Zum Glück richtig schauderhaft - Sweeney Todd: The Demon Barber of Fleet Street

  • In diesen Tagen kommt bei uns endlich mal wieder ein außergewöhnliches Filmmusical von hohem Anspruch und beachtlicher Qualität heraus. Es handelt sich um Tim Burtons Verfilmung des Musicals Sweeney Todd: The Demon Barber of Fleet Street von Stephen Sondheim mit Johnny Depp, Helena Bonham Carter, Alan Rickman und Timothy Spall.


    Zur Verfilmung selbst habe ich, wie bei den meisten Musical-Verfilmungen, ein eher zwiespältiges Verhältnis, auch wenn ich von einem derartigen Unterfangen schon lange keine Originaltreue mehr erwarte. Dazu aber später mehr. Vorerst bietet mir dieser Anlass eine hervorragende Gelegenheit Stephen Sondheim, einem der großartigsten Bühnenkomponisten und -lyriker unserer Zeit, mit seinem vielleicht ambitioniertesten und ergreifendsten, zugleich auch (für Liebhaber schwarzen Humors) komischsten, jedenfalls mit am besten gelungenen Werk einen überfälligen, ersten eigenen Thread zu widmen.


    Sondheim lernte diesen Stoff Anfang der 70er Jahre in London als Bühnenstück des Schauspielers Christopher Bond kennen, der darin eine alte Gruselgeschichte im thematischen Umfeld des Klassikers um Jack the Ripper zu einem traditionellen Grand Guignol - Erlebnis verarbeitet hatte. Der für ein Musical absolut ungewöhnliche Stoff reizte ihn, und er konnte den renommierten Regisseur und Produzenten Harold Prince, mit dem er u. a. die Meisterwerke COMPANY, FOLLIES und A LITTLE NIGHT MUSIC auf die Bühne gebracht hatte, trotz dessen anfänglichem Desinteresse davon überzeugen, das Werk in Angriff zu nehmen. Heraus kam eine Beinahe-Oper (das Werk wurde seither fast noch öfter von Opernhäusern als auf Musicalbühnen realisiert) mit durchgängiger Musik, für die sich Sondheim besonders stark von den Thrillerfilmmusiken Bernard Herrmanns (insbesondere dessen HANGOVER SQUARE von 1945) inspirieren ließ.


    Die Geschichte lässt sich in wenigen Sätzen zusammenfassen: nach Jahren der Verbannung in eine australische Strafkolonie, die ein korrupter und geiler Richter arrangiert hatte, der es auf die junge Frau des Barbiers Benjamin Barker abgesehen hatte, kehrt Barker unter dem angenommenen Namen Sweeney Todd nach London zurück um sich an den Missetätern zu rächen - eine Ausgangsposition, wie man sie etwa auch von den in der gleichen Zeit in Paris spielenden Geschichten um den GRAF VON MONTE CHRISTO oder LES MISERABLES kennt. Diese aber vermögen ihm zunächst noch zu entgehen, und so weitet sich sein Hass auf die gesamte "bessere" Gesellschaft aus, die ihm auch weidlich Grund dazu gibt. Gemeinsam mit der Pastetenbäckerin Miss Lovett etabliert er einen Barbiersalon, in denen er seinen Kunden nicht nur die Haare ab, sondern auch die Kehlen durch schneidet. Mit dem verarbeiteten Fleisch (es herrscht große Fleischknappheit in London) baut Miss Lovett eine florierende Pastetenbäckerei auf. Natürlich gelingt Sweeneys Rache zum Schluss doch, aber um einen Preis, der letztlich auch ihn und Miss Lovett um Verstand und Leben bringt.


    Diese hochmoralische, wenn auch mit genüsslich ausgekosteter Freude am grusligen Detail zelebrierte Geschichte wurde von Sondheim mit einer Partitur versehen, die im besten, d. h. wortwörtlichen Sinne das Prädikat schauderhaft verdient. Angefangen mit seinem Leitmotiv, einer Art "Dies Irae" zum Text "Swing Your Razor High, Sweeney", die nur scheinbar schlichte Moritat vom "Bar and His Wife", die in ihrem untergründigen Sarkasmus ihrem Gegenstück aus der Dreigroschenoper in nichts nachsteht, über die zahlreichen Ensemblestücke und natürlich dem komisch eleganten Glanzstück "A Little Priest", in dem die sehr konkret gemeinten, fleischlichen Eigenschaften von Sweeneys potentiellen Kunden kommentiert werden, steckt das Stück voller musikalisch-textlicher Glanzstücke. Vielleicht lässt sich das Musical, das es auch an fundierter Sozialkritik nicht mangeln lässt, am besten in einem Zitat aus diesem Duett zusammenfassen:
    The History of the World, My Dear
    Is Who Gets Eaten and Who Gets to Eat.


    Irgendwie passt das auch sehr gut in die gegenwärtige Debatte um maßlose Gier, die hier aber, wie bei Tamino alles zu konkret Politische, augespart werden soll.


    Ich konnte mir nie vorstellen, dass ausgerechnet dieser Stoff einmal verfilmt würde, und tatsächlich ist es keineswegs unverdient, dass der nicht weniger detailfreudige Film in England erst ab 18 freigegeben ist (die deutsche Verleihversion kenne ich nicht, deshalb frage ich mich, ob die Freigabe ab 16 nicht mit erheblichen Kürzungen erkauft wurde). Aus naheliegenden Gründen beschränke ich mich darauf, den Film nicht für zartbesaitete Gemüter zu empfehlen und darauf hinzuweisen, dass er geeignet ist, nicht nur fantasiebegabten Menschen den Appetit (vor allem, aber nicht nur) auf Fleisch zu verderben.


    Das eigentliche Kriterium einer Beurteilung des Flms ist jedoch sein Verhältnis zum Original, und dazu wird zu einem späteren Zeitpunkt sicher noch einiges zu sagen sein.


    In späteren Postings werde ich noch näher auf die Qualitäten von Buch und Musik eingehen. Für's Erste möchte ich aber mit der üblichen Aufforderung schließen, Eure eigenen Eindrücke zu diesem Musical und seinen Einspielungen zu schildern, und meine beiden Referenzeinspielungen des Werkes zu wiederholen, einmal die (fast vollständige) Einspielung des originalen Broadwaymusicals auf zwei cd mit der Originalbesetzung Len Cariou und Angela Lansbury:



    Und zum anderen die Aufzeichnung der mustergültigen semikonzertanten New Yorker Aufführung in der Übernahme durch San Francisco mit dem San Francisco Symphony Orchestra unter Rob Fisher mit George Hearns und Patti LuPone auf DVD:



    Gerade bei dieser Thematik scheint mir eine semikonzertante Version, welche der Anregung der Fantasie durch die Musik genügend Spielraum lässt und sich nicht zu sehr im grauslig-naturalistischen Detail festkrallt, die optimale Lösung zu sein. Ich würde diese DVD daher auch jederzeit einer des Kinofilms vorziehen, so interessant und zuweilen hinreißend auch diese mit Recht für den Oscar nominierte Verfilmung ist. Von dem Erwerb des Soundtracks würde ich allerdings abraten, da er fast nur die Schwächen des Films, darunter problematische Kürzungen, lobenswert bemühter, aber fast durchweg ungenügender Gesang und eine aufgeblasene Instrumentierung, konserviert ohne die kompensierenden, weil überwiegend visuellen und schauspielerischen Qualitäten des Films zu reflektieren.


    Bis demnächst in diesem Thread und in gespannter Erwartung Eurer Kommentare zu dem Werk:


    :hello: Rideamus

  • Hingewiesen sei noch auf zwei Aufnahmen, die ich leider nicht kenne, weil sie mir bislang immer zu teuer waren, die aber höchstes Lob einheimsen konnten. Vielleicht kann jemand zu denen was schreiben.


    Zunächst die mit dem Grammy ausgezeichnete Tonaufzeichnung des Konzerts der New Yorker Philharmoniker unter Lonnie Price zu Sondheims 70. Geburtstag im Mai 2000 mit einer phänomenalen Besetzung: George Hearn, Patti LuPone, Audra McDonald, John Aler, Davis Gaines u.a.:



    Und dann die andere anscheined ebenfalls großartige DVD, welche die Miss Lovett mit der Darstellerin festhält, für die sie geschrieben wurde: Angela Lansbury. Ihr ursprünglicher Partner wurde hier durch den fantastischen George Hearn ersetzt, der die Rolle auch in der bereits erwähnten DVD aus San Francisco spielte und dafür einen Emmy erhielt.



    Damit ürfte dieses Musical nicht nur zu den meisteingespielten, sondern vor allem zu den besteingespielten gehören. Auch das spricht dafür, wie inspirierend es sein kann.


    In Deutschland wurde es übrigens 1985 von den Städtischen Bühnen Freiburg erstaufgeführt. Kann jemand etwas zu späteren Aufführungen sagen?


    :hello: Rideamus

  • Ich möchte nur ein paar Worte zu dem Film schreiben: Für Sondheim-Fans ist er eine traurige Sache. Die Protagonisten können schlicht und einfach nicht singen. Johnny Depp auch nicht - der verwechselt nasales Plärren mit Gesang. Ist aber fast schon egal, weil die Partitur zusammengestrichen wurde und aus Sondheims genialer Beinahe-Oper ein Stück wurde, bei dem die Leutchen aus unerfindlichen Gründen in Geplärr, äh: Gesang ausbrechen. Es ist ein Jammer.


    Aber nicht für alle: Einer unserer österreichischen Filmkritiker merkte an, daß bei der "atonalen" Partitur, die soweiso schwer erträglich sei, ohnedies keine Nummer ins Ohr geht. Kleiner Tipp: Nicht auf den Ohren sitzen, dann geht auch was 'rein... :D


    :hello:

    ...

  • Volle Zustimmung. Auch, wenn die Produktion sich auf Sondheims Kooperation beruft, der angeblich sogar etliche Texte dem etwas anderen Verlauf der Filmhandlung anpasste, so fällt es mir schwer, mir vorzustellen, dass er mit dem Endergebnis glücklich war. Da ging es ihm wohl eher so wie Bernstein mit der Verfilmung der WEST SIDE STORY, an der Sondheim ja auch nicht ganz unbeteiligt war. Dabei ist dieser alte Film im Vergleich zu SWEENEY TODD nachgerade ein Musterstück der Werktreue.


    Leider scheint Tim Burton zwar ein visuell einfallsreicher, aber kein besonders musikalischer Regisseur zu sein, sonst würde er wenigstens den Humor des herrlichen Duetts A LITTLE PRIEST nicht dermaßen versemmeln, dass es kaum mehr als ein solches wahrnehmbar ist.


    Gegenüber dem zitierten Kritiker ist er allerdings ein Kaiser. Sondheims Häufung unaufgelöster Dissonanzen zum Zweck der Spannungssteigerung als atonal zu bezeichnen, ist mehr als die größte Groteske des bislang noch jungen Jahres. So falsch, dass man Sondheims Musik nicht als tonal verankert erkennen und überwiegend leicht (und auch gerne) im Ohr behalten kann, singen nicht einmal die Stars des Films, denen ich das immerhin noch eher nachsehen würde als den Sänger/innen (???) der Nebenrollen, die im Gegensatz zu den Stars getrost nach ihrer Stimme hätten ausgewählt werden dürfen. Sowohl der Broadway als auch das West End hätten da attraktive Alternativen zuhauf geboten, die auch nicht schlechter spielen und weit weniger häufig detonieren. Deswegen habe ich ja auch von dem Soundtrack abgeraten.


    Trotzdem: auch wenn der Sondheim-Fan oft genug leidet, der Film eröffnet die Chance, den einen oder anderen zu Sondheim hinzuführen, und für die ist der Film wohl auch eher produziert, und ihretwegen ist wohl auch Sondheims Segen erlangt worden.


    :hello: Rideamus

  • Hallo Rideamus,
    hatte insgeheim ja gehofft, gerade von Dir hier einen Kommentar zu dieser Musicalverfilmung vorzufinden - und wurde nicht enttäuscht! :hello:


    Im Rahmen der alldonnerstäglichen Besprechung neuer Kinofilme habe ich gestern im Radio (WDR 2) eine gute Kritik zu dem Film gehört, allerdings wurde interessanterweise fast gar nicht auf den musikalischen Aspekt eingegangen (wahrscheinlich weil der so dünn ist oder der Redakteur keine allzu große Ahnung davon hatte...?) - die Story und deren visuelle Umsetzung stand eindeutig im Vordergrund.
    Und das Tim Burton zumindest hierfür ein Händchen hat, schreibst Du ja auch schon.
    Dass es dann musikalisch eher dürftig ausfällt, finde ich schade - schließlich ging es ja wohl bei dem Film eindeutig nicht nur um die Story von Sweeney Todd, sondern explizit auch um das Musical von Stephen Sondheim.
    Im Radio hieß es zur Musik, sie sei etwas gewöhnungsbedürftig und würde nicht ganz so leicht ins Ohr gehen ("... wie Peter Alexander" - das wurde aber nicht erwähnt :wacky: ) und gerade Johnny Depp sei ja auch kein richtiger Sänger, würde sich aber ganz wacker schlagen...


    Ich habe gestern mal in den neu erschienen Soundtrack zum Film reingehört, fand aber gerade Depps Stimme ziemlich dünn und nicht besonders überzeugend und habe - zum Glück! - vom Kauf dieses Soundtracks abgesehen, obwohl ich eigentlich mal ein Musical von Stephen Sondheim in Gänze besitzen wollte (bekommt man hierzulande ja leider eher gar nicht mal auf einer Bühne geboten, so dass man auf Konserve zurückgreifen muss :no: )


    Ich werde mich da jetzt wohl lieber auf eine Deiner weiter oben stehenden Empfehlungen stürzen - denn dass die Musik von Sweeney Todd in dem Film auch noch gekürzt wurde, hat einem auch keiner gesagt: Weder gestern im Radio noch auf dem Soundtrack habe ich einen solchen Hinweis finden können X(

    "Es ist mit dem Witz wie mit der Musick, je mehr man hört, desto feinere Verhältnisse verlangt man."
    (Georg Christoph Lichtenberg, 1773)

  • Hallo Marc,


    schön, dass Du wieder da bist, und gut, dass Du auf eine notwendige Klarstellung hinweist.


    Um es also deutlich zu sagen: eine entsprechende Resistenz gegen blutige und unappetitlich Szenen vorausgesetzt, würde ich keinesfalls von einem Besuch des Films abraten, im Gegenteil. Abraten würde ich allerdings davon, den Film zur Basis einer Beurteilung von Sondheims "Beinahe-Oper" - zu nehmen, wie Edwin das Werk so schön nennt. Vielleicht kommen wir irgendwann auch noch dahin, zu diskutieren, ob und warum diese Charakterisierung das Werk recht gut trifft, wenn man darunter keine negative Kennzeichnung im Sinn einer verfehlten Oper (die Sondheim nie beabsichtigte), sondern eine positive im Sinne einer beachtlichen Grenzüberschreitung der Gattung Musical versteht.


    Daher erst einmal genug von dem Film, oder doch noch dieser Hinweis: die Kürzungen ziehen sich zwar durch das ganze Werk, betreffen aber vor allem die Nebenstory um das junge Paar Anthony und Johanna, was bei der Besetzung kein großer Verlust ist. Allerdings ist es einer, der den Schluss weitaus unverständlicher macht, denn die beiden jungen Leute tragen weit mehr zum Untergang Sweeneys bei, als aus dem Film deutlich wird. Deshalb bleibt auch die bittere Ironie nur zu erahnen, die auch darin besteht, dass Sweeney immer wieder an seinen GUTEN Taten scheitert.


    Der Anfang des Films gibt dagegen zu jeder Hoffnung Anlass. Erhalten, sogar besonders gut herausgearbeitet wurde der Kontrast zwischen dem schäbigen London und Anthonys Hymnus "There's no place like London!" Erhalten blieb auch das Grundmotiv des "Dies Irae" (Swing Your Razor Wide, Sweeney), das auch im Film immer wieder hervor sticht. Wer das Kino verlässt und nicht mindestens dieses Motiv im Ohr hat, der sollte sich nicht länger davor drücken, einen Ohrenarzt aufzusuchen - besonders, wenn er auch noch Kritiken schreibt.


    Erhalten, wenn auch teilweise auf gleich hohem Niveau variiert, blieben zum Glück auch die meisten der zahllosen genialen Verse Sondheims. Leider kann man vieles nicht sehr gut verstehen, weil die Schauspieler schon mit ihrem Gesang und deshalb erst recht mit der Aussprache überfordert sind, aber zumindest dem inhaltlichen Verständnis dürften die Untertitel in deutschen Kinos aufhelfen (in England, wo ich den Film gesehen habe, war ich dagegen mehr als dankbar dafür, dass ich die Texte schon gut kannte). Wer sie aber versteht, weiß den beißenden Humor Sondheims zu schätzen, etwa wenn er eine der zartesten Melodien - "Pretty Women", die sich bezeichnenderweise als Erfolgsnummer aus dem ursprünglichen Kontext des Werkes gelöst hat, etwa wenn Barbra Streisand sie singt - als Duett von einem korrupt-geilen Richter und einem Massenmörder singen lässt. Oder die umgekehrte, und keineswegs einer etwaigen Unfähigkeit zuzuschreibende Ironie, wenn er dem tumben Anthony das schöne Liebeslied "Johanna" (auch eine Melodie, die man schwer vergisst) anvertraut, aber ihm zugleich den denkbar tumbesten Text unterschiebt, wie er selbst einem frisch verliebten Primaner nicht mehr unterlaufen sollte:
    I feel you, Johanna
    I'll steal you, Johanna


    Auch das wohl bekannteste "Liebeslied" des Werkes, das von dem aufgelesenen Jungen Toby seiner "Stiefmutter" Miss Lovett gewidmete, besonders rührende "Not while I'm around" ist im Film erhalten geblieben, obwohl es in der neu strukturierten Geschichte wie ein die Gewichte verschiebender Fremdkörper wirkt. Vielleicht gerade deswegen wird daraus eine der stärksten Szenen des Films, manifestiert sie doch, wie im Musical selbst, so etwas wie den unbezwingbaren Trotz menschlichen Überlebenswillens (oder die Überlebenskraft des Menschlichen) in selbst der fürchterlichsten Umgebung:
    Nothing's gonna harm you
    Not while I'm around
    ...
    Being close and being clever
    Ain't like being true
    I don't need to, I won't ever
    Hide a thing from you
    Like some... (er meint Sweeney)


    Und erhalten, wenn auch als quasi innerer Doppelmonolog hinter einem Fenster inszenatorisch total verschenkt, blieben zum Glück einige Verse von "A Little Priest", in denen Sweeney und Miss Lovett die fleischlichen Eigenschaften ihrer Kunden beschreiben, und bei denen jeder Übersetzungsversuch an schier unüberwindbare Grenzen stößt:
    MISS LOVETT:
    Since marines doesn't appeal to you,
    How about rear admiral
    SWEENEY TODD:
    Too salty, I prefer general
    ML:
    With or without his privates? ('Privates' bedeutet Soldaten wie auch Geschlechtsteile)
    ...
    And we have some shepherd's pie peppered
    With actual shepherd
    On top. And I've just begun...
    ST:
    Put it on a bun
    (sie sieht ihn fragend an, denn sie ahnt nicht, dass er gerade den Hamburger erfindet)
    ST:
    Well, you never know if it's going to run.
    ML:
    Try the friar
    Fried. It's drier
    ST:
    No, the clergy is really
    Too coarse and too mealy
    ML:
    Then an actor
    It's compacter
    ST:
    Yes, and always arrives overdone...


    Usw. Man sieht, ich könnte fast endlos weitermachen und das ganze Libetto zitieren, so sehr steckt es voller großartiger bis genialer Einfälle. Wer das Werk kennen lernen will, sollte es unbedingt als Ganzes hören (oder, besser noch, auf der DVD aus San Francisco sehen) und unbedingt ein Textbuch daneben haben (bzw. auf der DVD die Untertitel einschalten) und sich erst im zweiten Durchgang auf die Musik konzentrieren.
    Die ist dann auch schon viel eingängiger. :D


    :hello: Rideamus

  • Von mir einige Kommentare zum Film:


    Der Film ist handwerklich und visuell hervorragend (wie eigentlich fast alle Tim Burton-Filme) und allein aus diesem Grund empfehlenswert. Ist der Gesang eigentlich, aehnlich wie beim Phantom der Oper, uebersetzt in die deutschen Kinos gekommen? Edit: Hat sich mit Rideaums' Antwort ueberschnitten ;)


    Aaaaber: Die Streichungen und Kuerzungen tun natuerlich schon weh, zumal Sweeney Todd wirklich eines meiner absoluten Sondheim-Lieblingswerke ist. Der Gesang tut streckenweise ebenso weh, wobei ich ganz ehrlich sagen muss: Wer sich die Verfilmung ansieht, weiss doch eigentlich von vornherein, dass da singende Schauspieler am Werk sind und eben Abstriche gemacht werden (muessen). Schauspielerisch sind Helena Bonham Carter und Johnny Depp wirklich hervorragend. Saengerisch: Sie quaelt sich hin und wieder leider sehr deutlich, er klingt mehr wie der junge David Bowie (kein Witz).
    Aehnlich sehe ich die Kuerzungen. Es ist eben sehr schwierig, ein Musical 1:1 zu uebersetzen.


    Daher: Den Film kann ich trotzdem empfehlen, wuerde aber jedem, der Sweeney Todd noch nicht kennt, auch dringend empfehlen, eine der besseren CD-Einspielungen zu hoeren (ich tendiere da immer noch zur Originalbesetzung mit Angela Lansbury und Len Cariou).


    Es ist aber so und so kein "einfaches" Werk und liegt durchaus woertlich etwas schwer. Wer also in "schoenen" Harmonien schwelgen will, wird da sicherlich enttaeuscht. Waere aber inhaltlich auch weit verfehlt ;)


    Fuer mich ein durch und durch meisterhaftes Werk eines meiner absoluten Lieblingskomponisten ..

  • Zitat

    Original von Eponine
    Ist der Gesang eigentlich, aehnlich wie beim Phantom der Oper, uebersetzt in die deutschen Kinos gekommen? Edit: Hat sich mit Rideaums' Antwort ueberschnitten ;)


    Liebe Eponine,


    inhaltlich sind wir mal wieder voll d'accord, deshalb nur diese kleine Klarstellung:


    ich weiß (noch) NICHT, ob man dem Film bei uns eine deutsch eingesungene Tonspur angedeihen ließ, denn ich habe ihn in England gesehen. Sollte man das voll synchronisiert haben, könnten die musikalischen Leistungen sogar davon profitieren. :D Allerdings auf Kosten der Texte, wie gerade demonstriert. Schon deshalb würde ich IMMER für die (wenn möglich, untertitelte) Originalfassung plädieren.


    Kann jemand sagen, was wir in deutschen Kinos für eine Fassung geboten bekommen?


    :hello: Rideamus

  • HAllo Rideamus,


    ich habe gestern abend eine Kritik auf NDR Kultur gehört, die mit zwei musikalischen Beispielen unterlegt war.
    Es war Johnny Depp zu hören, in meinen Ohren echt gruselig :D.
    Offenbar scheint der Gesang nicht synchronisiert zu sein.


    Die Kritikerin fand den Film schwer erträglich, wegen der (zu vielen) splatter-ähnlichen Szenen.
    Bei Dir habe ich davon nichts gelesen, du empfiehlst den Film.
    Wer hat recht ?


    Grüsse
    Achim :hello:

  • Lieber Achim,


    auf die "splatterigen" Szenen habe ich aber doch mehrfach hingewiesen, auch auf den Umstand, dass man einen starken Magen braucht um das in dem Film buchstäblich gehäuft vorkommende Unappetitliche, was in der Natur der Geschichte liegt, zu (v)ertragen.


    Wer dabei schnell Überlkeit empfindet, meide den Film besser, denn Burton beschönigt hier keineswegs. Ich wollte jedoch hier nicht all zu deutlich ins Detail gehen.


    Die Qualität des Films hat damit aber weniger zu tun, auch wenn für meinen "Geschmack" weniger mehr gewesen wäre. Andererseits. auf die Art wird nachvollziehbar, wie Sweeney gegen das viele Blut abstumpfen kann. :evil:


    Wenn der Gesang absichtlich gruslig wäre, dann hätte das ja auch etwas für sich, aber ich fürchte, dass er es ist, hat schon viel mehr mit der Qualität des Films zu tun und spricht - jedenfalls für musikalische Ohren - dagegen.


    Unter diesen deutlichen Einschränkungen sowie den oben bereits gemachten würde ich den Film empfehlen.


    :hello: Rideamus

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  • Bei meinen Recherchen zu Sondheims A LITTLE NIGHT MUSIC stieß ich zufällig auf ein Interview Sondheims aus den Extras der DVD zu dem Film, in dem dieser die Kürzungen als eine besondere Qualität des Films hervor hebt, die den Film von üblichen, selbst guten, Musicalverfilmungen unterscheidet, weil sich die Musik so dem zwangsläufig schnelleren Rhythmus des Mediums Film gegenüber der Bühne anpasst.


    Nun vermag ich nicht zu sagen, da das Interview ja dem offiziellen Werbematerial der Produktion entstammt, wie weit Sondheim seinen Produzenten da nur einen Gefallen tun wollte oder diese gar seine Äußerungen aus einem größeren Zusammenhang gerissen und kritische Anmerkungen zensiert haben. Da er andererseits für den Film eigens zusätzliche Texte schrieb und Überbrückungsmusiken komponierte, kann/muss man wohl doch davon ausgehen, dass er zu der Filmversion steht. Gerade die - in der Tat eindrucksvoll inszenierte - Sequenz "Epiphany", in der Sweeney Todds Wahnsinn endgültig durchbricht, und die Johnny Depp deutlich über die Grenzen seiner Sangeskunst hinaus treibt, erklärt Sondheim zu seiner Lieblingssequenz.


    Vielleicht ist es ja wirklich so, dass er diese Stücke gar nicht vollkommen gesungen haben will. Das ist aber für mich erst recht ein Grund, sich womöglich den Film anzusehen, keinesfalls aber den Soundtrack zu erwerben, da dieser den filmischen Rhythmus weder vermitteln muss noch kann und deshalb die Kürzungen nicht mehr zu rechtfertigen sind.


    Immerhin, einer differenzierenderen Überlegung, als die Striche einfach nur zu beklagen, scheinen mir diese Hinweise schon wert.


    Trotzdem halte ich den Mitschnitt aus San Francisco auch für den besseren Film, weil er die originale Konzeption des Stückes in hervorragender Qualität zum Ausdruck bringt und sich nicht einer - zwar hochinteressanten, aber doch die eigentlichen Qualitäten des Stücks überlagernden - völlig anderen Vision unterwirft. Manche Stücke verweigern sich einfach all zu großer Konkretisierung. Deshalb sind auch Remakes alter Horrorfilme so gut wie immer schlechter als ihre Vorlagen, weil sie den Schrecken, der ursprünglich im im Kopf entstand, immer mehr durch den Splatter vor Augen ersetzen.


    Wenn aber der Film dazu dient, dem Musical mehr Freunde zu gewinnen, hat er seinen besten Zweck voll erfüllt, und das kann man nur unterstützen, wenn demnächst die DVD heraus kommt.


    :hello: Jack Rideamusical

  • ... die es hier schon seit dem 19. Mai gibt und die sich seither auch in meinem Besitz befindet ;)


    Die Anschaffung lohnt sich allein schon fast fuer die Extras ...


  • Ich ziehe diesen kurzen Einwurf aus dem anderen Thread mal hierher, wohin er eigentlich gehört. J.R. II


    Cher Cousin,


    So diametral konträr wie hier haben wir, glaube ich, noch nie etwas gesehen.


    Ich kann ja noch zugestehen, dass Depp seine Sache für einen Filmschauspieler nicht schlecht macht - also ähnlich wie Brando in GUYS AND DOLLS, nur dass die Partie des SWEENEY TODD um ein Vielfaches umfangreicher und anspruchsvoller ist. Aber hör Dir mal Len Cariou, George Hearn oder gar Bryn Terfel in der Rolle an.


    Die Musik als blass zu empfinden kann unter seriösen Musikliebhabern aber allenfalls jemandem passieren, der das Werk nur in dieser so blass gesungenen wie hypertroph instrumentierten Fassung vom einmaligen Filmgucken kennt.


    Hinsichtlich der Detailkritik an Burtons unmusikalischer aber filmisch eindrucksvoller Regie verweise ich mal auf diesen Thread und hoffe, dass wir - und ggf. auch andere - die Diskussion hier weiterführen können, die im Frühjahr saisongetreu etwas früh abbrach.


    :hello: Jacques Rideamus

  • Cher cousin,


    ich fühle mich wenig berufen, über Musicals zu diskutieren, und mit Dir schon gleich garnicht. ;)
    Habe mich, dessen selektive Wahrnehmung in Bezug auf Bühnenwerke Du ja kennst, eh schon viel zu weit aus dem Fenster gelehnt.


    Deine Diagnose war natürlich goldrichtig, ich kenne das Werk lediglich durch die Filmfassung, mein blutloses Urteil gründet sich auf deren Vergleich mit dem Wenigen, das ich auf diesem Gebiet überhaupt kenne und mich musikalisch ungleich mehr beeindruckt hat.


    audiamus



    .

  • Zitat

    Original von Jacques Rideamus


    Wenn aber der Film dazu dient, dem Musical mehr Freunde zu gewinnen, hat er seinen besten Zweck voll erfüllt, und das kann man nur unterstützen, wenn demnächst die DVD heraus kommt.


    :hello: Jack Rideamusical


    Cher cousin,


    ich fürchte, ich muss meine obige Feststellung zurücknehmen und das Gegenteil behaupten. Es scheint so zu sein, dass der Film nicht nur Interesse an dem Stück weckt, sondern seine musikalische Realisierung auch von ihm abschreckt.


    Das ist natürlich besonders schade, denn die Musik nach dieser Version zu beurteilen ist etwa so, als wollte man ein Gemälde wie "Die Toteninsel" anhand eines schwarzweißen und mit kräftig bunten Farben handkolorierten Polaroid-Bildes vom Original beurteilen.


    Ich hoffe sehr, dass Du Dir nach Möglichkeit die Chance gönnst, dieses Urteil anhand einer der oben im Thread empfohlenen DVDs oder CDs zu überprüfen. Das gilt natürlich auch für alle anderen, denen es womöglich ähnlich geht.


    :hello: Jacques Rideamus

  • Na, mal sehen, vielleicht freunde ich mich ja noch an mit dem Barbier von Savile Row - ach nee, der mordet ja irgendwo bei den Kreuzrittern.



    audiamus



    .

  • Am 20.02.2009 hatte das Musical in einer Inszenierung von Christian von Götz Premiere. Im Vorfeld gab es eine "Sweeney Lounge", ab 22.30 Uhr traf man sich im oberen Foyer, das mit allerlei Sofas und Stühlen aus dem Fundus bestückt war. Neben Probeneinblicken per Videoeinspielung sangen auch einige Mitglieder des Ensembles Stücke aus dem Werk und einer der musikalischen Leiter, Liviu Petcu, erläuterte am Klavier verschiedene musikalische Motive. Mir hat dieser Abend, sehr gut gefallen, er hat die Vorbereitungen für die Aufführungen eines Stückes transparenter gemacht und es war eine gute Gelegenheit, Gespräche mit den verschiedensten Personen zu führen. Natürlich gab es danach noch die "normale" Auftaktveranstaltung als Einführung in das Werk.


    Es wird auf Deutsch gesungen und mit Mikroports, obwohl das Ensemble durch die Bank aus Opernsängern besteht. Da allerdings oft sehr leise gesprochen wird und manche Passagen zusätzlich noch mit einem leisen Trommel unterlegt sind - beides zusammen hat einen sehr bedrohlichen Effekt - ist der Einsatz nötig. Es soll eine CD von dieser Produktion geben.


    In dieser Inszenierung wird sehr viel mit der Bühnentechnik gearbeitet, die Drehbühne dreht sich fast permanent, der Pie Shop kommt aus der Unterbühne und das Zimmer von Sweeney wird von oben herabgelassen. Man kommt mit wenigen prägnanten Elementen auf der Bühne aus, nach der Pause stehen gar nur ein Sofa, eine Leiter und der Rasierstuhl auf der sich oft drehenden Bühne. Aber es ist insgesamt stimmig und passt zum Stück.
    Mit der Übertragung ins Deutsche wurde sich viel Mühe gegeben, bis zur Pause sprüht der Witz genauso wie im Original. Nach der Pause flacht es etwas ab, aber im Ganzen ist es auf jeden Fall einen Besuch wert.
    Ich hatte mir im Vorfeld den schon besprochenen Film mit Johnny Depp angesehen und war von der Musik wirklich enttäuscht. Flach und ohne Ohrwurmcharakter, so kam es mir vor. Dies änderte sich jedoch bei der Premiere, besonders die Chorstücke geben dem Ganzen Struktur und Tiefe. Trotzdem hatte ich zuerst noch keine Melodien im Ohr, erst nach wiederholtem Ansehen habe ich mir die Stücke langsam erarbeitet. Es ist nicht ganz so "splattermäßig" wie im Film, man ist ja auch nicht ganz so nah dran, so dass auch etwas empfindlichere Zeitgenossen die wirklich wunderschöne Musik live erleben können.



    Musikalische Leitung Andreas Kowalewitz / Liviu Petcu


    Regie Christian von Götz


    Bühne und Kostüme Karin Fritz


    Choreographie Hans Henning Paar


    Anthony Hope: Julian Kumpusch / Florian Soyka
    Sweeney Todd: Gregor Dalal / Gary Martin
    Bettlerin: Susanne Heyng / Frances Lucey
    Johanna: Milica Jovanovic / Thérèse Wincent
    Mrs. Lovett: Marianne Larsen
    Richter Turpin: Martin Hausberg / Johannes Wiedecke / Jörg Simon
    Büttel Bamford: Dirk Lohr
    Tobias Ragg: Thomas Peters / Florian Simson
    Adolfo Pirelli: Mario Podrecnik
    Jonas Fogg: Florian Wolf


    Es gibt noch einige Termine bis Juli und auch in der nächsten Spielzeit ist das Stück auf dem Spielplan.

    If you don't make mistakes, you're not trying hard enough. (Jasper Fforde)

  • Sweeney Todd haben wir 1996 unter Lothar Königs "http://de.wikipedia.org/wiki/Lothar_Koenigs"
    gespielt.


    Grandioses Werk! :jubel:


    Aber ich freue mich sehr, im Beitrag von Nachtgedanken :hello: den Namen

    Zitat

    Liviu Petcu

    zu lesen. :jubel:


    Liviu ist ein begnadeter Pianist und Korrepetitor sowie ein tüchtiger Dirigent- er war länger bei uns angestellt und mußte wegen Einsparungsmaßnahmen unseres Intendanten :kotz:
    gehen.


    Das hat uns alle sehr verärgert, denn er war der beste Pianist und ein ungemein netter Kollege, auf welchen wir nicht verzichten wollten.



    Ich bin heilfroh, daß Liviu nicht nur eine neue Stellung in München, sondern dort auch Dirigate bekommen hat.


    http://www.staatstheater-am-ga…etigkeit=39&ID_Person=878


    Ich wünsche Liviu das allerbeste, und Sweeney Todd dirigieren zu dürfen ist eine tolle Aufgabe, denn es ist das schärfste Musical, das es gibt.
    Er hat eine große Karriere verdient..........


    Gruß,
    Michael

  • arte, Mittwoch, 2. Januar 2013 - 21:55 h

    Sweeney Todd
    Der teuflische Barbier aus der Fleet Street

    (USA, Großbritannien, 2007, 117mn)
    Regie: Tim Burton
    Drehbuch: John Logan
    Kamera: Dariusz Wolski
    Musik: Stephen Sondheim
    Schnitt: Chris Lebenzon
    Darsteller:
    Johnny Depp (Benjamin Barker bzw. Sweeney Todd),
    Helena Bonham Carter (Mrs. Lovett),
    Alan Rickman (Richter Turpin),
    Timothy Spall (Beadle),
    Sacha Baron Cohen (Pirelli),
    Jamie Campbell Bower (Anthony Hope),
    Laura Michelle Kelly (Lucy/Bettlerin),
    Jayne Wisener (Johanna),
    Ed Sanders (Toby Ragg)
    Autor: Stephen Sondheim, Hugh Wheeler, Christopher Bond



    LG

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)