Kann man Bach eigentlich nicht mögen?

  • Zitat

    Original von Johannes Roehl
    Ist das jetzt ernst gemeint? "gefühlte Struktur", was soll das sein? Das ist Unfug.
    viele Grüße
    JR


    Allerdings!!!! Kann man nicht einfach, wenn man nicht genau belegen kann, warum einem der eine Komponist besser gefaellt als der andere einfach schreiben:
    Ja, X gefaellt mir besser Y. Punkt aus Ende.
    Muss man stattdessen mit wissenschaftlichen Begriffen aufwarten ind er Hoffnung seiner
    Meinung mehr Gewicht und Seriositaet zu verleihen um anschliessend, wenn man merkt , man lag falsch, die Wissenschaftlichkeit des verwendeten Begriffes zu relativieren?? :no:

  • Zitat

    Original von Johannes Roehl


    Ist das jetzt ernst gemeint? "gefühlte Struktur", was soll das sein? Das ist Unfug.


    JR


    Vielleicht sollte man zunächst "Struktur" definieren, bevor man sich darüber streitet: Für mich beinhaltet es ein klares "Hier" und "Dort", also das Bestehen eindeutiger und das Fehlen fließender Übergänge. Will allerdings nicht ausschließen, daß ich mangels präziser Begriffe in ein philosophisches Gefasel falle - ggg


    Damit wäre Vivaldi wohl "strukturierter" als Beethoven - wie gesagt, es ist der Eindruck (das "Gefühl"), der beim Hören der Musik entsteht. Betthoven wäre danach (meine Ohren) tendentiell eher "randomisiert".


    Ich kann hier auch nicht ausschließen, daß man beim Noten- oder sonstwas zählen ein anderes Ergebnis erzielt, bin ein Musiklaie und gedenke, das auch zu bleiben.



    Zitat

    Und das sind keine vom Hören abgekoppelten "theoretischen" Behauptungen, sondern selbstverständlich sind mit Hörerfahrung diese Strukturen und Zusammenhänge größtenteils nachvollziehbar. Sehr viel leichter nachvollziehbar als Zahlensymbolik bei Bach, die sieht man wirklich nur durch Notenzählen.


    Genau das wollte ich (und will ich immer noch) bestreiten. Bach spricht (mich) unmittelbar an, da muß man nix zählen, um Strukturen zu erkennen. Fast jede seiner Fugen ist klarer, konzentrierter und einheitlicher als z.B. die Waldsteinsonate.



    Zitat


    Es kommt ganz darauf an, was untersucht werden soll. Der Gegenstand, der mich in erster Linie interessiert, ist die Musik. Daher befasse ich mich mit erstmal mit dem Muskstück (nicht wissenschaftlich, sondenr laienhaft).
    Wenn Dich dagen die Reaktion von Hörern interessiert, dann gehört das eher zur Psychologie (bzw. teils auch Sozialwissenschaft, denn die Reaktion/Rezeption fällt ja nicht vom Himmel und geschieht in einem bestimmten Umfeld und Kontext.
    Die Musik nur von der Reaktion der Hörer her verstehen zu wollen, ist das Pferd von hinten aufzäumen....



    JR


    ganz und gar nicht.


    "Geschmacksklassen" wären ggf. hilfreich, neue Stücke zu entdecken. Innerhalb einer Klasse sollte der Geschmack möglichst homogen, zwischen verschiedenen Klassen eher heterogen sein. Wenn mir dann ein Geschmacks-Buddy eine Empfehlung gibt, wird sie mit einer höheren Wahrscheinlichkeit für mich zutreffen, als wenn irgendwer es empfiehlt.


    Im Marketing würde man es "Zielgruppe" nennen.

  • Zitat

    Original von m-mueller
    "Geschmacksklassen" wären ggf. hilfreich, neue Stücke zu entdecken. Innerhalb einer Klasse sollte der Geschmack möglichst homogen, zwischen verschiedenen Klassen eher heterogen sein. Wenn mir dann ein Geschmacks-Buddy eine Empfehlung gibt, wird sie mit einer höheren Wahrscheinlichkeit für mich zutreffen, als wenn irgendwer es empfiehlt.


    Na, mach endlich einen Thread dazu auf und fang an, Klassen zu definieren. Wär echt interessant, wann, wo und wieso die Sache scheitern wird. Ich mach natürlich gerne mit und verspreche in mindestens 5 Klassen dabei zu sein.
    :yes:

  • Zitat

    Original von m-mueller


    Vielleicht sollte man zunächst "Struktur" definieren, bevor man sich darüber streitet: Für mich beinhaltet es ein klares "Hier" und "Dort", also das Bestehen eindeutiger und das Fehlen fließender Übergänge.


    Stuktur zu definieren soll machen, wer Spaß dran hat. Jede Definition müßte so allgemein sein, dass natürlich jedes Musikstück Struktur hat. Die Strukturen unterscheiden sich aber u.a. in der Komplexität, in der Redundanz und der leichten Erkennbarkeit.
    Du argumentierst hier praktisch ausschließlich vom letzten Punkt, wobei Du "leicht erkennbar" als für jemanden mit deiner Hörbiographie und deinen Vorlieben leicht erkennbar verstehst. Dass jemand, der hauptsächlich (Spät)Barock hört und Barock gehört hat, leichter Strukturen von Barockmusik erkennt, ist ziemlich trivial ;)
    Daher muß man unterscheiden zwischen der Struktur des Stück selbst und ihrer leichten oder schwierigen Erkennbarkeit beim Hören.


    Hör mal ein frühbarockes Madrigal von Monteverdi oder eine Gambenfantasie von Gibbons oder so an, Du wirst sie ähnlich "fremd" oder gar strukturlos finden wie Beethoven, vermute ich.


    Zitat


    Damit wäre Vivaldi wohl "strukturierter" als Beethoven - wie gesagt, es ist der Eindruck (das "Gefühl"), der beim Hören der Musik entsteht. Betthoven wäre danach (meine Ohren) tendentiell eher "randomisiert".


    Ja klar. Du hörst das so und die einfache Erklärung dafür ist, dass Du halt viel mehr Vivaldi gehört hast als Beethoven. Von der Sache her ist es nicht so einfach. Zwar ist Vivaldi objektiv einfacher gestrickt als Beethoven (jedenfalls fast immer), aber Beethoven ist insofern umfassender durchstrukturiert, als dass die Details stärker vernetzt sind und enger mit dem Ganzen zusammenhängen. Ob man das eine leichter erkennt als das andere, ist hauptsächlich Erfahrung und Gewöhnung. Für mich war mit Anfang 20 Bachsche Klaviermusik zum größtenteil "strukturlose" Ketten schneller Noten "ohne Melodie", weil ich eben an Beethovensche kontrastreichere Formen gewöhnt war. Aber es wäre Unsinn zu behaupten, Bachs Klaviemusik sei unstrukturiert. Aber versuch mal eine typische Bachsche Allemande zu singen und ein typisches Sonatenthema von Schubert...


    Wenn ich damals so reagiert hätte, wie Du zu reagieren scheinst, würde ich heute noch kaum Bach hören und das wäre ein ziemlicher Verlust...


    Zitat


    Genau das wollte ich (und will ich immer noch) bestreiten. Bach spricht (mich) unmittelbar an, da muß man nix zählen, um Strukturen zu erkennen. Fast jede seiner Fugen ist klarer, konzentrierter und einheitlicher als z.B. die Waldsteinsonate.


    Wie gesagt, aus deiner Vergangenheit als Hörer völlig klar. Und natürlich sind diese Stücke unterschiedlich strukturiert.
    Aber wenn Du die Waldsteinsonate als "randomisiert" hörst, dann bist Du einfach mit der Tonsprache so wenig vertraut, dass Du die Musik gar nicht beurteilen kannst. Das ist so ähnlich wie wenn jemand, der sein Leben lang nur Betriebsanleitungen gelesen hat auf einmal ein Gedicht verstehen soll (ich meine NICHT, dass Beethoven ein Gedicht, Bach eine Betriebsanleitung ist)


    Ein strenger Kanon ist eine der musikalischen Formen, die weitgehend reduzibel (oder algorithmisch kompressibel) sind: Man muß eine Stimme vorgeben und die Intervalle und Einsätze der weiteren Stimmen, dann läuft der Rest automatisch. Eine Fuge ist wesentlich komplexer, weil bei jeder Durchführung neue Gegenstimmen kommen können und die Zwischenspiele noch freier gestaltet sind. Wer nicht selbst Fugen spielt (ich kann das zB nicht), wird hörend oft Schwierigkeiten haben, zu erkennen, wann genau eine Durchführung endet (die Anfänge sind oft stärker hervorgehoben, aber auch nicht immer) usw.
    Eine Sonate ist in der Großform recht streng, aber im Detail relativ frei, d.h. die Struktur ist weniger von außen vorgegeben, was aber keineswegs heißt, dass sie lose oder beliebig wäre. Wie fast immer gilt hier Sachsens Antwort auf die Frage Walthers, "Wie fang ich nach der Regel an?" "Ihr stellt sie selbst und folgt ihr dann!"
    Die Großform ist in fast allen Sonaten, besonders in Sinfonien sehr deutlich markiert, etwa der Anfang des "Seitensatzes", Beginn der Durchführung, Beginn der Reprise. Das liegt u.a. daran, dass Sinfonien für Hörer geschrieben wurden, Bach-Fugen für Spieler.
    Ein Sonate kann mehr "Überraschungen" enthalten als eine Fuge. Aber ein barockes Concerto ermöglicht auch solche Überraschungen, sonst wären die 4 Jahreszeiten unmöglich. In der Sonate können solche Überraschungen aber eher ins Ganze integriert werden. Die diversen Vogelstimmen in den 4 Jahreszeiten sind durch das Programm motiviert. Eine Scheinreprise o.ä. in der Klassik ist dagegen ein Spiel mit der Form.


    Es ist wohl so und das dürfte vom psychologisches oder sogar wahrnehmungsphysiologischen Rahmen gegeben sein, dass als interessant and ästhetisch ansprechend eine gute Mischung aus Redundanz und "Zufälligkeit" oder Überaschung empfunden wird. Extreme Redundanz ist langweilig, ständiges Abwechseln ohne wiederkehrende Elemente kann leicht überfordern. Gewiß kann man dennoch beides als Stilmittel nutzen (Minimal Music oder einiges bei Webern vielleicht mit Wiederholungsverbot).
    Aber was die Balance zwischen diesen Momenten betrifft, sehe ich keinen allzugroßen Unterschied zwischen Barock und Wiener Klassik.
    Die Klassik ist "dynamischer" in der Sonate sind Strenge und Freiheit ausgeglichener als in Barockformen, wo man entweder sehr strenge (Fuge), ziemlich strenge (Choralvorspiel) oder sehr freie (Fantasie, Rezitativ) Formen oder eben simple Reihenformen (Tanzformen, Rondos usw.) Concertosätze sind ein bißchen komplexer, aber letztlich eher Reihenformen wie Arien mit mehreren Dacapos.


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
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    (Bob Dylan)

  • Lieber Johannes,


    so langsam wiederholen sich die Argumente ja, wobei es mir scheint, daß uns inhaltlich nicht viel trennt, allenfalls das Ergebis - ggg


    Du behauptest, ich sei durch Hörgewohnheiten, Sozialisation etc. zu einem Barockhörer geworden - ich behaupte nichts anderes. Du bist vermutlich Wiener-Klassik-sozialisiert....


    Der Vergleich mit den Betriebsanleitungen un den Gedichten hat allerdings einen doch wohl reichlich überheblichen touch - auch WENN ich keine Ahnung von den technischen Hintergründen der Musikerstellung habe, werde ich nicht akzeptieren, daß ich Musik nicht beurteilen kann. Habe genügend klassische "Gedichte" gehört, um sie von barocken Betriebsanleitungen unterscheiden zu können - und wie der Zufall so will: Betriebsanleitungen scheinen mir mehr zu liegen als Gaga. Wobei ich Beethoven selbstverständlich nicht als Gaga bezeichnen möchte.



    Kurzstückmeister, der Thread wird schon noch aufgemacht - muß noch ein bißchen Strukturierungsarbeit reinstecken, damit nicht alle Taminos - so wie Du - vor vornherein (wer zeiht hier immer wen der Vorurteile ?? ggg) ein Scheitern wünschen oder herbeireden.

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  • Zitat

    Original von m-mueller
    Du behauptest, ich sei durch Hörgewohnheiten, Sozialisation etc. zu einem Barockhörer geworden - ich behaupte nichts anderes. Du bist vermutlich Wiener-Klassik-sozialisiert....


    Ich habe damit angefangen (bzw. zu allererst mit Tschaikowsky), aber inzwischen höre und schätze ich ja sehr viel Musik außerhalb der Klassik (und Tschaikowsky nicht besonders). Wenn man sich selbst zum Sklaven seiner zufälligen ersten Musiksozialisierung machen möchte, bitte sehr. Ich finde das eine seltsame Haltung. Sie ist widersprüchlich, weil man einerseits weiß, dass der Geschmack nicht notwendig ist, sondern bedingt, andererseits aber meint, ihn nicht ändern zu können. Klar, wird einem nie alles gefallen, aber wenn man sich in anderen Geschmacksdingen so verhalten würde, müßten wir alle nur Milchbrei essen!


    Zitat


    Der Vergleich mit den Betriebsanleitungen un den Gedichten hat allerdings einen doch wohl reichlich überheblichen touch - auch WENN ich keine Ahnung von den technischen Hintergründen der Musikerstellung habe, werde ich nicht akzeptieren, daß ich Musik nicht beurteilen kann. Habe genügend klassische "Gedichte" gehört, um sie von barocken Betriebsanleitungen unterscheiden zu können - und wie der Zufall so will: Betriebsanleitungen scheinen mir mehr zu liegen als Gaga. Wobei ich Beethoven selbstverständlich nicht als Gaga bezeichnen möchte.


    Dann nimmt halt Gedichte von Jandl resp. von Goethe als Beispiel.
    Das hat mit Überheblichkeit wenig zu tun, sondern mit der Vertrautheit der Sprache. Wer wie ich mit 17 Debussy als konfuse, undurchdringliche Klangwand oder ein Bach-Präludium als langweilige, einförmige Kette von Sechzehnteln hört, für den ist das fast wie chinesisch. Er kann die Musik so wenig beurteilen wie ein chinesisches Gedicht, wenn er die Sprache nicht beherrscht. Wenn man in Musik überhaupt keine Strukturen und Entwicklungen hört (und das heißt keineswegs, dass man das alles technisch benennen kann, das kann ich idR auch nicht), fehlt einem die Vertrautheit mit der "Sprache". Diese Vertrautheit muß man nicht technisch erarbeiten (wobei das helfen kann), sondern es reicht wiederholtes Hören (insofern ist es etwas einfacher als chinesisch). Wenn man zwar Strukturen wahrnimmt, aber im Urteil so falsch liegt, dass man Beethoven für randomisiert hält, fehlt es ebenfalls an Vertrautheit mit der Sprache.


    Und dann sollte man insbesondere nicht behaupten, chinesische Gedichte seien unstrukturiert, insofern stimme ich dem zu, was Wulf oben sagt.


    viele Grüße


    JR

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  • Zitat

    Original von Johannes Roehl


    [ Wenn man sich selbst zum Sklaven seiner zufälligen ersten Musiksozialisierung machen möchte, bitte sehr.


    JR


    Gute Güte, Du trägst doch inzwischen ein bißchen dick auf. Fühle mich nicht als Sklave, zumal ich ja nun tatsächlich auch reichlich Nichtbarock höre (teilweise sogar mit Genuß - ggg). Ich KENNE Waldstein und Co., und es gab eine Zeit, da ich die Mondscheinsonate (na ja, erster Satz) zu meinen Lieblingsstücken gezählt habe (und 3. Satz bewundert, weil ich mir gar nicht vorstellen konnte, wie man so schnell (Arrau) auf den Tasten herumdrücken kann) , die 5. Sinfonie von LvB rauf- und runtergedudelt habe und seine 9. erhebend fand - aber man lernt ja dazu.


    Ansonsten scheint es mir inzwischen ein recht rabulistischer Streit zu sein - also: Kriegsbeil begraben und einfach mal Anderssein akzeptieren. Oder von mir aus Inkompetenz. Aber Du fährst vermutlich auch nicht Auto mit schlechtem Gewissen, nur weil sich Dir die Geheimnisse des Verbrennungsmotors noch nicht vollständig mitgeteilt haben...



    Kurzstückmeister: Dada ist im Zweifelsfall eine Kunstform (zumindest dem eigenen Anspruch nach - gg), Gaga ein Geisteszustand - steht für verrückt, sinnfrei (-los), Lautbildung um der Lautbildung willen

  • Nein, das geht nicht, daß man Bach nicht mögen kann.


    (so langsam geht mir ein Licht auf.... Gallo möchte subtil erkunden, wer mit Bach nichts anfangen kann - in seinen Ohren ein schlechter Mensch, den die (Bach)-Welt nicht braucht - und morgen stehen zwei schwarz gekleidete Heren von der Bach - Mafia vor der Tür und machen mir kräftig aua..... :wacky: )


    Nein, wirklich. Ich liebe Bach. BAch war der Größte. Ehrlich. Der allergrößte.


    :baeh01:
    Wulf

  • Ganz im sinne von:


    "Bach ist die Quintessenz aller Musik. Alle Komponisten sollen zu ihm beten, bevor sie mit dem komponieren beginnen"


    LG florian


    :hello:

    Gustav Mahler: "Das Wichtigste in der Musik steht nicht in den Noten."

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  • Hallo!!


    Ja, es geht, dass man Bach, J.S., nämlich nicht mögen kann!!


    Mir persönlich ist seine Musik zu düster, dumpf und tragisch. Ich erkenne ihn als ganz großes Genie der Musikgeschichte an und höre ihn auch ab und zu, aber mehr nicht!!


    Ich verehre ihn nicht und den Großteil seiner Musik mag ich nicht, aus oben genannten Gründen.


    Ausnahmen gibt es natürlich: Die Brandenburgischen Konzerte, seine Klavierkonzerte, die Johannespassion und das Weihnachtsoratorium. Das wars aber auch schon.


    LG joschi

  • Hallo allerseits,


    natürlich geht es, dass man Bach nicht mag - keine Frage. "Mögen" oder "nicht mögen" ist etwas Emotionales, Subjektives, das nicht unbedingt mit der objektiven Qualität der Musik zusammenhängt. Das ist noch nicht einmal abhängig von der Vorliebe für eine bestimmte Epoche (und damit einem gewissen Verständnis für die Stilmerkmale der Musik): Es gibt auch Liebhaber der Barockmusik, die Bach nicht mögen.


    Allerdings ist mir die Aussage, dass jemand Bach nicht mag, viel zu pauschalisierend. Bei nährer Betrachtung stellt sich nämlich heraus, dass dies nicht nur vom Komponisten, sondern auch vom jeweiligen Werk abhängt. Bach hat ausgesprochene "Ohrwürmer" komponiert, die nach meiner Erfahrung auch Menschen hören, die mit seiner Musik sonst nichts anfangen können. Ein paar Beispiele, die sich wahrscheinlich in fast jeder "100 Meisterwerke der Musik"-CD-Box finden lassen: Badinerie aus der Orchestersuite Nr. 2, Air aus der Orchestersuite Nr. 3, Siciliano aus der Sonate Es-dur für Flöte und Cembalo, Toccata und Fuge d-moll für Orgel. Auf der anderen Seite gibt es Werke von Bach, die weniger zugänglich sind und sich erst dann erschliessen, wenn man sich intensiv mit ihnen beschäftigt, indem man sie immer wieder hört und auf sich wirken lässt (möglichst mit den Noten in der Hand).


    Oft ist es auch so, dass Hörer, die hauptsächlich Musik der Wiener Klassik und der Romantik hören, an die Satzstruktur "Melodie mit Begleitung" gewohnt sind, die in diesen Epochen dominiert. Bei Bach findet sich aber sehr oft die Satzstruktur "mehrere gleichberechtigte Stimmen", die ein ganz anderes Hören erfordert, und dieses andere Hören muss man dann erst einmal üben und trainieren. Ideal geeignet sind dafür nach meiner Erfahrung Bachs Triosonaten für Orgel oder seine dreistimmigen Orgelchoräle (z. B. "Wachet auf, ruft uns die Stimme" aus den Schübler-Chorälen), weil sich die Stimmen in der Klangfarbe unterscheiden. Man nehme einen beliebigen dieser Sätze und höre ihn viermal hintereinander, wobei man sich jedesmal auf eine andere der drei Stimmen konzentriert und zum Schluss versucht, alle drei Stimmen gleichzeitig zu verfolgen - das ist gar nicht so einfach!


    Letztlich sollte aber auch niemand ein schlechtes Gewissen haben oder sich zum Kreis der "ernstzunehmenden" Musikliebhaber nicht zugehörig fühlen, nur weil er (oder sie) Bach nicht mag und mit den meisten seiner Kompositionen nichts anfangen kann. Die Geschmäcker und persönlichen Vorlieben sind nunmal verschieden, und genau das ist es, was den Gedankenaustausch hier im Forum interessant und spannend macht. Wenn sich alle in der Wertschätzung von und Vorliebe zu Bach einig wären, wäre das doch langweilig, oder?


    Viele Grüsse von Fugato

  • Ich finde auch, dass man Bach nicht mögen kann. Ich persönlich finde die Matthäus-Passion elends langweilig. Auch, wenn sie ja noch so ein Meilenstein der Musik sein soll. Wenn ich es mir recht überlegen, kenne ich nichts von Bach, was zu meinen Lieblingsstücken gehört, oder was ich gar hin und wieder hören würde. Die Musik gibt mir zu wenig. Als Grinterhund-Musik okay, aber konzentriert Bach hören? - nee.

  • Neeeeeeein!!!! Ahahahahaaaaaaaa!


    Lasst mir den Bach in ruhe....


    ...ich muss diesen Thread ignoreiren....ganz ruhig...ich muss diesen Thread ignorieren...

  • Zitat

    Original von raphaell
    ...ich muss diesen Thread ignoreiren....ganz ruhig...


    Wieso das denn - hier haben sich doch etliche als "Bach-Möger" geoutet. Ich mag ihn auch, unter anderem weil ich ohne ihn nicht zur klassischen Musik gekommen wäre. Vor gut 30 Jahren habe ich zufällig das 3. Brandenburgische Konzert im Radio gehört - da hat's mich gepackt und nicht mehr losgelassen ;)


    Viele Grüsse von Fugato

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  • Zitat

    Als Grinterhund-Musik okay, aber konzentriert Bach hören? - nee.


    Als Aussage eines Hörers, dessen Lieblingskomponist John Williams ist, ist dieses Argument nachvollziehbar, wenn auch dadurch Williams weder auf- geschweige Bach abgewertet wird ! :hahahaha:

    Das geht über das Sagbare hinaus. Das läßt sich nicht deuten und bedarf keiner Deutung. Es kann nur gehört werden. Es ist Musik. (H.H.Jahnn)

  • Das hängt nicht damit zusammen. Von Williams bin ich fasziniert. Ebenso wie von John Rutter. Mehr, als von Mozart, was ja logisch ist, denn über die beiden lebenden Komponisten weiß ich einfach mehr - das Wissen über Mozart ist halt schon begrenzt. Und auch wenn ich Bach nicht sonderlich gern hab, Pachelbel finde ich genial.

  • Hallo c.m.d.,


    Jaja...jedem Tierchen sein Bierchen...sehe ich ja ein...ich lasse ja auch jeden Bach verachten (wenn ich dafür Mozart ein wenig verachten darf! :D)


    Rutter kann ich übrigens trotz der Vorhersehbarkeit und verblüffenden Ähnlichkeit seiner Werke übrigens auch ganz gut leiden...das lässt sich prima singen und geht runter wie Öl!


    Viele Grüße,


    Raphael

  • Ja, verachte, wen du magst. :D
    Mozart hat ebenso langweilige wie vorhersehbare Stücke geschrieben (wenn ich zum Beispiel die Trinitatis Messe aufführen darf) - öd.

  • Zitat

    Original von c.m.d
    Mozart hat ebenso langweilige wie vorhersehbare Stücke geschrieben (wenn ich zum Beispiel die Trinitatis Messe aufführen darf) - öd.


    Das ist hier eindeutig OT - es geht um Bach und nicht um Mozart!


    Mach doch einen neuen Thread auf mit dem Thema "Kann man Mozart nicht mögen?" - das gibt garantiert noch lebhaftere Diskussionen als bei Bach :D


    Viele Grüsse von Fugato

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  • Johann Sebastian Bach wurde am 21. März 1685 geboren und starb am 28. Juli 1750.



    Heute ist sein 330. Geburtstag.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Ich möchte auch heute an den großen Johann Sebastian Bach erinnern, der am 28. Juli 1750 starb. Ich habe in den vergangenen Jahren die besten Erfahrungen mit dieser Gesamtaufnahme gemacht:




    Heute ist sein 265. Todestag.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Früher,


    als ich anfing verstärkt "Klassik" zu hören war Mozart mein Titan - aber heute ist mir Bach viel wichtiger - was sich auch an meiner CD Sammlung ablesen lässt - sie ist inzwischen viel größer als meine Mozart Sammlung - und die ist schon sehr umfangreich.......wenn ich einmal ratlos bin und mich nicht entscheiden kann was ich hören möchte greife ich fast immer zu Bach.


    Gruss


    Kalli

  • Um auf die Eingangsfrage zu antworten: Ja, kann man. "Nicht mögen" ist vielleicht etwas zu viel gesagt, aber Bach gehört zu den Komponisten, die mich nie wirklich begeistert haben, einige der Orgelwerke und die h-Moll-Messe vielleicht ausgenommen. Mit den Kantaten und Passionen kann ich nicht viel anfangen, vielleicht ist mir die protestantische Religiosität einfach zu fremd, die darin zum Ausdruck kommt. Und auch die Konzerte und Orchesterwerke finde ich allenfalls ganz hübsch, nicht mehr. Da ziehe ich Händel und Vivaldi bei weitem vor, die dann auch sehr viel zahlreicher in meiner Plattensammlung vertreten sind.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Und auch die Konzerte und Orchesterwerke finde ich allenfalls ganz hübsch, nicht mehr. Da ziehe ich Händel und Vivaldi bei weitem vor,


    Wenn ich gezwungen wäre, in diesem Zusammenhang den Ausdruck "hübsch" zu benutzen, wäre die Reihenfolge anders:


    Händel
    Vivaldi
    Bach.


    Am liebsten würde ich ihn aber vermeiden.

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  • Am liebsten würde ich ihn aber vermeiden.


    Dann ersetze "hübsch" durch "nett" oder meinetwegen "schön". ;) Was ich damit zum Ausdruck bringen wollte: Das Hören der Bachschen Orchesterwerke ruft bei mir zwar durchaus ein Wohlgefühl hervor, aber bei weitem nicht das hingerissene Entzücken, das etwa ein Concerto von Vivaldi bewirkt.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Bachs Konzerte folgen im Grunde dem Stil Vivaldis (einschl. einiger direkter Bearbeitungen), nur eben kontrapunktisch verdichtet und manchmal mit deutlich ausgedehnteren Sätzen. Das mag gegenüber Vivaldi manchmal etwas "steif" wirken, zumal Vivaldi oft auch stärker auf virtuose (oder tonmalerische) Effekte setzt.


    Händel ist in einzelnen Konzertsätzen auch sehr "italienisch" (auch wenn es kaum ein Konzert gibt, dass als Ganzes a la Vivaldi gestaltet ist), pflegt insgesamt aber einen stärker vermischten, uneinheitlichen und bunteren Stil. Einigermaßen typische Konzertsätze stehen neben Fugen, Chaconnen, instrumentalen Opernarien, Tanzsätzen. In den späten doppelchörigen Konzerten sind einige Sätze sogar Bearbeitungen monumentaler Chorsätze.

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    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Um die Threadfrage zu beantworten und ohne auf irgendwelche Vergleiche mit anderen Komponisten auszuweichen, fällt mir nur ein, dass man doch grundsätzlich an der Musik eines Komponisten Gefallen finden kann - oder eben nicht. Aber man kann selbstverständlich auch hinterfragen, warum eine Akzeptanz oder eine Ablehnung vorliegt. Ich persönlich habe - schon vor langer Zeit - eine Wandlung durchgemacht: Als aktiver, junger Kantoreisänger (Tenor) gefiel mir Bach überhaupt nicht; ich beschreibe das immer mit dem (vorwurfsvoll klingenden, aber durchaus ernst gemeinten) Ausspruch eines mir nicht mehr namentlich erinnerlichen Sängers: Bach komponiert rein instrumental und verlangt viel von seinen Gesangsinterpreten. Die eigene Erfahrung mit der Oratorienmusik Händels ist damals positiver gewesen: Sie war für mich leichter zu singen. Heute, als nur noch Hörender, geht es mir ähnlich wie kalli. Ähnlich deshalb, weil Mozart immer noch der Fixstern ist, alle anderen um ihn kreisen.


    :hello:

    .


    MUSIKWANDERER

  • Hast du auch die Biographie von Günter Wand "So, und nicht anders" gelesen, lieber musikwanderer? Der sagte nämlich auch, dass Mozart "sein Fixstern" sei.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Nein, lieber Willi (um auf Deine Frage sofort zu antworten). Aber ich nehme Deine Anregung gerne auf, villeicht hat unser Medienhaus (vulgo Stadtbücherei) das Buch im Regal. Neukauf kann ich mir aus Platzmangel leider abschminken, denn meiner Holden gefällt die Stapelei auf dem Boden nicht (mehr).


    ;)

    .


    MUSIKWANDERER

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