THE FOG im Opernbetrieb - Pleiten, Pech und Pannen

  • Leider fehlt mir das ehrwürdige Alter, um Folgendes selber erlebt zu haben. Beim Blättern in alten Zeitungen - bei der Suche nach Material zum Thema "Vor 100 Jahren" - fand ich heute diesen Zeitungsbericht vom 5. Januar 1907:


    "Die zornige Primadonna


    In der Oper zu Genua ereignete sich ein sensationeller Zwischenfall. In der Pause zwischen dem ersten und dem zweiten Akt von "Mignon" stieg die Primadonna Sanfelice plötzlich in den Orchesterraum hinunter und ohrfeigte den Dirigenten. Mit Mühe nur konnte die Rasende von ihrem Opfer getrennt werden. Die Ursache zu dem Racheakt vor breitester Öffentlichkeit soll intimer Natur sein."


    Alfons

  • Ich hatte die Geschichte anderswo schonmal geposted, aber sie ist so schön, dass man sie auch zweimal lesen kann (auch wenn ich sie - natürlich - nicht selbst erlebt habe).


    Die Geschichte ereignete sich 1912 in der Hamburgischen Staatsoper.


    Kapellmeister Otto Klemperer hatte eine leidenschaftliche Affäre mit der Sopranistin Elisabeth Schumann, die -leider- schon mit dem bekannten Architekten Walter Puritz verheiratet war. Puritz nahm dies Klemperer verständlicherweise ziemlich krumm.


    Während einer "Lohengrin"-Aufführung unter Klemperers Leitung saß Puritz in der ersten Reihe genau hinter Klemperer. Kurz vor Beginn des Vorspiels zum dritten Akt stand Puritz auf und rief: "Klemperer, drehen Sie sich um!". Das tat Klemperer auch. Puritz schlug ihm zweimal mit seiner Reitpeitsche ins Gesicht und stürmte dann aus der Vorstellung.


    Daraufhin wandte sich Klemperer ungerührt an das Publikum: "Herr Puritz hat mich angegriffen, weil ich seine Frau liebe. Guten Abend!" Und begann zu dirigieren.


    Klemperer mußte wegen dieser Affäre Hamburg verlassen. Pikanterweise bot ihm ein gutes halbes Jahrhundert später der anscheinend ahnungslose Intendant Rolf Liebermann an, in Hamburg den Lohengrin zu dirigieren. Klemperer lehnte dankend ab... :D


    :hello:


    GiselherHH

    "Mache es besser! (...) soll ein bloßes Stichblatt sein, die Stöße des Kunstrichters abglitschen zu lassen."


    (Gotthold Ephraim Lessing: Der Rezensent braucht nicht besser machen zu können, was er tadelt)

  • Ich habe wieder 'nen Kracher:


    Hänsel und Gretel: Die Knusperhexe wird in den Ofen geschmissen, der ist aber leider nicht richtig fixiert, setzt sich in Bewegung, enthüllt das auf dem Matratzenlager ruhende Hexenweib, nietet in einem den armen Hänsel um und wird erst von Gretels Fußtritt gestoppt. Explodiert ist er dann allerdings auch nicht mehr.


    Knuspergrüße

  • :hahahaha: :hahahaha: :hahahaha:Wo ist das passiert?? Köstlich!!!
    Mir ist auch noch was eingefallen: Ich weiß nicht, woran es liegt, dass in Wien die Souffleure so laut brüllen, dass man sie oft bis in den letzten Winkel der Oper hören kann.
    Frühling 2006, Volksoper, man spielt "Martha". Plumkett Anton Scharinger hat zu singen"Hier sitz ich ganz allein....." Bevor er noch den Mund öffnen kann, dröhnt es aus dem Kasten "HIER SITZ ICH GANZ ALLEIN!" dass wahrscheinlich noch die ganze Galerie zusammengezuckt ist. Scharinger erhebt sich nonchalant, verbeugt sich Richtung Souffleurkasten und singt: "Heut sitz ich NICHT allein...." Der Rest ging im allgemeinen Gelächter unter.
    SchöneGrüße, Sevi

  • O Severina,


    Mehrmals wurde gesagt, man solle nicht schreiben "Finde ich auch", "Hasterecht", usw. Oder einfach ein Smilie als Antwort. Aber hier:
    :hahahaha: :hahahaha: :hahahaha: :hahahaha: :hahahaha: :hahahaha:

  • Hach sevi, das war natürlich mal wieder im Kölner Katastrophenhaus. Mein Vater hat mich daran erinnert, ich hatte das völlig verdrängt, weil ich das als Kind doch alles arg illusionszerstörend fand. Aber jetzt steht es mir wieder sehr, sehr bildlich vor Augen. Vor allem die Gretel in ihrme roten Dirndl, wie sie unter höchstem Kraftaufwand den Ofen zum Stehen bringt und ihrem Bruder wieder auf die Füße hilft - und natürlcih die hexe, die dann seitlich hinter die Tannen gerobbt ist.


    Und bezüglich Souffleuse: Ohweia, da habe ich mal bei einer Assistenz in Essen beim "Graf von Luxemburg" für eine Panne gesorgt. Unsere holde Gräfin war nie sehr textsicher und ich musste bereits bei den Proben als Souffleur einspringen. Puh, alle Achtung für den Job: Bei einem Quartett die Einsätze zu geben. Hollahüh. Na ja, ich hab' jedenfalls einmal die arme Adlige hängen lassen und sie sang dann den Text: "Ich höhöhöhöre nichts mehr." Ich bin versunken im Erdboden, die anderen fanden's spaßig und ich bin anschließend zum Essen eingeladen worden.


    Et es doch immer wieder spaßig hier,


    Knuspi

  • Nö, zu der Zeit war die Theaterwelt noch in Ordnung. Da wurde noch darüber diskutiert, ob die Schleppe diese oder jene Länge haben sollte und die Ethik verletzende G'schichten wurden stirnrunzelnd aus weiter Ferne, wie z.B. Frankfurt beobachtet.


    Gone with the wind-Grüße,


    Knuspi

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  • Mir ist noch eine Wiener "Carmen" in Erinnerung, wo die Kastagnetten im zweiten Akt nicht an ihrem Platz waren und Agnes Baltsa sie sich aus den Kulissen nacheichen lassen mußte... In Bayreuth erinnere ich mich noch recht gut an den Herzog-"Lohengrin", bei dem im ersten Akt das Trockeneis um einiges zu großzügig verteilt wurde und den Zuschauerraum einnebelte. Und um ein paar der Klassiker zu zitieren: die Wiener "Götterdämmerung", bei der Horst Stein vom Pult aus für Hans Beirer einsprang oder eine Münchner "Walküre", bei der Brünnhildes Kostüm in Brand geriet.

  • Zitat

    bei der Horst Stein vom Pult aus für Hans Beirer einsprang


    Hallo Armin,


    sorry - die Geschichte kenne ich nicht - daher meine Bitte um Erläuterung: Was machte Herr Stein denn für Herrn Beirer vom Pult aus ?(

    "Es ist mit dem Witz wie mit der Musick, je mehr man hört, desto feinere Verhältnisse verlangt man."
    (Georg Christoph Lichtenberg, 1773)

  • Zitat

    Original von MarcCologne


    Hallo Armin,


    sorry - die Geschichte kenne ich nicht - daher meine Bitte um Erläuterung: Was machte Herr Stein denn für Herrn Beirer vom Pult aus ?(


    Beirer war sehr schlecht drauf, patzte mehrfach und Stein (der eine sehr gute Tenorstimme hatte) sang "drei, vier - Trink, Gunther, trink, dein Bruder bringt es dir". Das Publikum johlte, und hinterher gab es offenbar einen Riesenkrach...

  • Ks Hans Beirer schmiss und deshalb sang Horst Stein vom Pult
    aus weiter, soweit ich weiß kam es zwischen der
    Opernlegende Beirer und Stein sogar zu einem
    Rechtsstreit, wie der ausging weiß ich leider nicht mehr!
    Glaube mich aber zu erinnern das Beirer Recht bekam.
    Horst Stein war bekannt für seine
    laute "tenorale Stimme"
    z.B. bei Orchesterproben.


    Beide Herren vertrugen sich später jedoch wieder.
    Beirer sang danach noch öfters unter Horst Stein den
    Herodes in "Salome".


    :angel:

    mucaxel

  • .... sie ist wahrscheinlich zu den wartenden Rheintöchtern ins Wasser gehüpft :D:D

    "Es ist mit dem Witz wie mit der Musick, je mehr man hört, desto feinere Verhältnisse verlangt man."
    (Georg Christoph Lichtenberg, 1773)

  • Zitat

    Original von MarcCologne
    .... sie ist wahrscheinlich zu den wartenden Rheintöchtern ins Wasser gehüpft :D:D


    Hoffentlich war's eine traditionelle Inszenierung, denn in einer modernen gäbe es weder Rhein noch Wasser! :D (Außer bei Kusej - da gäbe es ganz viel Wasser!) :D :D
    lg Severina

  • Das war noch die letzte Münchner Ring-Inszenierung von Lehnhoff ; glüclickicherweise merkren die Beteiligten es gleich, und Wotan und ein Feuerwehrmann kamen der Sängerin (ich glaube, es war Gaby Schnaut) zu Hilfe. So finster eritsinne ich mich auch einer Geschichte von einer Wiener "Tosca", bei der Scarpias Perücke Feuer fing...

  • und da war noch eine Wiener Götterdämmerung, bei der programmgemäß alles zusammenkrachte, sogar von oben kamen die Trümmer runter. Und alle dachten, das gehöre dazu - bis sich Hagen und die Rheintöchter mit einem beherzten Sprung zur Seite retteten..... Auch Donald Runnicles griff sich nur kurz ans Herz und dirigierte zu Ende.

    Wir lieben Menschen, die frisch heraus sagen, was sie denken - vorausgesetzt, sie denken dasselbe wie wir (Mark Twain)

  • Dazu passt eine "Werther"-Vorstellung, bei der ein Bühnenscheinwerfer regelrecht explodierte und das Publikum dementsprechend entsetzt reagierte. Baltsa-Carreras hingegen sangen ohne mit der Wimper zu zucken und ohne auch nur im geringsten aus dem Takt zu kommen weiter. Das bewundere ich bis heute.
    lg Severina

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  • Wurde Hildegard Behrens bei einer Göterdämmerungs-Vorstellung an der MET bei Ihrem Sprung in die brennende Gibichungenhalle nicht beinahe von den zu früh zusammenfallenden Trümmern erschlagen?

  • Yepp, das stimmt Kartsen. Sah aus dem Zuschauerraum allerdings schlimmer aus. Die einstürzende Gibichungenhalle war so toll gemacht, dass die mittels Pressluft herniedergehenden Balken, einen an EARTHQUAKE erinnerten. Behrens stand an der falschen Markierung und es sah so aus, als würde einer der wuchtigen Balken genaus auf sie niederkrachen. Die Vorstellung wurde sogar unterbrochen. Übrigens ist in derselben Produktion der arme Siegfried vom Drachenschwanz einmal über die halbe bühne gefegt worden. Und das mit dem vorher zusammenkrachenden Amboss habe ich ja schon mal oben angeführt.
    LG,


    Knuspi

  • Ja, da stockt einem als Zuschauer oft der Atem, wenn man das Gefühl hat, mit den Kulissen stimmt etwas nicht. Ich weiß nicht mehr genau, welche Oper das war, jedenfalls gab es da so eine Art Holzsteg, und als der Tenor schwungvoll darüber rannte, zeigte es sich, dass die vordere Palette offenbar nicht fixiert war und samt Sänger rasant Richtung Orchestergraben schlitterte. Gottlob blieb das Teil dann noch knapp vor dem Absturz hängen, aber das hätte böse enden können. Gab es bei euch in Köln nicht einmal einen Toten, als ein Karabiner nicht richtig eingehängt war?
    Offenes Feuer auf der Bühne beschert mir auch oft Gänsehaut, so schön es auch ist. Beim Züricher "Don Pasquale" z.B. wirft der Don ein Tuch von der Galerie in den Salon hinunter, in dem zwei Kandelaber brennen. Einmal dürfte es einen Luftzug aus der Gasse gegeben haben, denn das Ding segelte völlig programmwidrig Richtung Kerzen und wirklich ganz knapp daran vorbei. Da ging auch schon ein Aufstöhnen durch den Zuschauerrraum.
    lg Severina

  • Hallo Sevi,


    ja, in Köln ist einiges schon passiert: Wolfgang Anheisser verunglückte tödlich beim Zigeunerbaron. Der Balkon, auf dem er seinen Auftritt hatte war furchtbarerweise nicht richtig fixiert.


    Das mit dem Karabiner war - glaube ich - letztes Jahr. Furchtbar.


    Dann ist einer unserer vielversprechenden Dirigenten, der Kertesz, bei einem Urlaub ertrunken und ein wirklich Hoffnungverheißender Tenor, dessen Name ich leider nicht mehr weiß, bei einem Autounfall ums Leben gekommen.


    Schlimm.


    LG,


    Knuspi

  • Zitat

    Wolfgang Anheisser verunglückte tödlich beim Zigeunerbaron. Der Balkon, auf dem er seinen Auftritt hatte war furchtbarerweise nicht richtig fixiert.


    War das nicht eine Vorstellung vom Bettelstudenten ?

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Am letzten Faschingstag möcht ich dafür sorgen, dass dieser Thread noch nicht auf Seite 2 verschwindet! :D


    Zitat

    Original von Armin Diedrich
    So finster entsinne ich mich auch einer Geschichte von einer Wiener "Tosca", bei der Scarpias Perücke Feuer fing...


    Es war Toscas Perücke. Galina Wyshnjevskaya gastierte und hatte ihre eigene russisches und sichtlich nicht feuerfestes Teil dabei.
    Ende 2. Akt. Kostas Paskalis als Scarpia liegt schon tot am Boden.
    "E d'avanti a lui tremava tutta Roma" - sie wirft stolz Ihre Locken nach hinten - leider in die hinter ihr am Tisch stehenden Kerzenständer.
    Die Perücke brennt im Nu. Scarpia ist sofort wieder lebendig - springt auf und reißt ihr die lohende Haarpracht vom Kopf. Rechts aus der 1. Gasse stürzt (echt wahr!) Domingo=Cavardossi mit einem Feuerlöscher auf die Bühne. Dann fällt rasch und gnädig der Vorhang.
    Die in der ersten Gasse diensthabenden Feuerwehrmänner waren immer sternhagelvoll und wir hatten oft Sorge, was im Ernstfall wäre. Nun - es gibt geistesgegenwärtige Sängerkollegen!
    Es folgte eine lange Pause. Paskalis, der ja schon tot war, wurde mit verarzteten Verbrennungen an den Fingern nach Hause geschickt. Galina bestand darauf, trotz Verletzungen am Kopf weiterzusingen. The Show Must Go On!


    Wüßt auch noch ein paar witzige Geschichten - aber ein andermal! Vielleicht darf man sie ja auch in der Fastenzeit noch posten. :D

    Einmal editiert, zuletzt von Brangäne ()

  • Zitat

    er flog in den Orchestergraben. Clong, hat's gemacht


    Aber wo hat es Clong gemacht?


    Ich habe ja schon einiges erlebt, z.B. einen Fußball, der genau zwischen meinem Pultnachbarn und mir aufschlug bei einer " modernen" Inszenierung von "Pariser Leben"-eigentlich von Offenbach.
    Wenn der das Instrument getroffen hätte......ich meine den Fußball...


    Einen ziemlich dramatischen Moment erlebte ich in Ferrara bei einer Aufführung von "Le grand macabre" von Ligeti.
    Dort ist die Bühne nach vorne abschüssig.


    Es sollte ein eiserner Stuhl umgeworfen werden.
    Der Stuhl macht eine Umdrehung nach vorne, dann noch eine.....
    In dem Moment, wo er in den Graben gekippt wäre, er war schon halb über dem Graben angekommen, hat unsere Sopranistin Suzanne Mcleod ihn geistesgegenwärtig festgehalten.
    Wir Cellisten saßen damals noch rechts vom Dirigenten und so hat diesen Moment außer einigen von uns und dem Dirigenten niemand mitbekommen.


    Wäre der Stuhl runtergekracht, hätte mein damaliger Kollege Ingo, der genau darunter saß, die Rentenkasse mit Sicherheit nicht mehr belastet.
    Aber das Geräusch hätte sich sicherlich anders als "Clong" angehört...


    Dirigent Will Humburg und ich haben uns nur kurz angesehen und "Puhhh" gemacht.


    Soviel zu "Clong"..
    Was anderes sind die Flecken auf dem Instrument, wenn irgendein besonders enthusiasmierter Kollege auf der Bühne mal wieder seinen Bühnenwein laut herausgeprustet hat-oder, wenn er an der Rampe singt, gleich seinen eigenen Schleim.........
    Kommt vor :untertauch:


    Unschön ist auch, wenn unbedingt der eiserne Vorhang in die Inszenierung mit eingebracht werden muß.
    Da das Teil beim Herunterfahren ja klingelt, wurde eine arme Sau damit beauftragt, dieses Klingeln bei einer Fidelio-Inszenierung zu unterbinden.
    Der arme Kerl hat jetzt ein paar Finger weniger....
    Ich möchte mal wissen, ob für eine solche Sauerei irgendjemand mal zur Verantwortung gezogen wird- mit Sicherheit nicht :untertauch:
    LG,
    Michael

  • Zitat

    Wolfgang Anheisser


    Es war der Bettelstudent.
    Ich meine mich zu entsinnen, daß der tödliche Unfall dadurch erst möglich wurde, weil er seine Lungen mit Luft vollgepumpt hatte, um seine Arie zu singen, als der Absturz passierte.
    War es nicht ein Lungenriss?
    Na, das ist nicht mehr lustig-aber es würde mich trotzdem interessieren, ob dies zutrifft.

    Zitat

    der Kertesz, bei einem Urlaub ertrunken


    Es war eine Herzattacke beim Baden in Israel

  • Zitat

    Original von Michael Schlechtriem
    Dort ist die Bühne nach vorne abschüssig.


    Frei nach Rudi Carrell: "Eben noch auf unsere Showbühne..." :D

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

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