Wagner kennenlernen - Eure Reihenfolge

  • Zitat

    Original von Ulrica
    Ein Gespenst geht um: Wagner in Form von HIP? :hahahaha:


    Was ist daran denn so witzig? Ich warte nach dieser hippen Einspielung gerne auf mehr...



    Ach ja, schönes neues :D

  • Zitat

    Original von pbrixius
    ...Ich rate eigentlich jedem an, es - mit den entsprechenden Abständen - einfach noch einmal zu versuchen, aber nur bei Komponisten, bei denen es sich lohnt. ...


    Das ist der springende Punkt! Wenngleich es mir fernsteht, irgendjemanden zu beeinflussen, auf welche Weise er mit seinen Problemkindern umgeht, empfehle ich doch eine etwas entspanntere Vorgehensweise. Man sollte weder sich selbst unter Druck setzen noch zuviel auf Expertenmeinungen geben. Versuche in größeren Abständen zeigen dafür oft erstaunliche Veränderungen in der Rezeption. Die Zeit ist ein sonderbar Ding...


    Schließlich muss aber auch ganz klar gesagt werden, dass man ein musikalisch sehr erfülltes Leben führen kann während man dabei ein paar anerkannte Komponisten völlig links liegen lässt. Es gibt Berichte aus zuverlässigen Quellen, denen zufolge ein Leben ohne Wagner möglich ist, ohne dass psychische Schäden zu befürchten sind! Meiner Erinnerung nach haben einige ganz mutige - um nicht zu sagen tollkühne - Taminokesen sogar zugegeben, dass sie mit Mozart nicht allzu viel anfangen können. Wenn man z.B. vor allem auf Werke der Spätromantik abfährt, ist dies auch gar nicht verwunderlich. Aber wer sagt denn, dass dies in zwanzig Jahren nicht ganz anders ausschaut?

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Guten Morgen und erstmal ein fröhliches, diskussionsfreudiges, anregendes kontroverses Tamino-2008!
    Ich hoffe, ich habe genug geschlafen , um hier jetzt gleich einsteigen zu können!
    Dieser auf meine Person gerichtete Threadverlauf überrascht mich sehr 8o, aber tant pis!


    Ich bemühe mich , Rienzis Aussage in Theophilus' wohlwollendem Sinne zu interpretieren und nachzudenken, bevor ich schreibe...... :yes:


    Das Vertrackte und Komplizierte an meiner Wagner-Beziehung ist, dass ich ihm vor 20 Jahren in jugendlichem Wahn komplett verfallen war und es sich also um eine Hassliebe handelt, von der man in einem Winkel des Herzens niemals lassen kann. Ich habe damals z.B. Berghaus-Ring in Frankfurt gesehen, alle möglcihen Bücher über Wagner(auch miserable!) verschlungen und mich wirklich in Rauschzustände gehört.(Ironie des Schicksals dass meine Tochter nun dasselbe durchmacht)
    Dass Wagners Musik ganz stark das Unterbewusste anspricht und ein intellektueller Zugang da immer erst der zweite Schritt ist, sehe ich eigentlcih als quasi unumstössliche Tatsache an (lasse mich gegebenenfalls aber überzeugen....).


    Ich habe jedoch den intellektuellen Zugang intensiv gesucht, denn auch wenn es auf den ersten Blick nicht so scheinen mag: mir ist neben dem Gefühl der Verstand ausserordentlich wichtig ,und ich bin keinesfalls ein unbewusstes Instinkt-Wesen, wie das etliche Männer dem weiblichen Geschlecht immer wieder gerne unterjubeln wollten und wollen (merci Audiamus!!!!)


    Mich hat aber gerade dieser intellektuelle Zugang von Wagner weggebracht.
    Die hier nciht erneut weiter auszuführenden(da Minienfeld) politischen Verflechtungen zu und nach seinen Lebzeiten, der mich anwidernde Briefwechsel mit zahlreichen Menschen, in denen ein in meinen Augen "miserabler Charakter" zum Vorschein kommt, das Frauenbild in der Musik und im Privaten.....
    Und in erster Linie immer im Hintergrund das Gefühl, von seiner Musik in demagogischer Weise überrollt zu werden und unlauter in Zustände getrieben zu werden, die mir bei intellektueller Reflektion eines denkenden Menschen einfach unwürdig schienen.
    Dazu kommt verstärkend eine familiäre Geschichte in Form eines mega-wagnerianischen Grossvaters mit allen zeithistorischen Verstrickungen seiner Generation.



    Dass ich trotzdem nicht von dem Bayreuther lassen kann, ist nun nicht zuletzt das Produkt meiner Bekanntschaft, Freundschaft und Liebe zu wagner-verehrenden Menschen, deren Urteilsfähigkeit und moralische Integrität ich ganz hoch einschätze . Ich kann einfach nciht glauben, dass etwas, das so viele"erstklassige" Menschen als erstklassige Musik empfinden und hochhalten, von mir nciht auch wieder anders als mit Abscheu wahrgenommen werden kann. Ich sehe das wirklich als eine Herausforderung und gebe nciht so schnell auf.
    Da ich die Erfahrung mache, dass ich im richtigen Kontext, mit den richtigen"pädagogischen" Anleitungen und mit wirklich guten Aufführungen( Edwins Posting kann ich da nur unterstreichen!) Werke erschliessen kann, die mir bis dato fremd und gegen die Natur waren (derzeit z.B. Bruckner), weiss ich , dass sich das Dranbleiben manchmal wirklich lohnt.
    Wagner hat es da allerdings besonders schwer, da eine Hassliebe und eine multiple reflektierte(!) Antipathie sehr schwer aufzulösen sind.
    Mein Hâppchen-Hören(von Rienzi mit "FairyQueen Zugang" bezeichnet) ist immerhin der ernsthafte Versuch, Wagner nciht in die Ecke zu werfen sondern am Ball zu bleiben.



    Ausserdem ganz tamino-pragmatisch: die Antiwagnerianer liefern doch offenbar immer wieder Diskussionsstoff und Tamino ohne Diskussionsstoff...... :D :pfeif:



    Fairy Queen

  • Liebe Ulrica,

    Zitat

    Ein Gespenst geht um: Wagner in Form von HIP?


    Ja, denn wir hören das heute - nun, vielleicht nicht wirklich falsch, aber auch nicht ganz richtig. Jeder Dirigent kann Dir die Probleme schildern, etwa im "Ring"-Orchester die Balancen herzustellen: Das Blech ist gegenüber den Holzbläsern relativ stark besetzt, die Singstimmen können sich über dem immer wieder massiven Satz kaum entfalten, weil sie damit beschäftigt sind, ihn zu überbrüllen. Und überhaupt klingt der Orchestersatz nach ornamentierter Homophonie, also Hauptstimme mit stützenden Harmonien, die durch Nebenstimmen gebrochen, figuriert etc. werden.


    Seltsamerweise steht das aber ganz anders in den Partituren. Dort sieht man einen bis in die Details motivisch durchgearbeiteten Satz, der aber keineswegs massiv oder gar dick ist - im Grunde nicht einmal dort, wenn Wagner fallweise eine Schicht stützender Harmonien zusätzlich aufträgt, also etwas wie Firnis.


    Wieso ist also das klingende Ergebnis so entfernt vom Partiturbild?


    Nun: Weil wir mit zwei falschen Aufführungsweisen konfrontiert sind: "Ring" und "Parsifal" sind für ein Orchester gedacht, das unter einem Schalldeckel sitzt. Viele belächeln heute die Sänger, die in der Bayreuther "Schonakustik" das Orchester übersingen können, aber etwa an der Wiener Staatsoper in Orchesterwogen untergehen.
    Wir sollten aber die Belächler belächeln.
    Denn die kapieren offenbar nicht, daß Wagner sein Werk für genau diese "Schonakustik" komponiert hat, also die Dämpfung sozusagen in den Satz integriert hat. Nicht die Bayreuther "Schonakustik" macht unterdurchschnittlichen Sängern das Leben leicht, sondern die Normalakustik aller anderen Häuser zwingt Sänger zum Forcieren - und damit zu einer falschen Aufführungsweise.


    Obendrein komponiert jeder Komponist für den Orchesterklang, den er im Ohr hat. Wagner komponierte also für den Klang eines Orchesters des 19. Jahrhunderts. Im Blech etwa klangen Trompeten und Posaunen enger und präziser/schärfer im Ton - und vor allem weniger voluminös/breit/laut. Auch Streicher und Holzbläser hatten einen leiseren, zarteren Klang, der sich von dem üppigen, lautstärkeintensiven Bombast heutiger Tage wesentlich unterscheidet. Kurz: Das Orchester der Wagner-Zeit hatte eine völlig andere Klangfarbe als das Orchester unserer Zeit.


    Dieser leisere, durchsichtigere Klang machte es Wagner möglich, im Sinne des von ihm angestrebten motivischen Geflechts und der von ihm ersehnten farblichen Nuancen, das Orchester zu vergrößern, ohne Durchhörbarkeit oder Singstimmen in arge Bedrängnis zu bringen. (Bitte bedenken: Den "Wagner-Sänger", von dem wir heute sprechen, gab es noch gar nicht, er entwickelte sich erst aufgrund des Wagner'schen Werke-Kanons.)


    Soll man nun Wagner HIP aufführen? - Ich bin sehr dafür. Nicht als Grundregel. Aber ich wäre dafür, jede Oper Wagners in einer HIP-Modellaufführung zu spielen, denn aus der Beschäftigung mit dem Klang der Wagner-Zeit kann man Erkenntnisse gewinnen, die helfen, auch mit modernen Orchestern die Balancen und Klangabstufungen nachzuempfinden.


    Der von Blackadder angeführte "Holländer" ist ein glänzendes Beispiel: Er zeigt, wie durchaus auch kleinere beweglichere Stimmen mit einem Klang zurechtkommen, der heute an vielen Häusern modifiziert wird, weil die von Wagner notierten dynamischen Vorstellungen die Singstimmen gnadenlos erschlagen würden.


    :hello:

    ...

  • Im Prinzip stimme ich Edwin zu. Wagner hat selbst einmal gesagt, dass die Stimme vom Orchester getragen werden soll wie ein Nachen von den Wogen des Meeres. Das heißt aber eben auch, dass der Nachen nicht von den Wellen verschlungen werden darf. Eigentlich eine Binsenweisheit für jeden Dirigenten, die aber oftmals (aus Eitelkeit?) nicht befolgt wird. Heute wird bei Wagner oft zu laut und zu brilliant (höhere Orchesterstimmung) musiziert, was es den Sängern selbst sehr schwer macht, das in der Partitur Geforderte noch zu erreichen. Ein Beispiel: Die Senta-Ballade, die Wagner ursprünglich in a-moll komponierte, dann aber auf Bitten der Uraufführungssängerin Wilhelmine Schröder-Devrient auf g-moll herunter transponierte. Im heutigen Repertoirealltag wird zumeist die für die Sängerin bequemere g-moll-Variante gespielt, was angesichts der oben geschilderten orchestralen Veränderungen nur allzu verständlich ist. In der Weil-Aufnahme kann die Sängerin der Senta die Ballade wieder in a-moll singen, ohne sich überanstrengen zu müssen und entsprechend zu klingen.


    Das heißt jetzt allerdings nicht, dass ich dafür plädiere, HIP-Stimmen für Wagner zu verwenden. Weil hat ja etwa mit Stensvold und Selig auf Sänger zurückgegriffen, die auch in "normalen" Wagner-Aufführungen oft zu hören sind. "Vibratolos", "körperlos", "gerade singend" etc. sind Eigenschaften, die zu Wagner in dieser Einseitigkeit nun wirklich nicht passen. Daher rühren auch meine Probleme mit Sängern vom Schlage eines Klaus-Florian Vogt, auf den diese Attribute zutreffen und bei dem dann die von Wagner (auch) einkomponierte heroische Seite seiner Rollen fast vollständig verloren geht. Außerdem müssten sich die HIP-Dirigenten das sture Durchmetronomisieren bei Wagner abgewöhnen. Negativbeispiel sind für mich in dieser Hinsicht die Aufnahmen Norringtons mit den London Classical Players. Agogik spielt bei Wagner eine nicht zu unterschätzende Rolle, die (maßvolle) Variierung der Tempi und unterschiedliche Phrasierungen innerhalb eines bestimmten Grundtempos der Musik sollen der Verlebendigung des Vortrages dienen und ihm ein ausdrucksstärkeres Relief verleihen. Wagner war schließlich nicht umsonst ein erklärter Gegner von Mendelssohns "klassizistischem" Dirigierstil.


    :hello:


    GidselherHH

    "Mache es besser! (...) soll ein bloßes Stichblatt sein, die Stöße des Kunstrichters abglitschen zu lassen."


    (Gotthold Ephraim Lessing: Der Rezensent braucht nicht besser machen zu können, was er tadelt)

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  • Zitat

    Das heißt jetzt allerdings nicht, dass ich dafür plädiere, HIP-Stimmen für Wagner zu verwenden.


    Völlig richtig. Ich bezog mich vor allem auf das Orchester. Die Balance Singstimme-Orchester sollte so sein, daß der Sänger seinen Vortrag nuancieren kann und seine Stimme ohne Forcieren trägt. Was schwierig ist, wenn ihm 8 Hörner, 4 Trompeten und 4 Posaunen heutiger Bauart ohne Schalldeckel-Dämpfung ihre Entladungen in der Dynamik um die Ohren spielen, die Wagner vorgeschrieben hat.
    Dämpft man aber die Dynamik, verändert man wiederum den Klang, denn eine fff geblasene Trompete vibriert anders, klingt anders als eine nur ff geblasene. Gerade ein Klangmagier wie Wagner hat mit diesen Nuancen gearbeitet, das zeigt sich deutlich daran, wie er seine Instrumentenmischungen disponiert.
    Obwohl es bei den späteren Wagner-Opern noch interessanter wäre: Den genannten "Holländer" sollte man sich wirklich anhören, um eine Idee davon zu bekommen, wie Wagners Orchester geklungen haben mag.
    :hello:

    ...

  • Hallo Forianer,


    man muss zunächst unterscheiden, ob es Kinder bzw. Jugendliche sind, die an Wagner herangeführt werden sollen, oder selbst ihren Horizont erweitern wollen...


    oder...


    sind es klassik-erfahrene Operngänger bzw. -hörer, die um Wagner stets einen großen Bogen gemacht haben.


    Für Kinder und Jugendliche


    zunächst Ouvertüren und Vorspiele: "Holländer", "Tannhäuser", "Meistersinger", "Lohengrin" (3. Aufzug);


    dann Chöre: Einzug der Gäste auf die Wartburg ("Tannhäuser"), Matrosenchor und Chor der Spinnerinnen ("Der fliegende Holländer"), Brautchor ("Lohengrin"), Wach-auf-Chor ("Die Meistersinger von Nürnberg")


    danach Arien und Szenen-Ausschnitte:
    Ballade der Senta, "Die Frist ist um" ("Der fliegende Holländer"), Hallen-Arie, Lied an den Abendstern ("Tannhäuser"), Gralserzählung ("Lohengrin"), Wotans Abschied und Feuerzauber ("Die Walküre")


    1. komplette Oper:


    "Der fliegende Holländer"


    2. komplette Oper:


    "Lohengrin"



    klassik-erfahrene Operngänger bzw. -hörer



    1. komplette Oper:


    "Der fliegende Holländer"


    2. komplette Oper:


    "Lohengrin"




    Herzliche Grüße
    von LT :hello:

  • Nun bei mir wars so mit den Wegen zu Wagner:


    Die dominanten Stimmen habe ich ziemlich spät erst gern hören mögen.


    Deshalb kam ich mit Wagner lange nicht klar, bis ich mit dem Ring ohne Worte begann:



    Sehr unterhaltsam, grosser Orchesterklang, grosse Gefühle ohne Stimmen. Klasse gespielt und von mir oft gehört, bis ich merkte: da fehlt doch was.


    Dann im Sommerurlaub das grosse Buch


    Richard Wagner von Martin Gregor-Dellin


    (wird jetzt wieder neu aufgelegt, sehr empfehlenswert. Beschreibt nicht nur Leben und Werk sondern auch Zeit und Hintergründe, spart die Nachtseiten Wagners nicht aus).


    Dann Kurt Pahlens erstklassige Kommentarbände zum Ring mit allen Texten (immer begeisterter durchgelesen),


    Peter Wapnewski und Joachim Kaiser hinzu. An ihnen schätze ich, dass sie die erstaunliche Wortkunst Wagners erhellen. Beim ersten Hören ist der Ring ja eher abschreckend - diese Stabreime ("schau du Schelm") - ätzend. Aber welche enorme Aussagekraft dahintersteckt, das erschließt sich erst mit der Zeit.


    Schließlich der Ernstfall: Soltis Ring .


    Ab dann gab's kein Halten mehr. Und über den Ring, den Lohengrin, Parsifal, Tristan liebe ich schließlich auch immer mehr die Vokalkunst.


    :hello: W.

    Beste Grüße!

  • Hallo Liebestraum,
    prinzipiell würde ich Dir zustimmen. Nur leider kenne ich ein Gegenbeispiel: Mich.
    "Holländer" (als erste Wagner-Oper gehört, ich war etwa 10) funktionierte gar nicht, weil ich den zweiten Akt extrem langweilig fand. "Lohengrin" klappte dann so überhaupt nicht, daß meine verzweifelte Mutter mich für die Klassik verloren glaubte und es mit einem Schock versuchte. O.k., der wirklich zum Aufbruch führende Schock war weder Rudolf noch Wagner, sondern "Wozzeck", aber bei Wagner war's dann die "Götterdämmerung". Was sicherlich mit meiner Faszination zu tun hatte, die ich schon damals mythischen Erzählungen abgewonnen habe.
    Wie gesagt: Ich würde Dir uneingeschränkt zustimmen, stünde dieser Zustimmung nicht meine eigene Erfahrung im Weg (die ich nur anführe, aus der ich aber keineswegs etwas Verallgemeinerndes ableiten will).
    :hello:

    ...


  • Hallo Wimmus !


    Das mit dem Libretto bei Wagner fand ich Anfangs überhaupt das Allerschwerste. Ich habe in diesem Thread ja schon meine "Ring-Aneignung" geschildert: Ich muss das Lernen wie eine Sprache. Libretto komplett getrennt von der Musik, sonst komme ich nicht mehr mit.


    Ganz besonders heftig finde ich da auch den Tristan. Dieses weltenumnachtende Wortgesäusel vor Allem im II. Akt habe ich beim ersten Hören erstmal so hingenommen, bevor ich mich da tiefer beschäftigt habe.


    Aber das ist ja das Interessante an Wagner: Die Vieldeutigkeit seiner Texte.


    Gruss, Louis

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  • Zitat

    Zitat von Louis:
    Gegenüber Parsifal, Lohengrin, Tristan und der Walküre finde ich den Holländer ziemlichen "Mainstream", so ein bisschen im Stil der italienischen Opern, vor allem was die Handlung betrifft


    Hallo Louis,
    Finde ich auch. Und auch hier sind genug Widerhaken, dass für jeden was dabei ist, Orchestergetümmel, Liebe, Romantik und grosse Gefühle. Nicht zu vergessen die literarischen Bezugnahmen. Wie in allem, so hat Wagner doch auch hier Quellenstudium betrieben (Heine) und zumindest einen andere Komposition analysiert, nämlich Heinrich Marschners Vampyr.
    Offenbar sind die tiefen privaten Eindrücke einer Seefahrt (bei der Wagners damalige Ehefrau Minna sturmbedingt (?) eine Fehlgeburt erlitt) mitverarbeitet.
    Dann Träume und Alpträume, bei Wagner immer wiederkehrende Motive (siehe Lohengrin oder sogar in den Meistersingern). Das gibt es nicht oft in grossen Werken anderer Meister.


    So hast Du völlig Recht, dass im Holländer kompakter als in den "grossen" Werken doch schon alles enthalten ist, was Wagner einzigartig macht. Ich stimme Dir zu, dass hier ein perfekter Einstieg in diese merkwürdige Welt möglich ist.


    Gruß Winfried

    Beste Grüße!

  • Zitat

    Original von Blackadder


    Was ist daran denn so witzig? Ich warte nach dieser hippen Einspielung gerne auf mehr...


    Ach ja, schönes neues :D



    lLieber Blackadder,


    es ist bekanntlich schwierig, zu erklären, warum man etwas witzig findet. Ich versuche es so: Bei der Vorstellung, Wagner mit "körperarmer, vibratoloser" Stimme zu interpretieren, schwebt vor mir das Bild eines sehr sonderbaren Siegfried ....
    ich gehe aber davon aus, dass HIP und HIP auch nicht immer dasselbe ist.


    Lieber Edwin,


    Die Problematik der Ausgewogenheit Gesang/Orchester kenne ich sehr wohl. Hier herrscht oft keine Fairness gegenüber den SängerInnen und Kommentare derart, dass eine/r es grundsätzlich nicht schafft, dieses Fach zu singen, sind da oft nicht angebracht. Unfair sind solche überbombastischen (obwohl an den richtigen Stellen bei Wagner m. E. ein gewisser "Bombast" einfach sein muss) Auffassungen der Dirigenten auch gegenüber den Feinheiten der wagnerschen Setzung, deren Fabrenvielfalt und Komplexität mich beim Einstudieren immer wieder verblüffen. Es stimmt traurig, dass so viel davon durch überzogene Dröhnung den Bach abgeht.


    Allerdings: Den SängerInnen Muss trotz allem die volle Bandbreite strimmlicher Entfaltungspotentiale zur verfügung stehen. Ohne voluminöse Stimmen geht das m. E. nicht, denn es gibt einfach Stellen, wo der Komponist das haben wollte. Doch die "leisen Töne" haben auch ihr Recht. Auch solche Dinge verstehe ich nämlich unter "Werktreue.


    LG und gutes Neues,


    Ulrica

  • Gerade bei Wagner fände ich es sehr reizvoll, wenn es mehr Versuche gäbe, den Orchesterklang der Enstehungszeit stärker zu beachten. Das kammermusikalische Element ist bei Wagner viel öfter anzutreffen, als es die donnernden Blechattacken manchmal glauben machen. Transparenz im Klangbild kann helfen, musikalische Strukturen viel besser hör- und erfahrbar zu machen.


    Eigentlich müsste es zwangsläufig sein, dass nach der "Entschlackung" des Klanges, wie wir sie von Boulez und Gielen her kennen, der nächste Schritt, nämlich die Hinwendung zum "historischen" Klang, erfolgen müsste.


    Neben dem hier schon angesprochenen "Holländer" unter der Leitung von Bruno Weil mit der (verstärkten) "Cappella Coloniensis" ist mir allerdings nur eine einzige, andere Aufführung eines Wagner-Werkes im "Originalklang"-Gewand bekannt, die erstaunlicherweise fast zeitgelich zum Kölner "Holländer" entstand. Im August 2004 hat Simon Rattle mit dem "Orchestra of the Age of Englightenment" in Baden-Baden konzertant "Das Rheingold" aufgeführt.


    Der Klang ist helller, weniger massiv, durchaus härter und wirkt besser ausbalanciert. Bei den Sängern finden sich normale Wagner-Stimmen - die (leider?) genauso singen, wie in anderen Aufführungen halt auch...


    Ich könnte mir auch da "leichtere" Stimmen vorstellen, die viel Wert auf Präzision legen.


    Vielleicht folgen noch weitere Werke - es wäre, so finde ich, eine willkommene Ergänzung des (allzu?) bekannten.


    Das Problem, das Sängerinnen und Sänger oftmals gerade bei Wagner gegen das Orchester ansingen müssen, ist wohl jedem Besucher einer Wagner-Aufführung bekannt. Die Folgen: entweder früher Verschleiss oder das Herausbilden von Sänger/innen, die vor allem auf Phonstärke wert legen - beides empfinde ich als wenig glücklich...


    Ein vernünftiger Kompromiss ist ein Dirigent, der sein Orchester auch zurücknimmt und mit den Menschen auf der Bühne atmet und da, wo es nun mal laut wird, auch ganz bewusst die Sängerinnen und Sänger zudeckt, aber diese dann auch an solchen Stellen nicht zum Forcieren animiert.