"Der Traurigste bin ich von allen" - Diskographie großer Wotandarsteller

  • Hallo Gioachino,


    stimmt, Ralf Lukas war in Wiesbaden als Wotan sehr gut. Dennoch bleibt für mich Terfel die erste Wahl.


    Grüße :hello:


    Emotione

  • Lieber Flo,


    auf Deine Anregung hin habe ich mir nochmal die von Dir so gelobte Bailey-Aufnahme von Wotans Abschied angehört. Obwohl ich meinen Wagner gerne etwas schneller, lebendiger und "theatralischer" habe, ist diese Aufnahme wirklich sehr ansprechend. Klemperer dirigiert zwar sehr langsam, behält das Geschehen bei aller epischen Phrasierung jedoch gut im Griff und bindet die einzelnen, sehr gut wahrnehmbaren Orchesterstimmen schön in den breit daherströmenden Klangfluß ein. Bailey besaß zum Zeitpunkt der Aufnahme einen schallkräftigen, kerngesunden hohen Baß, der die stimmlichen Anforderungen sehr gut meistert. Was mir fehlt ist das letzte Quentchen Interpretation und Inflektion sowie eine feinere dynamische Differenzierung, wie man sie etwa bei Friedrich Schorr, Hans Hotter oder Rudolf Bockelmann hört. Vieles bleibt da bei Bailey im Ungefähren, Angedeuteten.


    Wenn Dir diese Bailey-Aufnahme so gut gefällt, dann kann ich Dir nur empfehlen, Dir "Wotans Abschied" in der Studioaufnahme von George London unter Knappertsbusch (Decca) anzuhören. London besaß eine noch mächtigere (wenngleich auch etwas unflexible), vor dunkler Schönheit glühende Stimme, der Interpret London war allerdings auch noch nicht am Ziel angekommen. Der geplante Einsatz als Bayreuther Wotan im 1965er ff. Wieland-Ring hätte da sicher noch für einigen Feinschliff gesorgt. Knappertbusch begleitet London mit den Wienern auf absolut traumhafte Weise, ebenso monumental wie Klemperer, dafür aber m.E. mit mehr Farbigkeit und Flexibilität. Bei Kna brennt´s vielleicht nicht so blochisch-genau wie bei Klemp, dafür aber mit größerer Hitze.


    :hello:


    GiselherHH

    "Mache es besser! (...) soll ein bloßes Stichblatt sein, die Stöße des Kunstrichters abglitschen zu lassen."


    (Gotthold Ephraim Lessing: Der Rezensent braucht nicht besser machen zu können, was er tadelt)

  • Zitat

    Original von gioachino
    Von den aktuellen Wotans beeindrucken mich Hans Peter Scheidegger und Ralf Lukas ( Chemnitz und Wiesbaden ).
    Dass ich vergeblich auf Samuel Rameys Interpretation warte, habe ich hier im Forum bereits anderenorts geschrieben. ( Franz Crass ).


    Ciao. Gioachino


    Und das wird sich wohl auch nicht mehr ändern. Samuel Ramey ist immerhin schon 65!

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Zitat

    Original von gioachino
    Von den aktuellen Wotans beeindrucken mich Hans Peter Scheidegger und Ralf Lukas ( Chemnitz und Wiesbaden ).


    Diesbezüglich muss ich unbedingt Thomas Mayer und Wolfgang Koch erwähnen, beide haben in Karlsruhe den Wotan gesungen - und das war besser als so manches abgesungene Wagnerschlachtross von anno dazumal.
    Die beiden sind ausschnittsweise ("Abendlich strahlt..."; "Leb wohl...")sogar auf einer tollen 2 CD-Aufnahme des Badischen Staatstheaters zu hören, Kostenpunkt schlappe 10 Euro, zu bestellen auf der Homepage des Theaters. (Es singen ferner Lance Ryan als Siegmund/Siegfried; Edith Haller als Sieglinde sowie Caroline Whisnant als Brünnhilde; alle drei treten mittlerweile auch an größeren Häusern auf.)

  • Lieber Giselher,


    vielen Dank für den Hinweis - beim nächsten Schub akuter Wagneritis werde ich einschlägig zuschlagen.


    ;)


    :hello:
    Flo

    "Dekonstruktion ist Gerechtigkeit." (Jacques Derrida)

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  • Zitat

    Original von gioachino
    Von den aktuellen Wotans beeindrucken mich Hans Peter Scheidegger und Ralf Lukas ( Chemnitz und Wiesbaden ).


    Ralf Lukas ist für mich noch kein herausragender Wotansänger - und ich bin mir auch nicht sicher, ob er nochmal einer wird. Er stösst mit seiner Stimme durchaus an Grenzen und vieles bleibt bei ihm im Ungefähren. Es mag sein, dass eine solche Leistung heute an mittleren oder kleinen Häusern der Standard ist, zufriedenstellend empfinde ich das nicht.

  • Wer, wie die zwei von mir genannten Sänger, in Chemnitz, dem " Bayreuth Sachsens " ( Wolfgang Wagner ), diese schwierige Partie binnen einer Woche so bravourös meistert, gehört für mich zu den wichtigsten Wotan - Darstellern von heute. Lukas singt den Abschied so frisch, bruchlos und differenziert, dazu mit ergreifender optischer Präsenz, dass er berühmtere Vorgänger vergessen macht. Anzumerken bleibt ohnehin, dass der Chemnitzer " Ring ", den ich bereits vier Mal gesehen und gehört habe, zum Besten gehört, was auf deutschen Opernbühnen angeboten wird, meint


    Gioachino :pfeif:

    MiniMiniDIFIDI

  • Zitat

    Original von gioachino
    Lukas singt den Abschied so frisch, bruchlos und differenziert, dazu mit ergreifender optischer Präsenz, dass er berühmtere Vorgänger vergessen macht.


    Zu Hans-Peter Scheidegger kann ich nichts sagen - ich weiss, dass ich den schon mal gehört habe, aber er hat sich in meiner Erinnerung nicht festgesetzt. Ralf Lukas hat in Wiesbaden keinen der zwei Wotane und den Wanderer wirklich souverän bewältigt: gerade bem Schluss der "Walküre" war der Sänger alles andere als frisch - nur mit Mühe wurden die Töne noch gestemmt und sonderlich präzise war keiner der drei Abende.


    Das ist eine mittelmässige Leistung, wie sie heute leider üblich geworden ist - "grosse Vorgänger" macht Lukas ganz bestimmt nicht vergessen. Er ist für mich ein Beispiel dafür, mit wie wenig heute ein Wotan schon als "herausragend" gilt.

  • Hans Peter Scheidegger habe ich nur einmal erlebt - als "Rheingold"-Wotan im Hamburger "Krämer"-Ring, ca. 1992. Da hat er mich nun überhaupt nicht beeindruckt. Ein weder vom Timbre noch von der sängerischen Technik her bemerkenswerte Stimme, die sich recht und schlecht mit der Partie abkämpfte unter allerlei Drücken und Pressen. Da war selbst die mittelmäßige Leistung Dohmens in Bayreuth dieses Jahr besser anzuhören.


    :hello:


    GiselherHH

    "Mache es besser! (...) soll ein bloßes Stichblatt sein, die Stöße des Kunstrichters abglitschen zu lassen."


    (Gotthold Ephraim Lessing: Der Rezensent braucht nicht besser machen zu können, was er tadelt)

  • Da könnt Ihr mal sehen, was die Tagesform ausmacht !
    Und fünfzehn Jahre nach Hamburg singt derselbe Scheidegger einen bravourösen Wotan / Wanderer binnen einer einzigen Woche in Chemnitz !
    E strano !


    Ciao. Gioachino :hello:

    MiniMiniDIFIDI

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  • Zitat


    Original von Alviano
    Ralf Lukas hat in Wiesbaden keinen der zwei Wotane und den Wanderer wirklich souverän bewältigt: gerade bem Schluss der "Walküre" war der Sänger alles andere als frisch - nur mit Mühe wurden die Töne noch gestemmt und sonderlich präzise war keiner der drei Abende.


    Hallo Alviano,


    ich denke, ich hätte meine Aussage relativieren sollen. Ich meinte
    "für Wiesbadener Verhältnisse". Da fand ich ihn wirklich gut.


    Grüße


    Emotione

  • Hallo Emotione,


    das Thema fällt mir ja nicht so ganz leicht, aber ich mag einfach nicht in einen ungerechtfertigten Jubel bei mittelmässigen Leistungen mit einstimmen und Ralf Lukas ist für mich nur ein Beleg dafür, dass es zum gegenwärtigen Zeitpunkt auch wenig herausragende Wotan-Sänger zu geben scheint. Der diesjährige Bayreuther Rollenvertreter Albert Dohmen - in Wiesbaden kein Unbekannter - stützt diese Einschätzung.


    Das Phänomen, dass Wagner z. Zt. schwer zu besetzten ist, teilt Wiesbaden mit vielen anderen Städten (bei Mozart sieht es aber nicht besser aus...). Deshalb ist Ralf Lukas - leider - wohl das Beste, was man im Moment an kleineren oder mittleren Häusern als Wotan erwarten darf.


    In Stuttgart hatte ich im "Rheingold" Wolfgang Probst gehört - der ist natürlich auch nur noch eine Erinnerung an vergangene Jahre und in den beiden anderen Ring-Teilen Matthew Best, der mich nicht überzeugen konnte.


    Gehen wir in Wiesbaden mal einen "Ring" zurück: da war der Wotan Robert Hale, der war damals ein Versprechen. Ich erinnere mich gut, wie enorm diese Stimme "rüber" kam, gerade auch in der Höhe. Mich hatte Hale an Thomas Stewart erinnert. Dass es zu keinem Bayreuth-Engagement kam, lag am Telramund, den man Hale angeboten hatte, den der Bariton aber abgelehnt hat - Bayreuth verzeiht nicht - und lud den Sänger nie wieder ein.


    Noch früher gab es in Wiesbaden einen Bass-Bariton, der einen unglaublichen Sachs gesungen hat: Hans Kiemer. Wotan oder Wanderer hat er, glaube ich, in Wiesbaden nicht mehr gesungen, dafür aber an vielen anderen Bühnen. Auch er für eine gewisse Zeitspanne ein toller Sänger an kleinen und mittleren Häusern.


    Viel früher gab es einen Bariton in Wiesbaden, der beim Publikum sehr beliebt war: Rolf Kühne (Wotan, Wanderer, Holländer, Telramund...). Auch er eine Stütze für jedes kleinere oder mittlere Theater.


    Diesen "Mittelbau", den vermisse ich heute. Und den gabs in Wiesbaden (und Theatern vergleichbarer Grösse) eigentlich über viele Jahre hinweg.


    Ganz nebenbei: Caterina Ligendza oder Wolfgang Windgassen, Karl Liebl oder Helmut Pampuch, Birgit Nilsson oder Donald McIntyre, auch das war früher in Wiesbaden zu erleben - und für mich unvergessen: der völlig unbekannte Peter Hofmann sang Mitte der 70er einen geradezu sensationellen Siegmund...


    LG

  • Hallo Alviano,


    danke für dieses Posting, das die Erinnerung an schöne, vergangene Zeiten wieder wach werden lässt. Früher nannte man Wiesbaden oft das Sprungbrett für Karrieren. Leider kann ich davon in den letzten 20 Jahren nicht mehr viel oder gar nichts mehr merken. wenn ich mal von Prein absehe, der zur Zeit in München einen sensationellen Beckmesser gesungen haben soll. Jetzt freue ich mich aber zunächst auf die neue Spielzeit, die für mich am 01.09. in Frankfurt mit Figaro beginnt. Da stelle ich immer wieder fest, dass Frankfurt halt doch im Gegensazt zu Wiesbaden und viel mehr noch zu Mainz eine andere Liga ist.
    Obwohl ich hier in Mainz eine beeindruckende Lucia gesehen habe.


    Liebe Grüße


    Emotione

  • Liebe hessische Mitbürger,


    wenn Ihr schon auf einen von Euch wegen Herrn Lukas einkloppt, werdet Ihr ihm wohl auch nicht glauben, dass der " Figaro " in Frankfurt tatsächlich sehens- und hörenswert ist !
    Vielleicht auch habe ich, selbst lyrischer Bariton, einfach zuviel Hochachtung vor den Opernkollegen, die - einem Lukas gleich - die mörderische Partie des Wotan so souverän zu stemmen vermögen, wobei das Wort " stemmen " hier mitnichten einen ungesunden sängerischen Kraftakt bezeichnet.
    Mit den " berühmteren Kollegen " meinte ich übrigens Sänger wie Theo Adam, die sich graustimmig durch die Partie wobbelten.


    Ciao. Gioachino :untertauch:

    MiniMiniDIFIDI

  • Zitat

    Original von gioachino
    Vielleicht auch habe ich, selbst lyrischer Bariton, einfach zuviel Hochachtung vor den Opernkollegen, die - einem Lukas gleich - die mörderische Partie des Wotan so souverän zu stemmen vermögen, wobei das Wort " stemmen " hier mitnichten einen ungesunden sängerischen Kraftakt bezeichnet.
    Mit den " berühmteren Kollegen " meinte ich übrigens Sänger wie Theo Adam, die sich graustimmig durch die Partie wobbelten.


    Über Adam oder auch Hotter lässt sich bekanntlich trefflich streiten, aber bleiben wir noch kurz bei Ralf Lukas. Lukas verfügt über ein gute Bühnenpräsenz und ist darstellerisch wirklich gut. Seiner Stimme sind allerdings in der Höhe Grenzen gesetzt, sowohl vom Volumen her, aber auch vom souveränen Erreichen der Spitzentöne, vieles wird da schnell farblos und wirkt angestrengt. Dazu kommt, dass Lukas bei den wichtigen Parlando-Stellen sich sehr schont und auch Genauigkeit vermissen lässt.


    Das alles führt zu keinem wirklich schlechten Gesamtergebnis, ist aber von einer Spitzenleistung weit entfernt. Ralf Lukas ist, ich sage das feststellend, nicht wertend, wohl das, was man an Häusern wie Wiesbaden zum gegenwärtigen Zeitpunkt in Sachen Wotan erwarten muss.


    Ich bin aber nicht bereit, nur weil es z. Zt. keinen wirklich überzeugenden Fachvertreter zu geben scheint, das Mittelmass zum Höhepunkt hochzujubeln. Das nämlich führt genau dazu, dass die Menschen das intensive Hinhören verlernen und mit erstaunlich wenig zufrieden sind (letztere Bemerkung beziehe ich jetzt nicht explizit auf Lukas).


    Es reicht mir auch nicht, dass ein Sänger sich auf eine Bühne stellt und die "mörderische Partie" des Wotan durchhält, das ist mir ganz klar zu wenig.


    Mir geht es auch nicht darum, auf einen Mitdiskutanten "einzukloppen", wichtig ist mir, der vorgetragenen Meinung etwas entgegenzusetzen.

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  • Noch mal ein Kommentar zu Bryn Terfel als Wotan:



    Ich wurde das erste Mal auf Terfel aufmerksam, als er hier in Berlin Anfang der neunziger Jahre in einem Silvesterkonzert mit dem "Abendstern" und dem "Fliedermonolog" mit einem wahrhaft balsamischen Singen Schlagzeilen machte.


    Ich habe mir danach sofort einige CDs gekauft, und die Entwicklung des Sängers interessiert verfolgt. Aber so sehr ich mich anfangs auf seinen Wotan gefreut habe - der konzertante Ausschnitt unter Abbado ist gut, hat mich aber nicht vollkommen überzeugt -, versehe ich seine "heldenbaritonale" Entwicklung doch mit einem besorgten Fragezeichen.


    Meiner Einschätzung nach ist er ein genuin lyrischer Bariton, der durch ein kerniges Timbre und gute Fokussierung nach mehr klingt, auch ein gewisses Potential hat, die Reserven jedoch sowohl für die schwereren italienischen Partien wie auch für die heldenbaritonalen Wagnerrollen bezweifel ich. Auch, wenn der Holländermonolog auf CD sicher einer der großartigsten der letzten Jahrzehnte ist, scheint mir die Stimme unter den schweren Rollen auf der Bühne doch gelitten zu haben.


    Beim jungen Terfel war vor allem das bezaubernde Mezza Voce ein Ohrenöffner, die Stimme vor allem im Piano bis Mezzoforte unheimlich geschmeidig geführt. Das hob Ihn, neben seinen darstellerischen Fähigkeiten, von der Masse deutlich ab. In letzter Zeit, ich erinnere mich an einige Rundfunkübertragungen der BBC, wirkte das alles viel schwerfälliger, undifferenzierter. Und ich befürchte, dass es ein Resultat fehlender Stamina ist, dass er den Feinheiten seines Stimmkapital mit den schweren Bühnenrollen geschadet hat.


    Gruß
    Sascha

  • Ich habe Hale auch als großen Wotandarsteller mehrmals hier in Berlin erlebt.
    Für mich hat er eine wunderbare Stimme,sie ist warm und kommt blendend zur Geltung.
    Auch das schauspielerische Talent ist nicht zu unterschätzen.

  • Meine Wotan-Favoriten:


    1. Theo Adam (sicherlich nicht der stimmschönste Wotan, aber die Rollengestaltung ist überragend! Exzellente Diktion.)
    2. Hans Hotter (auch er gestaltet die Rolle hervorragend, mächtige, aber etwas nasale Stimme)
    3. Ferdinand Frantz (stimmgewaltig, hat dafür gestalterisch weniger zu bieten als Adam & Hotter)


    Auf der Bühne habe ich bislang leider nur Jürgen Linn im Nürnberger Ring diesen Sommer erlebt. Der war recht gut.


    Hat jemand von Euch Willard White unter Simon Rattle in Aix-en-Provence gesehen? Gab es vor einigen Monaten live bei ARTE. Darstellerisch fand ich das ganz großartig!!! Erhaben, einschüchternd aber auch nicht ohne Humor ...


    Florian

  • Liebe Taminos,


    ich habe mir nochmal "meine" Wotans zu Gemüte geführt. Theo Adam hat zu wenig Statur für die Rolle, das nötige strömende Legato geht ihm auch ab. Hotter klingt unter Solti bereits etwas matt. Bockelmann singt unter Furtwängler (mit Flagstad, London 1937) sehr überzeugend, aber eher stämmig als nuanciert und klangschön (auch sein Rheingold-Wotan ist machtvoll, sein Wanderer ein guter Widerpart für Melchiors Siegfried). George London unter Leinsdorf überzeugt mich durchaus, hat aber stets die leicht kloßige Tonproduktion. Michael Bohnen (als Rheingold-Wotan) hat nicht so ganz die physique du rôle, bei aller Bewunderung.


    In einer eigenen Liga spielen Friedrich Schorr (mit meiner Lieblings-Brünnhilde Frida Leider) und Alexander Kipnis (ich kenne nur Wotans Abschied). Schorrs nuancierter, stets stimmlich präsenter (dabei nie zu ausladend geratende) Vortrag fesselt, die Diktion ist großartig, das Singen nie angestrengt. Teils sind die Tiefen bei Kipnis besser aufgehoben, der auch mit der hohen Tessitura überhaupt kein Problem hat. Sein "Abschied" ist für mich der überragende, Schorrs Portrait ist jedoch plastischer, da die Schlüsselszenen vorliegen.


    Robert Hale habe ich einmal live in Berlin gehört, mit zum Teil lustigen englisch eingefärbten Phrasen; er ist der Partie gewachsen, aber kann das sängerisch-melodische Element nicht genügend bedienen.


    LG,


    Christian

  • Sehr interessant die Aufnahmen von "Wotans Abschied" interpretiert von Mark Rejsen (1895-1992) und
    Luciano Neroni (1909-1951):
    Trotz fremdsprachigem Gesang sind beide Interpretationen äußerst sensibel gestaltet.
    Rejsens nasal eingefärbter Klang mag befremden, jedoch wird dieses durch musikalisch-gesanglichen Ausdruck wettgemacht;
    Neroni legt seine Interpretation heldisch, sehr emotional an.
    Wenn Wagner belcantesk gesungen werden soll/kann, so ist dieses hier zu erleben.



    :hello:Heldenbariton

    Wie aus der Ferne längst vergang´ner Zeiten
    GB

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  • Ich habe kürzlich gelesen, dass Siegmund Nimsgern zwischen 83 und 87 in Bayreuth den Wotan gesungen hat. Da ich Nimsgern recht gerne mag, würde mich mal interessieren, ob jemand von den Taminos ihn in Bayreuth erlebt hat und etwas zu seiner Performance sagen kann, denn leider gibt es ja meines Wissens nach keine offiziellen Tondokumente. "Legendär" wird es wohl nicht gewesen sein, aber mich würde es trotzdem sehr interessieren ...



    :hello: Florian

  • Diabolus in Opera


    Lieber Florian,
    den 83er Ring aus Bayreuth gab es in USA auf CD (Dirigent: Georg Solti), kann man vielleicht sogar noch bestellen.


    An die Jahre 1984, 1985 und 1986 kann ich mich noch gut erinnern, der Bayreuther Ring wurde damals im Rundfunk in den 3. Programmen übertragen. Wir hier in Düsseldorf haben die Aufführungen natürlich im Radio verfolgt, da jede Menge bekannte Düsseldorfer Künstler mitwirkten (Hildegard Behrens, Manfred Jung, Hans Tschammer usw., dirigiert hat der damalige Düsseldorfer GMD Peter Schneider). An die spezielle Leistung von Siegmund Nimsgern als Wotan habe ich allerdings keine Erinnerung - negativ aufgefallen ist er mit Sicherheit nicht. Nur an seinen Wanderer im "Siegfried" (1986) erinnere ich mich noch, da war er tadellos!


    Ich bin mir ziemlich sicher, dass es private Mitschnitte dieser Rundfunkübertragungen gibt - Hildegard Behrens hatte damals jede Menge Fans!


    LG
    Harald

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • @ Harald & ulfk179: Vielen Dank für die schnellen Infos :)


    @ ulfk179: Wie werden diese CDs ausgeliefert? Mit Cover und Heftchen oder ganz "roh"?


    Hmm, habe gerade in dem Thread "Gibt es noch deutsche Opernsänger/-innen?" einen Kommentar von Edwin gefunden, der sich nicht sehr wohlwollend über Nimsgerns Wotan geäußert hat ... na ja, mal gucken, vielleicht leg ich mir die "Walküre" zu ...



    :hello: Florian

  • Zitat

    Original von Diabolus in Opera
    @ ulfk179: Wie werden diese CDs ausgeliefert? Mit Cover und Heftchen oder ganz "roh"?


    So roh wie irgend möglich in der üblichen CD-Box. Wie gesagt - diese Aufnahmen haben null repräsentative Funktion, sie dienen einzig und allein dem Stimmsucher... I'd say: Go for it...

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  • Selbst habe ich 3 CDs im November bei PremiereOpera bestellt. Das Geld war innerhalb von 24 Stunden von meinem Kreditkartenkonto abgebucht....


    Auf die Lieferung warte ich heute noch!
    Nachfrage ergab: "Order Pending"


    wie lange auch immer....


    LG Harald

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Hallo zusammen,


    heute konnte ich endlich erstmals eine weitere Version von "Wotans Abschied" hören, auf die ich schon lange neugierig war.



    Nicht Al Capone stand, wie man dem Cover nach meinen könnte, im Plattenstudio, sondern der 1881 geborene Bass Nazzareno de Angelis.


    Er singt italienisch, verabschiedet das ungehörige Kind folglich mit "Addio sublime prole d´eroi".
    Der Anfang wird mit einer ungemein klangreichen und schallkräftigen Bassstimme mühelos in die Höhe gestemmt, was zusammen mit einem melancholischen Unterton im Stimmklang sehr expressiv wirkt. Wie schon bei Kipnis profitiert auch die Wiedergabe der tieferen Noten im Teil ab Muss ich Dich meiden... von einem echten Bassfundament, auf dem die Stimme ruht - und die dennoch spannungsfrei in die nötige Höhe aufsteigen kann. Etwas störend empfinde ich eine gelegentlich holprige Bindung der Phrasen, was aber an der Übersetzung liegen mag.


    Den Mittelteil "Der Augen leuchtendes Paar" singt er dann mit ganz zarter Mezza voce. So zart, dass der Wechsel in die Vollstimme dann von der Klangbalance für manchen sogar problematisch wirken mag. Auch bei "strahlendes Paar" bleibt die Stimme zurückgenommen.
    Das ist sehr bewegend gesungen, von der Stützung her meist großartig, manchmal aber auch arg auf Kante genäht. Ja, manchmal habe ich sogar den Verdacht, er wechselt aus Gründen der Stütze in die Vollstimme, und nicht nur aus musikdramatischen Gesichtspunkten.


    Der Schlussteil ab der Beschwörung von Loge fehlt leider. Schade, denn hört man den überwältigenden Anfang der Szene, kann man sich gut vorstellen, wie das geklungen haben mag.


    Fazit: Durchaus hörenswert, aufgrund der stimmlichen Präsenz, und der ausdrucksvoll eingesetzten, dynamischen Extreme eine bewegende und nicht nur wegen der Sprache ungewöhnliche Interpretation. Ich halte es aber wie der Inquisitore, und lasse auf Schorr und Kipnis nix kommen. ;)


    Gruß
    Sascha

  • Liebe Leute,
    das Thema Wotan und die adäquaten Darsteller ist faszinierend und trifft sicherlich nicht nur auf Wotan zu. Für jede derart spannende Rolle innerhalb des Operngeschehens sind solche Flügelkämpfe wohl normal.
    Wenn man sich als Sänger, ob Profi oder Amateur, mit Rollen auseinandersetzt, so merkt man bei gesunder Selbstkritik, ob man eine Partie, Rolle oder nur eine Arie dieser Rolle glaubhaft darstellen und stimmlich wiedergeben kann.
    Wir hören von wobbelnder Stimme eines Theo Adam, wir hören von Dieskau, der es sich nicht hätte zumuten sollen, wir hören von Bässen, wie Kipnis, die als Woton toll ankamen und wir hören von alten Stimmen, die längst verklungen und neuen Stimmen, die lokal ihre Favoriten haben.
    Was will uns diese Diskussion sagen ?
    Gönnen wir uns alle das Spektrum, dass uns heute dank der Technik zur Verfügung steht.
    Sind wir verwöhnt, weil wir all die Vergleiche anstellen können ?
    Die Aufnahmetechniken haben sich mit den Jahren verbessert und auch die Interpretationsformen auf den Opernbühnen haben sich gewandelt.
    Hoffentlich werden jetzt nicht zu oft Äpfel mit Birnen vermischt und der ganze Obstsalat wirkt nicht mehr frisch sondern vermatscht.
    Vielleicht sollte man die Interpreten auch innerhalb ihres Zeitfensters sehen.


    Ich höre mir den Wotan gern von vielen Interpreten an und erfreue mich an den einzelnen Interpretationen.


    LG rugero

    Die Stimme, das wohl vollkommenste Instrument.



  • Lieber rugero,


    bezüglich der verschiedenen Interpretationsansätze stimme ich Dir durchaus zu, was aber haben Aufnahmetechnik bzw. "das Zeitfenster" mit Kriterien zu tun, wie sie Sascha angeführt hat: Atemstütze, Legato, Höhen- und Tiefenprobleme, Diktion?
    Nur sehr wenig, scheint mir! Daher denke ich, daß durch den epochenübergreifenden Vergleich kein matschiger Obstsalat entsteht, sondern die alleinige Basis für fundierte Urteile gelegt werden kann.


    LG


    Christian

  • Hallo Christian,
    ich glaube sehr wohl, dass die heutige Aufnahmetechnik nicht nur im Pop und Schlagerbereich, so auch im Klassikbereich an den Höhen- und Tiefenproblemen, wie an der Dynamik "zaubern" kann.
    Es gab mal einen berühmten Vergleich der Tamino-Arie zwischen Tauber und Wunderlich, wo man akustisch die Aufnahme von Wunderlich auf das akustische Niveau von Tauber angeglichen hat. Das hatte etwas und gab mir einen Eindruck einer Vergleichsmöglichkeit.


    Der Vergleich mit der Vergangenheit geht halt meist nur noch über Tonträger, da es wohl nur noch wenige lebende Personen gibt, die vergleichende Sänger vor 1945 und heute live erlebt haben und vergleichen können.


    LG rugero

    Die Stimme, das wohl vollkommenste Instrument.

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