ZitatAlles anzeigenOriginal von Khampan
Vom Yale Quartet gibt es eine Aufnahme (nur) der späten Quartette, sie entstand etwa um 1970 und ist in "The Complete Masterworks" von Brilliant Classics enthalten. Weil ich noch nie von diesem Ensemble gehört hatte, es aber gleichwohl sehr gut besprochen wird (Leserrezensionen bei Amazon.com) und mich die aus den Spieldauern ersichtlichen zügigen Tempi (op. 135, 1. Satz dauert nur 5:38 ) neugierig gemacht hatten, habe ich jetzt mal reingehört.
Hier eine Zusammenfassung, natürlich rein subjektiv, und ich gebe gerne zu daß ich nicht alles ertragen habe:
1. häufig sehr mäßige Intonation, jedes moderne Ensemble kann das live besser.
2. Dynamik findet kaum statt (das sagt einer, dem die postmoderne Kontrastsuche à la Hagen, Artemis etc. deutlich zuviel des Guten ist).
3. Schnitt-technisch mit zugehaltenen Ohren zusammengeflickt: op. 132 gleich nach 1:32 eine um ein Viertel verschoben spielende Viola, hörbar wurde da ein Take verwendet wo sich noch nicht alle zusammengefunden hatten. Dieses besonders krasse Beispiel ist leider symptomatisch, es gibt viele schnittbedingte Sprünge in Dynamik, Tempo, Intonation(!) und Gesamtklang.
4. Tempowechsel (z.B. die in op. 131, 4. Satz Andante ma non troppo) machen auf mich den Eindruck von Beliebigkeit, nicht den einer konzeptionellen Absicht. Auf manche Hörer mag das reizvoll, interessant wirken, auf mich nicht.
5. Der Wille, eine recht zügige, kompakte Interpretation mit expressiven Einlagen abzuliefern, ist durchaus erkennbar, auch ist z.B. die Artikulation hervorragend ausgearbeitet, das Zusammenspiel meist sehr gut. Potenzial wäre also vorhanden gewesen. Nur ist die Umsetzung einer ziemlichen Schlamperei auf vielen Ebenen zum Opfer gefallen.
6. Klanglich etwas dumpf, stellenweise unausgewogen, aber noch brauchbar. Viele störende Nebengeräusche.
Überraschenderweise ist von der gleichen Quartettformation sonst keine Einspielung zu finden.
Das Ensemble bestand nur relativ kurze Zeit (und selbst auf Beethovenaufnahmen wechselt die Besetzung einmal); sie haben außer dem späten Beethoven nur zwei oder drei Platten aufgenommen. Der Klang ist für die Zeit eigentlich ziemlich gut (Vanguard, mag sein, dass Brilliant da keine originalen Tapes hatte oder so, sie sind inwzischen einzlen auf zwei Doppel-CDs erhältlich (Artemis/Vanguard).
Es galt jedenfalls damals als hochvirtuoses Quartettensemble. (Auch wenn ich Intonation nicht so genau höre, möchte ich das "jedes" oben entschieden bestreiten :D, vgl. z.B. das Lindsay Q. oder das Leipziger Streichquartett).
Den nahezu legendären Ruf der Einspielungen kann ich indes auch nicht nachvollziehen. Aus derselben Zeit finde ich die Juillards expressiver und konsequenter, wobei die Yales allerdings wesentlich klangschöner sind.
Die für unsere Ohren geringen dynamischen Unterschiede wundern mich auch; sie treffen aber auf viele älter aufnahmen zu, so dass ich mich frage, ob das nicht auch aufnahmetechnische Gründe haben könnte (wobei es für Orchester so nicht gilt, hier finde ich etliche moderne Aufnahmen fast unanhörbar in Mietwohnungen...)
Die Tempowechsel in op.131,4 stehen übrigens in der Partitur, jede Variation hat ein anderes Tempo (und fast jede einen anderen Takt). Es ist ein außerordentlich schwieriges Unterfangen, hier eine Systematik zu finden dun man kann wohl immer zu ziemlich unterschiedlichen Ergebnissen kommen, wie Tempi sich zueinander verhalten sollen. Und natürlich auch, wie frei ein Tempo gestaltet werden sollte.
Khampan, hast Du mal eine Aufnahme mit dem Petersen Quartet gehört? Ich kenne zwar op.131 mit ihnen nicht, aber insgesamt könnte Dir deren Zugang liegen. Sie scheinen mir sehr präzise, dabei wesentlich geradliniger als z.B die Hagens. Es gibt alle späten und fast alle frühen Quartette bei Capriccio, aufgenommen seit Mitte der 90er. Dann noch eine frühere Aufnahme bei Berlin Classics mit 59,2 und 95.
Vom Guarneri-Q. hätten mich wenn, dann die älteren RCA-Aufnahmen interessiert. Ich werde erstmal abwarten, wie die Brilliant-Box so aufgenommen wird.
viele Grüße
JR