"Der Traurigste bin ich von allen" - Diskographie großer Wotandarsteller



  • Zweifelsohne ist die Partie des Wotan aus Wagners "Der Ring des Nibelungen" eine der wichtigsten Rollen des gesamten Heldenbariton-Repertoires.
    Vom überheblich machtbessenen Selbstdarsteller über den liebenden Vater bis hin zum ohnmächtigen Mächtigen bietet die Rolle eine Vielzahl von charakterlichen Facetten, fordert viel von Darsteller und Sänger. So facettenreich die Rolle ist, so unterschiedlich sind ihr über die Jahrzehnte die Großen des Fachs gerecht geworden. Oft auch abseits der legendären "Ring"-Einspielungen - so ist die Partie des großartigen Hans Hotter in Soltis Walküre sicher nicht seine beste Einspielung wie ich finde - , weshalb sich meiner Meinung nach eine isolierte Betrachtung der Rolle lohnt.
    Insofern bitte ich um Bekanntgabe Eurer Favoriten (natürlich gerne begründet) unter besonderer Berücksichtigung der jeweils besonders zu empfehlenden Aufnahmen. Von den mir (leider) gänzlich unbekannten Vorkriegssängern bis zur aktuellen Gegenwart ist alles erlaubt. Auch einzeln eingespielte Arien dürfen genannt werden, da ja z.B. gerade "Wotans Abschied" oft im Studio isoliert aufgenommen wurde. Auch hier besitze ich z.B. ein hervorragendes Beispiel mit Hotter, was ich demnächst vorstellen werde.


    Gruß
    Anti

  • Hallo Anti


    wunderbares Thema!
    Wotans jammervolle und erklärende Monologe im zweiten Akt der Walküre gehören für mich zu den schönsten Teilen des Rings.
    In den nächsten Tagen will ich hier einiges konkretes beitragen.
    Gruß, Markus

  • Hotter mag alles sein - nur ist er sicher kein Heldenbariton. Als ich mir die Solti Aufnahme,überall hochgepriesen, das erste Mal anhörte, war ich sehr enttäuscht. Die unstete Klangproduktion ging mir auf die Nerven und vom Stimmtypus klingt Hotter für mich greisenhaft - allenfalls noch passend für den Wanderer. Gut, er hatte vielleicht seine beste Zeit schon hinter sich.
    Schade, das London bei Solti nur den Rheingold Wotan gesungen hat, ich finde, er kommt an das Ideal nahe ran.
    In der Gestaltung der Rolle - wenn auch mit unstetem Ton und zu hell timbriert, oft angestrengt - ist Adam beachtlich (bei Böhm besser als bei Janowski).

    res severa verum gaudium


    Herzliche Grüße aus Sachsen
    Misha

  • Hallo Misha,


    Hotter kein Helden-Bariton? Nun, er war zumindest ein Bass-Bariton, der viel Wagner gesungen hat, und heute noch für viele Liebhaber Synonym für einige dieser Partien ist.
    Falls du Hans Hotter aber erst mit dem Solti-Ring kennengelernt hast, war es wirklich etwas unglücklich. Man muss diese Aufnahme mit dem Wissen um frühere Einspielungen hören. Er war da wirklich nicht in bester Verfassung.


    Ciao

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


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  • Tolles Thema.


    Hotter war ja geradezu für den Wotan prädestiniert. Auch seine Bühnenpräsenz spielte da sicher eine Rolle. Die Solti-Aufnahme entstand um 1965, da war Hotters Stimme bereits ziemlich am Ende. Wer ihn in seiner Bestzeit hören will, besorgt sich die live-Aufnahme unter Krauss, 1953.


    Einer der großen Wotan-Darsteller noch vor Hotter war mit Sicherheit Friedrich Schorr.

  • Hallo zusammen,


    Hotters Leistung in Soltis Walküre war der persönliche Aufhänger von mir, diesen Thread zu erstellen.
    Ich wies ja schon im Einführungspost darauf hin, dass dort sicher nicht seine stärkste Leistung bringt. Insofern ist ja auch ein Ziel dieses Threads, die großen Wotandarsteller mit konkreten diskographischen Tips vorzustellen. ;)


    Bei Hotter sind dies sicher die Liveaufnahmen in den 50er Jahren. Es gibt wohl auch eine sehr gute von 54 (56) ?


    Empfehlen kann ich aber auch die folgende Studioeinspielung vom Label "Testament", wo er zusammen mit Birgit Nilson einige hervorragende Wagnerpartien eingespielt hat, bestens bei Stimme und sehr gut aufgenommen. Unter anderem "Wotans Abschied" enthaltend.



    Ausführlicheres zum Thema, wenn ich mal wieder mehr Zeit habe.


    Gruß
    Anti

  • Hallo,


    @ Heldenbariton:


    Ferdinand Frantz ist sicher rein stimmlich gesehen ein sehr guter Wotan, bleibt der Figur aber wichtige Nuancen schuldig (wobei ich ihn 1953 unter Furtwängler als schon etwas angestrengt und matt empfinde und daher sein Rollenporträt im Wiener Moralt-Ring von 1948/49 vorziehe).


    Dasselbe "Problem" wie bei Frantz habe ich auch bei George London. Rein akustisch ein absoluter Genuß, diese große und voluminöse Stimme wie aus glühender Bronze. Nur ist sie leider nicht sehr beweglich und bewegt sich für meinen Geschmack zu sehr im Bereich mezzoforte bis forte. Dennoch höre ich mir diese prächtige Klangentfaltung immer wieder gern an, besonders im Zusammenspiel mit den grandiosen Wiener Philharmonikern unter Knappertsbusch (Decca-Recital).


    Hans Hotter hat ein wenig Pech gehabt. Nachdem der Krieg eine internationale Karriere um entscheidende Jahre verzögerte, fing er sich 1950 noch ein heuschnupfeninduziertes Asthma ein, was dann im Laufe der Jahre zu dem vielbesprochenen "wobble" führte, jenem Stimmwabern, das einem seine Spätaufnahmen herzlich verleiden kann. Dennoch hört man selbst in Soltis "Walküre" die gestalterische Größe der Interpretation Hotters, die auf der Bühne überwältigend gewesen sein muß. Wer Hotter als Wotan in Bestform hören will, greife zu dem bereits erwähnten Krauss-Ring von 1953 oder (stimmlich noch frischer, wenn auch interpretatorisch nicht ganz so großartig) zu den Vorkriegsaufnahmen, etwa zu "Wotans Abschied" von 1942 unter Heger oder dem Wiener/Berliner 2. Akt "Walküre" von 1938.


    Die Wotane der Stereo-Gesamtaufnahmen:


    - Theo Adam: Sicher ein intelligenter Gestalter der Rolle, der sich rein stimmlich aber im Niemandsland zwischen nicht sehr tiefem Baß und nicht sehr hohem Bariton bewegt. Klanglich rauh, grau, ausgeblichen schreckt er bei Janowski selbst vor dem Schreien nicht zurück. Warum er sooft in Bayreuth auftrat, erschließt sich aus seiner akustischen Hinterlassenschaft jedenfalls nicht.


    - Thomas Stewart: Stimmlich gesehen angenehmer als Adam, wenngleich, wie dieser, mit einer für die Rolle zu leichten Stimme.


    - Dietrich Fischer-Dieskau: Er hat sich am "Rheingold"-Wotan versucht (es gibt allerdings noch eine Studioaufnahme von "Wotans Abschied"), ein Experiment, das er glücklicherweise nicht wiederholt hat.


    - James Morris: Vielleicht der stimmschönste und -gewaltigste der Nachkriegswotane, wenn da nicht m.E. diese fast verletzende Indifferenz dem Text gegenüber wäre. Alles schön auf Linie gesungen, klanglich erstklassig. aber sonst...


    - Robert Hale: Hier liegt die Sache wieder umgekehrt: ein intelligenter Gestalter mit sehr guter deutscher Diktion, aber leider wenig schöner und phonogener Stimme. Offenbar kann man beides nur selten haben.


    - Norman Bailey: Hat den Wotan in der englischsprachigen Gesamtaufnahme der Ringes unter Goodall gesungen, sauber und durchaus nuanciert, aber zum wirklich "großen Portrait" fehlt doch einiges. Als Außenseiter nicht schlecht.


    - Rolf Polke: der Wotan des Swarowsky-"Ringes" von 1968, ein prachtvoller, kerniger Heldenbariton mit präziser Diktion (lange an der Grazer Oper tätig). Vom Timbre her vielleicht etwas grob für die allererste Reihe, aber dennoch bemerkenswert.


    Wer Gesangskunst in Vollendung erleben möchte, sollte sich Friedrich Schorrs Wotan-Studioaufnahmen aus den 1920er und frühen 1930er Jahren besorgen. So eine Vielfalt kleiner und kleinster Nuancen und Inflexionen bei gleichzeitig vorbildlicher Gesangtechnik findet man nur hier (in den Live-Mitschnitten aus New York ist er zumeist (Ausnahme: "Siegfried" 1937) nicht mehr in Bestform). Ansonsten noch empfehlenswert beim Thema "Wotan" Einzelaufnahmen von Rudolf Bockelmann, Hans-Hermann Nissen, Alexander Kipnis und Ludwig Weber. Daneben in italienisch auch noch Apollo Granforte.


    Grüße


    GiselherHH

    "Mache es besser! (...) soll ein bloßes Stichblatt sein, die Stöße des Kunstrichters abglitschen zu lassen."


    (Gotthold Ephraim Lessing: Der Rezensent braucht nicht besser machen zu können, was er tadelt)

  • Hallo,


    unser Wagner-Lexikon Giselher hat schon alles und noch viel mehr angeführt, was auch ich noch hätte beitragen können (genaugenommen hat er den Thread inhaltlich abgeschlossen, was soll man jetzt noch schreiben? ;) ).


    Zu Rolf Polke kann ich nur bedauernd hinzufügen, dass ich ihn völlig versäumt habe. Was für ein Kaliber da jahrelang in Graz gesungen hat, ist eigentlich unglaublich. Wohl auch ein Zeichen für den Niedergang des Wagner-Gesangs, denn heute wäre er der Wotan-Superstar schlechthin (und der Swarovsky-Ring ist immer noch ein heißer Tip für Leute, die möglichst günstig in den gesamten Ring hineinschnuppern wollen; jedoch wächst auch zunehmend mein positives Erstaunen gegenüber dem Neuhold-Ring, wo der Beweis angetreten wird, dass es immer noch möglich ist, dem Ring neue und erfreuliche Seiten abzugewinnen).


    Ciao

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Zitat

    Original von Theophilus
    Hallo,


    unser Wagner-Lexikon Giselher hat schon alles und noch viel mehr angeführt, was auch ich noch hätte beitragen können (genaugenommen hat er den Thread inhaltlich abgeschlossen, was soll man jetzt noch schreiben? ;) )


    War jetzt aber nicht meine Absicht! :D Es gibt doch sicher Wagnerfreunde, die andere Präferenzen haben als ich...


    Grüße


    GiselherHH

    "Mache es besser! (...) soll ein bloßes Stichblatt sein, die Stöße des Kunstrichters abglitschen zu lassen."


    (Gotthold Ephraim Lessing: Der Rezensent braucht nicht besser machen zu können, was er tadelt)

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  • Auch wenn bei mir im Regal 14 verschiedene, komplette Ring-Aufnahmen stehen, könnte ich nie behaupten, alle Wotan-Sänger so genaustens zu kennen wie dies GisellherHH tut.


    Nur etwas fehlt in der ganzen Diskussion: Der Ring ist eine Tetralogie, d.h. es sind 4 Opern mit Partien, welche sich zum Teil über mehrere Opern/Abende erstrecken.
    Darum finde ich es auch wichtig, einen Wotan zu beurteilen, der in allen 3 Opern vom selbem Sänger gesungen wird.


    Der Solti-Ring mag als Studio-Aufnahme einer der besten sein.
    Ich hingegen bevorzuge Bayreuther-Aufnahmen, so wie der 52er mit Keilberth, der 53er mit Krauss oder der 56er mit Knappertsbusch (alle mit H.Hotter als Wotan). Oder auch derjenige mit D.Barenboim - J.Tomlinson -> für mich eine eindrückliche, gewaltige Stimme.
    Zudem kann man bei den alten Aufnahmen auch sehen, dass die Einspielungen wirklich innerhalb der 5-6 Tage gemacht worden sind, in welcher der Ring auch zur Aufführung gebracht wurde.
    Etwas, das man von keiner Studio-Aufnahme behaupten kann.


    Hotter ist somit für mich mein Favorit, aber ich glaube kaum, dass es ein Sänger je geschafft hat, in allen 3 Opern derart zu brillieren, dass er sich in allen Szenen als "Referenz" bezeichnen kann.
    In der Walküre 2. Aufzug gefällt mir z.B. Robert Hale beinahe am meisten, die Abschieds-Arie im 3. Aufzug hör ich mir aber lieber von Tomlinson an.
    Unübertroffen (für mich) ist auch die Anfangsszene Siegfried 2. Aufzug mit Hotter, Neidlinger und Greindl.


    Gruss
    Christoph

    Über Geschmack kann man - aber muss man nicht streiten!

  • Zitat

    Auch wenn bei mir im Regal 14 verschiedene, komplette Ring-Aufnahmen stehen,...


    Respekt, dann bist du ja bald vollzählig... ;)

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Zitat:
    Auch wenn bei mir im Regal 14 verschiedene, komplette Ring-Aufnahmen stehen,...


    Zitat

    Respekt, dann bist du ja bald vollzählig...



    Tja, das ist eben auch mein Problem, ich bin süchtig nach schöner Musik und kann kaum genug kriegen.
    Und dies geht mir nicht nur bei Wagner oder nur bei der Oper so, sondern querbeet durch alle musikalischen Stilrichtungen...

    Über Geschmack kann man - aber muss man nicht streiten!

  • Für mich steht auch Hans Hotter ganz vorne, wenn es um die großen Wotandarsteller geht. Auch wenn er vom Timbre eigentlich kein klassischer Heldenbariton ist, kommt er meinem Ideal dieser Rolle am nächsten. Gerne hätte ich einen interpretatorisch gereiften George London in dieser Rolle gehört, aber das war ja der Musikwelt leider nicht vergönnt.
    Bei James Morris schließe ich mich GiselherHH an: Die Gesangsqualitäten sind immens, vermutlich die schönste Wotanstimme der letzten 20-30 Jahre, man höre nur mal sein "Nicht send ich Dich mehr nach Walhall..." in der DGG-Aufnahme unter Jimmy Levine. Aber leider bleibt es eine schöngesangliche oberflächliche Interpretation. Hört man die großen Wotanmonologe, zeigen sich die Grenzen krass auf - weder Morris noch Levine zeigen, dass sie annährend begreifen - oder halt darstellen wollen - , wass Wagner da ausdrückend wollte.
    Tomlinson und Hale nun ja, Tomlinson immens stimmgewaltig, aber interpretatorisch nicht befriedigend wie ich finde, trotzdem für lange Jahre einer der besten, den man live hören konnte. Hale habe ich vor einigen Monaten live gehört, stimmlich nicht mehr auf der Höhe, aber doch durchaus bemerkenswert. Das Thomas Stewart nicht über die größten stimlichsten Mittel verfügt, ist sicher richtig. Trotzdem gestaltet er die Rolle sehr überzeugend und im Zusammentreffen mit der großartigen Walküre von Karajan auch einer meiner Favoriten.
    Friedrich Schorr habe ich leider noch nicht gehört, muss unbedingt noch nachgeholt werden. Unheimlich eindrucksvoll ist auch Alexander Kipnis . Was für ein Ausnahmesänger, der den Wotan ebenso überzeugend singen konnte, wie den Hunding oder Hagen.


    Gruß
    Sascha

  • "Isoliert" finde ich bei den nicht mehr aktiven oder verstorbenen Sängern George London besonders beeindruckend. Stewart war mir beim ersten Hören auch etwas zu leichtstimmig; andererseits passt diese Stimme wunderbar zur szenischen Gestaltung der Rolle im Chereau/Boulez-Ring (die generell auf leichtere/schlankere Stimmen ausgerichtet ist, weil auch das Orchester ganz anders klingt).


    Aktuell präferiere ich John Tomlinson (finde ich wirklich gut in der Barenboim-Aufnahme) und Falk Struckmann - der aber meines Wissens in dieser Rolle noch nicht "konserviert" wurde.


    Eine Prognose gestatte ich mir:
    Der Wotan der Zukunft ist für mich der Waliser Bryn Terfel, ein intelligenter Rollengestalter mit einer einer phänomenalen Stimme. Wotans Abschied hat er schon auf CD und in Lucerne, jeweils unter Abbado, aufgenommen bzw gesungen; derzeit feiert er sein komplettes "Ring"-Debut in Covent Garden.
    Zu hören übrigens Sa, 17.09.2005 auf Ö1!

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  • Zitat

    Original von martello
    Aktuell präferiere ich John Tomlinson (finde ich wirklich gut in der Barenboim-Aufnahme) und Falk Struckmann - der aber meines Wissens in dieser Rolle noch nicht "konserviert" wurde.


    Hallo martello,


    ich hoffe Du nimmst es mir nicht übel, aber ich bin ganz und gar nicht Deiner Auffassung was John Tomlinson betrifft. Ich denke, man sollte ihn weder als Hagen noch als Wotan (ohnehin eine äußerst zweifelhafte Kombination) überhaupt noch besetzten. Die Stimme ist in einem desolaten, total abgesungenen Zustand. Bei einer Walküre in Berlin im letzten Dezember konnte ich mich letztmalig davon überzeugen. Gesang kann man das schon fast nicht mehr nennen. Er deklamiert sich wirklich gurgelnd, spuckend und räuspernd durch die Partie. Sein tremulöser Wotan ist auch auf dem bei "Farao" erschienen Walküre-Mitschnitt aus München von 2002 unter Mehta zu hören. Waltraud Meier und Peter Seifert retten die Produktion. Einzig eine gewisse Intensität der Darstellung kann man ihm nachrühmen. Zu wenig.


    Falk Struckmann – privat äußert sympathisch und unprätentiös – irritiert mich häufig mit seiner Neigung zum Materialsingen, zum Brüllen. Wenn er als indisponiert angekündigt ist und sich schonen muß, kann er große Momente haben. Nicht seine Wagnerpartien sind es allerdings, in denen er mir am besten gefällt, sondern Wozzeck und Scarpia.


    Thomas Stewart ist für mich einer der größten Wagnerbaritone der letzten fünfzig Jahre. Er scheint mir wegen der nicht eben ausgeprägten Heldenbartion-Charakteristik seiner Stimme oft maßlos unterschätzt. Neben seinem Wotan und Holländer muß man unbedingt seinen Sachs in den tollen Kubelik-Meistersingern haben. Kongenial von Karajan begleitet, ist er mir in der Walküre und im Siegfried mit seiner intelligenten, anrührenden Gestaltung um einiges lieber, als der späte, zwar wissende aber vibratoreiche Hans Hotter unter Solti. Bei Hotter sollte man zu den Aufnahmen aus den Vierzigern (Holländer unter Krauss von 1944) und Fünfzigern greifen und erlebt großen Gesang.


    Bei Bryn Terfel stimme ich Dir im Prinzip zu. Auf seinem Wagner-Recital unter Abbado singt er einen großartig lyrischen aber dennoch erhaben-mächtigen Abschied. Die Formung der Worte „Dem glücklicher’n Manne glänze sein Stern“ ist schlichtweg sensationell und für mich unerreicht. Allein dieser Worte wegen, lohnt die Anschaffung der Platte.


    Liebe Grüße


    Gino Poosch

    Im Verhältnis zur Musik ist alle Mitteilung durch Worte von schamloser Art.
    Friedrich Nietzsche

  • Zitat

    Original von Gino_Poosch



    Thomas Stewart ist für mich einer der größten Wagnerbaritone der letzten fünfzig Jahre. Er scheint mir wegen der nicht eben ausgeprägten Heldenbartion-Charakteristik seiner Stimme oft maßlos unterschätzt. Neben seinem Wotan und Holländer muß man unbedingt seinen Sachs in den tollen Kubelik-Meistersingern haben.



    In einer Würdigung der großen Verdienste von Thomas Stewart muss auch der Parsifal unter Boulez genannt werden. Neben einem tollen Gurnemanz von Franz Crass ragt hier eindringlich Stewart als Amfortas heraus.


    Von Terfel (auf der Abbado-CD) war ich interessanterweise eher enttäuscht, gut, aber nicht gut genug für Terfel dachte ich mir, da ich Ihn sonst sehr schätze. Mir schien er stimmlich nicht voll auf der Höhe, ich bin gespannt, wie seine Entwicklung des Wotan weitergeht.


    Gruß
    Sascha

  • Zitat

    Original von Antracis
    In einer Würdigung der großen Verdienste von Thomas Stewart muss auch der Parsifal unter Boulez genannt werden. Neben einem tollen Gurnemanz von Franz Crass ragt hier eindringlich Stewart als Amfortas heraus.


    Hallo Sascha,


    sehr richtig! Schön, daß Dir Stewart auch gefällt. In der Tat retten Stewart und Crass die Parisfal-Aufnahme die durch Jones und King ins vokale Ungleichgewicht gebracht wird. Über Pierre Boulez schweige ich lieber.


    Liebe Grüße


    Gino

    Im Verhältnis zur Musik ist alle Mitteilung durch Worte von schamloser Art.
    Friedrich Nietzsche

  • Vielleicht interessiert sich ja noch jemand für diesen uralten Thread ...


    Von der Walküre habe ich etwa 33 Aufnahmen, darunter viele als Teil von Komplettaufnahmen des Rings.


    Mein unumstrittener Favorit als Wotan ist Hans Hotter, auch in der hier so viel gescholtenen Solti-Aufnahme schreckt mich seine stimmliche Unstetheit nicht. Wirklich wackelig wirds nämlich nie, dafür hat er gerdae hier unglaubliche Momente: etwa am Ende des 2. Aktes, wenn er mit einer Mischung aus tiefer Erschütterung und Verzweiflung "Geh" ruft, in der Szene mit Fricka das beinahe versteinerte "Was verlangst du?" oder in der großen Szene mit Brünnhilde im 2. Akt. Das ist mehr als Singen, das ist musikalische Eloquenz, vielleicht das Ideal des Wagnergesangs.


    Noch besser, weil stimmlich steter, präsentiert er sich in den Bayreuthmitschnitten der 50er Jahre, am besten vielleicht 1953 unter Clemens Krauss, wo er allerdings ab dem 3. Akt der Walküre doch deutlich abbaut.


    Aber: selbst ein stimmlich nicht in Höchstform singender Hans Hotter ist besser als alle anderen Rollenvertreter !!!


    Einige möchte ich erwähnen:


    Friedrich Schorr sang um 1930 im Studio die ultimative Aufnahme von Wotans Abschied (berückend ergreifend: "... wenn kindisch lallend der Helden Lob von holden Lippen dir floss").


    Rudolf Bockelmann hatte vielleicht DIE klassische Heldenbaritonstimme. Im 3. Akt unter Furtwängler, aufgenommen 1937 in London gestaltet er die Phrase "zu gering wärst du meinem Grimm" einzigartig.


    Theo Adam - seine Stimme wird gern gehasst, ich mochte sie ursprünglich auch nicht, bis ich ihn vor 20 Jahren in Hamburg als Holländer erlebt habe. Seine Ausdruckskraft und Musikalität kommt Hans Hotter aber am nächsten, als Wanderer finde ich seine etwas fahle Stimme sogar fast geeigneter.


    ALLE anderen Wotan-Interpreten, zum Teil wahrlich nicht schlecht (etwa Thomas Stewart, George London, Robert Hale) rangieren für mich eher unter ferner liefen


    findet
    vitelozzo-tamare

  • Zitat

    ThomasBernhard schrieb am 23.03.2005
    Hallo Anti


    wunderbares Thema!
    Wotans jammervolle und erklärende Monologe im zweiten Akt der Walküre gehören für mich zu den schönsten Teilen des Rings.
    In den nächsten Tagen will ich hier einiges konkretes beitragen.
    Gruß, Markus


    *auf die Uhr schaut*


    Hetz Dich nur nicht. ;) :baeh01::D




    Ernsthaft: In den letzten Wochen habe ich einige Walküren-Wotane hören können, die Bibliothek machts möglich. Thomas Steward schneidet dabei innerhalb der jüngeren Gesamtaufnahmen für meine Präferenzen im Moment am besten ab. Will damit sagen: Er ist für mich nicht der größte Wotan, singt aber mit klug disponierten stimmlichen Mitteln, ist ganz selten wackelig, liefert eine subtile Rolleninterpretation, ist in guter Stereoqualität eingefangen und wird von Karajan großartig begleitet, zumal in einer insgesamt sehr gelungenen Aufnahme. Punktsieger sozusagen im Mehrkampf, aber fernab der Weltrekorde in der Einzeldisziplin.


    Fasziniert bin ich aktuell von Ferdinand Franz in der Scala-Aufnahme unter Furtwängler. Wenn er da schon nicht mehr in stimmlich bester Verfassung gewesen ist, muss er wahrlich reiche Mittel besessen haben.
    Sicher nicht der nuancierteste Rollengestalter, technisch hat das was von Hochdrucksingen, die Worte knallen förmlich in den Raum und reißen ebenso prompt wieder ab, Konsonanten verschwinden spurlos und am Beginn von "Der Augen leuchtendes Paar" hat er arge Intonationsprobleme.
    Aber dennoch: In diesem kraftmeierischen Singen liegt bei aller Unvollkommenheit ein Moment der Überwältigung, das mir den übermenschlichen Göttervater vor Ohren führt. Und wenn er dann im Abschied bei "zum letzten Mal letz es mich heut" plötzlich doch einen erstaunlich bewegenden Tonfall findet, hat das immense Wirkung.
    IMO eine hörenswerte Darstellung, zumal mir Furtwängler sehr gut gefällt.


    :hello:
    Sascha

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  • Hubert Hoffmann, leider 1988 mit 55 Jahren verstorbenes langjähriges Mitglied der Stuttgarter Staatsoper, war als Wotan einer der glaubhaften Vertreter dieser Rolle. In unzähligen Ring-Produktionen gestaltete er die schwere Partie und war deshalb auch gerne als Gast-Wotan engagiert.

    Freundliche Grüße Siegfried

  • Zitat

    Original von Siegfried
    Hubert Hoffmann, leider 1988 mit 55 Jahren verstorbenes langjähriges Mitglied der Stuttgarter Staatsoper, war als Wotan einer der glaubhaften Vertreter dieser Rolle. In unzähligen Ring-Produktionen gestaltete er die schwere Partie und war deshalb auch gerne als Gast-Wotan engagiert.


    An Hubert Hoffmann habe ich auch noch sehr positive Erinnerungen. Leider besitze ich als fast einziges Dokument von ihm nur den Mitschnitt des "Rheingoldes" aus Stuttgart, damals noch unter Varviso.


    Besonders in jüngeren Jahren mochte ich dieses leicht Pathetische seiner Interpretation gerne. Er war soetwas wie ein "Sänger alter Schule", der nie zu den Stars gehörte, sondern "seinem" Haus stets verbunden geblieben ist.

  • fgg

    Zitat

    Original von Antracis
    Gerne hätte ich einen interpretatorisch gereiften George London in dieser Rolle gehört, aber das war ja der Musikwelt leider nicht vergönnt.


    George London ist für mich (nicht nur ist in diesen Rollen) unerreicht.


    1962/ 63 erarbeitete er mit Wieland Wagner und Wolfgang Sawallisch in Köln alle drei Wotan-Partien, und diese Inszenierung sollte Bayreuth 1965/66 vorbereiten, zu dem es wegen der Stimmbandlähmung Londons nicht mehr kam.


    Immerhin gibt es neben den Studioprduktionen der Rheingolds unter Solti und der Walküre unter Leinsdorf inzwischen einen Siegfried als Live-Mitschnitt aus der Met von 1962 unter Leinsdorf...


    [JPC]9845123 [/JPC]


    Elisabeth

  • Ich habe erst heute dieses Thema entdeckt,und möchte auf einen sehr alten Beitrag von Theophilus antworten.
    Ja,wir hatten in Graz wirklich große Kaliber.Ich habe hier Hotter als Wotan gehört.Otto Wiener der lange in Graz engagiert war (er sang hier auch seinen ersten Sachs),war ein sehr guter Wotan,dem später Rolf Polke nachgefolgt war.
    Und was Bryn Terfel angeht,von ihm erwarte auch ich mir einen großen Wotan.Er denke er hat die Stimme und auch die Ausstrahlung.
    LG aus Graz Lotosblume

  • Zitat

    Original von Lotosblume
    Und was Bryn Terfel angeht,von ihm erwarte auch ich mir einen großen Wotan.Er denke er hat die Stimme und auch die Ausstrahlung.
    LG aus Graz Lotosblume


    Liebe Lotosblume,


    dieses Urteil unterschreibe ich sofort! Und das nicht nur, weil Bryn Terfel George London als sein großes Vorbild bezeichnet....


    Bei Manuel Brug, Die neuen Sängerstimmen, wird Terfel in dem Kapitel: "Der weltbeste Bariton gleich zweimal" behandelt.


    Auf dieser CD gibt es mit Wotans Abschied und Feuerzauber aus der Walküre einen Eindruck:



    :hello:


    Elisabeth

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  • Zitat


    Original von Lotosblume
    Und was Bryn Terfel angeht,von ihm erwarte auch ich mir einen großen Wotan.Er denke er hat die Stimme und auch die Ausstrahlung.


    Im ROH hat er ihn ja bereits in der Walküre gesungen, mit zum Teil enthusiastischen Kritiken. Hier gehe ich mit Deiner Meinung konform.


    Liebe Grüße :hello:


    Emotione

  • Zitat

    Original von Emotione
    Im ROH hat er ihn ja bereits in der Walküre gesungen, mit zum Teil enthusiastischen Kritiken. Hier gehe ich mit Deiner Meinung konform.


    Ja, und diese Kritiken waren absolut berechtigt. Ich habe noch nie einen derart intensiven Wotan gesehen/gehört. (Dass Terfel attraktiv aussieht, hat natürlich auch eine gewisse Bühnenwirkung) Am Ende war Terfel zwar recht schwach auf der Brust, aber das ermöglichte ihm einen ungemein anmutigen, resignativen Abschied in der Walküre. Insbesondere die Textverständlichkeit ist umwerfend - meine relativ Wagner-unkundige Begleitung war in der zweiten Pause fest davon überzeugt, Terfel sei Deutscher...
    Leider hat Terfel in einem Interview angemerkt, er wolle nicht mehr so lange von seiner Familie getrennt sein und sich als Opernschaffender überwiegend auf GB konzentrieren. Terfel als Sachs und Bayreuth wird für mich also ein Wunschtraum bleiben...

  • Zitat

    Original von ulfk179
    Leider hat Terfel in einem Interview angemerkt, er wolle nicht mehr so lange von seiner Familie getrennt sein und sich als Opernschaffender überwiegend auf GB konzentrieren. Terfel als Sachs und Bayreuth wird für mich also ein Wunschtraum bleiben...


    Herr Terfel hat mich wieder in die Oper zurück gebracht. Nach einigen negativen Erlebnissen wollte ich nur noch Ballett sehen, aber eine Freundin hat mir einfach Karten für den Figaro, den Falstaff und seinen Liederabend bestellt und ich wurde von der 1. Sekunde an sein Fan und dann war der Weg wieder frei für viele andere Vorstellungen.
    Nach England werde ich sicher auch nie fliegen, aber irgendwie macht es ihn noch sympathischer, dass die Familie einen so großen Stellenwert für ihn hat und vielleicht bewirkt das auch, dass er seine Stimme länger erhält, weil er sich nicht so verheizen läßt. Man muss halt hoffen, dass immer mal wieder Übertragungen im TV kommen oder eben DVDs eine Alternative sind. Ihn live zu erleben, ist natürlich das Höchste der Gefühle :yes:


    Jetzt fällt mir noch ein, dass er beim Falstaff (2001) einen schlimmen Bandscheibenvorfall hatte. Da litt man so richtig mit, als der arme Kerl mit diesen Beschwerden auch noch in den Korb krabbeln mußte und in die Themse geworfen wurde. Ein zweites Mal konnte er sich diese Tortur aber wirklich nicht zumuten und sagte ab. Da hatte aber wohl jeder Verständnis.


    :hello: Ingrid

  • Zitat

    Original von GiselherHH


    - Norman Bailey: Hat den Wotan in der englischsprachigen Gesamtaufnahme der Ringes unter Goodall gesungen, sauber und durchaus nuanciert, aber zum wirklich "großen Portrait" fehlt doch einiges. Als Außenseiter nicht schlecht.


    Lieber Giselher,


    Norman Bailey hat Wotans Abschied 1969 auch unter dem alten Otto Klemperer aufgenommen - ich weiß aber nicht, ob diese Aufnahme im Moment erhältlich ist, ich habe sie als "Füller" auf der EMI-Doppel-CD seiner Einspielung der VIII. Bruckner.


    Sicher nicht jedermanns Geschmack, aber für mich ganz weit oben auf der Liste meiner über alle Worte erhabenen Einspielungen. Schon wegen der Ausdrucksintensität in den Orchesterzwischenspielen - wer's nicht gehört hat wird es sich kaum vorstellen können. Nirgends brennen wir genauer, und das beim späten Klemperer in slow motion und mit der Monumentalität eines ganzen Gebirgszuges.


    LG,
    Flo

    "Dekonstruktion ist Gerechtigkeit." (Jacques Derrida)

  • Von den aktuellen Wotans beeindrucken mich Hans Peter Scheidegger und Ralf Lukas ( Chemnitz und Wiesbaden ).
    Dass ich vergeblich auf Samuel Rameys Interpretation warte, habe ich hier im Forum bereits anderenorts geschrieben. ( Franz Crass ).


    Ciao. Gioachino

    MiniMiniDIFIDI

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