• Hallo Freunde,


    die Ausgrabung dieser (zu Unrecht) vergessenen Oper Alberto Franchettis ist ja in den Kritiken zerrissen worden und ich dachte mir: nun erst recht reingehen...
    Die gestrige, 8. Aufführung dieser Produktion zeigte, dass man auf Kritiken nichts geben sollte, denn (meine ganz persönliche Meinung) ich wurde aufs angenehmste überrascht: Die Sängerleistungen waren überdurchschnittlich gut (Gustavo Porta meisterte die schwierige Partie des Federico Loewe mit Bravour, in der Maske erinnerte er an Caruso, der die Uraufführung sang), Lisa Lindstrom als Ricke sollte man sich merken, die übrigen Mitwirkenden gestalteten ihre Partien ausgezeichnet, sodass der vokale Teil und die Leistung des Orchesters (hab ich lange nicht mehr so gut gehört) unter Attilio Tomasello zum positiven Gesamteindruck beitrug.Ein Hoch der DOB.
    War jemand von euch in einer Aufführung ?


    :hello:Heldenbariton

    Wie aus der Ferne längst vergang´ner Zeiten
    GB

  • Hallo Guido,


    von den Verrissen habe ich auch gehört. Schön, daß Du Dich davon nicht hast abschrecken lassen. :]
    Ich kenne zwar 'Germania' nicht, dafür aber die Oper 'Cristoforo Colombo', die Franchetti zum 400. Jahrestag der Entdeckung Amerikas komponierte. Davon gab es 1991 zwei hervorragende konzertante Aufführungen in der Alten Oper Ffm., die ich damals besuchte, aus deren Mitschnitten eine Einspielung beim Label Koch Schwann produziert wurde, mit Renato Bruson, Roberto Scandiuzzi, Rosella Pasino, Marco Berti, dem Ungarischen Rundfunkchor Budapest, dem RSO Frankfurt unter Leitung von Marcello Viotti.



    'Cristoforo Colombo' ist ja weitgehend von einem symphonischen Stil mit zahlreichen, teilweise höchst effektvoll ausgearbeiteten Orchestervor- und -zwischenspielen sowie durch Verwendung satztechnisch vielseitig gestalteter Chorpartien geprägt und setzt weniger auf italienische Melodienseligkeit in den Solistenpartien.
    Verhält es sich bei 'Germania' ähnlich? Wie fandest Du die Musik?
    Weißt Du, ob von einer der Aufführungen ein (Rundfunk-) Mitschnitt gemacht wurde? Meines Wissens existiert bislang keine einzige Einspielung der Oper.


    Schöne Grüße
    Johannes

  • Hallo Johannes,


    musikalisch hat Franchetti Kinderliedelemente ("Weißt du wieviel Sternlein stehen; das war früher ein Lied der Studentenbewegung mit anderem Text); Anklänge an Wagner (Waldweben/Walküre) und Puccini (den er nicht mochte) verwendet, diese aber hervorragend verarbeitet, auch der Verismo klingt an, aber alle Themen sind eigenständig und nicht abgekupfert.
    Diese Produktion der DOB erscheint im Januar auf DVD.


    :hello:und schöne Weihnachten wünscht dir Guido

    Wie aus der Ferne längst vergang´ner Zeiten
    GB

  • Hallo Guido,


    ganz herzlichen Dank für Deine Charakterisierung von Franchettis 'Germania'-Oper. Die Beschreibung hört sich ja höchst interessant an.
    Somit werde ich wohl nicht daran vorbeikommen, mir die DVD dieser Aufführung zuzulegen. :wacky: :D


    Auch Dir ein schönes, frohes und besinnliches Weihnachtsfest!
    Herzliche Grüße
    Johannes

  • Hallo Freunde,
    endlich ist die DVD der "Germania"-Inszenierung der DOB nach langem Bearbeitungsprozess erschienen.
    Ich fand meine Meinung nochmals, wie in der von mir besuchten Aufführung bestätigt.
    Dieses Werk muss aus der Versenkung ans Licht.
    Inszenierungsbedingt überwiegt die Farbe "blau", was auch mit der optischen Präsenz zu tun haben könnte.
    Die gezeigte Aufführung stammt aus zwei Mitschnitten.
    Meine Empfehlung an alle, die mal etwas unbekanntes hören und sehen möchten.
    Ich möchte das Werk nicht missen.


    :hello: Heldenbariton

    Wie aus der Ferne längst vergang´ner Zeiten
    GB

  • Nun ja, ich bin zwiegespalten. Ich habe mir die DVD besorgt und mein erster Eindruck ist: Eine schöne, wiederentdeckenswerte Musik, auch schön von Orchester, Sänger, Chor und dem Dirigenten dargeboten.


    Die Dramaturgie der Oper lässt aber zu wünschen übrig. Das Ganze wirkt wie auf den Hintergrund der Napoleonischen Befreiungskriege projeziet und der historische Hintergrund ist damit austauschbar.


    Die Inszenierung ist m. E. auch nicht besonders. Der Prolog (halbe Stunde) vor dem Papiervorhang ist ein Offenbarungseid, nach hinten raus wird es besser. Dennoch hätte der Stoff, wenn man die Wahl des historischen Hintergrundes des Komponisten anerkennt, vielleicht mehr hergegeben. Deutschland, das Land der Dichter und Denker und der Krieg. Die Völkerschlacht bei Leipzig: 1813, das Geburtsjahr Wagners, einer der "deutschesten" Komponisten überhaupt. Das ruft doch zur Auseinandersetzung aus. Davon sehe ich nicht viel.


    Das Label Capriccio muss die Vermarktung von Opern-DVDs noch üben. Den Zugang zu einer unbekannten Oper muss man durch Inhaltsangaben fördern, entweder als Bonus auf der DVD oder abgedruckt im Beiheft. Stattdessen dort eine Exegese über das Lied "Weißt du wieviel Sternlein stehen", seine Herkunft und die Verwendung in der Oper. Sehr speziell.


    Die Technik der DVD ist in Ordnung, wenngleich ich die Nebengeräusche auf der Opernbühne akustisch zu stark eingefangen vernehme.


    Christian

  • Hallo Christian,
    natürlich ist nicht alles "Gold was glänzt", natürlich muss man Abstriche machen (Licht, Bühne), aber der Hauptgrund für den Thread war, auf eine, darin stimme ich dir zu, Musik aufmerksam zu machen, die es wert ist, wiederentdeckt zu werden.
    Auch was das Beiheft angeht, hast Du meine Zustimmung.


    :hello:Heldenbariton

    Wie aus der Ferne längst vergang´ner Zeiten
    GB

  • Ich habe das Pech, dass ich nun einmal nicht die Möglichkeit habe, nach Berlin zu kommen, da ich diese Oper gerne näher kennen gelernt hätte. Immerhin habe ich vor Jahren im Radio einen Ausschnitt aus der Oper (eine Szene aus der Baritonpartie) gehört und wenn sie charakteristisch für die ganze Oper sein sollte, dann ist die Bekanntschaft mit diesem Werk sicher sehr lohnenswert.

    Il mare, il mare! Quale in rimirarlo
    Di glorie e di sublimi rapimenti
    Mi si affaccian ricordi! Il mare, il mare!
    Percè in suo grembo non trovai la tomba?