finden hier nicht mehr die Abenteuer statt, alles wirkt ein bisschen dichter, konzentrierter. Aber es gibt auch sehr charmante, fast schon witzig wirkende Stücke. Manchmal klingt es, als ob Bach sich mit einem Lächeln von der Kunst der Fuge erholte.


    Dantone spielt großartig, immer absolut souverän und selbstverständlich, nirgends wird etwas in eine Richtung gezwungen. Charme, Esprit und Witz kommen ebenso zur Geltung wie die Archaik mancher Fugen.


    Die Aufnahmequalität ist wie beim ersten Teil makellos – für Interessierte wird auch noch die Marke des letzten Mikrofonkabels aufgeführt.


    Alles in allem für mich die derzeit und mit Abstand beste Aufnahme.


    :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel:
    [SIZE=7]Wenn er doch bloß ein anderes Cembalo genommen hätte.[/SIZE] :motz:

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  • Ich dachte eigentlich, dass der 2. Teil nach Forschungsstand aus (ggf. überarbeiteten/transponierten) Stücken der vergangenen Jahrzehnte kompiliert worden sei und in den 1740er Jahren höchstens einzelne Neukompositionen dazugekommen seien (ähnlich wie bei der h-moll-Messe).


    Auf mich wirkt er eher weniger dicht, sehr viel weniger systematisch als Buch I, dafür aber auch sehr abwechslungsreich. Als Nur-Hörer habe ich beide Teile praktisch gleichzeitig kennengelernt und ziehe keinen dem anderen vor.
    Einige der Präludien (z.B. B-Dur, D-Dur) sind erstaunlich nahe am Stil Scarlattis, das findet sich früher höchst selten.


    (Dantone habe ich jetzt auch bestellt, erstmal II, weil der billiger war...)


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Zitat

    Original von Johannes Roehl
    Ich dachte eigentlich, dass der 2. Teil nach Forschungsstand aus (ggf. überarbeiteten/transponierten) Stücken der vergangenen Jahrzehnte kompiliert worden sei und in den 1740er Jahren höchstens einzelne Neukompositionen dazugekommen seien (ähnlich wie bei der h-moll-Messe).


    Das stimmt, aber zugleich wurde kräftig Hand angelegt, was die Stücke insgesamt für mich jedenfalls geraffter wirken lässt.


    Zitat

    Auf mich wirkt er eher weniger dicht, sehr viel weniger systematisch als Buch I, dafür aber auch sehr abwechslungsreich.


    Es kommen kaum mehr die ausgesprochenen Virtuosenstückchen vor wie die c-moll-Nähmaschine aus dem ersten Teil. Häufiger gibt es inventions- und sinfonieartige Präludien – der Kontrapunkt metastasiert immer öfter in die Vorspiele hinein. Und die beschränken sich dann zudem auf wenige Stimmen. Vielleicht sind die zweistimmigen Kanons aus der KdF der Endpunkt dieser Entwicklung.


    Zitat

    Als Nur-Hörer habe ich beide Teile praktisch gleichzeitig kennengelernt und ziehe keinen dem anderen vor.


    :jubel:


    Zitat

    Einige der Präludien (z.B. B-Dur, D-Dur) sind erstaunlich nahe am Stil Scarlattis, das findet sich früher höchst selten.


    Das meinte ich mit Charme, Witz etc. Johann Sebastian zeigt, dass er auch mit der Zeit gehen kann, ohne sich zu verleugnen. Norddeutsche Fantastik und Organistenzwirn treten in den Hintergrund, dafür werden die Fugen manchmal komplizierter.

  • Zitat

    Original von Johannes Roehl
    (Dantone habe ich jetzt auch bestellt, erstmal II, weil der billiger war...)


    Ich alter Systematiker erstmal Teil I, den ich dann nach der Rückkehr aus dem Urlaub goutieren werde.

  • Zitat

    Original von Hildebrandt


    Das wäre mir neu, gilt Silbermann doch als besonders hartleibiger Mitteltöner.


    Hallo Hildebrandt, Du hast natürlich recht, ich habe mich von der Bezeichnung "Silbermann-Temperatur" irritieren lassen, diese ist allerdings keine temperierte sondern eine mitteltönige Stimmung. Die mir entfallene Informationsquelle war - das Gute liegt so nahe - das Tamino-Forum selbst im Thread "Geprießner" Silbermann mit den Beiträgen von BigBerlinBear.


    Beste Grüße


    Manuel García
    ;( :) ;(

  • Zitat

    Original von miguel54


    Ich alter Systematiker erstmal Teil I, den ich dann nach der Rückkehr aus dem Urlaub goutieren werde.


    Dantone (zumindest der erste Teil) ist inzwischen bei mir eingetrudelt. Hören können habe ich zwar erst die erste Hälfte- aber die macht Lust auf mehr. Dantone spielt ohne Scheuklappen oder zuviel Ehrfurcht vor Erzvater Bach- und der Klang des Instruments ist wunderbar eingefangen!


    Ach Hildebrandt, habe ich das eigentlich schon mal erwähnt?
    (Ich glaube schon :D ):


    Du machst mich arm!!!!


    Herzliche Grüße,:hello: :hello:


    Christian

    Beherrsche die Sache, die Worte werden folgen! (Cato der Ältere)

  • Habe heute den ersten Teil mit Dantone abgeholt - nach dem ersten Hören überzeugt mich nicht alles 100%ig - das allererste Präludium möchte ich einfach schneller haben, mindestens so schnell wie das zweite, was es laut Notentext auch sein müsste - und das zweite ist technisch doch schwieriger!


    Aufnahmetechnisch Klasse - da ist auch jedes Detail zur Aufnahme angegeben, was viel zu selten gemacht wird. Der Blanchet-Nachbau klingt gut und angemessen, für meinen Geschmack einen Tick zu weich für diese Stücke.


    Manches finde ich top - z.B. A-dur BWV 864 und a-moll BWV 865 - anderes habe ich schon überzeugender gehört - die ersten Fugen würde ich mir etwas weniger agogisch und beherzter wünschen, so wie Sébastien Guillot die Kunst der Fuge angeht - der wäre derzeit mein Wunschkandidat für das WTC. Aber Dantone hört sich insgesamt so an, als ob er es genau so will - für sich genommen auf jeden Fall eine überzeugende Aufnahme. Teil II wird später im Jahr auch noch angeschafft ...

  • Habe mir nochmal die Noten der ersten beiden Präludien aus WTC I angesehen und kann beim besten Willen nicht nachvollziehen, warum alle (?) das erste deutlich langsamer spielen. Da beide die gleiche rhythmische Faktur haben, käme der Kontrast von einstimmiger zu zweistimmiger Komposition bei gleichem (recht schnellem) Tempo (in dem viele das zweite spielen!) dochsehr viel besser raus. Außerdem bekäme das erste einen leichten Arpeggio-Charakter, der gut passen würde. Kennt hier jemand eine Aufnahme, in der das erste Präludium flott gespielt ist, oder kann mir das im Vergleich zum zweiten langsamere Tempo nachvollziehbar begründen?


    Besten Dank im voraus!


  • Vielen Dank für diese Empfehlung - sah sie gestern in meinem Stammladen in Wiesbaden (La musica), hörte kurz rein, und nahm sie mit. Zwar spielt auch Beauséjour das erste Präludium einen Tick langsamer als ich es gern hätte, aber schön im Fluß, mit nur wenigen - und sinnvollen - Kunstpausen. Auch er lässt eine Fuge eine Fuge sein, spielt sie schön knackig, ähnlich wie Guillot. Mit diesem WTC kann man gut leben, wenn das Budget nicht so groß ist. Interessant, was er zu seiner Instrumentenwahl sagt - das ist sozusagen eine custom made harpsichord - Glück für ihn, wenn er Cembalobauer hat, die ihm das so machen.

  • Ich kann nicht umhin, hier nochmals ein dickes Lob für Luc Beauséjour auszusprechen - von den nur auf dem Cembalo gespielten Aufnahmen ist mir seine inzwischen die liebste geworden. Mit so viel Elan und Stringenz spielt sonst niemand.


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  • Zitat

    Original von m-mueller
    Kennt hier jemand die Interpretation von Keith Jarrett?


    Zu Keith Jarretts WTK gibt es in einem der entsprechenden Threads schon Kommentare. Ich habe seine Aufnahme des WTK II, die er am Cembalo spielt, und ich genieße sie sehr, da sie für meine Ohren und meinen Geschmack sehr schön und exakt gespielt ist. Man könnte dazu meinen, es fehle "die Interpretation", und aus eben diesem Grund mögen sie manche andere Hörer nicht so gerne. Zu seinem WTK I auf dem Klavier kann ich nichts sagen. Wenn er es mit Cembalo gespielt hätte, hätte ich es mir gekauft. Mit Klavier habe ich schon einige Favoriten im Regal, die ich alle nicht missen möchte.

    Bitte bedenken Sie, dass lautes Husten - auch zwischen den Stücken - die Konzentration der Künstler wie auch den Genuss der Zuhörer beeinträchtigt und sich durch den Filter eines Taschentuchs o. ä. erheblich dämpfen lässt.

  • Ton Koopman, der Meister der barocken Verziehrung, was er auch hier perfekt "ausspielt", hat, auch klangtechnisch hervorragende, Einspielungen von WTC I und II vor einigen Jahren bei Erato vorgelegt. Sehr empfehlenswert!

  • Noch ein Anwärter für die erste Reihe ist Suzuki.



    Jedes Stück behält seinen Charakter, nichts wirkt aufgesetzt oder abgespult.
    Die sehr schöne Kopie eines ravalierten Ruckers ist so intoniert, dass die Mittelstimmen neben dem glockigen Diskant immer präsent sind und nicht untergehen, und entsprechend selbstständig werden sie von Suzuki auch behandelt.


    Die Aufnahme ist makellos, ein bisschen Distanz zwischen Instrument und Mikrofonen lässt auch einen Raum erahnen. Man hat den Kopf also nicht zwischen den Saiten.


    Alles in allem noch eine wärmste Kaufempfehlung. :D

  • ich habe jetzt die



    gehört.
    und bin entzückt.
    ich hab schon a.a.o. hinterlassen, dass ich diese klimperkästchen überaus mag und im gegensatz zu jr, dem ersten habe ich sie auch einige male frisch gehört -also nicht aus der dose. (er mag mir seinen ungeliebten kirkpatrick ruhig veräußern...)
    jaroslav tuma spielt in der aufnahme aus 2000 auf einem clavichord, das martin kather 1999 einem von david tannenberg aus 1760 nachgebaut hat.


    davor hatte ich mir die



    und die


    (da such ich noch was sichtbareres -nichts gefunden. also: davitt moroney)


    besorgt und war schon drauf und dran, getreu blackadders signatur sakrilegisch, doch reumütig zu der großholztrias zurückzukehren, ob des allzu mechanischen geklingeles. tuma hat mich vor der wilden hilde gerettet!


    jetzt brauch ich nur noch eine orgelaufnahme...

  • Tach,


    Zitat

    Original von miguel54
    ....Berben läuft gerade - ein Glück, dass Brilliant Classics ihn und nicht den meiner Meinung nach etwas überbewerteten Pieter-Jan Belder für das WTC genommen hat!


    Und jetzt gibt es von Brilliant Records auch noch eine Aufnahme des WTC von Pieter-Jan Belder



    Ich habe heut erst das 1.Buch gehört und es gefiel mir - im Vergleich zu Berben oder Leonhardt - sehr gut. Er spielt sehr lebendig und frisch (ich bin Laie und kann es nicht besser ausdrücken). Berben hält sich imo etwas zurück und spielt ein wenig "mechanisch". Für den Preis ist von mir eine dicke Empfehlung !


    VG, Bernd

  • Was bedeuten auf dem Autograph die Kringel, die Johann Sebastian Bach über die ganze Seitenbreite im oberen Bereich des Titelblattes des 1. Teiles des Wohltemperierten Claviers gesetzt hat?


    Hildebrandt hatte sich in den Beiträgen 15 sowie 39 über die Schörkelforschung geäussert. Er ist in der Zwischenzeit vom Tamino zum Papageno mutiert (Alfred Schmidt hat ihm ein Schloss vorgehängt.) und kann daher keine Stellung mehr nehmen.


    Eine Antwort zur Bedeutung dieser Kringel und zum Zusammenhang mit der wohltemperierten Stimmung findet man in englischer Sprache auf dieser Seite http://www.larips.com/


    Sie sollen nach den Erkenntnissen des Autors Dr. Bradley Lehman eine Stimmanweisung darstellen. "Er hat noch weit über die 1999 publizierte Arbeit von Dr. Andreas Sparschuh (Universität Heidelberg) hinausgehend und zu anderen Ergebnissen gelangend, bis ins Detail diese verloren geglaubte Anweisung erforscht und dargestellt." Quelle niederfellabrunn.at


    Das wohltemperierte Klavier (1. Teil), autographe Titelseite 1722 befindet sich in Berlin, Deutsche Staatsbibliothek. Der obere Bereich ist nicht vollständig zu sehen.



    Und auf der erwähnten Webseite von Dr. Bradley Lehman sieht es so aus:



    Auf der Seite von niederfellabrunn.at habe ich diese Erklärung gefunden (es werden nicht alle des Englischen mächtig sein.)


    "Die “Kringelreihe” ganz oben ist nicht nur ein Ornament, sondern die präzise Stimmanweisung, wobei Schleifen ohne inneres “Kringel” reine Quinten sind, solche mit einem Kringel etwas engere und solche mit zweien noch engere."



    "... das "Ornament" (ist) um 180° gedreht wiedergegeben. So ist es für einen Rechtshänder leichter zu zeichnen gewesen (vielleicht hat Bach einfach das Blatt umgedreht?). So ist die Stimmreihenfolge leichter zu lesen. J.S. Bach war (im Gegensatz zu C.P.E. Bach) Rechtshänder."
    .

    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928




  • Hallo,


    dem Beitrag Nr. 4 von salisburgensis kann ich nur voll zustimmen. Ich hatte 02.08. die Gelegenheit auf Schloss Seehaus in der Konzertreihe "fränkischer sommer" im gleichen Raum ein Cembalo und ein Clavichord zu hören. Die negativen Äußerungen zum Klang des Clavichords dürften meist dadurch begründet sein, dass Cembalospielern der Umstieg zum sehr schwierig zu spielenden Clavichord nicht restlos gelingt -so war es auch am 02.08.


    Viele Grüße
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler