Im Schatten der andern - Ludwig van Beethoven: Sinfonie Nr 8 op. 93

  • Zitat

    Original von Blackadder
    sprichst Du von dieser Aufnahme?



    Ja. Es gibt glaube ich nur eine richtige (Studio), die bei verschiedenen Labels erhältlich gewesen ist. Diese Doppel-CD ist vermutlich momentan die einfachste Möglichkeit und der Rest lohnt auch das Anhören.


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Zitat

    Original von Khampan


    Was einem an dieser lethargischen Aufnahme gefallen kann, wird mir ein ewiges Rätsel bleiben.
    Khampan


    Vielleicht das Cover!? Für einen Monarchie-Fan ist das so schön Gold.... :untertauch::D


    Mal im Ernst: Es gibt deutlich schlechtere, wobei ich die aus den 70ern kenne und sie auch als die gelungenere empfinde.


    Aber dem hier kann ich nur beipflichten:


    Zitat


    Das Mantra lautet:


    Scherchen, Scherchen, Scherchen!


    Scherchen ist eh ne coole Sau. :stumm:
    Pardon. :angel:


    :hello:
    Wulf

  • Zitat

    Original von Johannes Roehl
    Das Mantra lautet:


    Scherchen, Scherchen, Scherchen!


    (und jetzt noch mal alle zusammen!)


    :yes: :yes: :yes: :yes:


    :jubel: :jubel: :jubel:


    :faint:


    Herzlichst,
    Medard

  • Nochmal zu Karajan 84 - ich muß mich revidieren


    Zitat

    Original von Khampan
    Was einem an dieser lethargischen Aufnahme gefallen kann, wird mir ein ewiges Rätsel bleiben. Die zweite Berliner Aufnahme (70er Jahre) fand ich dagegen gut.


    Mit Erschrecken mußte ich feststellen, daß ich die CD immer noch habe, sie hatte sich im Karton der unverkäuflichen versteckt (dummerweise habe ich eine japanische Version). Das gab mir die Gelegenheit zur Kontrolle, und siehe da:
    Lethargisch ist nur der 3. Satz, der aber gewaltig: mit 5:59 dürfte er den traurigen Rekord halten, und er klingt auch so.
    Der Rest ist zwar flott aber schlampig, mit mehr Pathos als Witz, man hört es den Musikern an, daß es ihnen keinen Spaß gemacht hat. Klanglich unbefriedigend, weil wie oft bei Karajan die Bläser so klingen als würden sie im Nebenraum spielen.


    Eine tieftraurige Angelegenheit das.


    *******************************************************


    Aber ein ganz anderes Thema:
    Die Temporelation zwischen 1. und 2. Satz


    Zunächst mal ein Vergleich verschiedener Spielzeiten (incl. der oben von JR erwähnten):


    Scherchen: 8:25; 3:54; 4:35; 6:23
    Leibowitz: 8:59; 3:42; 4:25; 6:51
    Gielen: 8:17; 3:38; 4:36; 7:03
    Karajan 84: 8:56; 4:00; 5:59; 7:08
    Zinman: 8:11; 3;49: 4:16: 6:40
    Gardiner: 8:41; 3:46; 5:28; 6:17


    Absolut gesehen finde ich die Tempi bis auf den Ausrutscher bei Karajan alle in Ordnung (Zinman zahlt allerdings einen sehr hohen Preis für sein Rekordtempo des 1. Satzes: Spielfreude bleibt hier auf der Strecke). Darum soll es jetzt nicht gehen, sondern nur um die Temporelation beim Übergang vom ersten zum zweiten Satz:


    Die Akkorde am Ende des 1. Satzes ähneln in Charakter und Dynamik genau dem akkordischen Beginn es 2. Satzes, jedoch sollen laut Metronomangaben die Akkorde im 2. Satz etwas langsamer sein als die des 1. Satzes (notiert sind sie in ganz verschiedenen Notenwerten, das soll jetzt keine Rolle spielen).


    Das Problem ist folgendes: wenn man den 1. Satz etwas langsamer nimmt als angegeben (soweit völlig legitim), den spieltechnisch einfacheren 2. Satz dagegen nach Metronomangabe, dann hat das zur Folge, daß die Relation genau umkippt, der 2. Satz gegenüber dem 1. beschleunigt wirkt. Verstärkt wird dieser Effekt noch, wenn am Ende des 1. Satzes ein deutliches Ritardando gemacht wird, das nicht in den Noten steht (und also auch nicht gespielt werden soll). Meiner Meinung nach wollte Beethoven einen logischen Übergang vom ersten zum zweite Satz schaffen, dabei aber durch Metronomangaben und das fehlende Ritardando sicherstellen, daß der zweite Satz im Tempo eine Spur weniger hochtourig wirkt.


    Nach dieser meiner Theorie "richtig" machen es von den eben erwähnten Dirigenten nur Scherchen, Karajan und Zinman.
    Leibowitz und Gardiner nehmen den 2. Satz, verglichen mit dem 1. Satz, zu schnell. Gielen ist ziemlich genau an der Grenze, aber zumindest bei der mir vorliegenden Rundfunkaufnahme macht er ein so deutliches Ritardando, daß auch bei ihm der 2. Satz zur schnelleren Seite kippt.


    Probiert's mal bei euren CDs aus. Rein rechnerisch sollte das Verhältnis der Spielzeiten (erster : zweiter Satz) nicht über 2,25 liegen, die gehörsmäßige Beurteilung ist allerdings einfacher und sicherer.


    Gruß,
    Khampan
    (der dem Scherchen-Mantra voll zustimmt)

  • Über das Verhältnis habe ich mir nie Gedanken gemacht, ich finde aber auch, dass der 2. Satz fast überall tendenziell etwas zu schnell gespielt wird. Einen Tick langsamer, aber rhythmisch genau und pointiert wäre das Optimum.


    Bei Scherchen sind gar nicht mal die Tempi das alles entscheidende, obwohl sie natürlich mithelfen. Aber man vermeint sich sowohl im Kopfsatz als auch im Finale zwischenzeitlich in den Sturm aus der 6. versetzt (oder an die wildgewordene Stelle im 2. Satz von op.135). Diese ungeheure Energie, sogar Aggressivität, die hinter dem polternden Humor vorbricht, finde ich bei Scherchen am besten getroffen.
    Es ist eben nicht nur ein "frühneoklassizistisches" augenzwinkerndes Stück (wie sich besonders in den Mittelsätzen zeigt), sondern auch eines, das an Dichte und Konzentration der 5. Sinfonie nahesteht.


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Hallo Beethoven-Freunde,


    bei Beethoven: Sinfonie Nr.8 Karajan (DG1984) habe ich auch den gleichen Eindruck wie ihr (Khampan und wulf). Der Unterschied zu Karajans Beethoven-Zyklen von 1962 und 1977 ist gerade hier bei der Sinfonie Nr.8 besonders ausgeprägt und geht klar in Richtung "weglegen", weil man die anderen hat.


    @FelipeII
    Ich empfehle Dir unbedingt einen Hörcheck mit Karajan (DG1977 und DG1966), dann wirst Du sehen das die DG1984 entbehrlich ist.


    Ich möchte aber noch ein paar andere Dirigenten ins Spiel bringen, deren Aufnahmen der Sinfonie Nr.8 beachtenswert sind:


    Blomstedt (Brillant)*** erwähnte ich bereits 08/2006: Eine TOP-Aufnahme mit wunderbaren Pauken. Die Spielzeiten habe ich nicht zur Hand,
    weil ich die GA verschenkt habe (Blomstedt ist mir zu langsam) und nur die Sinfonie Nr.8 als CD-R zurückbehalten habe - diese möchte ich nicht mehr missen.


    Karajan...... (DG1977): 8:53-3:48-5:16-6:31


    Bernstein (SONY1963): 9:34-3:47-4:39-7:39 ***


    Bernstein ...(DG1981): 9:43-4:00-4:47-7:20


    Szell........(Sony1962): 9:40-3:46-5:27-7:51 ***


    Solti .......(Decca1974): 10.07-4:11-5:36-7:47


    Bernstein und Szell habe ich mit drei Sternen versehen, weil ich diese Aufnahmen zusammen mit Blomstedt am höchsten Schätze.


    Solti ist für Beethoven fast vergessen, aber er liefert auch hier wiedermal ein straffe, präzise Interpretation. Eigendlich schade, weil sein Zyklus beachtenswerte Momente hat. Leider stört auch bei Solti das zu lange auszelebrieren in einigen Beethoven Sinfonien allgemein. Hier bei der Sinfonie Nr.8 OK.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Danke Wolfgang für die Spielzeiten.
    Demnach liegt bei all diesen erwähnten Aufnahmen die Temporelation nach meiner Theorie ganz entschieden auf der falschen Seite.
    Wie macht es Blomstedt?


    Khampan

  • Hallo Khampan,


    ich habe mit Interesse Deine Vorstellungen von Temporelation gelesen.
    :yes: Bernstein, Szell, Blomstedt hatten eben andere Vorstellungen von Temporelation, die ich genauso akzeptieren kann, weil das klingende Ergebnis fantastisch ist und mich voll überzeugt.



    Hier noch die Blomstedt-Zeiten der Sinfonie Nr.8 (Brillant):
    10:02-03:56-4:47-7:50


    ;):D Damit Du Deine Theorie von Deiner Temporelation auch hier überprüfen kannst.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Wieso ist mein Text mitten im Schreiben verschwunden und nicht wiederzuholen?


    Also kurz nochmal:
    Gestern abend habe ich die von dem hier zur Polarisation schon öfter an anderer Stelle genannten Dausgaard gehört und kenne keine Aufnahme, die rhythmischer und witziger gespielt wird. Vielleicht liege ich ja wieder mal nicht richtig, aber mir hats gefallen.


    Das Thema Beethoven und der Rhythmus könnte mal wieder angestoßen werden, denn , wer hat um Beethoven herum so rhythmisch geschrieben, so synkopenreich. Es ist eine Freude, das zu hören, ebenso die 4. und nicht nur die in diesem Zusammenang genannte 7.


    Siie ist eine besondere Perle, die 8. im Neunerverband.


    Lieben GRuß aus Bonn :hello:

    Was Du nicht willst, das man Dir tu, das füg auch keinem andern zu

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  • Zitat

    Original von Khampan
    Nochmal zu Karajan 84 - ich muß mich revidieren



    Lethargisch ist nur der 3. Satz, der aber gewaltig: mit 5:59 dürfte er den traurigen Rekord halten, und er klingt auch so.


    Nochmal kurz zum 3. Satz: Es geht Beethoven in seiner 8. Sinfonie um die „humoristische“ Darstellung musikalischer Traditionen. Die Ecksätze sind in der Form traditionell und in ihrem klassizistischen Tonfall wieder an Mozart und Haydn angenähert. Der 2. Satz bildet eine Art Konversationsmusik im Stil des Rokoko. Der 3. Satz ist ein „antiquiertes“ Menuett. Es steht in einem alten, gemächlichen Zeitmaß. Da Beethoven besonders hier seinen Bruch mit der Tradition ausspielt, ist das Menuett als Parodie auszuführen. Beethoven führt diesen Tanz als „veraltet“ vor und überzeichnet dabei einige Wesenheiten des Menuetts (das Figurative, das Schritthafte, die vermeintliche Bedeutsamkeit des tanzend Dargestellten).


    Höre ich vor diesem Hintergrund diesen 3. Satz unter Karajan (84er), so kann ich das gut nachvollziehen. Abgesehen davon, dass bei diesem langsamen Tempo einem die Tanzszene regelrecht vor dem inneren Auge auftaucht, ergeben sich einige sehr humoristische Details. Vergleicht man dies direkt mit dem weitaus zügigeren Tempo bei Järvi, Dausgaard oder Zinman, so erscheint mir der Ansatz Karajans (Szell, Solti, Garadiner sind davon ja nicht weit entfernt) trotz seiner betonten Langsamkeit dennoch „richtiger“. In jedem Fall ist er vertretbar. Ein Menuett kann ich mir dagegen bei Järvi, Dausgaard oder Zinman nicht mehr vorstellen. Eher schon geht das in Richtung Walzer, was aber keine Parodie auf eine veraltete Tanzweise ist.


    Loge

  • Zitat

    Original von teleton
    Bernstein, Szell, Blomstedt hatten eben andere Vorstellungen von Temporelation, die ich genauso akzeptieren kann, weil das klingende Ergebnis fantastisch ist und mich voll überzeugt.


    ob eventuell auch Beethoven eine Vorstellung von der Temporelation hatte, danach fragen wir lieber nicht...


    Ich will auch gar nicht so sehr darauf herumreiten, soo entscheidend ist die Frage sicherlich nicht. Ich find's nur jedesmal schade, wenn ich beim 2. Satz das Gefühl habe, er wäre schneller als der erste.



    Das Loge sich wieder als Karajans Anwalt vorstellen würde, darauf konnte man fast wetten.


    Die Fakten zusammengefaßt:
    3. Satz Metronomangabe: Viertel = 126
    Von Gardiner exakt so gespielt, seine vergleichweise lange Spielzeit ergibt sich dadurch, daß er im da capo beide Wiederholungen ausführt (was recht selten und in der Fachwelt umstritten ist, ich selbst habe dazu keine Meinung). Um mit Karajans Spielzeit zu vergleichen, müßte man bei Gardiner 1:04 abziehen.
    Karajan 1984 nimmt Viertel = 92.


    Nun haben Beethovens Metronomangaben in den Scherzo/Menuettsätzen seiner Sinfonien die überraschende Eigenart, daß sie keineswegs sonderlich schnell sind, sondern häufig überboten werden. Karajan selbst mußte anscheinend auch erst 76 Jahre alt werden, bis er zu der Erkenntnis kam, daß das Menuett der 8. langsamer gehört. Klar hat er sich irgendwas dabei gedacht.
    Beethoven auch.


    Wem's gefällt, dem sei's gegönnt.


    Khampan

  • Zitat

    Original von Khampan


    ob eventuell auch Beethoven eine Vorstellung von der Temporelation hatte, danach fragen wir lieber nicht...


    Ich will auch gar nicht so sehr darauf herumreiten, soo entscheidend ist die Frage sicherlich nicht. Ich find's nur jedesmal schade, wenn ich beim 2. Satz das Gefühl habe, er wäre schneller als der erste.


    Wenn man nach den Angaben geht, ist ein Viertel des ersten (207/min, was wohl unspielbar sein dürfte, sagen wir 180/min) etwas schneller als die tickenden Sechzehntel des allegretto (Achtel= 88 ). Bzw. müßte man die dann auch langsamer spielen, Achtel 76-80 z.B. Mir ist allerdings nie aufgefallen, dass diese Relation irgendwie bedeutungsvoll sein sollte.


    Zitat


    Das Loge sich wieder als Karajans Anwalt vorstellen würde, darauf konnte man fast wetten.


    Die Fakten zusammengefaßt:
    3. Satz Metronomangabe: Viertel = 126


    Das ist ein übliches Tempo bei Beethoven für ein Menuett in Vierteln (vgl. Septett oder Quartett op.59,3) Wenn Grazioso dabei steht, kann es noch etwas langsamer sein. Karajans 92 sind die Untergrenze für solche Sätze, das wäre vielleicht für das Grazioso in op.31,3iii angemessen.

    Natürlich ist der Witz, dass es viel langsamer als ein ganztaktig genommenes Menuett oder Scherzo ist.
    Vielleicht nicht ganz zufällig nähert sich der Kopfsatz einem solchen Tempo (3/4-Takte= 69 ist vielleicht nicht ganz spielbar, aber ein bei Beethoven übliches Tempo für ganztaktige 3/4-Allegretto-Sätze (z.B. op.59,2 iii))


    Um dies deutlich zu machen, ist sicher ein etwas entspanntere Lesart des Tempo di Minuetto legitim. Aber ein Drittel langsamer ist schon einiges...


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Ich muß gestehen, daß die "Sinfonietta titanica" als Werk zu einem meiner Beethoven-Favoriten geworden ist - aber daß mir an nahezu jeder Aufnahme irgendetwas mißfällt. Mal sind's die Temporelationen, mal die Tempi selbst etc.
    Bezüglich Karajan habe ich allerdings eine Mono-Aufnahme in ziemlich guter Erinnerung, die dürfte wohl aus dem 50er-Jahre-Zyklus stammen.


    Dennoch: Daß ich dieses Werk in letzter Zeit fast ausschließlich in einer Einspielung gehört habe bzw. eine als Referenz verwende, wird wohl seine Gründe haben. Und das ist die Aufnahme von - ich stimme in Johannes' Mantra ein - Scherchen.


    :hello:

    ...

  • Zitat

    Original von Johannes Roehl
    Mir ist allerdings nie aufgefallen, dass diese Relation irgendwie bedeutungsvoll sein sollte.


    geht es denn nur mir so, daß ich das Holzbläserticken des 2. Satzes am Ende des 1. Satzes vorweghöre?!


    Jedenfalls liegen diese beiden Tickrhythmen so nah beieinander, daß es mir schon nicht unwesentlich vorkommt, welcher der schnellere und welcher der langsamere ist. Ebenso scheint es mir logisch, daß ein (deutliches) Ritardando unnötig, wenn nicht störend ist.
    Ich bin auch zunächst mit der üblichen umgekehrten Temporelation groß geworden, bis es mir eines Tages wie Schuppen von den Augen fiel, daß es richtig herum sehr viel überzeugender ist.


    Wenngleich nicht die alles entscheidende Frage, das sei nochmal einschränkend erwähnt.


    Gruß,
    Khampan

  • Zitat

    Original von Khampan
    geht es denn nur mir so, daß ich das Holzbläserticken des 2. Satzes am Ende des 1. Satzes vorweghöre?!


    Ich höre das genauso und halte das durchaus für einen von Beethoven intendierten Effekt (wie ich überhaupt solche "versteckten" Übergänge zwischen Sätzen für ein sehr interessantes Thema halte). Hier würde ich gerne mal ein direkt, ohne Pause an den ersten Satz anschließendes Allegretto hören, damit der Zusammenhang verdeutlicht wird.




    Zitat

    Jedenfalls liegen diese beiden Tickrhythmen so nah beieinander, daß es mir schon nicht unwesentlich vorkommt, welcher der schnellere und welcher der langsamere ist. Ebenso scheint es mir logisch, daß ein (deutliches) Ritardando unnötig, wenn nicht störend ist.
    Ich bin auch zunächst mit der üblichen umgekehrten Temporelation groß geworden, bis es mir eines Tages wie Schuppen von den Augen fiel, daß es richtig herum sehr viel überzeugender ist.


    Die Relation der Metronomzahlen spricht für die von Dir präferierte Lösung, kein Zweifel. Allerdings wäre es vielleicht typisch für den Witz dieser raffinierten Symphonie, wenn man den zweiten Satz als "schneller" oder - noch besser - als "gleich schnell" zum ersten Satz empfindet. Bei der letztgenannten Lösung würde der Bezug doch am deutlichsten herausgearbeitet - man könnte den ersten Satz (im Sinne einer etwas freieren Tempogestaltung) in ein leichtes Ritardando auslaufen und den letzten Takt (dann natürlich wieder ohne Ritardando) in punktierte Halbe = 59 (statt 69) erklingen lassen. Und - wie gesagt - den zweiten Satz mit Achtel = 88 direkt, ohne auch nur die kleinste Pause anschließen.


    Hach, man hätte Dirigent werden sollen... :D :untertauch:



    Viele Grüße


    Bernd



    PS: Bei seiner Aufnahme der Siebten lässt P. Järvi übrigens die Sätze ohne jede Pause aufeinanderfolgen - besonders wirkungsvoll im einleitenden a-moll-Bläserakkord des Allegrettos, der noch in den Nachhall des A-dur-Triumphs am Ende des ersten Satzes hineinklingt und wie eine Reaktion darauf wirkt. Bei der Achten (und den anderen Symphonien) hat Järvi aber darauf verzichtet.

  • Ihr habt mich "verführt", die Scherchen-Kassette ist da.


    Und dabei die tollste 8 meiner Sammlung.
    Die beiden Ecksätze von einem Feuer, da gibts keine Steigerung mehr, der 2. der "Metronomsatz eher langsamer, als man erwartet, aber der Witz geht trotzdem nicht verloren, vielleicht, weil er dem Hörer nicht so dick aufgetragen wird.
    Das "Menuett" im ähnlichen gemächlichen Tempo, gute Ruhepunkte, um sich mit Satz 1 und 4 die Ohren auspusten zu lassen.


    T o l l !!!Die 4. und die 8. waren schon immer meine Liebsten.


    Lieben Gruß aus Bonn :hello:

    Was Du nicht willst, das man Dir tu, das füg auch keinem andern zu

  • Ich bin ganz erstaunt gewesen, welche mir bis dato völlig unbekannte Dramatik der Achten innewohnt:



    Louis van Beethoven [1770-1827]


    Sinfonie Nr. 8 F-Dur op. 93


    ANIMA ETERNA
    Jos van Immerseel


    Gerade in den Ecksätzen kommt diese Dramatik sehr schön heraus und fesselt. Besonders gelungen ist auch das Allegretto Scherzando, weil es hier wirklich luftig und scherzend daher kommt. So belanglos, wie diese Sinfonie sonst immer daherkommt, ist sie in dieser Interpretation jedenfalls nicht.


    Zitat

    Original von Khampan
    Meiner Meinung nach wollte Beethoven einen logischen Übergang vom ersten zum zweite Satz schaffen, dabei aber durch Metronomangaben und das fehlende Ritardando sicherstellen, daß der zweite Satz im Tempo eine Spur weniger hochtourig wirkt.


    Wenn man einen Viertel-Schlag des ersten Satzes gleich einem 16tel-Schlag des 2. Satzes setzt, kommt man sehr genau auf die Zeiten von Immerseel:


    1. Satz: Allegro vivace e con brio 3/4
    373 Takte + 103 Wdh. = 476 Takte
    476*3 = 1.428 Schläge in 8'32
    ergibt 36/100 Sekunden pro Schlag [Viertel]


    2. Satz: Allegretto scherzando 2/4
    81 Takte
    81*8 = 648 Schläge in 3'58
    ergibt 36/100 Sekunden pro Schlag [16tel]


    Nach den Ausführungen Fritz Rothschilds liegen die Sätze tempomäßig folgendermaßen:


    im 3/4-Takt:
    Achtel = 50-110 = langsam
    Viertel = 60-110 = gemässigt
    Viertel = 120 - 420 = geschwind


    Mit punktierter Halber = 69 liegt das Tempo durchaus schon im Bereich, der als [gemässigtes] Presto zu bezeichnen wäre, was ja dem Allegro vivace e con brio durchaus entspricht.


    im 2/4-Takt:
    Achtel = 50-110 = langsam
    Achtel = 120-220 = gemässigt
    Achtel = 240-840 = geschwind


    Der 2. Satz liegt also im mittleren langsamen Bereich [sic!].


    ***************


    Strikt nach Metronom würden die Sätze folgende Dauern haben:


    1. Satz: 6'54 [476 Takte / 69]
    2. Satz: 3'41 [81 Takte * 4 / 88]


    Komischer Weise kommt Norrington [1987] im ersten Satz auf 8'50, obwohl er sich angeblich strikt an die Metronomangaben hält.


    :hello:


    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)


  • Ja, mir hat die 8. kürzlich einige Fragezeichen aufgesetzt, als ich mich bemühte, ordentlich zuzuhören, was mir nicht recht gelang (erst die Partitur hat aufgeklärt, was da los ist, dafür aber erst recht unklar gelassen, was damit bezweckt wird).


    Es fängt ja recht schön frisch gesanglich und periodenmäßig an, mit wunderbar auffächernder Instrumentierung, OK, das ist freundlich und versorgt einen ständig mit interessanten Details.


    Und dann in der Überleitung zum Seitenthema hackt er auf einem kurzen Motiv rum, das irgendwie alles anhält und kaputt macht und noch dazu die Orientierung die Harmonik betreffend zerstört. Und letzteres bereitet das für mich Befremdliche vor: Der Seitensatz, der so tut, als stiege die Achtelkette zur Seitensatz-Tonika auf, ist überhaupt in der falschen Tonart, verkrümelt sich dann (nachdem man geglaubt hat, dass die Achteln nun diese Tonika befestigt hätten) wieder in irgendwelchen Verminderten oder so um dann erst - anders instrumentiert - das zu tun, was ich ihm schon zuvor unterstellt habe. Was bringt aber dieser Gag, wenn man es gar nicht hört? Durch die vielen Verminderten zwischen Haupt- und Seitensatz und dann noch zwischen "falschem" und "richtigem" Anlauf des Nebenthemas bekommt man das geistreiche Spiel doch gar nicht mit - oder hörten die damals so viel besser als ich?
    ?(

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  • Ich hab noch nicht ganz verstanden, was du meinst, Kurzstückmeister.
    Die Dvs bzw. tiefalterierten Akkorde bringen deiner Meinung nach den Hörer so aus der Bahn, dass er nicht mehr mitbekommt, wohin Beethoven "falsch" moduliert?


    Ich denke, bei der Überleitung zum Seitensatz denkt man als Hörer erst einmal, Beethoven würde im Quintenzirkel nach unten rutschen, was doch ziemlich überraschend klingt.
    Dann wird der Akkord umgedeutet und man ist auf einmal ganz weit oben - und dann balanciert es sich wieder aus.
    Oder?

    "Das Große an der Musik von Richard Strauss ist, daß sie ein Argument darstellt und untermauert, das über alle Dogmen der Kunst - alle Fragen von Stil und Geschmack und Idiom -, über alle nichtigen, unfruchtbaren Voreingenommenheiten des Chronisten hinausgeht.Sie bietet uns das Beispiel eines Menschen, der seine eigene Zeit bereichert, indem er keiner angehört." - Glenn Gould

  • OK, nur, dass man einen Ganzton zu weit oben ankommt (D-Dur statt C-Dur) - und das kriege ich jedenfalls hörend nicht mit. Die Wiederholung in anderer Instrumentierung ist zwar dann richtig (C-Dur), aber die "Korrektur" wieder so gestaltet, dass ich sie hörend nicht mitbekomme, sondern glaube, es ist 2x dieselbe Tonart.
    :hello:

  • Ah, ok. Naja, wir können ja nur spekulieren, was Beethoven wollte, aber vielleicht wollte er ja gerade dies: die Modulation so glätten, dass zwar moduliert wird, aber der Zuhörer nichts davon mitbekommt. Also dass er (wie schon gesagt) erst im Quintenzirkel abrutscht und dann auf misteriöse Weise doch richtig ankommt?
    Wobei man ja die Umdeutung des B7 durch das A-Dur im Anschluss eigentlich schon hört...

    "Das Große an der Musik von Richard Strauss ist, daß sie ein Argument darstellt und untermauert, das über alle Dogmen der Kunst - alle Fragen von Stil und Geschmack und Idiom -, über alle nichtigen, unfruchtbaren Voreingenommenheiten des Chronisten hinausgeht.Sie bietet uns das Beispiel eines Menschen, der seine eigene Zeit bereichert, indem er keiner angehört." - Glenn Gould

  • Nein, dass mit dem harkenden Motiv moduliert wird, das drückt er uns schon überdeutlich aufs Auge. Und dass nach dem Verminderten, den Du als B7 mit ausgelassenem Grundton deutest (ist das wirklich zwingend?), gerückt wird (chromatisch nach unten, weshalb ich den Verminderten vorher eher nicht als B7 deuten würde, denn dann hätten wir einen chromatisch verschobenen Septakkord), hört man auch - das verursacht mir eben das Gefühl einer harmonischen Manipulation irgendwo in Nirgendwo (Verminderte sind ja sowieso treffliche Nirgendwos fürs Modulieren - nämlich eher Überalls ...)


    Also kurz: Klar, es wird moduliert und nach einem aufregenden Umbiegen Hand in Hand mit Reduktion der Lautstärke und Instrumentation, sind wir richtig am Ziel. Aber ein Blick in die Noten sagt: Denkste, wir sind NICHT richtig, sondern in D-Dur. Sieht man nicht in die Noten, denkt man, man sei in C-Dur und wird ein paar Takte später wieder mit tonartenfremden Frechheiten gekitzelt.


    Und hier ist ja eigentlich erst meine Unklarheit: De Fakto dienen nun diese Frechheiten der "Reparatur" der Tonart, aus D-Dur wird C-Dur und die Holzbläser singen uns das Nebenthema dann in der richtigen Tonart vor, während vorher die Streicher falsch gewesen sind. Ich höre es aber leider nicht, da ich in dem merkwürdigen Geschnörkel der Streicher ein Weg- und Retour angenommen hätte. Mir gelingt es also leider nicht, beim Holzbläsereinsatz zu hören: AH! Er hat uns vorher reingelegt! Jetzt erst ist die richtige Tonart erreicht! (So wie bei den richtigen Reprisen nach den Scheinreprisen bei Haydn.)


    OK, wird wohl der Fehler meiner Schweinsohren sein.


    Ähnlich hinters Licht geführt werden meine Ohren bei Schuberts Unvollendeter. Nur dass es dort umgekehrt ist: Ich höre ein Hinaufsteigen bei der Wiederholung des Themas, de Fakto ist es aber immer gleich hoch.
    :rolleyes:

  • Zitat

    Nein, dass mit dem harkenden Motiv moduliert wird, das drückt er uns schon überdeutlich aufs Auge. Und dass nach dem Verminderten, den Du als B7 mit ausgelassenem Grundton deutest (ist das wirklich zwingend?), gerückt wird (chromatisch nach unten, weshalb ich den Verminderten vorher eher nicht als B7 deuten würde, denn dann hätten wir einen chromatisch verschobenen Septakkord), hört man auch - das verursacht mir eben das Gefühl einer harmonischen Manipulation irgendwo in Nirgendwo (Verminderte sind ja sowieso treffliche Nirgendwos fürs Modulieren - nämlich eher Überalls ...)


    Ich glaube, wir reden aneinander vorbei :D


    Welchen Verminderten meinst du jetzt?


    Mit B7 meinte ich den Akkord, der auch als B7 da steht, und zwar die über mehrere Takte.
    Erstmal für die Mitleser die Partitur: http://www.dlib.indiana.edu/va…/baj2627/large/index.html


    So, in Takt 20 sind wir noch in F-Dur. In Takt 22 kommt deren Subdominante B-Dur. Das Ganze hat schon Überleitungscharakter und man erwartet jetzt, dass er nach C-Dur moduliert. Stattdessen kommt aber zwei Takte später zum B-Dur Akkord ein As hinzu - das ist der B7, den ich meinte. Auf dem trampelt er jetzt 9 Takte herum (9 Takte! Man beachte im Vergleich, wie schnell vorher alles voran ging), um dann durch eine Umdeutung, die nicht in den Noten steht (as->gis; ist vom Geschehen danach aus betrachtet also Doppeldominante) und anschließender Domainte A-Dur nach D-Dur zu gelangen.


    Ich glaube übrigens auch, dass die Modulation von D nach C danach übrigens unterbewusst jeder hört. Man könnte es ja mal anders harmonisieren, dass es beim 2. Mal wirklich wieder in D-Dur erscheint, und gucken, wie es klingt ;)

    "Das Große an der Musik von Richard Strauss ist, daß sie ein Argument darstellt und untermauert, das über alle Dogmen der Kunst - alle Fragen von Stil und Geschmack und Idiom -, über alle nichtigen, unfruchtbaren Voreingenommenheiten des Chronisten hinausgeht.Sie bietet uns das Beispiel eines Menschen, der seine eigene Zeit bereichert, indem er keiner angehört." - Glenn Gould

  • Zitat

    Original von rappy
    Mit B7 meinte ich den Akkord, der auch als B7 da steht, und zwar die über mehrere Takte.[...]Stattdessen kommt aber zwei Takte später zum B-Dur Akkord ein As hinzu - das ist der B7, den ich meinte. Auf dem trampelt er jetzt 9 Takte herum (9 Takte! Man beachte im Vergleich, wie schnell vorher alles voran ging)


    In den Takten 30-32 ist das B nur mehr auf den Schluckaufakkorden (drum habe ich es übersehen).
    :untertauch:


    Zitat

    Ich glaube übrigens auch, dass die Modulation von D nach C danach übrigens unterbewusst jeder hört. Man könnte es ja mal anders harmonisieren, dass es beim 2. Mal wirklich wieder in D-Dur erscheint, und gucken, wie es klingt


    Na, das kommt ja dann eh (Takt 51 endet in der Melodie mit es, so wie 43, man könnte also weiterdudeln und in der Tonart bleiben).


    Also, wenn ich den Bläsereinsatz in T. 44 gehört habe, habe ich immer gedacht, in derselben Tonart zu sein wie in T. 37. Jedenfalls bewußt ...
    :wacky:

  • Ja stimmt, der Grundton muss ja dann irgendwann weg, sonst könnte man ja nicht umdeuten. ;)
    Aber in Takt 30 auf der 1 ist er sogar noch da! In der Oboe.

    "Das Große an der Musik von Richard Strauss ist, daß sie ein Argument darstellt und untermauert, das über alle Dogmen der Kunst - alle Fragen von Stil und Geschmack und Idiom -, über alle nichtigen, unfruchtbaren Voreingenommenheiten des Chronisten hinausgeht.Sie bietet uns das Beispiel eines Menschen, der seine eigene Zeit bereichert, indem er keiner angehört." - Glenn Gould

  • Für mich ist die Achte ein überaus gelungenes Beispiel für Humor in der Musik, was meiner Meinung nach sehr schwer und ziemlich selten ist. Das Thema wäre auch einen eigenen Thread wert.


    Ich habe die schon erwähnte Norrington-Einspielung (aller Beethoven-Symphonien), die mir gut gefällt. Scherchen werde ich mir auf Anregung der hier vertretenen Experten noch anschaffen - ich kenne diese Aufnahme noch nicht.


    Was Beethovens Lebensumstände zur Zeit der Komposition anbelangt, so finde ich bemerkenswert, dass diese eben NICHT sichtbar bzw. hörbar werden. Ist es nicht geradezu ein Kennzeichen klassischer Künstler, dass individuelle Seelenzustände, wenn überhaupt, so in sublimierter Form erscheinen?! Das mag jetzt etwas zu holzschnittartig formuliert sein, aber darin unterscheidet sich Beethoven doch gerade von den Romantikern.


    Bei Beethoven lohnt es sich, seine heiteren Stücke am Lebenslauf zu vergleichen. Er war imstande, seine unbeschwerteren Stücke gerade dann zu schreiben, wenn ihm ganz anders zumute gewesen sein sollte. Auch das ist eine Form der Verarbeitung persönlicher Probleme.

  • Zitat

    Original von Gabi
    Für mich ist die Achte ein überaus gelungenes Beispiel für Humor in der Musik, was meiner Meinung nach sehr schwer und ziemlich selten ist. Das Thema wäre auch einen eigenen Thread wert.


    Schittebön:


    Klassik wider den tierischen Ernst - Humor in der Musik


    :D

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

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